Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)

Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi

II Die Ausbildung

(A)

Als Melchi-Or seine Weissagung über das Kindlein ausgesprochen hatte, dass es für alle Welt leiden und sterben müsse, da waren alle angereisten Gelehrten über die Maßen bestürzt, wenngleich sie alle vom Geist Gottes ergriffen und überwältigt worden waren, so dass sie auf ihre Angesichter gefallen waren, um anzubeten.

Denn über allem konnten sie es trotzdem nicht fassen und begreifen, da jenes Knäblein doch dazu bestimmt war, einstmals erhöht zu werden über alles und die Herrschaft des Höchsten über das ganze All anzutreten. Und dennoch kündete es ihnen allen ihr Herz, dass es wahr sein musste, weil es ihnen darüber schier dahin-schmolz und verbrannte.

Und Tanisuram, einer der schwarz-häutigen hohen Priester aus Äthiopien, erklärte: „Wir verstehen es ja selber nicht. Aber dem Kind droht sogar bereits jetzt schon in seinem unreifen Alter Gefahr für Leib und Leben, wie es uns durch einen Engel des HERRN enthüllt worden ist, dass Herodes dem Kind nach dem Leben trachtet!

Darum wurden wir auch aus den Himmeln angewiesen, euch heimlich aufzusuchen, in einheimische Gewänder eurer Landsleute gehüllt, damit unser Besuch den Spähern des Herodes verborgen bleibt.

Und deshalb müsst nun auch ihr unverzüglich diese Stadt verlassen, ja, sogar dieses Land, und hinüber nach Ägypten fliehen. Und ihr könnt von dort erst wieder in dies Land größter Verheißungen zurück-kehren, wenn jener Satan bezwungen und überwunden worden ist, der euren Jungen verschlingen will.

So muss der Sohn des Höchsten den selben beschwerlichen Weg der Läuterung gehen, wie er auch einstmals dem von Gott auserwählten Joseph vorgezeichnet war – ja, auch ebenso dem ganzen Haus Israel und überhaupt aller Welt. Auch das göttliche Kind selbst muss diesen Weg gehen, um wahrhaft allen in wirklich allem gleich zu werden und ohne jede Bevorzugung oder irgendeine Bevorteiligung durch Leiden Vollendung zu erlangen, auf dass aller Welt dadurch ersichtlich wird, dass Er rechtens die Herrschaft über alles erlangen wird, da Er sich bewähren wird in wahrhaft allem und Er das Leid aller Welt in sich bündeln, sich selbst aufbürden und tragen wird, um es so schließlich allen abzunehmen.

Vielleicht ist all das ja nötig, auf dass wir erkennen, dass alles, was der HERR uns an Leidvollem abverlangt, wie unverständlich es uns jetzt auch immer erscheinen mag, einfach notwendig ist für unser aller Reifung hin zur ewigen Herrlichkeit, aber dass der All-Gütige uns damit keineswegs alleine lässt, sondern vielmehr all das und noch weit mehr auch sich selbst aufzubürden gewillt ist und es auch sich selbst nicht erspart, damit wir vertrauen können.

So muss jenes Kind in geballter Form all den Prüfungen ausgesetzt werden, welche alle Gotteskinder im Lauf ihres Lebens ereilt. Und deshalb ist sogar jetzt schon Sein Leben bedroht, so dass Es als Flüchtling die Heimatlosigkeit erfahren muss, welche so viele Verfolgte zu erleiden haben. Darum säumt nicht! Packt eure Sachen und flieht! Unverzüglich! Flieht!“

(B)

Und nach diesen Worten des Tanisuram aus Äthiopien brachen die hohen Fürsten unversehens wieder auf. Denn soeben war bereits unvermittelt der Tag angebrochen und die ersten Strahlen der aufgehenden Morgensonne streiften über Bethlehem und hüllten die ganze Stadt Davids in glutrot-violettes Licht.

Schon waren die ausländischen Fremden ebenso abrupt wieder verschwunden, wie sie gekommen waren. Und sie stahlen sich, wieder in vier Gruppen geteilt, durch die Ansiedlung von Ephrata von der Stätte ihrer Anbetung davon.

Joseph aber war sich nicht klar darüber, was er von den Bekundungen jener fremdländischen Heiden zu halten hatte. Denn dass unter ihnen auch viele gottgläubige Proselyten aus Saba und Äthiopien waren, war ihm – wohl aufgrund ihrer Verkleidung – entgangen.

Und so fragte Joseph sich als frommer Jude: Wie konnten solche, die anderen Göttern dienten, was allen Juden strengstens verboten war, und die ihre Einsichten durch okkulte magische Praktiken gewannen – durch Beschwörung von Geistern und Dämonen, sowie durch Ausdeutung der Bewegungen der Sterne, welche sie für Götter hielten und als Schicksalsmächte verehrten: wie konnten solche Magier und Astrologen und heidnische Wahrsage-Priester überhaupt in irgendeiner Weise geist-geleitet sein?!

Und dennoch hatten ihre recht suspekten, finsteren Machenschaften diese irrgläubigen Zeichendeuter auf unerklärliche Weise am Ende doch zu dem göttlichen Kind aus den Himmeln geführt!

Aber konnte das, wozu sie nun Joseph und Maria aufgefordert hatten, wirklich Gottes Wille sein? Erneut alles aufgeben und alle Zelte abbrechen müssen, nachdem sie bereits ihre Liebsten in Nazareth verlassen mussten und sich soeben einigermaßen an ihr neues, von allen bisherigen Familienbanden gelöstes, abgesondertes Leben in Bethlehem endlich gewöhnt hatten? Und nun sollten sie schon wieder das Weite suchen und fliehen müssen? Und dann auch noch ausgerechnet nach Ägypten! – jene Hochburg des Satans, in der das Volk Gottes einstmals so unsäglich unterdrückt worden war, dass alle Kinder Israels dort jämmerlich verendet wären, wenn Gott sich nicht über sie erbarmt und sie mit starkem, ausgestreckten Arm herausgeführt hätte!

Gewiss, es gab dort auch jüdische Siedlungen, zu denen sie sich begeben konnten! Und dort würde dem Kind am wenigsten Gefahr von Herodes drohen! Doch sollte es dem Höchsten, Allmächtigen, denn nicht möglich sein, Seinen allerersten, geliebtesten, eingeborenen Sohn, auf dem alle Seine Verheißungen lagen, auch hier in Israel zu bewahren?

Das konnte doch unmöglich der Wille Gottes sein, dass Sein Kind sich zeitlebens auf der Flucht vor Häschern befinden muss, die Ihm nach dem Leben trachten! Wo fände sich da die Allmacht Seines himmlischen Vaters und dessen über alles erhabene Vorsehung?

Joseph war gänzlich frustriert und sich total unschlüssig, was er machen sollte! Schon wieder alles aufgeben müssen und erneut von vorn anfangen müssen?! Das war ihm einfach abgrundtief zuwider, und alles in ihm bäumte sich energisch dagegen auf!

Jetzt war es ihm eben mit Müh und Not gelungen, sich mit Maria heimlich des Nachts aus Nazareth davon-zu-stehlen und sich nach Bethlehem abzusetzen, bevor irgendjemand in seinem Wohnort von Marias Schwangerschaft erfuhr und seine ganze Familie mit ihm in Verruf kam, und nun DAS! Joseph wollte doch jetzt in Ruhe seinen Lebensabend in seiner ursprünglichen Heimatstadt verbringen, um hier in Frieden den Erlöser Israels heranwachsen zu sehen, um sich dann von Hoffnung erfüllt einmal zu seinen Vätern legen zu können!

Mussten jetzt denn auch ausgerechnet diese heidnischen Diener anderer Götter hier aufkreuzen und über allem auch noch den gottlosen Herodes auf Bethlehem, den Geburtsort des kleinen Jesus, aufmerksam machen, so dass sich nunmehr unweigerlich der argwöhnische Blick jenes Gottes-Widersachers auf die Stadt Davids richten musste, der von je her gegen den Höchsten im Himmel sich auflehnte und stritt?!

Waren diese unbeschnittenen Magier und Astrologen am Ende von Dämonen des Satans geleitet worden, so dass sich durch ihre Anreise die Aufmerksamkeit jenes göttlichen Erz-Widersachers, der sich schon ganz Israels bemächtigt hatte, unweigerlich auf diese unscheinbare Ansiedlung in Ephrata richten musste?!

Was aber war dann von ihrer Warnung zu halten, die sie durch Boten ihrer Götter aus den Himmeln empfangen zu haben glaubten? Oder verbarg sich am Ende vielleicht auch dahinter eine findige Verführung des Satans, der auf diese Weise das Hochkommen des Messias in Israel vereiteln wollte, indem er sie durch Täuschung veranlassen wollte, in eine gott-ferne Region unter Fluch und Zorn aus dem Land der Verheißung zu fliehen, in dem sich doch schließlich alle Heilspläne Gottes durch eben dieses Kind einmal verwirklichen sollten?!

Wieder einmal zermürbten den Joseph seine sorgenvollen Gedanken, wie ein unbarmherzig sich immerfort über ihm weiter drehender Mühlstein!

Joseph hatte schon die ganze Nacht kein Auge zugetan, als jene ausländischen Fremden sich gegenüber von Bethlehem niedergelassen hatten und sich überall die Kunde verbreitet hatte, sie würden den Messias Israels suchen. Das alles hatte ihn schon bis tief in die Nacht wachgehalten und ihm jeden Schlaf geraubt, bis er sich schließlich zu der Entscheidung durchgerungen hatte, dass es wohl das Beste wäre, noch vor Tagesanbruch mit Maria und dem Kind hinüber nach Bethanien zu Marias Tante Elisabeth zu ziehen, um eine Begegnung mit jenen Wahrsage-Priestern zu vermeiden, die aus aller Herren Länder heraufgezogen waren, um dem göttlichen Kind ihre Aufwartung zu machen. Denn nach ihrem Erscheinen bei ihnen wäre ein Verbleib in Bethlehem unmöglich geworden, da aller Welt bekannt geworden wäre, dass in ihrem Heim der Messias Israels aufwuchs!

Aber nun war ihr nächtlicher, heimlicher Besuch doch allen verborgen geblieben! Niemand wusste, dass sie in Bethlehem tatsächlich fündig geworden waren, wenn sie jetzt wieder ihre Zelte abbrechen und in ihre Heimatländer zurück-ziehen würden! Welche Veranlassung bestand dann also noch für eine Flucht?

Warum sollte Gott im Himmel es sich selbst, wie Seinem eigenem Kind, ebenso wie auch ihnen, denen es anvertraut worden war, so schwer machen? Welchen Sinn hatten all diese unverständlichen Prüfungen und Versuchungen? Ging es denn nicht auch ohne all das?! War die Welt denn wirklich nur auf diesem höchst leidvollen, umständlichen und total unverständlichen verschlungenen Wegen zu erlösen und zu retten und zur Vollendung zu führen?

Da Joseph total übernächtigt war, wie auch völlig unschlüssig, was er nun tun sollte, legte er sich, völlig ermattet und erschöpft, nieder, um den zur Nacht nicht gefundenen Schlaf nachzuholen.

(C)

„Joseph! Wach auf!“ Er wurde durch energisches Rütteln von Maria aus seinem endlich gefundenen tiefen Schlaf aufgeschreckt. Von allen Seiten drang Geschrei an sein Ohr – von Kleinkindern, die in ganz Bethlehem abgeschlachtet wurden, sowie von deren Eltern, die im Versuch, ihren Nachwuchs zu schützen, nieder-gestochen wurden oder unter herzzerreißenden heulenden Wehklagen ihre umgebrachten Säuglinge beweinten.

Joseph sprang auf, packte sein Knäblein und floh mit Maria über den Bergkamm zu der abgelegenen Höhle, in welcher sie vor über einem Jahr ihr Kindlein zur Welt gebracht hatte. Sie verbargen den kleinen Jesus im hintersten Winkel der Grotte, vermahnten Ihn, unbedingt Ruhe zu halten, überdeckten Ihn mit Heu und Stroh und stellten die Futter-Raune davor, in welchem sie Ihn einstmals gelegt hatten.

Sogleich wollten sie selbst aus der Grotte eilen, um dort nicht vorgefunden zu werden und Verdacht zu erregen, dass sie dort ihr Kind versteckt hielten. Joseph war bei allem angstvollen Bangen doch guter Hoffnung; denn wer wusste über diese entlegene Höhle schon Bescheid? „HERR! Schütze das Kind! Ich bin gewiss: Du wirst´s auch tun!“, flehte er nur.

Doch als sie sich anschickten, die Grotte zu verlassen, da stürmten ihnen schon bewaffnete Soldaten des Herodes entgegen. Sie hatten ihre Flucht offensichtlich bemerkt und waren ihnen gefolgt.

Maria warf sich ihnen in den Weg, aber wurde von einem der Bewaffneten brutal niedergeschlagen. Schon hatten die eiskalten Kindermörder das Versteck ihres kleinen, geliebten Jesus ausfindig gemacht und Ihn an einem Bein aus dem Heuhaufen gezogen.

Joseph riss sich von dem Häscher los, der ihn fest-hielt. Doch schon hatte der Soldat, der Maria niedergeschlagen und den Jungen aus dem Stroh gezogen hatte, sein Schwert gezückt und stieß es dem kleinen Jesus mitten durch Herz!

Da aber wurde es unvermittelt total finster um Joseph und er fand sich wieder in einem tiefschwarzen, drückenden, raum-losen `Nichts´. War er selbst auch erstochen worden?

Da erspähte er unmittelbar vor sich einen diffusen Schatten unter einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze. Es war jener mysteriöse Fremde, der ihm einstmals durch das erstarrte Bethlehem zu der Hebamme geführt hatte. Der sprach zu ihm: „Joseph, du Sohn Davids! Willst du etwa, das solches dem Kind widerfährt, dass deiner Obhut anvertraut worden ist?!

Wenn nicht, dann höre auf die Weisung, die dir durch jene fremdländischen Fürsten übermittelt worden ist, die aus aller Welt Enden entsandt worden sind, um die Geburt des Welt-Erlösers, des Messias, zu bestätigen, dass wahrhaft der geboren worden ist, der aller Welt Heil und letzte Rettung ist.

Darum folge ihrer Mahnung, auch wenn du den Ratschluss des HERRN und Seine Wege, die jetzt, zu dieser Zeit, für Sein allerliebstes eingeborenes Kind bestimmt sind, wie über alle Seine Kinder, die Er alle in gleicher Weise liebt, absolut unverständlich und unbegreiflich und noch gänzlich unergründlich sind.

Denn fürwahr: Es stimmt! Herodes wird suchen, das Knäblein umzubringen! Darum nimm das Kind und seine Mutter und fliehe mit ihnen hinüber ins Ägyptenland! Denn an Ihm muss sich auch dieses prophetische Wort erfüllen: »Ich habe Meinen Sohn aus Ägypten gerufen.«“

(D)

Da erwachte Joseph von seinem Traum und erklärte Maria, dass sie in der folgenden Nacht nach Ägypten fliehen würden. Daraufhin begaben sie sich hinunter auf den Markt von Bethlehem, um Reise-Proviant und ausreichend Wasser zu besorgen.

Joseph suchte einen Geldwechsler auf, bei dem er mehrere Goldmünzen von dem Schatz, welchen die geistlichen Fürsten ihrem Kind dargebracht hatten, in Denare umtauschte, so dass sie für ihre Anschaffungen, sowie für ihre Reise nach Ägypten ausreichend Wechselgeld hatten. Des weiteren kauften sie sich ein Zelt, um auf ihrem weiten Weg nach Ägypten auch die Möglichkeit zu haben, sich eine eigene Raststätte errichten zu können, wenn sie einmal keine Karawanserei erreichen sollten, sowie einige weitere Säcke, in welchen sie ihre Verpflegung verstauen konnten.

Ein Maultier besaßen sie ja bereits, nämlich jene Eselin, die Maria vor ihrer Niederkunft von Nazareth nach Bethlehem getragen hatte, sowie auch eine Korbwabe, die, auf den Rücken des Lasttiers gespannt, ihr und dem Kind Schutz vor der stechenden Sonne bot.

Eigentlich wollte Joseph das Lämmlein, das sie für das diesjährige Passahfest gekauft hatten, wieder veräußern. Aber das kleine Jesulein weinte so bitterlich, als er Ihm die Schnucke nehmen wollte, dass es Joseph nicht übers Herz brachte, das Opfertier wieder zu verkaufen. Also beschlossen sie, ihrem Buben das Jungtier zu lassen und das Lamm auch mit nach Ägypten zu nehmen, um es dann eben einstmals in Gosen dem HERRN darzubringen.

Als sie aber alles für ihre Reise gerichtet hatten, setzte Joseph sich hin und schrieb einen Brief an seine Söhne, um sie über alles zu unterrichten, was geschehen war, wie darüber, dass sie aus den Himmeln angewiesen worden waren, nach Ägypten zu fliehen.

Und siehe, auf ihrem späteren Marsch ergab sich´s, noch ehe sie Judäa verlassen hatten, dass sie auf eine Gruppe von Pilgern trafen, welche nach Jerusalem zum Tempel Gottes hinauf zogen, um den HERRN anzubeten. Denen gab er seine versiegelte Schriftrolle mit, welche sie seinen Söhnen übergeben sollten. Denn Joseph wusste, dass sie dort mit der Errichtung von Baugerüsten für die Erweiterungsarbeiten am äußeren Vorhof des Tempels beschäftigt waren; und er belohnte die Pilger, die ihm versprachen, sein Schreiben an seine Söhne zu übergeben, für ihre Mühen.

Am nächsten Morgen aber, noch vor Tagesanbruch, verließen sie ihr Heim und machten sich auf den Weg nach Ägypten. Und sie ließen sich dort im Nil-Delta in dem fruchtbaren Landstrich von Gosen nieder, wo auch einstmals ihre Vorfahren gelebt hatten, als Joseph seinen Vater Israel und seine Brüder nach Ägypten geholt hatte, nachdem er zum Groß-Wesir des Pharao, wie sogar auch zum geistlichen Vater über ganz Ägypten erhoben worden war.

In Gosen nämlich lebten auch jetzt, zu ihrer Zeit, noch viele Juden in einer eigenen Siedlung in der Diaspora. Dort verblieben sie mehrere Jahre, bis Herodes, den man „den Großen“ nannte, gestorben war.

Als Jesus aber fünf Jahre alt war, kehrten sie in ihr Heimatland zurück. So erfüllte sich, was der HERR durch den Propheten Hosea angekündigt hatte: „Ich werde Meinen Sohn einstmals aus Ägypten rufen.“

(E)

Als Herodes nun erkannte, dass er von den Weisen betrogen war, da sie nicht zu ihm zurück kehrten, um ihn über den genauen Wohnort des verheißenen Kindes zu unterrichten, und sie es auch verstanden hatten, seine Späher zu täuschen, indem sie sich – in Kleider von Einheimischen gehüllt – heimlich im Schutz der Dunkelheit der Nacht zu dem neugeborenen gott-gesandten König und Friedefürsten begeben hatten, da wurde der idumäische Herrscher sehr zornig und schickte Meuchelmörder aus, um in Bethlehem, sowie im ganzen Umland von Ephrata, alle Knäblein abschlachten zu lassen, die nicht älter als zwei Jahre waren, da der einstige Messias und Befreier Israels nach den Angaben der Weisen bestenfalls eineinhalb Jahre alt sein konnte.

So kam es in Bethlehem zu einem furchtbaren Massaker, wie es nach der Vorkenntnis Gottes bereits durch den Propheten Jeremia angekündigt worden war, der durch eine Weissagung das furchtbare Unheil bereits prophezeit hatte: „In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen..“ Das Grab der Rahel, der geliebten Frau Israels, mit ihrem Gedenkstein befindet sich nämlich auf dem Berg-Kamm von Mar Elias, gegenüber von Bethlehem.

Herodes ließ diesen Anschlag aber freilich auf eine Weise ausführen, dass dieses furchtbare Massaker in keinster Weise mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte. Er ließ die von ihm entsandte Mörderbande nämlich Gewänder von Nabatäern anlegen, welche sich mit Aufständischen verbunden hatten, um ihn zu stürzen, und die auch häufiger in seinem Heimatland Idumäa einfielen und sogar Raubzüge nach Judäa bis hinauf nach Jerusalem ausführten, um ihn zu schwächen.

Denn obwohl Herodes selbst der Sohn einer Nabatäerin war, nämlich von der Kypros, welche Antipater sich zur Frau genommen hatte, führte Herodes schon seit Jahren Krieg mit diesen nord-west-arabischen Nomadenstämmen, deren Reich auf der Sinai-Halbinsel zwischen dem Roten Meer und dem Toten Meer südlich von Idumäa lag, welches sich seinerseits südlich von Judäa befand und dem Reich Israel angehörte, das der Idumäer Herodes regierte, wobei sich das Herrschaftsgebiet der Nabatäer aber überdies auch noch östlich von heiligen Land bis hinauf nach Damaskus in die syrisch-arabische Wüste hinein erstreckte.

Mit diesen Nabatäern hatte sich angeblich sogar auch der einstige hasmonäische Hohepriester Hyrkanos gegen Herodes verschworen, an dessen Seite Antipater, der Vater des Herodes, einst gekämpft hatte, ehe er selbst durch die Gunst Roms zur Herrschaft über Israel gekommen war. Und diesen letzten hohepriesterlichen Monarchen Hyrkanos aus dem Geschlecht der Makkabäer hatte Herodes hinrichten lassen unter dem Vorwand, das jener beabsichtigen würde, mit Hilfe der Nabatäer wieder die Herrschaft über Israel zu erlangen. In Wahrheit ging es Herodes dabei aber allein darum, das Geschlecht der Hasmonäer auszurotten, deren Dynastie er an sich selbst gebracht hatte.

Ebenso wollte Herodes nunmehr den Verdacht auf die Nabatäer lenken, indem er die Meuchelmörder, welche er nach Bethlehem entsandte, nabatäische Gewänder anlegen ließ. Sie sollten ihren Anschlag nämlich wie einen Raubzug in der Gegend von Ephrata aussehen lassen. So schlug der durch und durch verschlagene Idumäer mit dieser Finde aus seiner grausamen Tat sogar einen doppelten Nutzen: Denn es hätte freilich in ganz Israel zu einem empörten blutigen Aufstand gegen ihn geführt, wenn bekannt geworden wäre, dass er eine derartige Gräueltat an dem ihm unterworfenen Volk verübt hatte. So aber schürte er die Wut im Land gegen die verhassten Nabatäer, die mit diesem Anschlag, wie er es erscheinen ließ, einen Rache-Feldzug gegen Israel geführt hatten, womit Herodes alle Juden im Kampf gegen die Erzfeinde Idumäas hinter sich brachte und dadurch alsbald auch die Nabatäer vollauf bezwang.

So blieb es aller Welt verborgen, dass Herodes dieses furchtbare Gemetzel in Auftrag gegeben hatte. Allein der HERR, der ins Verborgene sieht und vor dem alles bis in die tiefsten Tiefen des Scheol hinein bloß und nackt offen-liegt, wusste darum; und Er ließ alsbald auch Sein Strafgericht über Herodes folgen. Und durch Ihn erfuhren auch die Eltern Jesu davon, deren Obhut Er Seinen Sohn anvertraut hatte.

Freilich schöpften auch alle Hohen Rats-Herren Verdacht, da Herodes durch sie schließlich erfahren hatte, dass der einstige Messias in Bethlehem geboren sein musste. Da sie ihre Vermutung aber nicht beweisen konnten, legten sie keine Beschwerde in Rom ein; denn sie fürchteten nicht allein den Herodes, sondern überdies, dass diese Gräueltat, wenn sie erst einmal bekannt würde, ganz Israel zu einem empörten Aufstand reizen würde, der ein furchtbares Blutbad über das ganze Heilige Land gebracht hätte.