Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)

Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi

III Die Aufnahme

16: Jesus und der Blindgeborene

16-A: Wird dieser für ein sündiges Vorleben bestraft?
16-B: Griechische Einflüsse auf den jüdischen Volksglauben
16-C: Gottes Gericht in einer Wiedergeburt im dritten oder vierten Glied?
16-D: Erhob oder stürzte auf diese Weise Gott?
16-E: Glaubten das nicht sogar die Inder?
16-F: War das »Galgal« Gottes nicht das Rad der Wiedergeburt?
16-G: Richtete Gott so noch bereits beständig vor dem Jüngsten Gericht?
16-H: Gab es sterbliche Auferstehungen vor der Auferstehung zur Unsterblichkeit?
16-I: Kehrten auf diese Weise nicht auch Gottes Propheten zurück?
16-J: Lehrten das nicht bereits die Kreisläufe in der Natur?
16-K: Mussten da leibliche Gebrechen nicht Folge früherer Abirrungen sein?
16-L: Auch die Gerechtesten werden vollendet durch Leid!
16-M: Da aller in gleicher Weise geläutert werden: Hütet euch!
16-N: Alle Gerichte sind nur Zuchtmeister auf die Gnade hin!
16-O: Es ist wirklich alles nur Gnade und muss euch zum Besten dienen!
16-P: Seid barmherzig, wie Gott es mit euch allen ist!
16-Q: Alles dient nur der Läuterung hin zum Heil!
16-R: Ich lass es Mir nicht nehmen, das Licht aller Welt zu sein!
16-S: Selbst der Staub erhält Heilkraft!
16-T: Entsandte Wasserquelle
16-U: Ich hatte ja keine Ahnung!
16-V: Ein gänzlich anderer geworden!
16-W: Dieser kann niemals wirklich blind gewesen sein!
16-X: Über schweren Schicksalsschlägen für die göttliche Liebe blind geworden!
16-Y: Aber der Herr will sich noch jedem beweisen!
16-Z: Das Zeugnis eines Erleuchteten vor den vermeintlich Sehenden
16-AA: Seht doch! Er lässt sich schon anbeten gleichwie Gott!
16-AB: Das alles sind doch teuflische Täuschungen!
16-AC: Ich überführe der Blindheit und mache sehend!
16-AD: Nur wer Gottes grenzenlose Liebe sieht, der sieht wirklich!
16-AE: Auch im Leid ist euch die Allmacht nicht fern!
16-AF: Läuterung im Leid führt ins Licht!
16-AG: Im Wissen, dass alles allen zum Besten dient, liegt eure Glückseligkeit!
16-AH: Unter Belastung wird aus Kohle Diamant!
16-AI: Aus dem stechenden Sandkorn wird eine Perle!
16-AJ: Erduldetes Leid führt zu höchster Herrlichkeit!

(A)

Es geschah aber, als Jesus mit Seinen Jüngern durch die Gassen Jerusalems ging, da sahen sie einen armseligen jungen Mann hündisch unterwürfig betteln, der blind geboren worden war.

Da fragten die Schüler den Rabbi: „Sage uns, Meister: Warum wurde dieser in solch ein elendes Dasein als ein Blinder hinein-geboren?

Haben seine Eltern sich versündigt, so dass sie mit dieser Bürde bestraft worden sind: mit einem Kind, das auf sie angewiesen bleiben wird bis zu ihrem Lebensende, statt sie selbst im Alter versorgen zu können?

Oder hat dieser elende Bettler sich selbst versündigt – in einem Vorleben, so dass er in diesem seinem gegenwärtigen Leben mit Blindheit gestraft worden ist von Geburt an?“

(B)

Nachdem Palästina nämlich fast zweihundert Jahre unter griechischer Vorherrschaft gestanden war, bis die Makkabäer einstmals das Heilige Land wieder befreit hatten, waren durch die Griechen, die sich im Heiligen Land niedergelassen hatten, auch viele hellenistische Ansichten ins jüdische Volk eingedrungen.

So glaubten inzwischen auch viele Juden, dass sich jede Seele nicht allein erst am Jüngsten Tage bei einer allgemeinen Auferstehung, sondern bereits unmittelbar nach ihrem Verscheiden einem göttlichen Gericht stellen müsse, in welchem entschieden würde, ob sie in ein jenseitiges Himmelreich eingehen könne oder in Abgründe der Hölle fahren müsse, oder aber, ob sie wieder in ein neues sterbliches Dasein erweckt und geboren würde – mit einer erneuten Chance auf Bekehrung.

Solches nämlich hatten große Philosophen wie Sokrates und Platon unter den Griechen gelehrt; und derartige Vorstellungen teilten inzwischen auch viele gottgläubige Juden.

(C)

Denn schließlich hatte Gott in Seinem Wort doch angekündigt, die Sünden der Vorväter im dritten oder vierten Glied an deren Kindeskindern heimzusuchen! Allerdings stellten die Propheten zugleich klar, dass Gott keineswegs die Kindeskinder für die Verbrechen ihrer Vorväter betrafen würde, was schließlich durch Sein Gesetz auch den Menschen verboten war!

Wer also konnten dann diese Kindeskinder im dritten oder vierten Glied anderes sein als die Wiedergeburten ihrer eigenen Vorväter? – auf die dann der Lohn ihrer eigenen früheren Untaten aus ihren Vorleben in ihren eigenen Schoß, in den sie erneut heranwuchsen, zurück fiel!

(D)

Entsprechend glaubten viele im einfachen Volk, dass der Höchste auf diese Weise die Menschen richten und bestrafen würde:

So stürzte Er selbstherrliche Tyrannen vom Thron, indem Er sie bei ihrem Ableben alles verlieren ließ, was sie sich durch Unterdrückung erbeutet hatten, und, indem Er sie alsdann in ein mittelloses Dasein hinein warf, wo sie nun ihrerseits anderen Despoten ausgeliefert waren, um sie so die Folgen ihrer eigenen Untaten spüren zu lassen; Arme und Bettler aber, die in ihrem schweren Dasein Demut und Barmherzigkeit gelernt hatten, ließ Er in ihrem nächsten Leben in reiche Verhältnisse hinein geboren werden, wo sie das Erbe von solchen antraten, die aus ihrem Leben gerissen worden waren.

Damit erntete ein jeder in seinem Schicksal und Leben nur das, was er selbst in früheren Leben gesät hatte. Und Gott war hier in allem nur allzu gerecht, auch wenn Er – auf ein einzelnes Leben gesehen – dem äußeren Augenschein nach verschiedene Talente und unterschiedliche Lebenschancen zuteilte.

(E)

Schließlich waren sogar vom anderen Ende der Welt die Lehren eines großen Erleuchteten mit Namen »Buddha« aus dem fernsten Orient, nämlich aus Indien, inzwischen bis ins Römische Reich vorgedrungen, welche die Ansichten der Hellenisten bestätigten.

Denn nachdem sich zuerst das persische Reich, dann aber das griechische Weltreich Alexanders des Großen von Indien bis zum Mittelmeer erstreckt hatte, gab es bis hin zu diesen fernsten Regionen Handels-Beziehungen; und hier kam es nicht nur zum Austausch von Gütern, sondern auch von verschiedenen Glaubens-Überzeugungen und Welt-Deutungen.

(F)

Folglich wusste man in Palästina, dass, ebenso wie die Platoniker unter den Hellenisten, auch alle Inder an eine beständige Reinkarnation glaubten, und, dass das Rad der Wiedergeburt das Symbol ihres Glaubens war – ein Symbol, das später auch bei den ersten gnostisch-johannitischen Christen neben dem Fisch als Geheimzeichen für ihren Glauben an Jesus als den Christus Gottes verwendet wurde, wie auch noch einige Jahrhunderte danach von der manichäischen Christenheit, der »Kirche des Heiligen Geistes«, die von ihrem größten Christus-Apostel, dem persischen Christen namens Mani, gegründet worden war, der sich als Nachfolger des Apostels Paulus verstand und dessen Evangelium sich in Windeseile vom Mittelmeer bis nach China ausgebreitet hatte, ehe dieses gnostische Christentum schwere Verfolgung erlitt, woraufhin schließlich das nicht minder aussagekräftige Kreuz zum neuen Erkennungszeichen des orthodoxen Christentums wurde, das sich im Römischen Imperium alsdann etablierte.

Einige von den Juden meinten, dieses Rad der Wiedergeburt fand sich auch in ihren Heiligen Schriften, nämlich in jenem mysterienvollen »Galgal«, das einst der Prophet Hesekiel in mehreren Gottes-Visionen gesehen hatte:

Dieses »Galgal« nämlich bestand aus vier übermächtigen, ineinander liegenden, beständig rotierenden Rädern, aus welchen eine Unzahl angsterfüllter Augen starrten, da sie alle offensichtlich das Gericht für ihre Sünden erwarteten, dem sie alle, ohne jede Möglichkeit, dem entrinnen zu können, durch dieses in alle Himmelsrichtungen umgreifende Rad beständiger Wiedergeburt immer und immer wieder zugeführt wurden.

(G)

So stürzte der HERR Reiche von ihren Thronen, und erhob Arme aus ihrem Elend, so zog jenes »Galgal« Hochmütige in ihr Verderben, wie es zugleich darüber demütig Gewordene aus ihrem Unglück wieder hinaus-hob. Und so erntete ein jeder in einem Folgeleben, was er selbst ausgesät hatte in vorausgehenden Leben.

Diese überall auf der Welt gleichermaßen wahrgenommene Gesetzmäßigkeit wurde von den Indern »Karma« genannt, dass eine jede Seele die Folgen ihrer eigenen Taten, welche die Hindus »Kaman« nannten, irgendwann selbst ereilen würden.

(H)

Freilich glaubte man in Israel allgemein auch an eine allumfassende Auferstehung aller Seelen am Jüngsten Tag hin zu Unsterblichkeit. Aber was sprach dagegen, dass es bis dahin auch sterbliche Auferstehungen geben könnte, also Wiedergeburten in eine erneute vergängliche Existenz bis zu der letzten universalen Wiedergeburt hin zu einer unvergänglichen Existenz? So jedenfalls legten es sich viele unter den Juden zurecht.

(I)

Denn bekundete Gottes Wort dies nicht schon von den Richtern und Propheten, dass diese durch ihre Geburt von Gott auferweckt worden waren, gleichwie solche, die schon einmal gelebt hatten?

So glaubten nicht wenige, der Täufer Johannes könnte die Wiedergeburt des großen Propheten Elia gewesen sein; und auch von Jesus nahmen gar manche an, Er wäre die Reinkarnation eines großen Propheten – etwa die Wiedergeburt des Jesaja oder des Jeremia.

Und schließlich: Könnte es sich bei dem sehnlichst erwarteten Messias, dem »Sohn Davids«, nicht am Ende sogar um eine Wiedergeburt des einstigen Königs David selbst handeln, von welchem die Propheten weissagten, Gott würde ihn einstmals für Israel wieder erwecken?!

(J)

All diese Vorstellung schienen auch den Jüngern Jesu recht einsichtig. Denn zeigte sich dies nicht schon in der Natur, dass alles immer wieder an seinen Ursprungsort zurück kehrt? – alle Winde und Wasser, wie Vögel und Fische, ja, selbst sogar die Sonne, die heute hier untergeht und morgen schon dort wieder ersteht, wie auch nach der von Gott fest zugesicherten ewigen kosmischen Ordnung auf jedes Sterben in der Natur im Herbst und Winter ein neues Aufblühen allen Lebens im Frühling und Sommer folgt und auf jedes Entschlafen am Abend ein neues Erwachen am nächsten Morgen!

Und hatte aus all diesen Hinweisen in der Natur nicht auch schon der weise König Salomo darauf geschlossen? Ja, hatte er dies nicht sogar gelehrt? „Alles, was Gott erschaffen hat, existiert ewig; und der Ewige sucht nur alles Entschwundene immer wieder hervor: Er tötet und macht wieder lebendig; Er wirft hinunter in die Abgründe des Scheols, und ruft von dort wieder in ein neues Dasein herauf; und so erneuert Er beständig, immerfort, die Flächen Seines Ackers.

Und alles, was je in Existenz gerufen wird, war schon längst einmal da, wenn auch keinerlei Erinnerung an das Vorherige, Vergangene, mehr besteht.“

(K)

Also schien es doch nur allzu nahe liegend, dass eine Seele, die in erbärmliche Verhältnisse hinein-geboren wurde – wie dieser armselige Bettler, der schon von Mutterleibe an mit Blindheit geschlagen war, schlicht und ergreifend für frühere Vergehen in vorausgehenden Leben bestraft wurde, so dass diesem nur recht geschah und Gott in allem gerecht blieb und war!

Denn hatte nicht auch Salomo von sich bekannt: „Ich war ein wohlgestalteter junger Mann und hatte eine edle Seele empfangen; oder vielmehr: Da meine Seele edel war, kam ich in einen unbefleckten Leib.“

Hatte König Salomo in seiner unvergleichlichen Weisheit damit nicht schon darauf hingewiesen, dass eine Seele, die in ihren Vorleben edel war, in ihrer Wiedergeburt mit einem edlen und anmutigen, gesunden und kraftstrotzenden Körper belohnt wurde, während – im Rückschluss – ein mit Makeln behafteter Körper seine missliche Gestalt einer mit Makeln behafteten Seele verdankte, die sich in ihren Vorleben selbst Schaden und Verunstaltung zugefügt hatte?

War dies nicht auch der Grund, weswegen die Essener allein nur solche in ihre Reihen aufnahmen, die von edler, vollendeter Gestalt waren, weil sie darin eine ebenso heilige, reine Seele vermuteten? Und war es so nicht sogar in der Tempel-Verordnung vorgeschrieben, dass keine Seele in einem mit Makeln behafteten Leib Dienst am Heiligtum tun durfte?

Aus all diesen Erwägungen heraus schien es den Jüngern nur allzu nahe-liegend, dass jener blind-geborene Jüngling sein schweres Schicksal schlimmen Verfehlungen aus irgendwelchen Vorleben zu verdanken hatte.

Und dies veranlasste den Judas »Didymus«, welchen alle »Thomas«, also »Zwilling«, nannten, Jesus danach zu fragen, ob jener Blind-Geborene für schwere Sünden in einem Vorleben mit Blindheit geschlagen worden sei.

(L)

Jesus aber entgegnete ihnen: „Meint ihr wirklich, dieser oder seine Eltern: sie hätten mehr gesündigt als ihr alle? Ich sage euch: Wenn ihr nicht lernt, aus der göttlichen Barmherzigkeit barmherzig zu leben gegen jedermann, so wird auch euch alle selbst noch auf kurz oder lang ein ebenso unbarmherziges Geschick ereilen – entweder noch in diesem Leben oder aber in einem künftigen!

So solltet ihr euch über solch eine arme, von Gott geschlagene Seele nicht selbstgefällig erheben, sondern euch vielmehr fürchten! Und wer sich lässt dünken, er stehe, der mag wohl zusehen, dass er nicht falle!

Denn gerade all jene, die meinen, schon aus Angst und Gericht hinweg-genommen zu sein aufgrund ihrer vermeintlichen Tugendhaftigkeit, denen droht meist am gewissesten noch gar viel Angst und Gericht! Oder kennt ihr das Sprichwort nicht: »Hochmut kommt vor dem Fall!«? Denn Gott widersteht allen Hochmütigen; allein denen, die Demut gelernt haben, erweist Er Gnade!

Wer aber demütig geworden ist, erhebt sich über niemanden mehr, da er weiß, dass eine jede Seele allein durch eine Unzahl von Gerichten Läuterung erfährt.

Und hier bleiben selbst diejenigen nicht verschont, die nach menschlichem Befinden schon eine hohe, erlesene Gerechtigkeit erlangt haben! Sondern selbst auch diese werden noch geläutert im Schmelzofen des Leids durch eine Unzahl von Prüfungen und Versuchungen, auf dass die Bewährung ihres Glaubens, ihrer Hoffnung und ihrer Liebe einmal viel kostbarer erfunden wird, als die von erlesenstem, reinsten Gold, das durchs Feuer restlos geläutert worden ist!

Denkt an Hiob! Wurde jener nicht sogar vom Höchsten selbst um seiner Gerechtigkeit willen gelobt? Und doch musste selbst auch er noch durch Leiden vollendet werden! Und wahrlich, Ich sage euch: So muss es einem jeden ergehen, sogar dem eingeborenen Sohn selbst!

Wenn solches aber schon am grünen Holz geschieht, was soll dann erst aus dem faulen werden?! Darum hütet euch, über irgendeine Seele den Stab zu brechen, weil sie schwere Prüfung erfährt, statt ihr beizustehen und auszuhelfen!

Denn so denkt ihr doch alle in eurer vermeintlichen Selbstsicherheit: »Dem Unglück gebührt Verachtung! Einen Stoß denen, die schon am Boden liegen!«

(M)

Aber Ich warne euch mit allem eindringlichen Ernst: Wehe! Wehe! WEHE euch! Denn wenn du keine Barmherzigkeit übst mit einer Seele, die am Ende schon weit ausgereifter ist, als du selbst, weil du sie für eine schwere Schuld bestraft und von Gott gemartert hältst: Was meinst du: Welches viel schlimmere Gericht wird dann deine eigene, in Wahrheit noch weit unreifere Seele noch ereilen müssen, die noch nicht erkannt hat, dass ihr alle in der selben Weise allein aus der göttlichen Barmherzigkeit lebt, so dass diese Barmherzigkeit keiner einzigen Seele, wie erbärmlich euch diese auch immer erscheinen mag, in Not und Bedrängnis versagt werden darf!

So hütet euch, jene, die doch schon von Gott gerichtet worden sind, eurerseits noch zusätzlich zu richten oder gar zu verdammen, dass ihr sprecht: »Jenen geschieht ganz recht! Diese ernten doch nur, was sie selbst gesät haben! Das ist das Gericht des Höchsten selbst! Wenn jener dieser Seele keine Barmherzigkeit erweist, warum sollten wir es dann tun?! Es ist doch nur ihr Karma! – und ihr hartes Los nur die Strafe für frühere Untaten in vorausgehenden Leben!«

Wenn ihr so denkt und sprecht, und meint, es stünde euch nicht vielmehr an, solchen Barmherzigkeit zu erweisen, wie ihr doch selbst in gleicher Weise gänzlich auf die göttliche Barmherzigkeit angewiesen seid und auch ewig bleibt, dann sage ich euch: Wehe euch! Dann wird dich alsbald ebensolche Unbarmherzigkeit ereilen, wie du sie jener geschundenen Seele angedeihen lässt!

Oder weißt du nicht, dass dich Gottes Barmherzigkeit zur Barmherzigkeit leiten will?! – sei dies nun durch Gnaden-Erweise oder aber durch Gericht!

Wie aber soll eine Seele Barmherzigkeit lernen, wenn sie ihr nicht erwiesen wird, wenn sie aufgrund ihres unbarmherzigen Wandels unter Gerichte gekommen ist, wo sie dann selbst Mitleid und Barmherzigkeit nötig hat?

(N)

Denn Ich sage euch: Jener Blind-Geborene sowie seine Eltern: diese haben keineswegs mehr gesündigt, als wie ihr alle! Und diese ereilt allein nur, was eine jede Seele auf kurz oder lang unweigerlich treffen und ereilen muss: nämlich ihr eigenes Gericht!

Dies aber soll euch alle treiben in die Arme der Gnade und ist nichts als ein Zuchtmeister auf den Christus und Seine Barmherzigkeit hin!

Denn Gott hat keineswegs Gefallen daran, hinzurichten, zu strafen und zu verdammen, sondern vielmehr daran, alle herzurichten und aufzurichten und auszurichten hin zu ihrer Errettung und zu ihrem Heil!

Folglich dient eines jeden Gericht und Bürde seiner Läuterung hin zu seiner Errettung, dass er über all dem seine eigene Bedürftigkeit erkenne und die Liebe Gottes fände, die ihm dann geschenkt wird – gänzlich umsonst! – zu seinem Heil – zur Verherrlichung Gottes!

(O)

So verurteilt nicht all jene, die durch schwere Prüfungen und Gerichte hindurch müssen; und neidet es ebenso nicht denjenigen, die wie durch ein Wunder unversehens Heilung und Genesung und Erleichterung und Erlösung erfahren!

Denn wahrlich, Ich sage euch: All diesen Wundern geht immer eine lange Zeit schwerster Prüfungen voraus, welche die Seelen erst für das Wunder Gottes bereiten! Und wer Heilung und Erlösung empfängt, hat schon mehr als ausreichend gesühnt für all seine Sünden!

So erkennt, dass euch die göttliche Liebe, Huld und Gnade immer in der gleichen Weise zugetan ist, ob sie nun schon heilt oder aber noch schlägt! Glückselig, wer dies wahrhaftig erfasst und begriffen hat: Denn der ist aus Angst und Gericht hinweg-genommen!

Eine solche Seele erkennt nämlich, dass in Wahrheit alles nur Gnade ist und zum Besten dienen muss! Sie erfährt in allem nichts als Barmherzigkeit, Liebe und Güte, was sie selbst zu Barmherzigkeit, Liebe und Güte anreizt gegen alle!

Und wahrlich, Ich sage euch: eine solche Seele ist ihrer Erlösung nicht fern! Darum: Glückselig eine jede Seele, die viel durchlitten hat und darin Läuterung gefunden hat! Sie wird ihr Heil gar bald gefunden haben!

(P)

Darum, wenn ihr dem Gericht entrissen seid und Schonung erfahren dürft und wenn ihr die göttliche Liebe und Barmherzigkeit erkannt habt, die ausnahmslos allen in gleicher Weise zugetan ist, wie ihr alle in gleicher Weise darauf angewiesen seid: dann gebt sie auch weiter an alle, die augenscheinlich darauf angewiesen sind, weil sie noch durch Prüfungen und Gerichte hindurch müssen oder am Ende vielleicht einer weit vorzüglicheren Vollendung zugeführt werden, als wie ihr selbst sie bereits erlangt habt:

Denn immer und überall habt ihr nichts anderes als diese allen zugetane göttliche Liebe, Huld und Gnade zu künden, die wahrhaft alles lindern und ändern kann – und zwar in aufrichtendem Wort wie auch in aufhelfender Tat!

(Q)

Aber keinesfalls, niemals, steht es euch zu, irgendeine Seele zu richten oder zu verdammen, wie gerecht euch das Gericht auch immer erscheinen mag, das sie ereilt, wenn ihr denn nicht selbst nochmals in gleicher Weise gerichtet und verdammt werden wollt!

Denn eine jede Seele muss früher oder später wie Holzkohle in den Tiefen der Erde unter größtem Druck zusammengepresst und alsdann geschliffen werden zu einem Diamanten! Euch aber ist geboten, einander durch all diese Läuterungen gegenseitig hindurch zu helfen, bis die Zeit der Reinigung vollendet ist und die unvermittelte Heilung und Heiligung erlangt wird zur Verherrlichung der Gottheit, die alles in allem erwirkt.

So müsst ihr alle mit gar manchem bedrückt und belastet und geschliffen werden, bis ihr die unvermittelte Erlösung erlangt!

Was nun aber diesen Blindgeborenen und seine Eltern betrifft: An ihnen sollen nun die Werke der Gnade Gottes offenbar werden, wie jene all das Unheil, das sie ereilt und solange geplagt hat, sie nunmehr durchbrechen lässt zu ihrem Heil – zur Verherrlichung Gottes: – in allem, was Er an diesen Seelen bereits getan hat, wie es jetzt offenbar wird, wo sie endlich unvermittelt vollumfängliche Heilung und Genesung erfahren können!“

(R)

Und als der Herr dies Seinen Jüngern dargelegt hatte, beauftragte Er sie: „Damit ihr´s aber glaubt und erkennt: Geht hin und bringt diesen Blinden zu Mir! Denn nunmehr ist für jenen Blinden seine Stunde gekommen: Ich will ihm sein Augenlicht zurück geben und ihn sehend machen!“

Da gingen sie hin zu dem blinden Bettler und wollten ihn aufrichten, und sprachen zu ihm: „Steh eilends auf! Der Rabbi hat dich gerufen! Er will dich sehend machen!“

Der blinde Jüngling aber wehrte sich und wollte nicht; und er schrie: „Welcher Rabbi?! Lasst mich! Ich will nicht!“ Denn er meinte, jene Fremden, Unbekannten, würden ihren Schabernack mit ihm treiben und wollten ihn nur verspotten und verhöhnen und vielleicht in irgendeinen Abgrund laufen lassen. Denn noch nie hatte er von einem Rabbi gehört, der wahrhaft heilt.

Außerdem war jener Jüngling von Geburt an blind und er war an seinen Zustand gewöhnt. Denn er hatte noch nie das Tageslicht gesehen und wusste darum nicht, was ihm in seiner Blindheit alles entging.

Auch war er daran gewohnt, von allen versorgt und von seinen Anverwandten geführt zu werden. Darum fürchtete er regelrecht, wieder sehend zu werden, weil dies ihm abverlangt hätte, fortan selbst für sich sorgen und auf sich selbst achten zu müssen. Und er fühlte sich all dem nicht gewachsen, weil er noch überhaupt nicht wusste, was das heißt und bedeutet, alles unabhängig von anderen selbst sehen und einschätzen zu können. Darum schlug der junge blinde Bettler mit Händen und Füßen um sich, und wehrte ihnen und wollte einfach nicht.

Da gingen die Jünger wieder zu ihrem Meister und bekundeten ihm: „Jener, den Du sehend machen willst, der sträubt sich und will einfach nicht; denn er fürchtet sein Augenlicht!“

Da sprach Jesus: „Auch wenn er sich noch weigert: Bringt ihn Mir her! Denn wir müssen die Werke dessen wirken, der Mich gesandt hat, solange es Tag ist, ehe die Nacht hereinbricht und die machtvolle Stunde der Finsternis kommt, da ohnehin niemand mehr wirken kann.

Aber siehe: Selbst auch da werde Ich noch wirken, wenn auch auf absonderliche, befremdende Weise – an all jenen, die mit der Lüge der Finsternis und mit dem Tod einen Bund geschlossen haben; und auch da will Ich all jene zubereiten, die noch von Finsternis umnachtet sind, dass sie alle stürzen und straucheln müssen: Und so will Ich sie ihrer Blindheit überführen.

Denn Ich bin der Herr über alles, auch über aller Finsternis, ebenso wie über das Licht; und selbst auch alle Finsternis muss Mir letztlich dienen!

Solange Ich aber in dieser Welt bin, bin ich das Licht in der Welt, und mache sehend, wen immer Ich will! Von welchem Ich sage: »Du bist blind!«, der muss seine Blindheit auskosten und durchleiden, und niemand kann ihm helfen, bis er sich dessen gewahr wird, wie blind er doch ist. Zu welchem Ich aber sage: »Nun sollst du sehen und dir soll das Licht aufgehen!«, der wird sehend werden, und niemand kann´s hindern!

Denn wenn Ich die Zeit für gekommen halte, mache Ich sehend. Und dann wirke Ich! Wer will dem da wehren? Und solange Ich das Licht der Welt bin, bringe Ich Licht und mache sehend, wann immer Ich´s für angemessen halte, und wen immer Ich will!

Ich aber bin das Licht der Welt, wie Ich es von je her war: jetzt und immer! Wem Ich das Augenlicht gegeben habe, der kann seine Augen nicht mehr abwenden von Mir und sich der Zugkraft Meiner Liebe nicht mehr länger entziehen. Wer seine Augen aber noch abwenden kann von Mir und wer sich dem Zug Meiner Liebe widersetzen kann, der ist noch blind und hat Mich weder je gesehen, noch jemals wahrhaftig schon erkannt!

Ich aber bin gekommen, noch alle sehend zu machen. Denn Ich bin das Licht der Welt, das noch alle Wesen erleuchten wird, die in diese Welt der Finsternis kommen und hinein-geboren werden!“

(S)

Als nun Jesus dies alles Seinen Jüngern bekundet hatte, dass Er es sich nicht nehmen lassen würde, das Licht der Welt zu sein, das allen Erleuchtung bringt, da spuckte Er auf die Erde in den Sand, und verrührte alles zu einem Brei und sprach abermals zu ihnen: „Also bringt ihn zu Mir, dass Ich ihn die Augen öffnen kann, wie sehr er sich auch in seiner Blindheit noch verweigert!“

Da gingen sie abermals hin und zerrten ihn miteinander zu Jesus, wie sehr er sich auch dagegen sträubte und stemmte aus gänzlich unbegründeter Angst.

Und als sie ihn vor Jesus auf den Boden niederließen, da flehte der Blinde: „Rabbi! Wer immer Du sein magst! Ich kenne Dich doch überhaupt nicht! Was also habe ich mit Dir zu schaffen, dass Du mir zürnen dürftest! Bitte, tu mir nichts an!“

Da sprach Jesus in unaussprechlicher Sanftmut voll Einfühlsamkeit zu ihm: „Fürchte dich nicht! Ich bin nicht wider dich, sondern für dich! Ich will dich weder schelten, noch strafen, sondern dir das Licht des Lebens schenken! Dir ebenso, wie allen! Darum hast du wahrhaftig nichts von Mir zu fürchten, sondern darfst vielmehr alles von Mir erhoffen! Mehr, als du dir je erträumt hast!“

Da legte sich der Frieden des Herrn auf den blinden Bettler und er wurde ganz ruhig. Und Jesus nahm den Teig, den Er aus Seinem Speichel und dem Sand gebildet hatte, und strich ihn auf die Augen des Blinden.

Und siehe, dadurch verlieh der Herr dem einfachen Staub von der Erde Heilkraft, indem Er ihn mit Seinem Speichel durchtränkte, obwohl es doch nur nichtiger Staub von der Erde war!

Und ebenso will Er auch uns Heilkraft verleihen, wenn wir uns denn von Seinem Geist der Liebe und Barmherzigkeit durchtränken lassen, obwohl wir für uns selbst doch nichts als nichtiger Staub von der Erde sind! Denn Sein Geist verleiht unserer Verkündigung von Seiner Liebe und Barmherzigkeit in Wort und Tat Heilkraft, dass sie Balsam für Leib wie Seele ist!

(T)

Als Jesus aber die Augen des Blindgeborenen mit dem durchtränkten Staub von der Erde bestrichen hatte, sprach Er zu dem Blinden: „Lass dich zum Teich Siloah bringen und dort wasche dich!“

»Siloah« aber bedeutete: »Gesandter« oder »entsandte Wasserquelle«. Denn der Teich Siloah, der in der südöstlichen Ecke der Unterstadt Jerusalems lag, wurde durch die Quelle Gihon gespeist. Diese Quelle aber befand sich außerhalb der mächtigen östlichen Mauer der Stadt und des Tempels, die sich über dem Kidrontal erhob. Darum hatte einst der König Hiskia von der Quelle einen Tunnel durch den Felsen bis zum Teich Siloah schlagen lassen, damit man in Zeiten der Belagerung auch innerhalb der Mauern Jerusalems mit Wasser versorgt war.

Und zu jenem Teich führten von allen Seiten quadratisch angelegte Treppen von jeweils etwa zwanzig Ellen, also annähernd je zehn Metern Breite, hinunter. Der Fels aber, auf welchem der Tempel des HERRN mit dem Brandopfer-Altar vor dem Heiligtum errichtet worden war: Es war die Anhöhe, auf welcher Abraham einst das Opfer darbrachte, das Gott ihm an Stelle seines Sohnes zur Sühne ersehen hatte.

So sprudelte dort im Teich Siloah gleichsam aus dem Felsen Wasser, das ganz Jerusalem in Zeiten der Not versorgte, wie das Volk Israel auch in der Wüste Wasser aus dem Felsen empfing.

Und jene künstliche Quelle im Teich Siloah war ein Abbild der eigentlichen Quelle, die außerhalb Jerusalems lag und dort auch jedem unbeschnittenen Nicht-Israeliten außerhalb der Heiligen Stadt verfügbar war.

Damit war jener Teich ein Sinnbild für den Christus, welcher der Fels und Grundstein Gottes ist, auf welchem man sicher gegründet ist, wie Er auch die unversiegbare Quelle lebendigen Wassers aus der göttlichen Ur-Quelle allen Lebens ist – zu uns aus dem Herzen des Abbas selbst entsandt.

(U)

Da brachte eine große Menge Volks den Blinden zum Teich Siloah, wo er sich reinigen sollte: Und siehe, als er sich mit dem Wasser aus dem Felsen die Augen wusch, da taten sie sich auf, und er sah zuerst die tanzenden Reflexionen des Lichtes im Wasser, alsdann die Sonne und schließlich erstmals sein eigenes Angesicht im Schein dieses Lichts.

Da wurde er von überschwänglicher Freude erfasst, weil er nun alles selbst sehen und beurteilen konnte; und alle Angst war von ihm gewichen, nun für sich selbst seine Wege gehen zu müssen. Denn er erkannte, wie leicht dies doch im Licht des Lebens war, wenn es in die Seele drang, und wie wohltuend, von niemandem mehr abhängig und anderen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Da fürchtete er auch nicht mehr, fortan für sich selbst zusehen zu müssen.

Und der einstige armselige Bettler sprang auf und jubelte: „Ich kann sehen! Ich kann wahrhaftig sehen! Nun erkenne ich alles und sehe, dass alles vom Licht durchflutet ist! Ich hatte ja keine Ahnung, wie wunderbar doch alles ist!“ Und er verlangte danach, jenen Rabbi zu sehen, der ihn geheilt und ihm sein eigenes Augenlicht geschenkt hatte.

(V)

Alle aber, die ihn mit der Menge, die ihn wieder zu Jesus führte, jauchzend und jubelnd durch die Straßen stürmen sahen, fragten sich: „Ist das »Ben-Oni«, der »Sohn des Kummers und der Klage«, der früher in den Gassen saß und jammerte und bettelte?“

Und viele meinten: „Das kann unmöglich der Ben-Oni sein! Er ist doch ein ganz anderer! Er scheint uns vielmehr ein »Ben-Jamin« zu sein: ein »Sohn des Glücks, des Jubels und der Freude«!

Er aber sprach: „Fürwahr ich bin´s, und bin doch ein anderer geworden. Einst war ich Ben-Oni, nun aber bin ich Ben-Jamin!“

Da fragten ihn die Leute, denen er auf dem Weg zurück zum Herrn begegnete und die nicht dabei waren, als der Meister Seine Finger mit dem Brei auf seine Augen gelegt hatte: „Aber wenn du Ben-Omi bist, der von Geburt an blind und ein armseliger Bettler war: Wie sind dann deine Augen aufgetan worden?!“

Er aber antwortete ihnen: „Es war jener Rabbi, der von allen »Jesus« genannt wird: »Gott bringt Heil«! Und fürwahr, das tut Er auch! Denn Er machte einen Brei und strich ihn auf meine Augen und sprach zu mir: »Geh zum Teich Siloah, zur Quelle des Gesandten, und reinige dich!«

Also ging ich hin und wusch mich. Und siehe, da fielen mit die Schuppen von den Augen und ich wurde sehend!“

Da wollten alle wissen: „Wo ist dieser Rabbi, dass auch wir Ihn sehen?!“ Er aber antwortete ihnen: „Ich weiß es nicht. Aber folgt mir! Ich lasse mich eben zu Ihm bringen! Wir sind auf dem Weg zu Ihm!“

(W)

Doch siehe, da waren auch einige von den Pharisäern. Und sie bekamen mit, dass Jesus erneut vor aller Welt Augen einen Menschen am Sabbat geheilt hatte, indem Er einen Teig gemacht hatte und damit seine Augen geöffnet hatte.

Allein diese Vermengung von Speichel und Staub stellte für sie aber schon eine Arbeit dar, die strikt verboten war und nach ihrer Ansicht am Sabbat als dem von Gott verordneten Ruhetag schon ein todeswürdiges Verbrechen darstellte.

Folglich ergriffen sie den Benjamin und führten ihn mit sich zu ihren rabbinischen Ältesten des Hohen Rates und schlossen die Tür hinter sich. Denn viel Volk war dem Geheilten gefolgt und wollte mit ihm den Rabbi sehen, der ihm das Augenlicht geschenkt hatte. Und sie warteten vor dem Versammlungsraum, in welchen die Rabbiner den einstigen Blinden umringten.

Also befragten diese höchsten Pharisäer jenen Benjamin unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie er denn sehend geworden wäre; denn sie kannten ihn, und wussten, dass er von Geburt an blind war.

Er aber sprach zu ihnen: „Jener hohe Rabbi rieb mit Seinen Daumen einen Brei auf meine Augen und schickte mich zum Teich Siloah. Dort wusch mich und sogleich taten sich mir die Augen auf, dass ich sehen konnte!“ Die rabbinischen Obersten aber fuhren den einstigen Blinden wirsch an: „Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil Er den Sabbat nicht hält!“

Es waren aber auch der Fürst Joseph von Arimathia unter ihnen, wie sein väterlicher Gönner Nikodemus; die sprachen: „Wie könnte ein sündiger Mensch solche Zeichen tun?! Denn niemand kann in solcher Kraft auftreten, es wäre denn nicht Gott mit ihm und es sei ihm aus der Höhe gegeben!“ Da kam es zu heftigen Wortwechseln und es entstand Zwietracht unter ihnen.

Die rabbinischen Widersacher Jesu aber fuhren erneut den einstigen Blinden an, dem Jesus das Augenlicht wiedergeschenkt hatte, und verlangten von ihn: „Offenbare dich und gestehe: Was sagst du von jenem, der dir deine Augen aufgetan haben soll?“

Er aber, da er sich von einigen der Hohen Rats-Herren gedeckt fühlte, bekannte ihnen, was auch seine Ansicht war: „Er muss ein großer Prophet Gottes sein! Denn niemand kann solche Wunder tun, es sei denn Gott mit ihm!“

Die strengen Gesetzes-Hüter aber kreischten auf, als hätten sie jenen Benjamin damit überführt, und zischten: „Da hört ihr es, dass jener im Dienst dieses Satans steht, und alles nichts als Lug und Trug und teuflische Täuschung ist! Niemals ist dieser wahrhaft blind gewesen und nunmehr sehend geworden!“

Doch Nikodemus entgegnete: „Dann soll dieser jenes üble Spiel mit uns getrieben haben, sich nur als Blinder auszugeben, seit er aus dem Schoß seiner Mutter gekommen ist, noch ehe jemals irgendein Mensch etwas von jenem Rabbi Jesus gehört hat?! Das glaubt ihr doch selber nicht!“

Da forderte Schammai, der Höchste unter den anwesenden Pharisäern: „So lasst die Eltern dieses Blenders zu uns bringen, dass wir sie verhören und befragen!“

Also ließen die ältesten Rabbiner die Eltern des geheilten blinden Jünglings bringen und stellten diese zur Rede: „Ist das euer Sohn?“ Und sie bestätigten es.

Da beschworen sie die Rats-Herren: „Sagt uns bei Gott, dem Lebendigen, der alles bis in die tiefsten Abgründe durchschaut und jede Lüge und Täuschung aufdeckt und wahrhaftig kein betrügerisches Vergehen jemals ungestraft lassen wird: Ist dieser wahrhaft blind geboren?“ Da nickten seine Eltern.

Durch die Reihen der Pharisäer aber ging entrüstetes Raunen. Und Schammai fauchte die Eltern an: „So deckt ihr seine Lüge?! Wieso kann er dann nun auf einmal sehen?!“ Die Eltern zuckten eingeschüchtert ihre Schultern: „Wir können nur bestätigen, dass dieser unser Sohn ist und dass er blind geboren ist.

Aber wieso er nun auf einmal sehen können soll, ist uns völlig schleierhaft! Und wir haben auch keine Ahnung, wer das getan haben könnte, dass er ihm seine Augen aufgetan hat! So fragt doch ihn selbst: Er ist mündig und alt genug! Lasst ihn für sich selbst reden!“

(X)

Die Eltern jenes blind-geborenen Jünglings konnten ihren Sohn nämlich noch nie wahre Liebe und Wertschätzung entgegenbringen, da sein Makel ihnen nicht nur viel Kummer und Sorge, Herzeleid und Beschwernis eingebracht hatte, sondern ihnen überdies auch noch allgemeine Ächtung beschert hatte, da sich jeder fragte, was mit jenen nicht stimmte, dass sie mit solch einem Fluch belegt worden waren.

Und auch jetzt, als sie von der Heilung ihres Jungen hörten, konnten sie´s noch nicht glauben, dass sich ihr Geschick mit einem Mal zum Guten hin gewendet haben könnte, sondern sie fürchteten vielmehr, dies alles könnte ihnen noch größere Ächtung einbringen, weil ihr Sohn an einem Sabbat von einem zwielichtigen Magier geheilt worden sein sollte, der sich angeblich unverfroren eigenmächtig über alle Gebote des HERRN hinwegsetzte.

Denn sie hatten durch die Blindheit ihres Sohns schon so viel Unglück in ihrem Leben erfahren, dass sie nur noch von Angst und Furcht vor noch schlimmeren Schicksalsschlägen bestimmt waren, da sie sich von Gott vergessen, versäumt und verlassen fühlten und dadurch blind für Seine Liebe geworden waren – durch all die falschen und verdrehten Lehren, welche die herz- und geistlosen Ausleger der mosaischen Thora unter dem ganzen Volk streuten.

Und weil jene Eltern blind für die auch ihnen zugetane Liebe Gottes geworden waren, bestimmte sie nur noch Angst und Furcht, und ihre Herzen waren über ihren Hader mit ihrem Schicksal hart und kalt geworden, dass sie nun nicht einmal mehr die großartige wundersame glückliche Wendung noch sehen konnten, die augenscheinlich an ihnen geschehen war, weil sie sich schon gänzlich von Gott verstoßen glaubten und für verloren hielten.

Darum packte sie nur blankes Entsetzen und sie fürchteten, wegen dieses Rabbis, der ihren Sohn unzulässiger Weise an einem Sabbat geheilt hatte, nunmehr gänzlich aus der Synagoge ausgestoßen zu werden. Denn die Pharisäer hatten schon verlauten lassen, dass jeder, der Jesus für den Messias Israels halten würde, aus ihrer heiligen Versammlung ausgeschlossen werden würde.

Und jene wegen ihres Unglücks geächteten Eltern suchten noch immer den Anschluss zu denen und die Anerkennung derer, die sie zu unrecht verachteten und sie abschätzig wie von Gott Gezeichnete behandelten.

(Y)

Doch war der Herr nunmehr gekommen, auch ihnen noch die Augen zu öffnen über wahrhaft alles. Allein es brauchte auch bei ihnen noch Zeit, bis ihnen die Augen wahrhaft aufgingen über alles, wie es auch bei ihrem Sohn war, der sich zuerst ebenso aus Angst und Argwohn und Misstrauen gegen seine Heilung gesträubt hatte.

So musste das Licht des Herrn, das nunmehr endlich in ihr Leben trat, zuerst die böse Saat der Pharisäer in ihren Herzen ausdörren und verzehren. Und so ist es bei gar manchem Blinden, der sich zunächst gegen das Licht der Erleuchtung sträubt, weil er nicht erkennt, dass in ihm nichts als Heil und Genesung ist, wie so mancher auch nicht glauben kann, dass die göttliche Abba-Liebe sich wahrhaft auch seiner, wie ausnahmslos aller, in wahrhaft allem doch nur erbarmen will.

(Z)

Die Pharisäer konnten also nichts Belastendes von den Eltern des Geheilten in Erfahrung bringen. Vielmehr hatte sich bestätigt, dass jener offensichtlich tatsächlich schon von Mutterleibe an blind gewesen war.

Über die Umstände seiner Heilung wussten die Eltern allerdings nichts und hatten davon erst durch die Rabbiner überhaupt erfahren. Und nachdem jene Eltern die Ältesten wieder an ihren Sohn verwiesen hatten mit den Worten: „Er ist alt genug, fragt ihn selbst!“, da ließen die den einstmals Blinden erneut zu sich führen; denn sie hatten ihn noch nicht entlassen und ihn draußen vor dem Haus ihrer Zusammenkunft festhalten lassen.

Und sie versuchten, ihn von seinem Zeugnis abzubringen, von Jesus geheilt worden zu sein, indem sie ihn väterlich vermahnten: „Lieber Sohn! Gib doch Gott die Ehre! Wir, Gottes Diener, wissen, dass dieser Mensch ein Gesetzesbrecher und Gotteslästerer und ein Sünder von der übelsten Sorte ist!“

Jener Benjamin aber, dem die Augen aufgegangen waren, ließ sich von ihnen nicht täuschen, und fragte mit deutlicher Verwunderung: „Ist Er ein Sünder? Das weiß ich nicht. Eins aber weiß ich: dass ich blind war und bin nun sehend! Kann solches denn ein Sünder tun?“

Da wollten sie erneut ganz genau wissen: „Dann schildere uns bitte nochmals in allen Einzelheiten: Was hat Er denn mit dir getan, dass du meinst, ER habe dir dein Augenlicht geschenkt? Wie soll dieser das denn vollbracht haben?“ Denn sie hofften noch immer darauf, eine üble Täuschung aufdecken zu können.

Der Geheilte aber antwortete ihnen: „Ich hab´s euch doch schon ausführlich beschrieben! Habt ihr mir denn nicht zugehört?“ Ja, dieser Benjamin war so berauscht von seinem Glück, nun sehen zu können, dass er sie, ohne jeden Anflug von Angst und Einschüchterung, schon regelrecht voll Übermut verspottete: „Seid ihr etwa ebenso begeistert wie ich, dass ihr´s nicht oft genug hören könnt? Wollt ihr nun etwa auch Seine Jünger werden?“

Da mokierten sich die Rabbiner entsetzt und entrüstet über so viel Unverfrorenheit und schmähten ihn: „Ja, so scheint es wahrhaft zu sein: Du bist Sein Jünger und stehst in Wahrheit in Seinen zweifelhaften Diensten!

Wir aber sind des Mose Jünger! Wir wissen, dass Gott mit Mose geredet hat; woher aber dieser ist und von wo her Er Seine verkehrten und verdrehten Lehren hat, das wissen wir nicht.“

Der geheilte junge Mann wurde nun aber regelrecht angriffslustig und verhöhnte die Hohen Rats-Herren ebenso forsch und unerschrocken: „Das ist doch schon äußerst verwunderlich, dass ihr, die ihr die Jünger des Mose und Diener Gottes sein wollt, nicht wisst, woher jener ist, wo Er doch die Macht hatte, meine Augen aufzutun!“ Denn er verachtete sie regelrecht dafür, dass sie ihm ganz offensichtlich seine Heilung nicht gönnten und überdies dem Übles nachsagten, der ihn geheilt hatte.

Da fuhr Schammai den jungen Benjamin scharf an: „Du weißt genau, was wir damit sagen wollen, wenn wir erklären: »Woher dieser ist, das wissen wir nicht«! Denn mit der Macht, welcher jener dient, haben wir nichts zu schaffen! Jener nämlich ist ein Diener des Satans, wie auch alle, die Ihm folgen!

Wenn dieser nämlich wirklich irgendwelche Kraft besitzt, so kann diese unmöglich von Gott sein! Denn wir wissen, dass der Höchste, Heilige, die Sünder nicht erhört; sondern allein diejenigen, die gottesfürchtig sind und Seine Gebote und Satzungen, die wir alles Volk lehren, getreulich einhalten und gewissenhaft befolgen, allein die erhört Er!

Überdies hat man von Anbeginn der Welt an noch niemals gehört, dass jemand einem Blindgeborenen die Augen aufgetan habe! – selbst noch kein Heiliger oder Prophet oder irgendein Gerechter!

So gestehe es endlich, dass du das Augenlicht schon viel früher wiedererlangt hast, aber es geheim gehalten hast, weil es dir gefiel, dich von anderen aushalten zu lassen und von deren mildtätigen Gaben zu leben!“

Und ein anderer Rabbi versuchte den Benjamin einzuwickeln: „Sag uns, was dieser dir heimlich zugesteckt hat für diese Täuschung, dann wollen wir dir das Doppelte geben, wenn du uns hilfst, Seine hinterlistigen Betrügereien ein für alle Mal aufzudecken!“

Benjamin aber ließ sich nicht beirren oder bestechen und erklärte: „Wäre dieser nicht von Gott: Er könnte nichts tun! Da Er aber solches kann, muss Er von Gott zu uns gesandt worden sein. Denn euer eigener Mund hat´s bezeugt, dass Gott keine Gottlosen hört, sondern allein die, die Ihn lieben und Ihm dienen.

Und auch darin habt ihr recht, dass solche Wunder noch keiner vollbringen konnte, wie heilig und gerecht jemand auch immer sein mochte! Auch keiner von den großen Propheten! Allein der Messias kann solch übergroße Wunder tun, genau, wie es von Ihm verheißen worden ist!“

Da zischten und zeterten die Pharisäer, denn sie wagten nicht, dem Geheilten etwas anzutun, wegen der über dieses Wunder begeisterten Volksmenge, der sie den Benjamin abgerungen hatten, um ihn zu befragen.

Und sie spuckten ihn an und beschimpften ihn: „Du bist ganz in Sünden geboren, verflucht von Gott von Mutterleibe an, und willst uns lehren?!“ Und sie stießen ihn wieder zu der wartenden Menschen-Ansammlung hinaus.

Am liebsten hätten sie den Geheilten wegen Gotteslästerung gesteinigt. Doch sie getrauten sich nicht, Hand an ihn zu legen, wegen der vielen Menschen, die von seiner Heilung begeistert waren und vor ihrem Versammlungsort auf jenen Benjamin warteten und mit ihm den Rabbi aufsuchen wollten, der ihn geheilt hatte.

(AA)

Als nun die Pharisäer den geheilten Benjamin wieder freigegeben hatten, eilte dieser zusammen mit der ihm folgenden Menge an den Ort, wohin jene ihn brachten, die ihn, als er noch blind war, zum Teich Siloah geführt hatten.

Und als er Jesus sah, stürmte er allen anderen voran und fiel vor Jesus auf sein Angesicht und huldigte dem Herrn mit überströmender Dankbarkeit aus seinem Herzen: „O großer Meister! Vielen Dank, dass Du Dich von meiner Verzagtheit und Angst nicht hast beirren lassen, und dass Du mich dennoch geheilt hast, trotz meines Misstrauens und Unglaubens! Fürwahr, Du musst ein großer Gesandter Gottes sein, wie ihn unser Volk noch nie gesehen hat!“

Da fragte ihn Jesus: „Glaubst du jetzt also wieder an den Menschensohn?“ Und ja: Nun konnte Benjamin wieder glauben, dass es einen göttlichen Erlöser geben musste und Gott sich wahrhaft aller erbarmen wollte! Und wenn irgendeiner wusste, wer der Messias war, so musste es dieser Rabbi sein, da jener ganz gewiss ein großer Prophet war: Vielleicht der Elia, der dem Heiland den Weg bereiten sollte, wenn nicht sogar der Christus selber!

Und so antwortete er Jesus: „Herr, wer ist´s? – dass ich an Ihn glaube!“ Da bekundete ihm Jesus: „Du hast Ihn gesehen: der mit dir redet, der ist´s.“

Da fiel Benjamin erneut auf sein Angesicht und bekannte unter Tränen: „O ja, Herr, ich glaube!“ Und er betete Ihn an.

Inzwischen war auch alles Volk bei Jesus eingetroffen, das jenem begeisterten Geheilten zu Jesus gefolgt war; und alle sahen, wie jener Benjamin überglücklich Jesus gleich einem Sohn Gottes huldigte.

Aber auch die Pharisäer waren mitgekommen; denn sie wollten den Ausgang jener angezweifelten Heilung erkunden und vor dem Volk klarstellen, dass dieser Jesus aus dem heidnischen Galiläa ein diabolischer Verführer sein musste.

Und als sie sahen, dass viele der Umstehenden von großer Ehrfurcht ergriffen waren, da schrien sie die Meute an: „Seht ihr, was dieser falsche Wunderheiler schon mit euch angerichtet hat?! Ihr seid ja schon geneigt, Ihn anzubeten wie einen Gott! »Höre Israel! Der HERR ist unser Gott! Der HERR ALLEIN!«

(AB)

So erkennt doch, dass jener vermeintlich Geheilte ein heimlicher Jünger und Diener dieses Scharlatans und Betrügers ist, wie er es uns selbst gestanden hat! Er hat schon lange vorher das Augenlicht wiedererlangt und will nun alle Welt glauben machen, dieser Nazarener hätte ihn geheilt!

Wahrscheinlich ist ihm zugesichert worden, dass er ebenso, wie all die Landstreicher in der Gefolgschaft dieses Herumtreibers, fortan von dem Geld leben kann, das diese euch mit ihren Betrügereien aus der Tasche ziehen, nachdem er seine theatralische Schauspielkunst nun so überzeugend unter Beweis gestellt hat!

Wir nämlich wissen, das dieser Jesus von Nazareth ein Sünder und Übeltäter ist! Denn Er übertritt das Gesetz des Mose und zieht die Überlieferungen unserer altehrwürdigen Väter in den Schmutz, wo immer Er Gelegenheit findet! Er stellt sich gegen alles, was gottesfürchtigen Menschen heilig ist, und erklärt dies alles für Dreck! Er hält sich weder an den Sabbat, noch an die Speise- und Reinheitsgebote!

Und über allem stellt Er sich auch noch als der Messias Israels dar und behauptet, Er sei der Sohn Gottes! Wie also könnte ein solcher Sünder, Gesetzesbrecher und Gotteslästerer Kraft von oben haben, zu heilen?! Wahrhaft heilen: das kann allein Gott!“

Da sprachen aber einige Mutige unter dem Volk: „Aber wir wissen, dass jener wahrhaft blind war von Geburt an! Und er stürzte und strauchelte gar oft sehr schlimm bis auf den heutigen Tag, so dass von einer vorherigen Heilung wahrhaft nichts zu erkennen war!“

Die Pharisäer aber entgegneten: „Wenn dieser Gotteslästerer und Magier tatsächlich vermeintliche Heilungswunder vollbringen kann, so tut Er dies ganz gewiss durch üble Teufel und Dämonen! Er muss mit dem Satan im Bunde stehen und ein Geisterbeschwörer sein! Hört man solches nicht von manchen Gauklern und Scharlatanen, die überall durch die Welt ziehen und gar viele irreleiten und verführen mit ihren unhaltbaren, widersinnigen Lehren?!“

Und sie zeigten aufgebracht mit den Fingern auf Benjamin, den das Augenlicht wiedergeschenkt worden war, und keiften: „Wie sollte denn ein derart schwerer Sünder wie dieser beklagenswerte Sohn der Gottlosigkeit Heilung empfangen von Gott, der um seiner Übertretungen willen mit Blindheit geschlagen wurde schon von Mutterleibe an, so dass ganz offensichtlich von Anfang an ein Fluch auf seinem Leben liegt!

Also täuscht jener falsche Zauberer euch doch alle mit Seiner Magie, indem Er euch glauben macht, ihr könntet Vergebung empfangen und aus Gottes Gnade und Barmherzigkeit leben: einfach so! Gänzlich umsonst! – ohne dafür noch den Forderungen Seines Gesetzes nachkommen zu müssen, und, ohne die einzelnen Bestimmungen genauestens einhalten zu müssen, durch welche wir, die Nachfolger des Mose, unter großen Mühen seine Gesetzgebung für alle nur erdenklichen Bereiche des Lebens für euch ausdeuten und auslegen, euch zugut – all jene gewissenhaften Hüter der mosaischen Thora, auf welche Mose seinen Geist gelegt und übertragen hat!

So erkennt doch, dass dieser falsche Prophet und Messias nur alle Welt verführt mit der Vortäuschung zweifelhafter Wunder! Er behauptet, ganz Israel ins Licht der göttlichen Liebe zu führen, schlägt aber vielmehr alles Volk mit Blindheit in Hinblick auf die göttlichen Satzungen, deren strikte Einhaltung allein Heil und Erlösung verspricht, während ihre Missachtung den schrecklichen Grimm des Zornes Gottes heraufbeschwört, dessen Name »Eifersucht«, »Rache« und »Vergeltung« ist! So wird jener allerschlimmstes Gericht über uns alle bringen!“

(AC)

Da erwiderte ihnen Jesus: „O ja: Ich werde auch Gericht bringen: Aber nicht über die, die sich von Mir die Augen öffnen lassen über Gottes unendliche Liebe, sondern vielmehr über euch, die ihr Sie verleugnet und Sie nicht haben wollt und die ihr euch über allem auch noch für sehend wähnt.

Würdet ihr eure Blindheit eingestehen, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: »Wir sind sehend!«, bleibt eure Sünde.

So sage Ich euch: Ja, Amen: Ich bin fürwahr zum Gericht in die Welt gekommen, damit alle, die sich für sehend halten, blind werden; alle aber, die ihre Blindheit erkennen, sehend werden.

So bringe Ich wahrhaftig Gericht über alle, wie ihr es seid, die immerfort nur richten und mit ihrem Gericht als die vermeintlich »Sehenden« auch noch alle leiten und beherrschen und an sich binden wollen, so dass am Ende alle Blinden, von euch eingeschüchtert und verängstigt, euch Blinden blindlings in die Grube folgen!

Denn ein jeder, der meint, dass er sehe, muss straucheln und stürzen, auf dass er erkennt, wie blind er doch in Wahrheit ist. Welche aber ihre Blindheit erkannt und sich eingestanden haben, die lasse Ich sehend werden.

So bin Ich gekommen, auf dass alle, die sich für sehend halten und wähnen, blind werden: nämlich ihrer eigenen Blindheit überführt! Alle aber, die ihrer Blindheit überführt worden sind, will Ich alsdann endlich sehend machen – und dann werden sie Meine Herrlichkeit erkennen!

Darum: Wehe all denen, die sich noch für sehend wähnen! Wohl aber allen, die ihre Blindheit schon erkannt haben: über sich selbst, wie auch über Mich!“

Da empörten sich die Pharisäer: „Willst du uns etwa unterstellen, wir, die von Gott auserwählten Hüter Israels, wären blind?!“

Da seufzte Jesus: „Wenn ihr doch nur schon erkennen und euch eingestehen und bekennen könntet: »Wir waren ja so blind! Erbarme Dich unser!« Ich würde euch reinwaschen, auch von all euren schwersten Sünden!

Da ihr aber noch immer sagt: »Wir sind sehend! Wir haben keine Sünde!« Fürwahr: So bleibt ihr blind und auf euch all eure Sünde! Denn wie wollt ihr da noch anders wahrhaft sehend werden?!

Ich aber werde auch alle verbohrten verblendeten Blinden schonungslos ihrer Blindheit überführen, auf dass Ich auch sie alle noch sehend mache!“

(AE)

Was nun aber jenen Blindgeborenen und seine Eltern betrifft: Diese drei hatte zunächst über eine unsäglich lange Zeit von vielen Jahren für sie gänzlich unbegreiflich großes Leid getroffen, durch das sie hindurch mussten – ohne hier bereits, trotz allen Betens und Flehens, unvermittelte wundersame Aushilfe zu erfahren; und erst am Ende ihres Leidensweges wurde ihnen – zur Verherrlichung Gottes – vollumfängliche Erlösung in der dann plötzlich gänzlich unvermittelten Heilung des blindgeborenen Sohnes zuteil. Und in Hinblick auf diese sprach der Herr – dies alles nochmals eingehend darlegend – zu Seinen Jüngern später noch folgende Worte:

„Meint nicht, die göttliche Allmacht der Liebe wäre euch fern oder Sie hätte euch verlassen oder versäumt, wenn eure Gebete um Linderung oder Erleichterung oder um Erlösung von einem Leiden oder einer Krankheit oder einem Gebrechen nicht augenblicklich Erhörung erfahren, oder, wenn sich nach einem Schicksalsschlag eure bedrückende Lage, die euch zusetzt, trotz eures Flehens zum Himmel sogar noch verschlimmert, so dass es euch scheint, als müsstet ihr von allem, was euch belastet, schier erdrückt und zerrieben werden! Sondern haltet vielmehr umso entschlossener fest an der granitenen Zuversicht, dass wahrlich alles, was immer es sei, das über euch kommt, euch doch zum Besten dienen muss!

(AF)

Denn seht und erkennt dies: Keine noch nicht vollauf geläuterte Seele kann in das Reich unaussprechlichen Lichts eingehen, in welchem auch nicht das Allergeringste mit irgendeiner Beeinträchtigung an vollkommen reiner göttlicher Ausstrahlung bestehen kann – um des Lichtes willen, das alle Finsternis verbrennt und verzehrt und verschlingt; keine Seele kann in dieses klarste, unbestechliche, durchläutertste Licht eingehen, wenn sie zuvor nicht selbst vollauf von all dem Dunklen, Finsteren vollends geläutert und gereinigt worden ist, was in ihr noch an düsterer Schlacke ist und irgendwelche Trübung verursacht.

Welche Seele aber kann von sich behaupten, dass sie schon so rein und lauter wäre, dass sie auch nur den Anblick des vollkommen durchläuterten göttlichen Lichts in Seiner ganzen vollendeten Pracht und alles noch Dunkle verzehrenden feurigen Herrlichkeit ertragen könnte?!

So dient euch auch all das, was ihr aushalten und ertragen müsst und wo die ersehnte und erflehte Linderung und Erleichterung scheinbar ausbleibt, in Wahrheit zu eurer Läuterung und Ausreifung hin zum Heil, damit ihr dermaleinst ein- und auf-gehen könnt in dem, was nichts als durchläutertstes Licht in vollendet selbstloser göttlicher Liebe ist.

Darum: Auch wenn eure Bitten um Heilung und Erlösung, wie es euch scheint, mitunter un-erhört bleiben, so wirkt die Allmacht der göttlichen Liebe darum keineswegs minder auf euer Heil und auf eure vollendete Erlösung hin! Sondern vielmehr dient all das, was ihr auszuhalten habt, eurer vollendeten Läuterung, auf dass ihr dermaleinst eingehen könnt in dies unbeschreibliche göttliche Licht, in dem es keinerlei schattenhafte Trübung oder Beeinträchtigung völlig selbstloser Liebes-Ausstrahlung mehr gibt. Denn nichts kann gänzlich eingehen in diese strahlende Herrlichkeit und aufgehen in diesem blendenden Licht, es sei nicht zuvor selbst vollends durchläutertes Licht geworden!

(AG)

Darum müssen dieser Zeit Leiden sein. Denn sie läutern euch für das Licht. Wie die Gottheit dies alles aber bei euch und allen bewerkstelligt, müsst ihr vertrauensselig ganz Ihr selbst überlassen!

Und wahrlich, Ich sage euch: Ihr dürft und könnt Ihr hier völlig blind vertrauen, dass wahrlich alles, was auch immer geschieht, erscheint es euch nun gut oder böse, dennoch wahrhaft allen nur zum Besten dient! Und in diesem blinden Vertrauen, dass die göttliche Liebe in allem, was auch immer geschieht, noch alles für alle gut macht, liegt eure Glückseligkeit – schon hier und jetzt, inmitten von allem noch auszuhaltendem Leid!“

(AH)

Und Jesus legte es ihnen in zwei Gleichnissen dar, indem Er sprach: „Mit dem Eingang in das göttliche Himmelreich des Lichts verhält es sich wie mit einer Eiche, die durch die katastrophalen Umwälzungen der Sintflut aus ihrem früheren Stand, in welchem sie nach ihren höchst begrenzten Möglichkeiten wohl auch schon gedieh, dennoch unbarmherzig und gnadenlos, wie es ihr schien, entwurzelt und sodann unter Unmassen von Geröll-Schichten begraben wurde.

Und sie verstand nicht, was da an ihr geschah und warum dies alles über sie kommen musste, was sie anscheinend so herzlos überrollt hatte. Und sie flehte zur Allmacht um Befreiung und Erlösung aus dem, was über sie gekommen war; denn sie konnte sich all dem nicht erwehren.

Aber sie bleib unter den Erdmassen, die über sie gewälzt worden waren, begraben und in tiefster Finsternis und unsäglichem Dunkel gebunden und gefangen. Und kein hoffnungsstiftender Lichtstrahl konnte sie noch erreichen.

Ebenso war sie von den Massen, die sie niedergestreckt und überrollt hatten, fest eingekeilt, so dass es für sie keinerlei Auskommen gab. Da verzweifelte die Eiche und klagte: »Die Allmacht muss mich vergessen und verlassen haben! Ich bin hoffnungslos verloren, wie inbrünstig ich auch immer flehe! Nichts ändert sich! Und keinerlei Erlösung wird mir zuteil!«

Denn der Druck all jener auf ihr lastenden Massen, aus dem es für jene Eiche keinerlei Auskommen gab, verstärkte sich nur noch beständig immer mehr; und jene einst so saftige Eiche war bereits gänzlich ausgedörrt und ausgequetscht und zu dunkler, erstorbener Holzkohle zusammengepresst worden. Und so hielt sie sich für auf ewig verloren.

Doch siehe da: Eines Tages, als sie schon nicht mehr damit rechnete, weil sie alle Hoffnung und allen Glauben verloren hatte, wurde sie doch noch durch eine gütige Hand aus ihrem Gefängnis und Grab freigelegt. Und siehe da: Als sie wieder ans Tageslicht gehoben wurde, da funkelte sie, wie ein Stern! Denn die einstige Eiche war unter dem gewaltigen Druck der Massen, die über so unendlich lange Zeit trostlosester Finsternis auf ihr gelastet hatten und sie schier erdrückt hatten, erst zu Holzkohle und sodann zu einem wunderschönen Diamanten zusammen-gepresst worden: so fest und hart, dass sie gänzlich unverletzbar geworden war! Und in dem Licht, in das sie gehoben wurde, erstrahlte sie selbst als diamantenes reinstes Licht!

So war aus der erstorbenen Eiche ein unsterbliches Juwel für das himmlische heilige Jerusalem geworden, das endlos im Licht der ewigen Liebe erstrahlen wird und niemals mehr vergeht.

(AI)

Auch gleicht der Eingang in das lichte Himmelreich Gottes dem, was einstmals einer Muschel widerfuhr: In ihrem weichen, ach so überaus verletzlichen Fleisch hatte sich ein Sandkorn verfangen, das immer tiefer in ihre Eingeweide eindrang und ihr unüberbietbar stechende Schmerzen bereitete. Und wie sehr sie auch zur göttlichen Allmacht flehte: dieser spitze, ihr so unsäglich zusetzende Pfahl im Fleisch wurde ihr doch niemals genommen!

Da blieb ihr nichts anderes übrig, als in Gegenwehr Schleimhaut um Schleimhaut um dieses stechende Sandkorn in ihren Eingeweiden zu bilden. Aber, obwohl sie nichts unversucht ließ, sich ihrer Schmerzen zu erwehren, so schienen diese durch all ihre Bemühungen beständig nur noch größer zu werden. Denn die Schleimschichten, die sie um dieses Sandkorn bildete, verhärteten sich ihrerseits und vergrößerten diesen stechenden Fremdkörper nur immerfort noch mehr – und damit auch ihr Leid und ihren Schmerz. Und wie sehr sie auch zu Allmacht flehte: ihr wurde keine Hilfe zuteil.

Schließlich war jenes Sandkorn durch die von der Muschel um sie gebildeten Schichten derart angewachsen, dass jenes Weichtier daran, wie es ihm zunächst schien, schließlich zugrunde ging. Aber siehe: Da wurde sie durch eine gütige Hand aus dem Wasser gehoben; aus jenem Sandkorn aber, das ihr ohne Ende solche Schmerzen bereitet hatte, war eine wunderschöne, herrliche Perle geworden.

Und o Wunder: Das Weichtier, das an diesem Sandkorn zugrunde gegangen war, hatte in der aus dem Sandkorn entstandenen Perle Unsterblichkeit erlangt! Denn alles, was jene Muschel zuvor war und was sie zunehmend ausmachte und im Kampf ums Überleben bestimmte, war in diese Perle ein- und über-gegangen. So hatte der Schmerz, den jene Muschel im Widerstand gegen ihre anhaltenden Leiden zu ertragen hatte und an dem sie schließlich, wie es schien, zugrunde gegangen war, sie in Wahrheit in eine neue unsterbliche Existenz in Gestalt einer herrlichen Perle überführt.

(AJ)

Und ebenso ist es auch mit euch: Ihr habt gar viel zu ertragen und zu erleiden, dass ihr mitunter meint, daran zugrunde zu gehen. In Wirklichkeit aber führt euch dies alles einer gänzlich neuen, vollauf geläuterten Existenz zu, die herrlich und vollkommen und völlig unantastbar und unsterblich ist – wie aus jener Eiche über ihrem Leid, das sie zu ertragen hatte, ein herrlicher strahlender Diamant, und aus jener Muschel über ihrem Leid, das sie zu ertragen hatte, eine herrliche strahlende Perle geworden ist: eine gänzlich neue Existenz, die nicht mehr antastbar und unsterblich und über alle Maßen herrlich ist.

Darum verzweifelt nicht, wenn ihr gar manche Lasten zu tragen habt, die euch trotz eures inbrünstigen Flehens um Heil und Erlösung nicht unverzüglich genommen werden; denn eben diese führen dann das Heil und die Erlösung selbst erst herbei – noch weit größer und herrlicher, als ihr es euch ausmalen und je vorstellen könnt!

Denn dieser Zeit Leiden wandeln euch in etwas unbeschreiblich Wunderbares – gleich einem Diamanten oder einer Perle: in eine Herrlichkeit, die niemals mehr vergeht als einer Zierde und einem Glanzstern im strahlenden Heiligtum Gottes, in der einstigen licht-durchfluteten himmlischen Stadt Jerusalem!

Darum betet ohne Unterlass um Linderung und Erleichterung und Erlösung und harrt aus in felsenfestem Vertrauen, dass diese euch dermaleinst auch – wie auch immer – noch zuteil werden wird, sei es nun schon durch ein unvermitteltes Wunder, wie ihr´s euch ersehnt und erfleht habt, oder aber durch die Verweigerung eines solchen Wunders, weil dies euch dann dem wahren, endgültigen Heil, das euch allen bestimmt ist, derzeit noch nicht näher bringen würde.

Was immer aber auch geschieht und in welcher Weise auch immer eure Gebete erhört werden – euch schon verständlich oder euch noch gänzlich unverständlich: Vertraut darauf: Alles, wirklich alles, muss euch zum Besten dienen! Ihr sollt noch Diamanten, Perlen werden! – in ewigem Glanz und in endloser Herrlichkeit!“