Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
III Die Aufnahme
32: Jesu erste Jüngerin
32-A: Was für eine Anzüglichkeit! Und Er lässt es sich gefallen?!
32-B: Welche Seele es erkennt, die liebt!
32-C: Es steht wahrlich jeder Seele frei!
32-D: Sei dir Meiner unverlierbaren Liebe gewiss!
32-E: Jesu Gleichnis von den zwei unterschiedlichen Müttern
32-F: Darf ich Dir folgen?
32-G: Geschändet von einem `Saubermann´! Und niemand glaubte ihr!
32-H: Auf die schiefe Bahn gezwungen!
32-I: Aufstieg in die besten Kreise! Und doch unerfüllt!
32-J: Kein Heim, in das sie zurückkehren konnte!
32-K: Am Ende auch abgeschrieben von Gott?!
32-L: Nur einer, der sie trotz allem in Liebe verstand!
32-M: Die euch als Letzte gelten, will Ich zu den Ersten machen!
32-N: Verachtet nicht, was Gott so schätzt!
32-O: Ich, die All-Versöhnung, bin auch die Versöhnung der Geschlechter!
32-P: Doch noch Bedingungen?
32-Q: Und noch weitere Nachfolgerinnen …
(A)
Es geschah aber wenige Tage, nachdem Jesus jene Hure aus Magdala vor der Steinigung bewahrt hatte, da wurde Er in der hellenistischen Küstenstadt Tiberias, die etwa sechs römische Meilen, also circa neun Kilometer südlich von Magdala lag, von einem gottesfürchtigen, in rechter Weise frommen Rabbiner namens Simon, zusammen mit den Ältesten der Synagoge, welcher jener Symeon vorstand, zum Abendessen eingeladen; und der Meister begab sich zu dem Pharisäer und wurde auf die Veranda hinter dem Haus geführt, die einen herrlichen Ausblick auf den See Genezareth bot und von ausladenden Leinentüchern überdacht war, welche Schatten spendeten. Dort legte Er sich auf einem Diwan zu Tisch. Denn in Israel war es Sitte, zum Essen an einer niedrigen Tafel zu liegen.
Und siehe: als sie dort während des Sonnenuntergangs speisten, trat unvermittelt jene Dirne Maria aus Magdala auf die Terrasse, welche Jesus vor ihrer Hinrichtung nach dem Gesetz bewahrt hatte.
Denn da sie auch von jungen jüdischen Männern aufgesucht worden war, die verheiratet waren, hatte sie durch die Ausübung ihres schändlichen Geschäfts diese Jungsporne nach Ansicht ihrer frommen Väter zum Ehebruch verleitet, was damals im Heiligen Land mit dem Tod durch Steinigung geahndet wurde.
Jesus aber hatte jene Liebesdienerin vor ihrer Tötung bewahrt, indem Er ihre Verkläger ihrer eigenen Sündhaftigkeit überführt hatte, und, weil Er gefordert hatte, dass dann auch deren Söhne in gleicher Weiser zur Rechenschaft gezogen werden müssten, da doch vor allem sie mit dieser käuflichen Liebhaberin ihre schwangeren Ehefrauen hintergangen hatten, während diese ihnen unter Schmerzen ihre Kinder austrugen.
Nachdem aber der Zugang zur Veranda hinter dem Haus des Rabbiners Simon jedermann zugänglich war, war es jener Mirijam aus Magdala, die in Erfahrung gebracht hatte, dass Jesus dort zu Gast war, ohne weitere Schwierigkeiten gelungen, sich unbemerkt der Gast-Gesellschaft anzunähern.
Die einstige Hure wollte dem Meister nämlich ihre überschwängliche Dankbarkeit erweisen, dass Er ihr das Leben gerettet hatte; und dafür hatte sie ein Alabaster-Fläschchen mit äußerst erlesenem Salböl mitgebracht: einer kostspieligen duftenden Narde, die aus dem fernen Indien importiert wurde. Denn nachdem bei dieser ausgesprochen gut-aussehenden Maria Männer aus gehobeneren Kreisen, Römer und Griechen, sowie Kaufleute auf der Durchreise aus- und eingegangen waren, hatte sie es zu einem recht passablen Wohlstand gebracht.
Jene Mirijam hatte sich also von hinten an Jesus heran geschlichen. Eigentlich wollte sie Ihm mit dem wohlriechenden Öl das Haupt salben, wie einem König. Aber sie war innerlich so aufgewühlt und ergriffen, dass sie es nicht unterdrücken konnte, mit Weinen anfangen zu müssen; und als sie sich dem Meister vom Fußende her nähern wollte, fielen ihre heißen Tränen auf Seine Unterschenkel. Da warf Maria ihren Schleier zurück, löste sich ihr nach hinten hoch-gebundenes wallendes schwarzes Haar und fing an, die Beine und Füße des Rabbis mit ihren Locken zu trocknen; und sie küsste Seine Füße und salbte nun diese, anstelle Seines Hauptes, mit Salböl.
Als dies aber der Rabbi Symeon sah, der Jesus eingeladen hatte, dachte er bei sich selbst: „Wie kann sich dieser Wanderprediger eine derartige Anzüglichkeit gefallen lassen?! Und wenn Er wirklich ein Prophet wäre, so müsste Er doch wissen, was für eine Frau das ist, die Ihn da anrührt! Und Er hätte sich ihr sofort angewidert entzogen, um durch ihre Berührung nicht verunreinigt zu werden; denn sie ist eine schwere Sünderin!“
Maria von Magdala war nämlich auch in Tiberias allgemein bekannt, da viele höher gestellte Griechen, wie auch römische Offiziere aus der hellenistischen Stadt, die Herodes Antipas hier an der Küste des galiläischen Meeres hatte errichten lassen, zu ihrer Stammkundschaft zählten; und Mirijam war auch nicht selten aus Magdala in die Residenz des idumäischen Tetrarchen von Galiläa und Peräa geladen worden, um dort die Gäste des Vierfürsten zu verwöhnen.
Den Juden freilich galt sie darum als eine Abtrünnige, die den finsteren Mächten vollends verfallen war. Man sagte ihr sogar nach, sie sei von den sieben üblen Geistern der Unreinheit besessen, nämlich von Hurerei, Wollust, femininer Aufbegehrlichkeit, Gefall-Sucht, Hochmut, Verlogenheit und Gesetzlosigkeit.
Auch wusste der Pharisäer Simon nicht, dass Jesus der Maria aus Magdala bereits begegnet war und was sich in der Nachbarstadt nördlich von Tiberias vor kurzem zugetragen hatte, wie der Meister jene einstige Hure vor dem Tod bewahrt und ihr ein neues Leben geschenkt hatte.
Ebenso entsetzten sich auch die anderen Pharisäer, die bei dem Rabbi Simon zu Gast waren, dass der Meister sich diese höchst anzügliche Art der Annäherung gefallen ließ. Denn es galt schon als ausgesprochen unsittlich und anstößig, ja, als geradezu obszön, wenn eine Frau in der Gegenwart von fremden Männern allein nur ihren Schleier lüftete und sich ihr Haar löste. Wenn so etwas eine verheiratete Frau tat, galt dies bereits als ein triftiger Scheidungsgrund!
(B)
Jesus aber vernahm es sehr wohl, was in den heiligen Männern von Tiberias inwendig vorging, als sie mit ansahen, dass Er jene Dirne, die sich Ihm in solch anzüglicher Weise zuwendete, gewähren ließ, als sie Ihm in schon regelrecht erotischer Weise solch einen Liebesdienst erwies; und Er sprach zu Seinem Gastgeber: „Symeon, wenn Ich darf: Ich habe dir etwas zu sagen.“ Da gewährte es Ihm der Rabbi: „Nur zu, Meister: Rede offen!“
Und Jesus verdeutlichte Sein Anliegen mit einem Gleichnis, indem Er sprach: „Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war ihm fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber beide ihre Schulden nicht bezahlen konnten, schenkte er´s ihnen beiden und erließ ihnen, was gegen sie stand – dem einen Schuldner ebenso, wie dem anderen. Was meinst du wohl, Simon: Wer von den beiden wird den Gläubiger dafür mehr geliebt haben?“
Der Rabbi Symeon antwortete: „Ich nehme an: der, dem er am meisten geschenkt und erlassen hat.“
Und Jesus bestätigte: „Ganz genau! Du hast recht geurteilt! Und ebenso verhält es sich auch hier!“ Und der Herr wandte sich zu Maria und fasste sie an den Händen und strich ihr das Haar aus der Wange; und Er sprach zu Simon: „Siehst du diese Frau hier?
Ich bin in dein Haus gekommen; du aber hast Mir kein Wasser für Meine Füße angeboten, damit Ich sie Mir waschen und erfrischen konnte; und obwohl Ich dein Gast bin, der deiner Einladung gefolgt ist, hast du Mir nicht solche Gunst und Ehre erweisen; diese aber hat Meine Füße mit ihren Tränen benetzt, und sie war sich nicht zu schade, sie mit ihren eigenen Haaren abzutrocknen!
Du hast Mir nicht wie einem wertgeschätzten Freund zur Begrüßung einen Kuss gegeben; diese aber hat, seit sie gekommen ist, nicht abgelassen, Mir aus überschwänglicher Dankbarkeit fortwährend sogar Meine Füße zu küssen! Auch hast du Mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat Mir sogar Meine Füße mit kostbarstem Salböl gesalbt!
Deshalb sage Ich dir: Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben! Und weil sie´s wahrgenommen hat, darum hat sie Mir so viel Liebe erwiesen; wer aber nicht erkennt, wie viel ihm völlig bedingungslos erstattet und nachgelassen worden ist, wird auch nicht von solcher Dankbarkeit erfasst, dass er darauf nur noch mit überschwänglicher, inbrünstiger Liebe reagieren kann.
(C)
Und darum sage Ich dir: Selbst, wenn sie sich Mir anschließen und Mir nachkommen will, so werde Ich es ihr so wenig verweigern, wie einer jeden anderen Seele, der danach verlangt. Denn wer immer zu Mir kommt, den werde Ich nicht von Mir stoßen!“
Da entrüsteten sich die Synagogen-Vorsteher: „Du würdest diese in Deine Jüngerschaft aufnehmen, obwohl sie eine Frau und noch dazu eine Hure ist?!“
Jesus aber entgegnete ihnen: „Ich frage nicht danach, was eine Seele war, ehe sie zu Mir kommt, wie auch nicht danach, ob sie jüdisch oder heidnisch, rein oder unrein, frei oder versklavt, gelöst oder gebunden, männlich oder weiblich ist.
Auch stelle Ich keine Seele zur Rede, wie sie zuvor gelebt hat; denn wie immer eine Seele gelebt haben mag, ehe Ich in ihr Leben getreten bin: konnte das zuvor denn schon wahres »Leben« gewesen sein? – ein Leben, das wirklich schon »Leben« war?!
Wer aber immer das wahrhaftige Leben in Mir gefunden hat und finden will, dem gestatte Ich, sich Mir und Meiner Liebesgemeinschaft anzuschließen und Mir zu folgen, wer immer es sei!
So steht es auch dieser Seele frei, nachdem sie nun endlich angekommen ist und gefunden hat, wie es auch euch frei stünde, wenn denn auch ihr schon wahrhaftig angekommen seid und gefunden habt.“
(D)
Und der Herr wandte sich wieder ganz der Maria zu, die zu Seinen Füßen kniete; und Er küsste sie auf die Stirn und auf die Wangen und sogar, zum Entsetzen der frommen Sittenwächter am Tisch, provokativ auch auf den Mund und nahm sie wie eine Schwester in den Arm und liebkoste sie, wie ein liebender Ehemann es mit Seiner Frau tut.
Und Er sprach zu ihr: „Meine liebe Tochter Maria: Wie Ich es dir schon in Magdala zugesichert habe, so versichere Ich´s dir auch jetzt – und immer wieder: Alle deine Sünden sind dir vergeben!
Und weil Du auf Meine Zusicherung vertraust, so hast du nun endlich und für immer deinen Seelenfrieden gefunden! – und Ruhe für deine geplagte Seele! In diesem Frieden zieh in dein neues Leben und sündige hinfort nicht mehr!
Aber auch, wenn du in gar manchem noch fehlen und wieder straucheln wirst: In Meinen Augen zählt das alles nicht, wenn du aus Meiner Barmherzigkeit und Liebe lebst. Sei dir Meiner unverlierbaren Liebe und bleibenden Vergebung immer gewiss!“
(E)
Als die Pharisäer dies hörten, entrüsteten sie sich inwendig und dachten bei sich: „Wie kann dieser es sich herausnehmen, gleich Gott Sünden zu vergeben?! – … und nicht allein alle vergangenen Sünden, sondern darüber hinaus auch noch alle zukünftigen!“
Jesus aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: „Ich will euch von einem jungen Mann erzählen, der als Säugling nach dem Tod seiner Eltern zu einem neuen Vater kam, der zwei Frauen hatte, welche dem angenommenen Sohn Mütter sein sollten. Eine von ihnen war streng, die andere mild.
Die eine sprach zu ihm: »Neig dein Herz mir zu und zeige mir deine Liebe in ergebensten Gehorsam mir gegenüber, in allen Stücken! Sonst werde ich deinen Vater veranlassen, dich zu verstoßen!«
Die andere aber sprach zu ihm: »Ich liebe dich! Für mich wirst du stets mein geliebter Sohn bleiben, was auch immer kommen mag, weil du der Heißgeliebte deines Vaters bist! Willst du meiner Liebe vertrauen und ihr gehorchen? Aber auch, wenn dir meine Liebe noch gleichgültig sein sollte und du nicht auf mich hören willst: Ich will und werde dich immer lieben! Und auch, wenn du an Meine Mutterliebe noch nicht glauben magst, so will Ich doch an dich glauben als meinen geliebten Sohn!«
Was meint ihr: Welche der beiden Frauen des Vaters wird der Sohn als seine wahre Mutter erachten? Welche wird er über alles lieben und ihr gehorchen, und welche wird er verachten und hassen? Jene, die mit Verstoßung drohte, oder jene, die ihm ihre unbedingte Liebe zusicherte?“
Da antwortete Symeon: „Ich nehme an, das Herz des jungen Mannes wird mehr der Mutter zugeneigt sein, die ihn wahrhaft mütterlich liebt, hinlänglich, was immer er tut.“
Und Jesus konstatierte: „Darum siegt die Liebe über alles Gericht. Und darum hat sich der Vater zuerst und zuletzt mit der milden Gnade, und nicht mit der strengen Thora vermählt. Die Gnade und Barmherzigkeit hat Er sich erwählt – die Ruach und die Achamoth, die Sophia, die Fürsprecherin und weise Verteidigerin Seiner Kinder, nicht die rachsüchtige Rahab und die teuflische, alles verteufelnde Tiamat, die satanische Verklägerin und beständige Richterin Seiner Kinder.
Und Ich, Ich will euch darum lieben, wie eine Mutter ihre Kinder liebt: die immer und unaufhörlich liebt und alles nachsieht und vergibt, was immer ihre Kinder auch tun mögen.
So bleibt zwar wohl das Gesetz mit seinem Gericht an der Seite Gottes, des Vaters, bestehen, bis sich alles erfüllt hat bis ins letzte Jota hinein; doch hat die Thora nicht das letzte Wort, sondern sie muss vielmehr gleich einer Magd, Geburtshelferin, Amme und Erzieherin der wahren Mutter dienen, welche nichts als Liebe, Barmherzigkeit und Gnade ist. Die Liebe nämlich ist die Mutter, die erste und letzte Gefährtin der Gottheit zu Ihrer Rechten – und die Gottheit selbst!“
(F)
Wenige Tage nach diesem Ereignis, als Jesus sich in der Gefolgschaft Seiner Jünger wieder von Tiberias wandte, da geschah es, dass jene Maria, welche den Rabbi im Haus des Pharisäers Simon die Füße gesalbt und mit ihrem Haar getrocknet hatte, dem Meister und Seinen Anhängern mit einem vollen Bündel nacheilte und Ihm nach-rief: „Rabbi! Rabbuni! Lieber Meister! Halt ein! Warte auf mich!“
Und Jesus blieb stehen und drehte sich nach ihr um. Da fiel sie zu Seinen Füßen nieder und küsste sie und breitete ihr zusammen-gebundenes Tuch vor Ihm aus. Und siehe: es war prall angefüllt mit Geld.
Und Maria erklärte: „Meister! Ich habe alles verkauft, was ich besessen habe! Ich will´s dir anvertrauen für Deine gute Sache! Denn Du bist der, welcher uns allen zum Heil und zur Erlösung gesandt worden ist! Nur um eines bitte ich Dich: dass auch ich Dir hinfort folgen darf!“
Als Jesus nämlich zu dem Rabbiner Symeon gesagt hatte, Er würde es keiner Seele verweigern, die sich Ihm anschließen wolle – hinlänglich, was immer sie sei, und dass Er sich auch nicht scheuen würde, Frauen in Seine Jüngerschaft aufzunehmen, da war dies für Maria, als hätte Er ihren tiefsten Herzenswunsch und ihre größte Sehnsucht vernommen und ihr Antwort gegeben auf das, was zu fragen sie von sich aus niemals gewagt hätte!
Und da Maria den Rabbi beim Wort genommen hatte, wie außergewöhnlich und gänzlich unglaublich diese Seine Bekundung auch gewesen sein mochte, war sie zurück nach Magdala geeilt und hatte alles verkauft, was ihr Eigen war, um sich Seiner Gefolgschaft anzuschließen.
Denn schon, als der Meister ihr das Leben gerettet hatte und sie aufgefordert hatte, ein neues Leben zu beginnen, hatte sie sich gefragt, wo ihr dies hätte gelingen können, da ihr niemand einen Neu-Anfang ermöglicht hätte, indem er ihr als einer einstigen, im ganzen Umland bekannten Hure eine anständige Anstellung als eine Dienstmagd gegeben hätte.
(G)
Dabei war es niemals Marias Absicht gewesen, in solche Ächtung und Schande zu fallen!
Sie war zusammen mit ihren älteren Geschwistern, Martha und Lazarus, in Bethanien vor der Heiligen Stadt Jerusalem aufgewachsen. Als sie gerade einmal dreizehn Jahre alt geworden war, da hatte sich ein alter Lustmolch über sie her-gemacht und ihr gegen ihren Willen Gewalt angetan, um ihrer auf diese Weise habhaft zu werden. Denn das mosaische Gesetz forderte, dass ein Mädchen, dem von einem Mann die Unschuld geraubt worden war, von diesem geehelicht werden sollte, da sie andernfalls, in solcher Weise entehrt und geschändet, von keinem anderen mehr heimgeführt worden wäre und unversorgt geblieben wäre.
Nachdem es sich bei jenem Schänder aber um einen geachteten, gut situierten ehrwürdigen Alten von Bethanien gehandelt hatte, schenkte man ihr keinen Glauben, als sie beschwor, von jenem Greis überwältigt und brutal missbraucht worden zu sein. Denn jener allgemein angesehene wohlhabende Witwer erklärte, sie hätte sich ihm willig ergeben, ja, ihn geradezu durch Blicke und Bewegungen ermutigt und aufgereizt, sich ihr zuzuwenden.
Und da ihr Wort gegen das dieses allgemein hoch-geschätzten, scheinheiligen Blenders stand, schenkte man freilich nur seiner Schilderung Glauben, wie auch seiner Beteuerung, sie als seine künftige Ehefrau in Ehren halten zu wollen. So kam es, dass sie jenem furchtbaren Widerling, der sie eiskalt und brutal vergewaltigt hatte, gänzlich ausgeliefert werden sollte.
(H)
Da wusste sich seiner Zeit Mirijam in ihrer Not nicht anders zu helfen, als zu fliehen, um sich irgendwie allein durchs Leben zu schlagen.
Zuerst konnte sie sich auch ganz gut als Dienstmagd über Wasser halten. Und wenngleich sie in solch einer niederen Anstellung keinerlei Freiheiten genoss, so war dies doch immer noch besser, als – gleich einem Besitz – auf Gedeih und Verderb einem derart brutalen, respektosen »Ehe-Herren« ausgeliefert zu sein.
Allerdings holte Maria bald ihre Vorgeschichte ein, dass sie angeblich einen angesehenen frommen Gemeinde-Ältesten zuerst durch ein höchst aufreizendes Benehmen verführt und anschließend in Verruf gebracht haben sollte, und dass sie somit entehrt und in Schande war. Dies kostete Maria ihren Arbeitsplatz. Und da ihr von ihrem damaligen Herrn kein Dienstzeugnis ausgestellt wurde, fand sie auch bei niemanden sonst mehr Aufnahme.
Schließlich wurden ihr aufgrund ihres schlechten Rufs, der ihr fortan regelrecht voraus-eilte, bald auch entsprechende Angebote gemacht, da sie ein ausgesprochen attraktives Mädchen war. Und Maria wurde keineswegs nur von solchen Unholden umworben, wie es jener einstige vermeintliche `Saubermann´ war, der gegen sie übergriffig geworden war, sondern an sie wandten sich wahrhaft anständige, betuchte Heiden, wie etwa römische Soldaten und Offiziere, die, fern ihrer Heimat, ohne Familie waren, oder aber auch Griechen, die es vorzogen, ledig zu bleiben, ebenso auch begüterte Zöllner, die jedoch von allen Juden als Steuer-Eintreiber für die Römer verachtet wurden und darum keine anständige jüdische Frau mehr finden konnten, sowie gleichfalls wohlhabende Handelsreisende, die Maria nicht nur alle höchst respektvoll mit Wertschätzung behandelten, sondern Mirijam für ihre Liebesdienste überdies mit den erlesensten Gütern aus den fernsten Ländern entlohnten.
So bildete sich mit der Zeit für Maria eine Stammkundschaft aus den höchsten Kreisen heraus, die sich nicht nur ihres Körpers zur leiblichen Befriedigung bedienten, sondern ihr zuvorkommend wie einer Maitresse begegneten, mit der sie sich freundschaftlich verbunden fühlten, gleich einer vertrauten Liebhaberin, der sie auch ihre Sorgen und Nöte anvertrauen konnten.
(I)
Folglich ging es Maria, rein äußerlich betrachtet, durchaus nicht schlecht – ja, sogar besser, als so manchem anderen bemitleidenswerten jüdischen Ding, das gegen seinen Willen von seinen Eltern einem unliebsamen völlig fremden »Ehe-Herren« überantwortet worden war und dem es zeitlebens unterworfen blieb!
Maria konnte sich ihre Freier aussuchen, verkehrte in den höchsten Kreisen und wurde dort hofiert, wie eine Edelfrau. Sie lebte keineswegs in ärmlichen Verhältnissen, sondern war durchaus begütert – ja, konnte regelrecht in Luxus schwelgen, wurde von ihren Liebhabern mit Schmuck aller Art und mit den erlesensten Seidengewändern beschenkt, welche ihre natürliche Schönheit nur noch mehr unterstrichen.
Ihr fehlte es also weder an Vertrauten, noch an Gönnern; und vor allem: Sie konnte ihr Leben völlig frei und ungebunden selbst bestimmen, wie sie wollte, und war in allem ihre eigene Herrin, in ihrem Auftreten durchaus höchst selbstbewusst und couragiert.
Allein: Das alles erfüllte sie nicht! Und das war es auch nicht, was sie ursprünglich einmal sein und leben wollte!
Nicht, dass sie besonders unter der Verachtung ihrer ach so frommen, scheinheiligen Volksgenossen gelitten hätte! Das machte die Anerkennung und Wertschätzung in den gehobenen Kreisen, in denen sie verkehrte, mehr als wett! Und aus der traumatischen Kindheitserfahrung, die sie als junges, noch gänzlich unreifes Mädchen erlitten hatte, wusste sie schließlich nur allzu gut, was sich hinter gar mancher frommen Fassade verbergen mochte! – gerade bei denen, die sich nach außen ehrfurcht-gebietend tadellos gaben! Dass sie von all diesen Scheinheiligen verachtet wurde, betrübte Maria also wenig; für all diese selbstgerechten Richter hatte sie als gebranntes Kind schließlich selbst nicht mehr als abgrundtiefe Verachtung übrig!
Und doch war Maria, obwohl ihr rein äußerlich wahrlich nichts fehlte, mit dem, was sie war und lebte, trotzdem todunglücklich, inwendig leer und unerfüllt!
Es war auch nicht so, dass sie sich danach gesehnt hätte, die Frau eines liebenswürdigen Mannes und glückliche Mutter vieler Kinder zu sein! Auch das war eigentlich niemals wirklich ihr Lebenstraum. Was sie sich tatsächlich in Wahrheit immer gewünscht hatte, das war ein gänzlich gott-geweihtes Leben, wie es einige essenische Jungfrauen oder auch manche Witwen führten, die als Heilige, mitunter sogar als Prophetinnen galten.
Stattdessen war sie, wenn auch in den besten Kreisen, doch nichts als ein profanes Freudenmädchen, ja, eine Hure! Und auch, wenn sie aufgrund ihrer höchst ertragreichen Beschäftigung ohne Not vielen armen Seelen Mildtätigkeit erweisen konnte und auch auf ihre eigene Weise, wiewohl ausgestoßen aus der Synagoge, so doch trotzdem für sich mit Gott auf »Du« und »Du« war und sich von Ihm trotz allem angenommen und verstanden glaubte, so ließ sie ihr Leben, wie sie es lebte – oder besser: aufgrund mangelnder Alternativen leben musste, – doch zutiefst unerfüllt und unglücklich zurück.
(J)
Nur wusste sie nicht, wie sie diesem Geschick, in das sie ihr Schicksal schon in jungen Jahren geradezu hineingezwungen hatte, entrinnen konnte, um das werden und leben zu können, was sie eigentlich immer wollte. Denn wo war da eine Hand, die sie aus all dem hätte heraus reißen können?! Wo war da ein Herz, das ihr einen Neu-Anfang hätte ermöglichen können?!
Nach Hause, zu ihrer Familie, zu ihren beiden Geschwistern und ihrem Vater zurück kehren: das konnte sie schließlich auch nicht! Und das belastete Maria über allem am allermeisten: dass es zum Bruch mit ihren Liebsten gekommen war und es für sie vor allem auch hier nach menschlichem Ermessen kein »Zurück« mehr gab. Das schmerzte sie immer wieder: der Gedanke, dass sie sich von ihrer Familie als auf ewig verstoßen betrachten musste!
Als sie vor ihrer Flucht unter Tränen ihren Vater angefleht hatte, sie nicht diesem groben Wüstling, der sie geschändet hatte, auszuliefern, drehte dieser damals völlig durch und drohte ihr damit, sie zu verstoßen, wenn sie sich nun nicht dem Mann ergeben wolle, den sie dazu verleitet haben sollte, schwach zu werden, obwohl er zu den frömmsten und geachtetsten Ältesten der Synagoge von Bethanien zählte und sie aufgrund seines stattlichen Vermögens – eines doch allzu augenscheinlichen Zeugnisses göttlicher Segnung – zeitlebens auf Federn hätte betten können.
Sie aber konnte nur noch den schweißtriefenden, gafernden Übermann sehen, der sich mit Übermacht auf sie geworfen hatte und höchst schmerzvoll in sie eingedrungen war und ihr mit Gewalt ihre Unschuld geraubt hatte. Da gab es für sie nur noch eines: weg!
Ihr Bruder Lazarus schwieg zu allem. Er hatte sich noch nie gegen ihren über-gestrengen Vater behaupten können! Und Marias ältere Schwester Martha erklärte nur, dass dies eben das Los der Frauen wäre, alles erdulden und erleiden zu müssen. Denn wenn ihnen ein besseres Geschick bestimmt gewesen wäre, wären sie nicht als Frauen geboren worden:
Eine jede Seele, die in eine weibliche Existenz erweckt würde, hätte Gottesfurcht und Demut zu lernen, ohne eigene Wünsche äußern oder gar irgendwelche Ansprüche stellen zu dürfen. Das wäre der einzige Weg, sich eine günstigere Wiedergeburt in einem künftigen Leben zu sichern. Denn auf einen unmittelbaren Eingang ins Himmelreich konnte eine als Frau geborene Seele ohnehin nicht hoffen! Das wäre auch immer die Rede ihrer Mutter gewesen, an die Maria sich aber kaum erinnern konnte, da sie noch sehr klein war, als diese unter ihren Lasten gestorben war.
Folglich hatte Maria keinerlei Verbindung mehr zu ihrer einstigen Familie. Sie wusste nicht einmal, ob ihr Vater noch lebte: ihr »Vater«, der mehr auf die Bekundungen eines angesehenen Gemeinde-Mitglieds, als auf die Beteuerungen seiner eigenen Tochter gab und dem mehr an seinem eigenen Ansehen im Kreis der Frommen lag, als am Wohl seiner eigenen Tochter!
Mirijams Bruder, Lazarus, fügte sich widerspruchslos in alles, was sein Vater bestimmte – was für ihn als Mann aber ungleich viel leichter war!
Und Martha? Sie glaubte, Gott keinen größeren Dienst erweisen zu können, als zu leiden und alles, was ihr das Schicksal aufgab, schweigend zu erdulden, und sie strafte Maria, die das nicht nach- und mit-vollziehen wollte, dafür mit Verachtung und fügte sich in das Urteil der Männer über ihre jüngere Schwester.
(K)
So war Maria mit ihrem Los doch todunglücklich – wie in einem goldenen Käfig gefangen, und fühlte sich bei allem doch schmutzig, schäbig, unrein, besudelt, wie in einer Kloake, obwohl sie nur mit achtenswerten Männern verkehrte, die in wohlriechenden Ölen badeten und sich in sauberste Gewänder zu hüllen pflegten. Trotz allem fühlte sie sich besudelt: zwar wohl angenommen von dem All-Verständigen, der in aller Herzen sah und alles recht zu beurteilen wusste und doch, vielleicht gerade deswegen, Seiner absolut unwürdig!
Und mitunter befielen Maria auch Zweifel, ob der Höchste, All-Heilige, sie so, wie sie war, tatsächlich noch lieben und annehmen konnte; und zeitweilig stiegen in ihr auch massive, sie quälende und peinigende Ängste auf, dass Gott sich vielleicht doch von ihr abgewendet und sie abgeschrieben haben könnte, da es schließlich für sie keinerlei Auskommen aus ihrem schändlichen Geschick mehr gab, so dass sie ihrem sündigen Leben, das nach den Lehren der Frommen unweigerlich ins Verderben führte, gänzlich, ohne jeden Ausweg, überantwortet worden war.
Vielleicht war dies ja doch unverzeihlich gewesen, dass es ihr – trotz der widrigen, misslichen Umstände – nicht gelungen war, sich ihre Reinheit und Unschuld zu bewahren, so dass sie der Versuchung erlegen war, sich als eine Freudenfrau auf eine doch recht einträgliche und einfache Weise ihren Unterhalt zu sichern – da sie, im Gegensatz zu anderen Beischläferinnen, aufgrund ihrer betörenden Schönheit in der glücklichen Lage war, sich ihre Freier aussuchen zu können.
(L)
Insofern schenkte Jesus ihr mit der bestätigenden Zusicherung, trotz ihres unanständigen Lebenswandels dennoch immer bleibend und unverlierbar geliebt und angenommen zu sein, dadurch doch den so oft vermissten wahren, absoluten inneren Seelenfrieden!
All die ach so gottesfürchtigen „Frommen“, die nicht hinter das vermeintlich Augenscheinliche in die Tiefe blicken wollten, mochten sie noch so sehr verunglimpfen und verurteilen: Jesus nahm sie dennoch, ohne ihre großen Schwächen zu übersehen, bei allem gänzlich vorbehaltlos an! Und Er liebte sie sogar trotz allem und wollte ihr Leben!
Und ebenso war es auch mit dem „eigentlichen, wahren Leben“, das sie suchte: genau, wie Jesus es dem Pharisäer Simon gesagt hatte, dass dies im Grunde allen Seelen fehlen musste, bis Er dies allen schmachtenden, sich danach verzehrenden Seelen bringen würde: Denn hier glaubte sie tatsächlich endlich, das Herz zu finden, in dessen liebenden Pulsschlag sie aufleben konnte, die Hand, die sie aus allem heraus reißen konnte – weil dies ein Mann war, der sie nicht um ihrer äußeren Reize willen liebte und sie auch nicht als eine Ehefrau für sich begehrte, danach verlangte, ihrer auf irgendeine Weise habhaft zu werden und sie an sich zu binden.
Da war einer, der ihr ihre Freiheit ließ, ihr nichts abverlangte, und zugleich doch auf unwiderstehlicher Weise alles bot, wonach sie verlangte – gänzlich umsonst! – wie zugleich auch einer, der sie in ihrem wahren Wesen, was sie sein wollte, erkannte und sie auch vorbehaltlos anerkannte, so, wie sie derzeit war, ohne das schön-zu-reden, was ihr selbst im Grunde so widerwärtig war: ihr Huren-Dasein als eine käufliche Liebhaberin!
Und: Dieser wahrhaft Heilige – eigentlich der erste wirklich Heilige, der ihr je begegnet war – bot ihr einen Ausweg aus all dem an, da Er auch ihr als Frau, ja, Hure, einen gangbaren Weg in ein neues, wahrhaft heiliges Leben im Kreis Seiner Jüngerschaft bot.
Also ergriff Maria diese ihre große Lebenschance beherzt mit beiden Händen, und sie war bereit, dafür alles aufzugeben und auf eine Karte zu setzen. So flehte sie zu Jesu Füßen, von Ihm in Seine Jüngerschar aufgenommen zu werden, und erklärte: „Ich könnte doch für euch Nahrungsmittel einkaufen gehen und euch eure Speisen zubereiten.
Und da es sich für Männer nicht geziemt, fremde Frauen in der Öffentlichkeit anzusprechen, könnte ich´s bei der Gelegenheit auf den Märkten auch den Frauen künden, wenn Du in ihre Städte und Dörfer zu kommen gedenkst, wie es Deine Jünger tun, die überall Deine Ankunft ankündigen. Denn es gibt schließlich auch viele Jungfrauen und Witwen, die andernfalls vielleicht nichts von Deinem Kommen erfahren würden, da es ihnen nicht, wie den Vermählten, von Ehemännern mitgeteilt werden könnte!“
(M)
Petrus und Judas Bar Simon aus Karioth, welche die beiden Wortführer der Propheten-Schüler des Herrn waren und stets offen aussprachen, was alle dachten, wandten sich da aber sogleich an den Meister und erklärten: „Schicke diese Frau wieder fort von uns!
Du kannst doch unmöglich Weibsbilder in Deine Gefolgschaft aufnehmen! Das wird Deinem Ansehen, wie auch der Verbreitung Deiner Botschaft beträchtlich schaden! Denn noch niemals hat es solches gegeben, dass Propheten auch Frauen als Jüngerinnen bei sich aufnahmen! Denn sie sind des wahren Lebens nicht würdig, allein als Dienerinnen für die Söhne Gottes erschaffen!
Jesus aber sprach: „Meint ihr, Mir wäre es nicht möglich, in den Frauen zu ergänzen, was ihnen zur vollen Manneskraft fehlen mag, wie aber vor allem auch in euch Männern, was euch an den weit vorzüglicheren weiblichen Tugenden und Eigenschaften fehlt, wenn Ich denn in euer aller Herzen einziehe und wohne?
Denn wahrlich, Ich sage euch: Die Frauen werden sich noch als standhafter und mannhafter erweisen in Meiner Stunde als ihr, die ihr euch »Männer« nennt und für männlich erachtet!
Und wenn ihr´s annehmen wollt: Die Frauen unter euch werden sogar einstmals Meine Erz-Apostolinnen sein, die es euch als die Ersten künden werden, wie es ihnen auch selbst als den Aller-Ersten aus den Himmeln verkündigt wird, dass Ich dem Teufel getrotzt und den Tod überwunden habe, da ICH BIN der Lebendige, der da lebt und herrscht und regiert und waltet selbst über Teufel und Tod!
Und sie sind es auch, eure Schwestern, die Mein Evangelium noch vor euch hineintragen werden in das Römische Imperium bis in das Herz dieser gegenwärtigen Weltmacht hinein: in des Kaisers Haus und Hof!
Denn was nichts gilt in dieser Welt, die dem Widersacher untersteht, das ist es, was erwählt ist bei Gott. Und darum wird es in der Welt gering geschätzt und verachtet, weil die Welt dem Erzfeind unterworfen ist, der wider alles ist, dem des Abbas besonderes Augenmerk gilt!
(N)
Und hört: Ebenso ist es von je her auch mit den Frauen und Müttern, welche die Gottheit als die Krone und Herrlichkeit der Männer bestimmt hat, welche ihrerseits ebenso die Krone und Herrlichkeit der Gottheit sind, so dass die Allmacht die Frauen somit als die Krone aller Kronen und als die Herrlichkeit aller Herrlichkeiten zu Ihrem vorzüglichsten Ebenbild erschaffen hat!
Und bedenkt und erkennt dies: Wie von je her, so wird es auch unter Meiner Königsherrschaft sein, dass es die Frauen sind, welche die Fürsten und Regenten in Meinem Reich als eine unentbehrliche göttliche Hilfe und Stütze, Beratung und Begleitung geleiten und auch tragen, wie es auch die Mütter sein werden, die Könige und Herrscher und Leiter erziehen und zu jenen Größen machen werden, welche sie dermaleinst sind:
Denn sie sind es: Eure Schwestern und Mütter! Sie vermitteln, wie niemand sonst, all die höchsten und herrlichsten göttlichen Eigenschaften, die allesamt feminin sind – wie etwa Liebe, Nachsicht, Langmut, Geduld, unbeirrbare Treue und all-duldsame Standhaftigkeit, Einfühlsamkeit, Verständnis, Barmherzigkeit, Sanftmut, Gnade, Mitleid, Freundlichkeit, Herzensweisheit.
Darum lasst die Frauen unter euch gewähren und tut es nicht der gottlosen Welt gleich, die dies Geschlecht verachtet, obwohl es so viel zarter, feiner und bemerkenswerter ist: Gebt auch euren Schwestern unter euch Raum, dass sie sich unter euch ebenso entfalten können und weissagen, verkündigen und lehren dürfen, gleichwie ihr.
Denn in Mir gilt Mann und Frau so wenig wie Herr und Diener, Freier und Sklave, Jude und Heide, oder wie sonst irgendein Unterschied, den ihr Menschen in eurem beständigen menschlichen Beurteilen und Bewerten aufrichtet und kennt.
In Mir hat dies alles keine Bedeutung, sondern nur dies eine: ob eine Seele schon in und aus Meiner allduldsamen Liebe gegen wahrhaft alle lebt oder aber noch nicht.
(O)
Darum soll es bei euch keinen Unterschied geben zwischen Mann und Frau. Und wenn ihr das Männliche und das Weibliche als gleichwertig gleichberechtigt in euren Gemeinschaften vereint, dass ihr aus den beiden wieder ein Fleisch macht, wie beide es auch sind in Mir, damit das Männliche nicht mehr nur männlich und das Weibliche nicht mehr nur weiblich ist, dann erst werdet ihr Vollkommenheit erlangen. Denn Ich als die Allversöhnung: Ich bin auch die Versöhnung der Geschlechter!“
(P)
Und Jesus nahm Maria in den Arm und küsste sie; und Er sprach zu ihr: „So sei von Herzen aufgenommen in unseren Kreis!“
Dann aber blickte Er sie ernst an und erklärte: „Nur eine einzige Bedingung muss Ich an dich stellen: Sonst kannst du nicht auf Dauer bei Mir bleiben!“
Maria erschrak: War die Liebe dieses Rabbis also doch nicht gänzlich vorbehaltlos und bedingungslos? Konnte sie sich doch noch irgendwie alles verspielen?! Oder durfte sie nur eine geheime Jüngerin werden, die sich verborgen halten sollte?
Der Meister aber lachte sie verschmilzt an und bekundete: „Wirf dich nicht mehr immerfort unterwürfig vor Mir in den Staub und küsse Mir nicht mehr länger ständig die Füße! Das geht einfach nicht!
Denn wenngleich Ich dein Herr und Erlöser bin, so will Ich dir doch gerade darum ein Lebensbegleiter und Freund, ein Gefährte und Bruder sein! Auch will Ich niemanden knechten und unterjochen, brechen oder beugen, sondern vielmehr alle aufrichten, wie sie einstmals von Mir erschaffen worden sind – gerade all diejenigen, die schon zu genüge unterdrückt und gedemütigt und gebrochen worden sind!“
Da erkannte Maria, dass der Rabbuni sich einen Scherz mit ihr erlaubt hatte, als Er von einer Voraussetzung sprach, von der abhing, ob Er sie in Seiner Gemeinschaft bleibend dulden konnte; und auch sie musste lachen – aber mehr über sich selbst, da sie sich so leicht irritieren und hinters Licht führen ließ, dass sie tatsächlich für einen Moment in Zweifel geriet, ob dieser großherzige Heiland, der ihr das Leben gerettet und geschenkt hatte, doch nicht wahrhaftig völlig bedingungslos und unverlierbar liebt.
Da umarmte Maria den Herrn wie einen Bruder; und Er küsste sie, gleich einer Schwester – und dergleichen tat Er mit ihr seither oft in völlig unverkrampfter und ungezwungener, vertraulicher Weise, ohne etwas auf scheinheilige Etiketten zu geben.
So kam es auch, dass man nicht selten Maria, die seit diesem Tag ständig an des Meisters Seite war, für Seine Gefährtin hielt – wenngleich der Herr niemals in begehrlicher Weise an Maria heran trat. Und Maria wusste es und schätzte und liebte und vergötterte Ihn gerade darum so sehr.
(Q)
Maria war also die erste Jüngerin, die Jesus in Seine Gefolgschaft aufgenommen hatte, nachdem Er sie von ihren, sie quälenden und bindenden Dämonen freigesetzt hatte.
Und mit der Zeit schlossen sich immer mehr Frauen der Jüngerschaft Jesu an, die dem Rabbi mit ihrer Habe dienten und zusammen mit Seinen Anhängern durchs Land zogen und sie bekochten – zumindest in den Zeiten, als es für sie nicht gefährlich wurde oder sie sich nicht in entlegene, zum Teil heidnische Gebiete zurückziehen mussten, um nicht den Häschern des Herodes Antipas in die Hände zu fallen, der nach der Hinrichtung des Täufers eine gewisse Zeit auch Jesus zu fassen suchte, da der abergläubige Vierfürst zuerst meinte, bei jenem wunderwirkenden Prediger könnte es sich um den von ihm ermordeten Tauf-Propheten handeln, der von den Toten zurückgekehrt war, um ihn als ein Racheengel Gottes für sein Verbrechen an ihm zur Rechenschaft zu ziehen.
Kurz, nachdem Mirijam aus Magdala in den Kreis der Propheten-Kinder aufgenommen worden war, schloss sich ihnen eine Frau mit Namen Johanna an, die mit Maria befreundet war: Sie war die einstige Gemahlin des Chusa, dem die Verwaltung der Residenz des Herodes Antipas in Tiberias unterstanden hatte; und Johanna kannte Maria von deren Besuchen im Palast des Tetrarchen. Aus dieser Hof-Gesellschaft stammte auch Susanna, die eine begüterte Witwe war.
Aber es gab auch viele andere Frauen, die neben den Zwölfen häufig an der Seite Jesu waren: Frauen, welche Er von bösen Plagegeistern und Krankheiten geheilt hatte, oder solche, die von ihren Ehemännern wegen Nichtigkeiten oder aber aus Vorwand zugunsten von neuen Gemahlinnen verstoßen worden waren.
Und schließlich begleiteten die Gemeinschaft des Wanderpredigers zeitweilig auch verschiedene Mütter von Jüngern – etwa Maria, die Frau des Alphäus Kleopas, welche die Mutter des Apostels Jakobus, sowie des Joses und des Simon war, welche dem Kreis der Siebzig angehörten, die dem Rabbi zeitweilig folgten: diese Maria aus Emmaus war Jesu Tante, da sie mit Halphaios, dem Halb-Bruder von Jesu Zieh-Vater Joseph, verheiratet war.
Dann war da noch Salome, die Frau des Zebedäus und Mutter der beiden Apostel Jakobus und Johannes, welche die jüngere Schwester von Jesu Mutter Maria war; und schließlich schloss sich auch Jesu Mutter Maria selbst zeitweilig der Wandergruppe an, um bei ihrem Sohn zu sein und Ihm und den Seinigen zusammen mit den anderen Frauen zu dienen – insbesondere, nachdem Maria, wie zuvor bereits Jesus, von Nazareth nach Kapernaum ins Haus des Zebedäus zu ihrer Schwester Salome umgezogen war, als es zum endgültigen Bruch der Brüder Jesu mit ihrem Sohn gekommen war.
Diese glaubten nämlich nicht an Jesu Sendung und wollten Ihm untersagen, durch Sein, von den leitenden pharisäischen Rabbinern beanstandetes Wirken ihr Haus noch mehr in Verruf und am Ende gar noch in Gefahr zu bringen.
Jene Brüder Jesu, die sogar älter als Maria selbst waren, waren nämlich nur die Kinder des Witwers Joseph, der einstmals durch das Los dazu bestimmt worden war, die jungfräuliche Maria als eine Geweihte des HERRN aus der Hand des Tempels in seine Obhut zu nehmen, als Mirijam ins dreizehnte Lebensjahr kam, wo sie nicht länger im Heiligtum Gottes verbleiben konnte, da sie die Reife erreicht hatte, in der es ihr nach der Frauenweise ging.
Und nachdem Jesu Ziehvater Joseph aufgrund seines vorgerückten Alters bereits verstorben war, hatte fortan dessen ältester Sohn Jakobus in der Familie das Sagen und er wollte als das neue Familienoberhaupt seinem übernommenen Zieh-Sohn verbieten, weiter öffentlich aufzutreten.
Folglich war Jesus zeitweilig von drei Frauen mit Namen »Maria« umgeben: nämlich von Maria, Seiner Mutter, sowie von Maria, Seiner Tante väterlicherseits, und schließlich von Maria, die man – zur Unterscheidung von den anderen Frauen mit Namen »Mirijam« – »Magdalena« nannte, da sie in Magdala gelebt hatte, als Jesus in ihr Leben getreten war.
So war eine Maria Jesu Mutter, eine Maria Seine Tante und eine Maria Seine ständige Begleiterin, die darum als Seine Gefährtin betrachtet wurde – und damit waren fast immer drei Marien um den Heiland, gleich einem irdischen Spiegelbild der dreifaltigen Ruach, die Jesus beständig umgab und Ihm in Ihrer trinitarischen Fülle vollumfänglich innewohnte. Denn was der Sohn tut, das tut ebenso auch der Vater, wie der Geist – wie der Sohn auch die leibhaftige irdische Erscheinung des Heiligen Geistes und himmlischen Christus und das lichte Herrlichkeits-Antlitz des Ewig-Vaters selbst in Seiner Abba-Liebe zu allen Seinen Kindern und Wesen ist.