Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)

Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi

III Die Aufnahme

(A)

Es begab sich, als der Herr die Gegend nördlich von Kapernaum durchzog und mit Seinen Jüngern über das Gebirge ging, da kamen sie an einen Berg mit sehr steilen Wegen. Dort begegneten sie einem Mann mit einem Lasttier.

Der Esel aber war zusammengebrochen, denn er war hoffnungslos überlastet; und sein Besitzer schlug ihn, dass schon das Blut aus dem mageren Gerippe des armen Maultieres floss.

Da trat Jesus zu dem Schinder seines Tieres hin und rügte ihn: „Du Sohn der Grausamkeit! Warum schlägst du dein Tier? Siehst du denn nicht, dass es für seine Last viel zu schwach ist, und erkennst du nicht, wie es leidet?“

Der Esel-Schinder aber erwiderte: „Was hast Du damit zu schaffen? Ich kann mein Maultier schlagen, so viel es mir gefällt! Schließlich gehört es mir, denn ich kaufte es für eine gehörige Summe Geld! Frage die, die hier um uns stehen! Sie sind aus meiner Nachbarschaft und wissen es.“

Und einige von den Beistehenden bestätigten: „Ja, Herr, es ist so, wie er sagt: Wir waren dabei, als er das Maultier kaufte.“

Der Meister aber erwiderte: „Auch wenn jener diesen armen Esel für viel Geld erworben hat: Bleibt jenes arme geschundene Tier nicht trotzdem über allem letztlich doch ein unbezahlbares Kind und Geschöpf Gottes, der ihm das Leben gegeben hat, dass kein Sterblicher ihm je zurück geben könnte, wenn es erst einmal aus ihm heraus-geprügelt worden ist?! Und seht ihr denn nicht, wie es blutet, und hört ihr nicht, wie es stöhnt und jammert und wimmert und weint und um Hilfe schreit?“

Sie aber entgegneten Ihm: „Nein, Meister, wir hören nichts! Stöhnt und jammert es denn wirklich? Wie sollten wir denn seine unbeholfenen Artikulationen verstehen, wo es so geistesschwach ist, dass es sich nicht einmal vernünftig mitteilen kann! Und kann denn solch eine minderwertige Kreatur überhaupt empfinden, wie der feinfühlige Mensch?!”

Da ergrimmte der Herr in Seinem Geist und klagte zutiefst betrübt: „Feinfühlig wollt ihr sein, weil ihr euch dem Menschengeschlecht zugehörig fühlt?! Wenn dem so wäre, wo ist dann eure Mitmenschlichkeit?

Wehe euch! Denn allein nur wegen der Stumpfheit eures Herzens hört ihr nicht, wie es klagt und wimmert und winselt und schreit zu seinem himmlischen Schöpfer um Erbarmen! Und dreimal Wehe über den, gegen den es schreit und stöhnt in seiner Qual! Denn der Höchste, All-Heilige, wird auch das Schreien einer solchen Seele wohl hören, das einem Geschlecht angehört, das inbrünstiger als all ihr Menschen, ganz auf Ihn vertrauend, zu Ihm ruft!“

Und der Rabbi trat hin zu dem Maultier und berührte die arme geschundene Seele; und die zusammengebrochene geschundene Eselin erhob sich wieder, und all ihre Striemen-Wunden wurden zusehends geheilt!

Da entsetzten sie sich alle, und ihnen stach´s durchs Herz, da sich in Jesus die Macht des Allerhöchsten offenbarte und sie alle in ihrer Herzlosigkeit und Stumpfsinnigkeit überführte. Und die Furcht des HERRN fiel sie alle an, welche der Anfang aller wahrer Erkenntnis ist.

Aber zu dem vermeintlichen Besitzer des Maultiers sprach Jesus: „Gehe nun deine Wege und schlage dein Tier künftig nicht mehr, wenn auch du Erbarmen zu finden hoffst. Denn wenn du es denen verweigerst, die dir anvertraut sind, wird auch der dir Barmherzigkeit verweigern, dessen Obhut du für dich in Anspruch nehmen willst!“

Und in Hinblick auf all die Not und das Elend, auch unter den Tieren, die sich in dieser Begebenheit allen Jüngern Jesu offenbarten, sprach der Meister schließlich später zu ihnen: „All der Kranken wegen bin Ich krank! All der Gebrechlichen wegen leide Ich an Gebrechen! All der Geschundenen wegen bin Ich geschunden! All der Leidenden wegen trage Ich immerfort Leid! In all ihren Geißelungen werde Ich gegeißelt und in all Ihren Martern werde Ich gemartert! Und in ihrer aller Schlachtung werde Ich geschlachtet! Und all der Hungrigen wegen leide Ich Hunger! Und all der Durstigen wegen leide Ich Durst!

(B)

Aber wahrlich, ja, Amen, Ich sage euch: Wenn des Menschen Sohn kommen wird in Seiner Herrlichkeit und all Seine heiligen Engel mit Ihm, dann wird Er sitzen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit. Und vor Ihm werden alle Völker versammelt werden von allen Enden der Erde; und Er wird sie voneinander scheiden, so wie ein Hirte Seine friedliebenden Schafe von den aggressiven Ramm-Böcken trennt. Und Er wird die arglosen Schafe zu Seiner Rechten, die bösartigen Böcke aber zu Seiner Linken stellen.

Dann wird der König zu denen zu Seiner Rechten sagen: »Kommt her zu Mir, all ihr Gesegneten Meines Vaters! Erbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt Mich gespeist! Ich bin durstig gewesen, und ihr habt Mich getränkt! Ich bin herrenlos und ohne Obhut gewesen, und ihr habt euch Meiner angenommen! Ich bin nackt gewesen, und ihr habt Mich bekleidet! Ich bin krank gewesen, und ihr habt Mich besucht! Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu Mir gekommen!«

Dann werden Ihm die Gerechten antworten und sagen: »Herr, wann haben wir Dich hungrig gesehen und haben Dich gespeist? – oder durstig und haben Dich getränkt? Wann haben wir Dich ohne Obdach gesehen und haben Dich beherbergt? – oder nackt und haben Dich bekleidet? Wann haben wir Dich krank oder gefangen gesehen und sind zu Dir gekommen?«

Und der König wird ihnen antworten und zu ihnen sagen: »Siehe, Ich bin inwendig in allen Lebewesen Gottes! Und wahrlich, Ich sage euch: Was ihr getan habt auch dem Geringsten unter diesen Meinen Geschwistern, das habt ihr Mir getan!«

Dann wird Er sich denen zu Seiner Linken zuwenden und sie von sich weisen: »Ihr aber: Geht hinweg von Mir, ihr bösen Seelen, in das Äonen währende Feuer, das ihr euch bereitet habt, bis ihr siebenmal gereinigt und von euren Sünden geläutert worden seid!

Denn Ich war hungrig, und ihr habt Mich auch nicht gespeist! Ich bin durstig gewesen, und ihr habt Mich auch nicht getränkt! Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt Mich auch nicht beherbergt! Nackt bin Ich gewesen, und ihr habt Mich nicht bekleidet! Krank und gefangen bin Ich gewesen, und ihr habt Mich nicht besucht!«

Da werden diese sich entsetzen: »Aber Herr! Wann haben wir Dich hungrig gesehen oder durstig oder als Fremdling oder nackt oder krank und haben Dir nicht gedient?«

Er aber wird ihnen erklären: »Siehe, Ich erschien euch in allen Meinen von Mir ins Leben gerufenen Geschöpfen und Kindern! Und wahrlich, Ich sage euch, was ihr nicht getan habt dem Geringsten unter diesen Meinen geliebten Geschwistern, das habt ihr auch Mir nicht getan!«“

Denn eines jeden Wurmes, dessen ihr euch erbarmt: es wird euch auch selbst Barmherzigkeit einbringen! Aber jede Fliege, die ihr erschlagt: es wird euch ebenso Schläge einbringen! Da ist nämlich in Wahrheit auch kein einziges Spatzen-Junges, das aus seinem Nest fällt, und auch kein Mäuslein, das in einer Regen-Tonne ertrinkt, ohne dass die Gottheit dies nicht mit erleiden würde!“

(C)

Und Er sprach zu ihnen: „Ihr seid Mir gefolgt, weil ihr danach verlangt, dass Ich euch den Vater zeige. Und auch, wenn ihr Mich noch nicht gefragt habt: »Wo ist Dein Vater?«, so ist es doch das, was ihr im tiefsten Grunde eures Herzens sucht und wonach eure Seele im Ureigentlichsten verlangt – wie eine jede Seele in ihrem tiefsten Herzensgrund, ob sie nun schon darum weiß, oder auch nicht, ob sie es sich schon eingestehen kann oder es noch verleugnet. Denn allein beim Vater und in dem Vater ist Ruhe und Frieden und Heil und Erlösung zu finden.

Darum will Ich euch antworten, noch ehe ihr Mich fragt: In Mir findet ihr den Abba aller! Mich aber findet ihr, wenn ihr Mich in Meiner brennenden Sehnsucht und in Meinem lodernden Verlangen unversiegbarer Retterliebe zu allen Wesen erkennt und Meinen Hilferuf vernehmt in einer jeden für sich selbst noch ach so ohnmächtigen, sprachlosen Seele – ob sie nun hoch oder gering ist, euch bedeutend oder unbedeutend erscheint, ob sie euch freundlich oder feindlich gesonnen gegenübertritt – oder auch Mir, oder Meinem Vater.

Wenn ihr in einer jeden Seele Herzensgrund hineinblickt, wie Ich es tue, und die klaffende Leere erspäht und ihr ureigentlichstes Verlangen nach Heil und Erlösung, ob jene Seele schon selbst darum weiß oder aber noch nicht: ja, dann siehst und findest du Mich in einer jeden Seele Herzensgrund: das von ihr vielleicht vergessene oder gar auch verachtete Gotteskind, das aber doch in unstillbarem Verlangen geboren werden will – in wahrhaft jeder Seele!

Und wenn du dies erblickst in einer jeden Seele, die dir gegenübertritt – ob Vater oder Mutter oder Bruder oder Schwester oder Sohn oder Tochter oder Vertrauter oder Fremder, ja, ob Freund oder Feind, ob Mensch oder Tier oder selbst Pflanze: wenn du dies in einer jeden Seele erblickst, dann findest du darin Mich und in Mir keinen anderen als den Vater, der aller Herzen Sehnsucht wieder wecken und zu Tage fördern und dann allem wahrhaftigen Verlangen begegnen will und wieder Versöhnung aufrichten will mit allen, wie auch zwischen allen.

In all den Seelen, die dir gegenübertreten, begegnest du also Mir, wie auch Meinem Vater!“