Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
IV Die Ablehnung
2: Jesu Bruch mit Seinen Brüdern
2-A: Jesu Mutter Maria: in die Enge getrieben
2-B: Wer ist denn Meine wahre Familie?!
2-C: Jesu Gleichnis vom Tragetuch und dem inneren Gotteskind
2-D: Jesu Gleichnis vom rechten Saitenspiel
2-E: Vom goldenen Mittelweg zwischen Gesetzlichkeit und Gesetzlosigkeit
2-F: Warnung vor dem Sauerteig sowohl der Pharisäer, als auch der Herodianer
2-G: Jesu Gleichnis vom Pferd und seinem Reiter
2-H: Jesu Gleichnis von den drei Söhnen
2-I: Gespräche im Haus des Zebedäus
2-J: Erfahrt Meine Antwort: Sie lautet »Nein«!
(A)
„Maria, wir müssen mit dir reden!“
Die Mutter Jesu befand sich allein im Haus, und war eben damit beschäftigt, das Abendessen zu richten, während sich Rahel, Debora und Ruth, die Frauen der Söhne des Joseph, draußen befanden, um das Vieh zu versorgen.
Jakobus, der Älteste der Brüder, der nach Joesphs Tod das Oberhaupt der Familie geworden war, trat zusammen mit Joses, Simon und Judas in die Lehmhütte und erklärte: „So geht es einfach nicht weiter! Wir müssen dringendst etwas unternehmen!“
Sie alle setzten sich zu Tisch und baten Maria, bei ihnen Platz zu nehmen. Und Jakobus hob an: „Du weißt, dass ich in unserer Gemeinde, aber auch im ganzen Umland von Nazareth, als ein »Zaddik« gelte und als ein »Gerechter« angesehen werde, der in allen Fragen bezüglich der rechten Auslegung des mosaischen Gesetzes nach der »Halacha«, der rabbinischen Überlieferung der Väter, wohl bewandert ist, und dass man mich darum neben dem Rabbi der Synagoge häufig aufsucht, wenn man bezüglich des rechten Verständnisses der Thora unschlüssig ist und Rat braucht, wie ein bestimmtes Gebot angemessen umzusetzen ist.
Es kommt nun schon seit geraumer Zeit immer häufiger vor, dass man mich hier auch wegen der Ansichten deines Sohnes zur Rede stellt, was dieser überall in ganz Galiläa lehrt, was aber völlig im Widerspruch zu allem steht, was die Gesamtheit aller pharisäischen Rabbiner für recht befinden.
Denn man weiß schließlich, dass Jesus in unserem Haus aufgewachsen ist und seit dem Tod unseres Vaters meiner Obhut unterstanden war, bis Er schließlich hinaus gezogen ist, um Sein »Evangelium«, wie Er es nennt, zu verkündigen – Seine »Froh-Botschaft«, dass Gott – als ein gütiger Abba gegen alle – nichts als Liebe sei und darum allen alles ohne jedwede Vor-Bedingung nachsehen und vergeben würde!
Und mir ist auch schon zugetragen worden, wie auch von Pharisäern selbst bekundet worden, dass die gesamte Rabbinerschaft in ganz Israel in Jesus einen »Min«, einen »Irrlehrer« und falschen Propheten der allerschlimmsten Sorte, sieht, der gar mit dem Teufel im Bunde stehen soll.
Denn Er hält nicht nur Seine Anhängerschaft nicht zu regelmäßigem Fasten an, indem Er erklärt, sie würden auch ohne diese beständige Bußübung von ihrem himmlischen Abba geliebt: Er behauptet überdies sogar, es wäre in Hinblick auf die innere Herzensbeziehung zu Gott völlig gleichgültig, womit man auswendig in Berührung käme, ja, und dass man essen dürfe, was immer man wolle!“
Joses bekräftigte die Ausführungen seines älteren Bruders: „Man stelle sich das einmal vor! Damit erklärt Er ja letztlich alle Speisen für rein! Selbst sogar auch die Gräuelsuppen der Heiden! All das Gewürm und unreine Getier, das die Gottlosen fressen, selbst sogar auch abscheuliches Schweinefleisch!“
Und Simon ergänzte: „Damit stellt Er sich nicht nur gegen die »Halacha«, die mündliche Überlieferung der rabbinischen Väter in Fragen der Auslegung der Thora, sondern auch gegen die »Masora«, die schriftliche Überlieferung der göttlichen Satzungen selbst, und erklärt alle Speise- und Reinheits-Gebote für völlig unbedeutend in Hinblick auf das wahrhaftige, inwendige Verhältnis zu Gott!“
Und Judas Bar Joseph fasste zusammen: „Und damit lehrt Er klar den Abfall von Mose! Das ist einfach nicht hinnehmbar!“
„Aber damit nicht genug!“, ergriff der Älteste, Jakobus, wieder das Wort: „Er behauptet sogar, selbst mit dem Sabbat müsste man es nicht so genau nehmen, und gestattet Seinen Jüngern, am Tag des HERRN Ähren zu raufen und die Körner aus ihren Verschalungen zu lösen, um sie essen zu können, was nach einhelliger Auslegung aller Pharisäer aber bereits als Arbeit zu bewerten ist, die nach der Thora am Tag der Ruhe strickt untersagt ist! Hat nicht auch Mose selbst einen Israeliten steinigen lassen, nur weil dieser am Sabbat Reisig für ein Feuer aufgesammelt hat?!“
Judas übernahm: „Dein Jesus aber behauptet, der Sabbat sei doch für den Menschen da, und nicht der Mensch für den Sabbat!“
Und Simon erboste sich: „Er behauptet sogar, Er selbst sei der »Herr über den Sabbat«, weil Er »des Menschen Sohn« sei, welchen der Prophet Daniel als den Messias angekündigt hat! Und Er wäre darum nicht an die Thora des Mose gebunden!“
Joses pflichtete bei: „So soll Er geradezu vorsätzlich besonders gern am Sabbat Menschen heilen, wenn Er in den Synagogen Seine völlig neuen Lehren verbreitet, wo immer man Ihm gewähren lässt – als wolle Er die Ältesten Israels damit bewusst provozieren!“
Jakobus aber folgerte: „Das Schlimmste an all dem ist aber, dass Er sich damit regelrecht zum Sohn Gottes selbst erklärt, der allein den wahren Willen des Höchsten kennen und verkündigen würde, und sich so auch von Seinen Nachfolgern verehren lässt! Das ist schon allerhöchste Anmaßung und Blasphemie!
Ja, Er nimmt sich sogar das Recht heraus, den Menschen die Vergebung ihrer Sünden zuzusprechen, als wäre Er selbst Gott – sogar, wenn diese noch keinerlei Anzeichen von Reue zeigen oder in irgend einer Weise Anstalten gemacht haben, von ihren Abwegen umzukehren!
Er verkündet überall, Sein Abba im Himmel würde alle völlig bedingungslos lieben und annehmen, und allein diese vorbehaltlose, allen fest zugesicherte göttliche Liebe könne sie überhaupt erst zu wahrer Umkehr befähigen!“
Und Joses ergänzte: „So spricht Er all denen Gottes Liebe zu, die wegen ihres sündhaften Wandels von den Rabbinern aus der Synagoge ausgeschlossen und verstoßen worden sind, und schart um sich lauter Sündenpack und Gesindel!“
Simon konkretisierte: „Selbst Zöllner und Huren zählen sich schon zu Seinen Gefolgsleuten!“ Und Judas schloss an: „Und man stelle sich auch dies einmal vor: Er nimmt sogar Frauen in Seine Jüngerschar auf und stellt sie damit regelrecht den Männern gleich!“
Jakobus fasste zusammen: „Kurzum: Dein Sohn scheint alles in Frage zu stellen und zu verachten, was den Ehrwürdigen Israels heilig ist! Er lehrt den Abfall von Mose und bringt in ganz Israel die göttliche Ordnung ins Wanken! Er ist in Seinem Wahn, der Sohn des Höchsten selbst zu sein, ja schon völlig abgedreht und übergeschnappt – und schon gänzlich von Sinnen!
Das können wir einfach nicht länger mit ansehen und widerspruchslos hinnehmen! Darum haben wir beschlossen, dass wir Ihn nun alle gemeinsam aufsuchen müssen, um Ihm nunmehr ultimativ zu erklären, dass wir Sein Auftreten nicht länger dulden können und hinnehmen werden!
Er hat das einzustellen! Und wenn Er´s nicht will, so soll Er sich zu den Heiden wenden und denen Seine gottlosen heidnischen Lehren künden! Aber nicht länger in Israel!
Ich, als der Älteste Josephs, bin nunmehr das Familienoberhaupt und damit auch für Ihn verantwortlich, so dass Er meiner Weisung untersteht! Und wenn Er auch das verwirft und nicht annehmen will und mir flucht, so soll Er auch von uns verworfen und verflucht sein und uns als ein Gottloser und Heide gelten, als ein Abtrünniger, der auch von uns als Seiner Familie abgefallen ist, mit dem wir dann nichts mehr zu schaffen haben wollen!“
Und Simon schloss ab: „Wir wollen also hingehen und Ihn endgültig vor die Wahl stellen – in der Hoffnung, Ihn dadurch endlich zur Vernunft zu bringen und Ihm Einhalt gebieten zu können.
Und dazu musst auch du unbedingt mitkommen und uns darin unterstützen, damit es nicht – was der Himmel verhüten möge! – tatsächlich noch zum schmerzlichen totalen Bruch kommen muss!“
Maria aber brach in Tränen aus: „Was verlangst du da von Mir, Jakobus?! Wie könnte ich gegen Ihn aufbegehren und mich auflehnen oder Ihm widersprechen?! Auch wenn ich selbst nicht alles verstehe, was Er tut und lehrt! Mit ist schon bewusst, dass ihr nicht glauben könnt, von woher Er gekommen ist: Ich aber WEISS es! Wer also bin ich, Ihm Einhalt gebieten zu dürfen?!“
Joses bekundete daraufhin: „Maria, du weißt noch nicht alles!“
Und Jakobus übernahm: „Jesus hat es schon so weit getrieben, dass – wie mir zugetragen wurde – manche Pharisäer Ihm bereits sogar nach dem Leben trachten und deswegen sogar schon mit den Herodianern Kontakt aufgenommen haben!“
Und Judas erläuterte: „Und du weißt doch, was Herodes Antipas mit deinem Vetter Johannes, dem Täufer, gemacht hat, dass er ihn ergreifen und einkerkern ließ und schließlich nunmehr auch noch enthaupten lassen hat!
Willst du denn, dass dieses Schicksal auch deinen Sohn ereilt?!“
Simon führte aus: „Man erzählt sich, Herodes würde danach trachten, Jesus zu fassen zu bekommen, da ihm zu Ohren gekommen ist, dass dein Sohn inzwischen noch größere Massen in den Bann zieht, als einstmals der Tauf-Prophet; und Antipas soll deshalb zu der Überzeugung gekommen sein, in Jesus sei der Täufer von den Toten wieder auferstanden und zurück gekehrt, um an ihm Rache zu nehmen. Darum trachtet er nun auch deinem Sohn nach dem Leben.“
Daraufhin teilte Simon der Maria mit: „Und heute morgen hat sich uns dieses Gerücht bestätigt: Es waren nämlich Soldaten des Herodes Antipas gekommen und wollten wissen, wo Jesus sich aufhält. Wir hatten die allergrößten Schwierigkeiten, sie zu überzeugen, dass wir keine Ahnung haben.“
Joses ergänzte: „Dass Jesus offensichtlich das Haus des Zebedäus, des Mannes deiner Schwester Salome, in Kapernaum inzwischen als Sein neues Zuhause betrachtet, wohin Er von Seinen Missionsreisen mit Seinen Anhängern immer wieder zurück kehrt, haben wir ihnen natürlich verheimlicht.
Aber du erkennst an all dem, wie schlecht es mittlerweile um deinen Sohn steht und in welche Gefahr Er sich begibt, wenn Er nicht umgehend all das einstellt, was Er tut.“
Und Jakobus fügte hinzu: „Aber Er schadet damit nicht nur sich selbst, sondern bringt überdies mittlerweile auch uns alle, das ganze Haus unseres Vaters Joseph, nicht nur in allerschlimmsten Verruf, sondern mittlerweile auch in allergrößte Gefahr!“
Und Simon warf ein: „Willst du denn, dass Er noch ergriffen wird, wie dein Vetter, der Täufer Johannes?! Und dass auch Er noch Seinen Kopf verliert? Das willst du doch nicht!“
Und Joses gab zu Bedenken: „Oder dass Seinetwegen auch wir selbst noch in allergrößte Bedrängnis geraten, dass wir am Ende alle abgeführt und in Kerkerhaft genommen werden, weil man Ihn dadurch nötigen will, sich dem Antipas zu stellen! Wenn sie Ihn nicht zu fassen bekommen, wird Herodes seinen Zorn am Ende an uns auslassen!
Du musst doch auch an uns denken! Willst du etwa, dass den Kindern von Rahel, Ruth und Debora, unseren Frauen, oder denen von Esther, Judith und Schila, unseren Schwestern, Seinetwegen irgendetwas angetan wird?“
Alle blickten Maria eindringlich herausfordernd an. Maria wusste nicht, was sie sagen sollte: „Natürlich will ich das nicht!“, erklärte sie.
„Darum musst du mit uns kommen, Maria, wenn wir Jesus zu Rede stellen!“, urteilte Jakobus: „Auf dich wird Er vielleicht noch am ehesten hören!
Wir haben es ja schon desöfteren versucht, Ihn wenigstens zur Mäßigung anzuhalten! Aber immer gänzlich umsonst! Aber wenn du Ihn anflehst und Ihm darlegst, welche Nöte und Ängste du Seinetwegen ausstehen müsstest: Vielleicht wird Ihn wenigstens das zur Vernunft bringen.“
Und Simon räumte ein: „Wenn Er es als Seine Berufung ansieht, alle Gottlosen und Sünder wieder zu Gott zu führen, dann kann Er das ja auch tun – aber bitte nur so, wie Er´s am Anfang getan hat, als Er noch dem Beispiel des Täufers folgte!
Er soll die Menschen zur Umkehr aufrufen und die Reuigen im Jordan taufen, wie es auch Johanan getan hat. Aber am besten weit abgelegen von Jerusalem, wie es zeitweilig auch der Täufer getan hat – wie beispielsweise in Batanäa, das dem Herodes Philippus untersteht; denn auch damit macht Er sich nicht überall Freunde, wie es auch schon bei dem Tauf-Propheten war: Denn seine Verkündigung, man könne sich durch ein Wasserbad im Jordan von all seinen Sünden reinwaschen lassen, stieß schließlich auch schon bereits den sadduzäischen Priestern auf, da sie der Überzeugung sind, Entsühnung könne es nur über ihre Mittlerschaft, durch die Darbringung von Sühneopfern im Tempel geben.
Aber immerhin hätte Er mit einer derartigen Verkündigung sämtliche Essener hinter sich, die sich im Volk höchster Wertschätzung erfreuen und auch der Überzeugung sind, man könne sich durch Reinigungsrituale von seines Verfehlungen reinwaschen.“
Judas aber schob ein: „Doch Er muss es unbedingt unterlassen, irgendetwas zu lehren, was der Thora des Mose widerspricht und die Pharisäer noch massiver gegen Ihn aufbringt! Und Er muss es vor allem einstellen, auch am Sabbat Menschen zu heilen! Sechs Tage in der Woche sind doch wahrlich genug! Warum kann Er nicht, wie alle anderen, den Sabbat achten, dass Er immerfort die Gesetzestreuen vor den Kopf stoßen und die heiligsten Empfindungen der Frommen verletzen muss?!“
Simon ergänzte: „Und wenn Er von all dem nicht lassen will, dann soll Er sich mit Seiner anti-jüdischen Lehre an die Heiden wenden und nach Dekapolis oder nach Syro-Phönizien ziehen. Aber es geht nicht an, dass Er weiterhin das auserwählte Volk Gottes von Mose abspenstig macht!“
Und Jakobus konstatierte: „Wie aber auch immer: Wenn Er nicht gänzlich einstellt, was Er gegenwärtig tut, dann sind wir genötigt, Ihm abzuschwören und Ihn aus unserer Familie auszustoßen. Dann lässt Er uns keine andere Wahl, weil Er mit Seinem Auftreten nicht allein unser ganzes Haus in Verruf, sondern mittlerweile sogar in ernsthafte Gefahr bringt! Dann müssen wir uns öffentlich lossagen von Ihm und vor den Ältesten Israels erklären, dass wir mit Ihm und Seiner neuen Lehre nichts zu tun haben wollen. Sonst werden wir am Ende um Seinetwillen noch von der Synagoge ausgestoßen.
Aber Maria!“, versuchte Jakobus auf sie einzuwirken: „Das wäre doch furchtbar für alle von uns! Keiner von uns will das, dass es zu einem derart drastischen Bruch und zu einer Spaltung unserer Familie kommt! Darum liegt uns auch soviel daran, dies mit allen Mitteln zu verhindern! Aber dafür brauchen wir unbedingt deine Unterstützung und deine Mithilfe!“
Also nickte Maria und willigte ein: „Also gut. Ich werde euch begleiten und meinem Sohn sagen, dass ich mir große Sorgen um Ihn mache, und Ihn bitten, ob Er nicht etwas vorsichtiger sein kann.“
Die Söhne des Joseph sahen sich einander an: Ob das schon genügen würde? Aber immerhin konnten sie Jesu Mutter überreden, sie zu Jesus zu begleiten, wenn sie Ihm ihr Ultimatum stellen wollten.
(B)
So machten sie sich alle früh am Morgen von Nazareth auf den Weg nach Kapernaum: alle Halb-Brüder Jesu, nämlich Jakobus, Joses, Judas und Simon, zusammen mit ihren Frauen und Kindern, wie auch mit ihren Schwestern und deren Familien – und mit Jesu Mutter Maria.
Als sie aber am späten Nachmittag in Kapernaum eintrafen, befand sich Jesus in einem Gehöft, das mit einer großen Menge von Menschen angefüllt war; und Er lehrte Seine Zuhörer vieles über das Reich Gottes. Und auch vor dem Häuser-Block, in dessen Hof Jesus saß, drängte sich eine Unzahl von Leuten, obwohl man Ihn draußen schon kaum mehr verstehen konnte. Ebenso saßen überall andächtig Lauschende auf den Dächern der Lehmgebäude, sowie auf den Mauern, welche die einzelnen Bauten des Gehöftes verbanden.
Als Jesu Familienangehörigen dort ankamen, quetschte sich gerade einer der Jünger Jesu durch die Menschenmenge hinaus, weil er Wasser lassen musste. Es war Jakobus, der Sohn des Halphaios aus Emmaus, welcher der Bruder ihres Vaters Joseph war und Jesu Jüngern angehörte.
Und als er sich erleichtert hatte und zurückkehrte, begrüßten sie einander; und Jakobus bat seinen Vetter gleichen Namens, Jesus auszurichten, dass sie aus Nazareth gekommen wären, um mit Ihm zu sprechen.
Jakobus, der Jünger Jesu, welchen man auch »den Kleinen« nannte, erklärte aber sogleich: „Geht doch schon einmal ins Haus des Zebedäus, bis der Meister hier fertig ist! Ich glaube nicht, dass Er jetzt gleich zu euch heraus kommen kann! Ihr seht ja, wie viele Menschen sich hier um Ihn scharen! Und manche sind von weit her angereist, nur, um Ihn zu hören! Wir sind noch nicht einmal dazu gekommen, etwas zu Mittag zu essen!“
Jakobus, der Älteste von Jesu Brüdern, wollte allerdings eigentlich nicht so lange warten, und entgegnete: „Nun, auch wir haben einen langen Marsch hinter uns! Und was wir mit Ihm zu besprechen haben, duldet eigentlich keinen Aufschub! Sag Ihm doch bitte, dass es dringend und wichtig ist. Wir sind doch schließlich seine Familie!“
Der Sohn des Kleopas spürte schon an dem geradezu fordernden Auftreten seines Cousins, dass da etwas in der Luft lag. „Ich werde es Ihm ausrichten!“, beteuerte er: „Aber versprechen kann ich euch nichts.“ Und Jakobus, der Kleine, zwängte sich wieder durch die dicht gedrängte Menge hindurch ins Gehöft.
Das Oberhaupt des Hauses Joseph aber schüttelte unverständig den Kopf: „Da hört ihr es! Das ist doch alles völlig überzogen, schon geradezu fanatisch! – wenn nicht einmal mehr Zeit bleibt, eine Mahlzeit einzunehmen und Mittagsruhe zu halten! Und das in dieser Hitze!“
Als nun Jakobus Bar Kleopas, der Kleine, sich wieder bis zu Jesus vorgearbeitet hatte, richtete er seinem Meister aus: „Rabbi! Deine Mutter und deine Brüder und Schwestern mit ihren Familien stehen draußen und wollen mit Dir sprechen“
Der Herr aber wusste wohl, warum Seine Halb-Brüder gekommen waren: dass sie Ihn mit Gewalt zurück-holen wollten; denn Er wusste auch ganz genau, dass sie nicht an Ihn glaubten und meinten, Er wäre gänzlich von Sinnen. So erwiderte Jesus Seinem Jünger Jakobus: „Meine Brüder und Schwestern und Meine Mutter? Wer sind Meine Brüder und Meine Schwestern?! Und welche Seele ist für Mich wie Meine Mutter?“
Und Er streckte Seine Hand aus und ließ sie über Seine Zuhörerschaft wandern: „Siehe! Das sind Meine Brüder und Meine Schwestern! Das sind die Seelen, die Meiner Mutter gleichen und Mir zur Mutter werden! Die kommen, um Mich zu HÖREN und Mein Wort und Zeugnis von der unversiegbaren göttlichen Abba-Agape in ihre Herzen aufzunehmen und in ihren Herzen bewegen, und die es sich bewahren, um es inwendig in sich wachsen und reifen zu lassen, so dass sie mehr und mehr von der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit erfüllt werden und Ich Gestalt in ihnen gewinne, gleichwie als ihr inwendiges Kind!
Die sind Meine Familie, die Mein Wort in sich aufnehmen – Mein Evangelium von der göttlichen Liebe, – bis es in ihnen aufgeht und sie in ihm: dass es in ihnen aufgeht, wie ein Samenkorn, das schließlich aufsprießt und immerfort zunimmt und wächst und am Ende überreiche Früchte trägt: Alle, die das Hören von der unaussprechlichen göttlichen Liebe so berührt und bewegt, dass sie selbst zu Kündern dieser Liebe werden, und zwar nicht nur mit Worten allein, sondern auch in ihrem Tun: die sind Mir Brüder und Schwestern und für Mich wie Vater und Mutter, wie Mir zugleich auch Söhne und Töchter.“
(C)
Als Er das gesagt hatte, da rief eine Frau aus der Menge ihm zu: „Selig die Frau, deren Leib Dich getragen und deren Brust Dich gesäugt hat!“
Er aber erwiderte: „Ja, Amen! Aber ebenso glückselig ist auch eine jede andere Seele, die sich in ihrem Herzen von Meiner Liebe anrühren lässt. Denn in solch einer Seele werde Ich selbst gleichsam aufs Neue im Geist geboren, wie dem Fleische nach in Meiner Mutter Leib!
Und ebenso wird solch eine Seele, deren Herz von Meiner Liebe entzündet wird, geistlich wiedergeboren in Mir, nämlich das Gotteskind in ihr, das wieder in allem vertrauensselig ausrufen kann: »O himmlischer Abba! Mein liebster Vater!«
Und wenn eine Seele sich dies, ihr inwendiges Gotteskind bewahrt, dann wächst und gedeiht es in ihr bis zum Vollwuchs vollendeter Manneskraft. Dann gewinnt der Christus selbst in ihr Gestalt und sie in Ihm, bis sie schließlich, erfüllt von der göttlichen Retterliebe, selbst allen Seelen um sich zu einem hingebungsvollen Christus wird.
Darum gebt Acht, dass ihr euch dies, euer inwendiges lauteres, vertrauensseliges Gotteskind bewahrt! Und wenn ihr´s ausgetragen habt, dann seht zu, wie ihr´s mit euch führt! Schnürt das Tragetuch für euer Kind nicht zu straff, dass ihr´s nicht abschnürt und es euch erstickt! Schnürt euer Tragetuch aber auch nicht allzu locker und allzu nachlässig, dass es euch nicht heraus rutscht und am Boden zerschellt!“
Da fragte ihn einer aus der Menge: „Was meinst Du mit diesem Gleichnis? Bitte deute es uns, Meister!“, und Jesus erklärte: „Gebt Acht, dass ihr Meine unverlierbare Liebe zu euch allen weder miss-ACHTET, noch miss-BRAUCHT!
Diejenigen, welche die unversiegbare göttliche Abba-Agape miss-ACHTEN, sind die, die´s einfach nicht glauben können und annehmen wollen, dass sie wirklich und wahrhaftig vorbehaltlos und bedingungslos, wie auch endlos und darum gänzlich unverlierbar geliebt und gehalten sind. Die meinen, Meine und Meines Vaters Liebe müsse doch an irgendwelche Voraussetzungen oder Vor- und Nach-Bedingungen gebunden sein: an einen bestimmten Grad von Gesetzestreue und heiligen Wandel – und könne doch nicht allen ewig gleichermaßen gelten!
Solche meinen immerfort, sie müssten sich selbst in Meiner Gnade halten, ja, sie müssten sich den himmlischen Abba in Seiner unaussprechlichen Liebe selbst gnädig und barmherzig gestimmt halten, und verkennen darüber gänzlich, dass es doch immer einzig und allein Meine, wie auch Seine bedingungslose Liebe, Barmherzigkeit und Gnade selbst ist, die euch alle erhält und euch auch dann noch tragen will und wird, wenn ihr schier unerträglich seid!
Derartige meinen, sie müssten ihre eigene Gerechtigkeit vor Mir und Meinem himmlischen Vater aufrichten und beweisen und sich bewahren, um sich Unsere Gunst und Huld und Gnade zu sichern, und sie verlieren darüber Unsere wahrhaft unverlierbare Langmut und Geduld und Barmherzigkeit und Gnade, die ihnen, wie allen, doch immer, bleibend gilt, am Ende gänzlich aus den Augen, so dass sie nicht mehr von Meiner unaussprechlichen Liebe beseelt sind, die sie einzig und allein vollumfänglich freisetzen und glückselig machen kann und ganz von selbst aufleben und geistlich wachsen und reifen lässt in Liebe; sondern diese werden vielmehr von einem knechtischen Geist geplagt, und rastlos angetrieben von Furcht und Zittern und Zagen, am Ende vielleicht nicht mehr zu genügen und sich die ihnen geltende Gnade noch zu verscherzen und zu verspielen, bis sie daran unweigerlich völlig abgekämpft und erschöpft verzweifelt zugrunde gehen müssen.
Denn ihr vermögt euch nicht zu wandeln aus euch selbst! Nur die göttliche Liebe, die sich euch völlig frei und bedingungslos schenkt, vermag das!
Welche dies aber aus den Augen verlieren, das sind diejenigen, die das Evangelium von Meiner unverlierbaren Liebe miss-ACHTEN: Sie sind es, die ihr Tragetuch so fest schnüren, dass das vertrauensselige Gotteskind in ihnen abgeschnürt wird und erstickt.
Denn sie erkennen nicht, dass alle göttlichen Gebote, die euch zur Liebe anhalten, nichts als mütterliche Weisungen sind, die euch den Weg zu einem gelingenden Leben unter den Segnungen der Himmel weisen und aufzeigen wollen, aber keinerlei Voraussetzungen für die göttliche Liebe darstellen, die euch schon sucht, ehe ihr überhaupt nach Ihr fragt, und euch in dieser Ihrer Gesinnung auch niemals aufgeben könnte, wie lange ihr euch Ihr auch entziehen solltet!
So sind euch die göttlichen Gebote als eine Richtschnur und Hilfe zum wahren Leben in der göttlichen Liebe gegeben worden, nicht als eine Voraussetzung für diese Liebe, die euch immer gilt. Und wer dies verkennt, der macht aus jenem Tragetuch, das euer inwendiges Kind in der Gnade halten will, eine Zwangsjacke, die jede Luft zum Atmen abschnürt: nämlich die vorbehaltlose göttliche Liebe, die allein euch am Leben erhält, so dass ihr, darum gebracht, darüber ersticken und elendig verenden müsst.
Welche Seele darum nicht zuerst, wie zuletzt aus der tiefen Gewissheit lebt, dass sie wahrhaft nichts von Meiner unversiegbaren unendlichen Liebe scheiden kann, wie viel sie auch immer noch sündigen und fehlen mag, die trägt gar bald ein innerlich vom wahren Leben abgeschnittenes und abgestorbenes, totes göttliches Kind in sich, weil so kein Gotteskind glückselig in der göttlichen Abba-Liebe aufleben und aufblühen und wachsen und gedeihen kann!
Die jenes Tragetuch aber allzu locker und leichtfertig schnüren, dass ihnen das göttliche Kind letztendlich entgleitet und verloren geht, das sind die, welche Meine unverlierbare Liebe miss-BRAUCHEN, indem sie sich sagen: »Na, wenn das so ist, dass uns wahrhaftig nichts scheiden kann von der göttlichen Abba-Liebe und dass uns die himmlische Retter-Liebe des Christus unverlierbar gilt, was immer wir auch tun und wie schwer wir uns auch versündigen mögen: Wenn die göttliche Liebe wahrhaftig gänzlich unverlierbar ist und die göttliche Gnade wirklich unerschöpflich, dann auf: Lasst uns der Sünde frönen, da wir doch nicht mehr unter dem Gesetz mit seinem Gericht stehen, sondern unverlierbar unter der göttlichen Gnade sind! Dann wollen wir uns in Gesetzlosigkeit suhlen, auf dass die Gnade nur umso mächtiger werde!«
Alle, die solches für sich schlussfolgern, wissen und verstehen nämlich von der göttlichen Liebe überhaupt nichts, die doch zur Umkehr hin zu einem rechten und gelingenden Leben im göttlichen Segen anhalten und bewegen will! Und die verkennen auch, dass eben diese Liebe und Gnade ihnen all ihre mütterlichen Weisungen gestiftet hat, um sie vor Unheil und Schaden, Unglück, Kummer und Harm zu bewahren und sie in ein Leben unter den göttlichen Segnungen, letztlich ins Heil zu führen!
Die missbrauchen also die Zusage der göttlichen Liebe, dass ihnen diese bleibend und wahrlich unverlierbar gilt, als einen Freibrief zum Sündigen und zum mutwilligem Abfall, und die machen damit Mein Evangelium zu einem Deckmantel ihrer Bosheit; und sie verkennen darüber gänzlich, dass die göttliche Liebe, die ihnen tatsächlich trotz allem gleichwohl weiterhin bleibend und ewig gilt, sie gleichfalls im Interesse ihres Wohls auch erziehen wird, indem Sie alle ernten lässt, was immer sie säen, damit sie lernen, Gutes vom Bösen und Heilbringendes vom Unheilvollen zu unterscheiden und das Gute, Heilbringende zu erwählen.
(D)
So verhält es sich mit dem Leben in der göttlichen Liebe und Gnade, die im Herzen singen und spielen lässt, wie mit einem Saiteninstrument: Wenn du die Saiten darauf zu fest spannst, so reißen sie dir; wenn du sie aber zu locker spannst, kannst du ebenso wenig auf ihnen spielen und das Lied, das die göttliche Liebe in dir zum Schwingen bringen will, kann gleichfalls nicht erklingen.
(E)
Darum gab euch auch schon der lebenserfahrene Sohn Davids, der König Salomo, in seiner grenzenlosen Weisheit den Rat: »Versuche nicht allzu verbissen, vollendete Gerechtigkeit zu erlangen, was ja doch niemand vermag! Was willst du dich selbst zugrunde richten? – und an einer Herausforderung wie an einem ehernen Felsen zerschellen, der du ja doch nicht gewachsen bist! Sei aber auch nicht allzu nachlässig darin, der Gerechtigkeit nachzujagen, denn dann wärst du ebenso ein Tor! Oder willst du dich beherzt in dein Unheil stürzen und umkommen?«
Und siehe: So ruft euch der weise König Salomo in seiner unübertrefflichen Einsicht bereits zum goldenen Mittelweg zwischen den beiden fatalen Extremen – nämlich der gänzlich gnaden-vergessenen Gesetzlichkeit, wie auch der alle Gnade verachtenden Gesetzlosigkeit! Beides bringt um die Erfahrung der Gnade, wiewohl sie doch allen gleichermaßen ewig gilt!
(F)
Ich aber sag´s euch ebenso: Hütet euch sowohl vor dem Sauerteig der Pharisäer, wie auch vor dem der Herodianer! Denn dieser, wie jener wird euch um die wahrhaftige Erfahrung der göttlichen Liebe bringen und euch folglich doch zunächst alles sauer machen und euch ins Unheil führen, wenngleich euch die göttliche Retter- und Erlöser-Liebe des Christus gleichwohl weiterhin noch gilt und ewig offen bleiben wird!
Der Sauerteig der Pharisäer, aber auch ebenso der Sadduzäer: das ist die Miss-ACHTUNG Meiner unverlierbaren göttlichen Abba-Liebe, wenn ein Herz es einfach nicht glauben kann und annehmen und wahrhaben will, dass Ich gewaltig bin, gewaltig an Kraft des Herzens, und darum wahrhaftig niemanden auf ewig verachte, abschreibe, verstoße und verdamme, wie tief eine Seele auch immer stürzen und wie schwer sie sich auch immer versündigen mag!
Vom Sauerteig der Pharisäer sind all die Seelen befallen, die´s einfach nicht glauben können, dass Ich Mich auch der größten Gottlosen, undankbarsten und bösesten Übeltäter und Sünder annehmen werde und wohl selbst auch sie noch zurechtbringen kann – und sei´s durch Höllen und Gerichte!
Der Sauerteig der Herodianer aber: das ist der Miss-BRAUCH Meiner unverlierbaren göttlichen Abba-Liebe – in der irrigen Meinung, dass, weil Meine unverlierbare Retterliebe unbeirrbar feststeht und Meine unerschütterliche Gnade am Ende ebenso noch gilt, wie am Anfang, und wahrhaft alles heilswirksam durchzieht: dass es darum keine Gerichte mehr gäbe und die Gebote der Liebe ungestraft missachtet werden könnten, obwohl diese allen den Weg ins wahre Leben weisen und vor Unheil bewahren wollen – wie auch vor dem Zuchtmeister, der über alle trotzigen und widerspenstigen Kinder kommen muss, wenn sie´s denn anders nicht begreifen wollen. Denn das Gesetz mit seinem Gericht: es ist ein Zuchtmeister auf den Christus und Seine Gnade hin.
Vom Sauerteig der Herodianer sind also all die befallen, die verkennen, dass die göttliche Gnade sehr wohl auch zum Gericht greift, wenn Sie denn anders, im Guten, nicht zur Liebe erziehen kann, die allein in die Glückseligkeit des Heiles Gottes bringt.
Gleichwohl steht alles Gericht letztlich doch im Dienst der Gnade und ist nichts als ein Zuchtmeister auf die göttliche Liebe und Gnade hin, die sich aller wieder annehmen wird, sobald sie durch Züchtigung gebeugt und zur Besinnung gebracht worden sind.
Darum gilt euch beides: Lasst euch durchs Gesetz mit seinem Gericht nicht den Blick auf die unversiegbare göttliche Gnade verbauen, die euch allen unverlierbar gilt und auch die verlorensten Gottlosen und allerschlimmsten Sünder noch zurechtbringen wird! Vertraut darauf, dass die göttliche Liebe, die euch alle ins Leben gerufen hat, euch ausnahmslos alle auch noch ins wahre Leben führen wird und das gute Werk, dass Sie mit euch allen begonnen hat, dass ihr überhaupt SEID, auch ganz gewiss noch vollenden wird, dass ihr wahrhaft auch wieder eingehen und SEIN werdet in dem, was ewig in und aus sich selbst schon IST!
Denn der granitene Grund für das allumfassende Heil steht unverrückbar fest und hat dies Siegel: »Die göttliche Liebe erkennt von Ewigkeit her ausnahmslos alles als das Ihrige. Denn von Ihr und durch Sie und zu Ihr ist wahrhaft alles!«
Wenn ihr dies wahrhaft erkannt habt und euch in eurem Herzen bewahrt: das wird euch wahre Ruhe und unüberbietbaren Seelenfrieden schenken in wahrhaft allem, auch in aller bleibenden Unzulänglichkeit, selbst, wenn ihr noch gar oft strauchelt und stürzt.
Wenn ihr aber meint, euch durch Gesetzeserfüllung die göttliche Gnade sichern oder bewahren zu müssen, habt ihr die göttliche Gnade in Wahrheit bereits wieder verloren.
Denn Gnade erweist sich doch gerade darin als Gnade, dass sich frei verschenkt, ohne verdient worden zu sein! Wenn ihr also durch die Einhaltung und Erfüllung Meiner Gebote, die Ich euch gegeben habe, vor Mir gerecht werden zu müssen meint, habt ihr Meine Gnade schon wieder vollends aus den Augen verloren, wie auch Mich selbst, der Ich allein euch alle in Meiner unverlierbaren Liebe noch zurecht bringen kann und auch will, wie viel ihr auch immer sündigt und fehlt!
Und wenn ihr Mich als euer aller gewissen Retter nicht mehr seht, dann habt damit alles Vertrauen auf Mich, allen Glauben und alle Hoffnung, die allein wahre Liebe in euch wecken kann, aus Meiner Liebe für euch alle, bereits gänzlich verloren!
Nehmt aber umgekehrt diese Meine wahrhaft unaussprechliche Liebe und Gnade, Barmherzigkeit, Langmut und Geduld nicht zum Anlass, euch zu sagen: »Was soll ich da noch nach der Sehnsucht und dem Verlangen dieser Liebe fragen, wenn Sie mich selbst auch dann noch sucht, wenn ich Ihr spotte und Sie verachte?!«
Denn auch dann wird dir diese Liebe nichts nutzen, die dir in ihren mütterlichen Ratschlägen und Weisungen den Weg in Ihr Heil ebnen will; und Ihre Nachsicht wird dir all die höchst schmerzlichen Umwege gewähren, die du dir dann selbst erwählt hast in hartnäckigem Widerstand gegen Ihren Lockruf, und wenn es die allerschlimmsten Höllen sind!“
(G)
So erkennt, dass man von zwei Seiten vom Pferd fallen kann: sowohl über das stolze Haupt, als auch über das kot-verschmierte Hinterteil!
Die Gnade ist gleichsam das heilige Ross, das euch ins Heil trägt und euch dorthin zu bringen vermag. Die Zügel sind die Weisungen der göttlichen Liebe, die euch in ihrer Kraft, die euch trägt, bewahren, wenn ihr euch daran festhaltet.
Diejenigen, die sich stolz über das Haupt dieses Rosses, das die Gnade ist, erheben und sich allzu weit vornüber beugen, sind die, welche die Zügel so kurz und straff nehmen, als müssten sie selbst die Gnade bewegen: alle, die gänzlich verkennen, dass allein die göttliche Liebe und Gnade es ist, die sie tragen und bewegen und zum Heil führen kann. – Denn nicht du erhältst dir die Gnade, sondern vielmehr erhält die Gnade dich! – Es sind die, die meinen, sie müssten die Gnade festhalten, statt sich selbst an der Gnade festzuhalten. Die stürzen über das Haupt, weil sie sich selbstgefällig über das Haupt erheben und sich selbst für das Haupt halten. Deren Sturz ist gewiss!
Diejenigen, die hinterrücks von der Gnade fallen, sind die, welche es nicht mehr für nötig befinden, sich an den Zügeln festzuhalten, welche die Gnade ihnen darbietet, um sie auf sich zu halten, und die sich nicht mehr an die gut-gemeinten Weisungen der Gnade halten, um sich von ihr leiten und bewegen und zum Heil führen zu lassen. Auch denen ist ein schmerzlicher Sturz gewiss.
Aber jenes heilige Ross, das die göttliche Ruach der himmlischen Barmherzigkeit und Gnade ist, wird bei diesen, wie jenen stehen bleiben, die von Ihr abfallen, sie im Nacken packen und sich wieder auf den Rücken setzen, wenn sie durch ihren schweren Sturz ihre Lektion gelernt haben – so oft, bis sie es gelernt haben, sich recht von der göttlichen Liebe und Gnade tragen und bewegen, wie auch führen und leiten zu lassen.“
Da fragte einer aus der Zuhörerschaft, – und es war nicht ganz klar, ob es eine ernstliche Frage war – denn schließlich war das Bild vom Ross und dem Reiter nur ein Gleichnis: „Und was ist mit denen, die links oder rechts vom Pferd abrutschen?“
Jesus aber schmunzelte und erklärte: „Ein solches Abrutschen gibt es nicht für die, die sich recht von der Gnade tragen und leiten lassen, so dass sie die Zügel, welche die Gnade ihnen in ihren gutgemeinten Weisungen und Richtlinien bietet, weder allzu verbissen zu kurz, noch allzu nachlässig zu lang nehmen. Denn all diese weiß die Gnade wohl auf sich zu halten, selbst wenn sie noch links oder rechts abzurutschen drohen.
Die Gnade wird sich unter all jenen, die links oder rechts abzurutschen drohen, so wenden, dass sie all diese immer wieder ins Gleichgewicht bringt, auch wenn sie von sich aus noch überhaupt nicht sicher im Sattel sitzen. Die Gnade versteht es wohl, all diese dennoch im Sattel zu halten, wie ein gutmütiges altes und erfahrenes Ross, das mit unendlich viel Nachsicht und Geduld einen jeden jungen, noch unerfahrenen Reiter das rechte Reiten lehrt.
Betrachtet die göttliche Liebe als ein solches Ross: Das wird euch davor bewahren, euch allzu ängstlich und furchtsam zu fest an die Zügel zu hängen, sondern sie locker und gelassen zu halten, damit euer Ross euch recht führen und das Reiten lehren kann. All diese weiß die Gnade wohl zu halten, die restlos auf Sie vertrauen und sich Ihr gänzlich anvertrauen.“
(H)
Und Jesus sprach: „Ich will es euch abschließend noch an einer anderen Geschichte verdeutlichen, von drei Söhnen:
Siehe, da waren drei Söhne, die weit abgeirrt waren vom Herzen ihres Abbas, der sie doch so sehnlichst liebt. Und weil sie so weit abgeirrt waren in ihrer Finsternis, waren sie völlig verdreckt, mit Kot und Kloake beschmiert, und sie wurden dessen nicht einmal gewahr und wussten es nicht, so sehr hatten sie sich in Dunkelheit verirrt; sie wussten nicht einmal mehr, dass sie Söhne des größten Königs waren, des Erhabenen, des Königs aller Könige.
Also entzündete jener König, der auf dem höchsten Berg thronte, auf dem Gefilde aller Gefilde, dort ein großes Feuer Seiner lodernden Liebe, dass es alle Seine Lande überstrahlen sollte, ob es wohl Seine Söhne erreichen würde, und ihnen den Weg zurück weisen könnte zu Ihm.
Und tatsächlich: Sie, Seine drei Söhne, sahen jenes Licht; und in dem Licht wurden sie sich gewahr, was aus ihnen geworden war, dass sie wie Bettler und Diebe ihr Dasein fristeten – ja, dreckig und kot-verschmiert, wie die wilden Tiere.
Da sie nun aber erkannten, dass sie Söhne jenes Höchsten waren, schickten sie sich an, zu Ihm, ihrem Abba, zurück zu kehren.
Da sprach der Älteste von ihnen: »Lasst uns umkehren zu unserem Vater! Denn welche Liebe muss Er für uns haben, wenn Er nach allem, nach all unserer Verirrung, die uns von Ihm so weit entfernt hat, durch die wir so dreckig und kot-verschmiert heute dastehen, dass Er trotz allem noch dieses Licht Seiner für uns lodernden Liebe entzündet hat! Allein, jetzt, wo uns dieses, Sein Licht brennt, dürfen wir uns NICHT MEHR beschmutzen!
War unsere völlige Verschmutzung vorher vielleicht gerade noch so zu entschuldigen, denn wir waren von der Finsternis unserer Verirrung umfangen, so ist sie das jetzt nicht mehr!
Darum lasst uns Acht haben, dass wir uns auf dem Weg zurück zu unserem Vater nicht noch mehr beschmutzen! Jeder weitere Fehltritt ist nicht mehr entschuldbar! Denn nunmehr gehen wir doch im Licht! Und seht, es leuchtet uns klar den Weg aus, den wir zur Wohnstätte unseres Höchsten gehen müssen, so dass jeder weitere Fehltritt unverzeihlich ist!«
Mit diesen Worten machte jener Älteste sich auf den Weg, den das Licht – wie er wähnte – ihn wies. Und er blickte immerfort ängstlich, mit Furcht und Zittern auf den Weg, dass er ja keinen Fehltritt tat, um sich nicht noch weiter zu beschmutzen und sich dadurch die ihm erwiesene Gnade am Ende noch zu verscherzen und wieder zu verspielen.
Vor lauter Achtsamkeit jedoch, keinen Fehltritt zu tun, – sein Blick war ganz abgelenkt von dem Licht, das ihm den Weg wies, allein auf den Boden gerichtet, und darauf, ja keinen Fehltritt zu tun, nach unten gebeugt auf die Schritte, die er tat, dass ihm nur ja kein Fehltritt widerfuhr – verlor er jedoch das Licht aus den Augen, kam mehr und mehr ab in Dunkelheit und Umnachtung; und je dunkler es wurde, desto weniger merkte er, wie er mehr und mehr in Schlamm und Kloake geriet und sich immer schwerer verunreinigte, schlimmer noch als zuvor, aber in dem schrecklich irrigen Glauben, er hielte sich völlig rein. Und weil er nicht das Licht im Auge behielt, die lodernde Flamme des Vaterherzens, das für ihn brannte, kam er ab vom Weg, und lief in schlimmeres Verderben, als worin er zuvor war, als das erste Mal das Licht des Abba-Herzens ihn streifte.
Der jüngste der drei jedoch verzückte sich über das Licht, und freute sich über die so große Liebe seines Vaters, und er frohlockte: »Wusste ich´s doch, dass Er unser Vater, der Höchste ist, und dass Seine Liebe noch immer für uns lodert und nie aufhört, für uns zu brennen, sind und bleiben wir doch Seine Söhne, wie verdreckt wir auch immer sein mögen!
Nun denn, wollen wir zu Ihm zurück kehren! Allein, ich bin noch jung, und habe noch nicht die ganze Welt kennen gelernt! Mit der Rückkehr hat´s doch keine Eile! Hat Er jetzt, nach allem, wo wir so voll Kot und Kloake sind, noch ein Licht für uns entzündet: Er nimmt uns sicher immer an und auf, egal wann und wie wir kommen!
Siehe, wir sind ohnehin so voll Kloake und Dreck, dass es schlimmer um uns garnicht mehr bestellt sein kann! Darum will ich wohl heimkehren, – doch will ich auf dem Rückweg alles besehen, was es noch zu sehen und zu erfahren gibt, und will bestimmt nichts auslassen, wenn es mich vielleicht auch noch mehr beschmutzt. Was kann denn davon noch schädlich sein?
Sein Licht brennt ja immer für mich, mich aber macht jeder Abweg nur um eine Erfahrung reicher.« Mit diesen Worten machte der Jüngste sich auf dem Weg.
Doch, ihr wertet es euch schon denken: Er verlor das Licht gar bald aus den Augen. Und er sollte die Erfahrungen machen, nach denen er so verlangte. Doch, was meinst du? Ob sie ihn das Licht noch sehen ließen, das für ihn – ewig! – brennt?
Wahrlich, Ich sage euch: Er sollte Finsternisse kennen lernen, Augenblicke von Verlorenheit, vor denen jeder Seele graut! Und weil er nicht das Licht im Auge behielt, die lodernde Flamme des Vaterherzens, das für ihn brannte, kam er ab vom Weg, und lief in schlimmeres Verderben, als worin er zuvor war, als das erste Mal das Licht des Abba-Herzens ihn streifte.
Der mittlere von den drei Söhnen aber, der noch zu jung für die Weisheit des Ältesten, aber schon zu alt für die Torheit des Jüngsten war, der sprach in seinem Herzen: »Der Vater! Der Vater! Er liebt mich noch immer! Mein Abba! Er hat das Licht Seiner Liebe für mich entzündet! Er, der Höchste, für mich, Seinen Sohn! – … obwohl ich so niedrig geworden bin, voll Kot und von oben bis unten mit stinkender Kloake beschmutzt! Er wird mich annehmen, mir in die Arme fallen, egal wie ich auch immer komme, wie ich bin! Sein Licht! Sein Licht! Es soll mir fortan mein einziger Leit-Stern sein! Auf dieses Licht will ich schauen, und mich allein daran halten!
Ich will weder auf Abwege schauen wie mein jüngerer Bruder, noch mich von der Furcht beirren lassen, Er könnte mich noch ablehnen, wenn ich erneut Fehltritte tun, straucheln und fallen sollte, wie mein älterer Bruder. Wenn Er mich jetzt noch liebt, nach allem: Er wird mich immer lieben, oh mein Abba, mein allgütiger Vater!«
Mit diesen Worten machte der Mittlere sich auf den Weg, der sowohl zu jung für die Weisheit des Ältesten, als auch zu alt für die Torheit des Jüngsten war. So tat er wohl noch manche Fehltritte, überschlug sich auch manchmal und rollte ab vom Weg, er ließ sich gar von manchem Irrlicht verleiten, so dass er vom guten Weg abkam und mitten hinein in noch manche kotige Kloake fiel, doch sein Blick fand immer wieder zurück zum Licht des Herzens seines Abbas, dem für ihn ewig und unverlierbar lodernden Feuer, das ihm den Weg wies.
Und je näher er dem Licht kam, desto klarer sah er auch den Weg; und das Licht bewahrte ihn mehr und mehr vor Fehltritten und Irr-Läufen, so dass sein Schritt immer sicherer wurde.
Und du wirst es nicht glauben: Sein Schritt wurde immer leichter, je näher er der Wohnstätte seines Vaters kam, die hoch und erhaben über den Wolken schwebte, auf dem erhabenen Berg, dem Gefilde über allen Gefilden. Und als der steile Anstieg hinauf begann, da war sein Schritt so leicht, dass er meinte, er würde schweben – von der gewaltigen Kraft des pulsierenden Lichtes der ihm geltenden göttlichen Abba-Liebe, das ihn umfing und beflügelte. wie hinauf getragen! So begann er, Fittiche auszubreiten, von deren Existenz er noch garnichts wusste.
Aber er war doch ein Königssohn, ein Sohn des Höchsten über die Allerhöchsten, des großen sieben-geflügelten schirmenden Engelswesens mit einer Engelsliebe und Engelsgeduld, des Engelsfürsten, des Erzengels und des Urquells selbst aller Engel!
So hatte jener Sohn denn auch Engelsflügel bekommen, die er ausbreitete und entfaltete: Und die gewaltige Kraft des pulsierenden Lichts, der lodernden Liebe des für ihn schlagenden Abba-Herzens: Sie trug ihn in die höchsten Gefilde zu seinem Abba empor.“
(I)
Die Angehörigen Jesu aber, Seine Brüder und Schwestern mit ihren Familien, warteten noch eine geraume Zeit draußen vor dem Gehöft, in welchem Jesus Seinen Zuhörern den rechten, geist-geleiteten Wandel in und unter der Gnade lehrte. Denn es war angesichts der unzähligen Menschen, die sich hier um Ihn gedrängt hatten, absolut kein Durchkommen zu Ihm.
Und ihnen stand auch absolut nicht der Sinn danach, sich durch die Menschenmassen zu Ihm hinein durch-zu-winden, um zu Ihm zu gelangen und am Ende vielleicht auch noch vor all den Leuten eine Abfuhr von Ihm erteilt zu bekommen, sie mögen sich doch bitte gedulden, bis Er Seiner Anhängerschaft, die an Seinen Lippen hing, alles mitgeteilt hätte, was Ihm auf dem Herzen lag.
Zudem war es ja schon über alle Maßen demütigend, entwürdigend, geradezu verächtlich, dass Er ihren Besuch und ihr Verlangen, Ihn sehen zu wollen, schlichtweg ignorierte und sie einfach draußen stehen und warten ließ, statt um ihretwillen einmal davon abzulassen, sich Seinen Anhängern zuzuwenden.
Offensichtlich bedeuteten Ihm all diese Fremden, Unbekannten, die gekommen waren, um Ihn zu hören, mehr, als Seine eigenen Anverwandten, die dringend etwas mit Ihm zu bereden hatten!
Alle anderen schienen Ihm wichtiger zu sein, als Seine eigene Familie! Aber natürlich! Bei denen hatte schließlich Er das Sagen! Da wurde Ihm regelrecht gehuldigt, als sei Er der Messias! Für Seine Verwandten aber war Er nur der kleine Bengel, der ihnen einstmals ungefragt aufgezwungen worden war, weil die Jungfrau, die ihrem Vater aus dem Tempel zur Obhut aufgebürdet worden war, offensichtlich von einem Samariter oder einem römischen Heiden vergewaltigt worden war!
Also begaben sie sich, bereits deutlich verstimmt, zum Haus des Zebedäus. Dort wurden sie herzlich empfangen und aufgenommen und sogleich bewirtet. Und Salome, die über den Besuch ihrer Schwester Maria überglücklich war, zog sich dann schließlich bald mit der Mutter Jesu zurück.
Salome aber war freilich nicht entgangen, dass ihre Schwester – bei aller Wiedersehensfreude – doch ausgesprochen bedrückt erschien; und als sie für sich allein waren, erzählte Maria ihr alles: wie sie von Jakobus und den Brüdern genötigt worden war, sie zu begleiten, und wie sie bedrängt worden war, in ihrem Sinne auf Jesus einzuwirken, und wie es ihr zusetzte, dass es wohl zu einem schmerzlichen Bruch in der Familie kommen würde – und sie gleichsam zwischen den Fronten stand: Denn einerseits wollte sie natürlich kein Zerwürfnis, sah sich aber auch in keinster Weise berechtigt, dem ihr aus den Himmeln anvertrauten Sohn in irgendeiner Weise in Hinblick auf Seine Sendung irgendetwas ans Herz legen zu dürfen, wenngleich sie sich freilich trotzdem, angesichts von all dem, was die Söhne des Joseph ihr eröffnet hatten, allergrößte Sorgen um ihren Sohn machte.
Salome aber beschwichtigte Maria: „Jesus ist uns doch aus dem Himmel gesandt worden! Der wird schon über Ihn wachen!
Und wenn es tatsächlich zum Bruch kommen sollte, dann kannst du natürlich auch bei uns bleiben! Hätte das nicht auch sein Gutes? Wäre das nicht sogar wunderbar?! Dann wären wir immer zusammen, und du würdest auch Jesus viel öfter zu Gesichte bekommen, da Er mittlerweile unser Haus wohl schon als Sein neues Heim betrachtet und mit unseren Söhnen von Seinen Missionsreisen immer wieder zu uns kommt.
Vielleicht wäre es so tatsächlich besser für uns alle! Denn die Söhne des Joseph haben Jesu Sendung doch schon immer in Zweifel gezogen und nicht einmal dem Zeugnis ihres eigenen Vaters Glauben schenken wollen, dass ihm die Himmel bestätigt haben, dass dein Kind aus höchster Höhe kommt.“
Zebedäus versuchte derweil, mit den Söhnen des Joseph, den Brüdern Jesu, ins Gespräch zu kommen, was sich jedoch als äußerst schwierig erwies, da sie alle zunächst ausgesprochen schweigsam waren und nicht recht damit herausrücken wollten, was sie veranlasst hatte, allesamt mit ihren Familien von Nazareth nach Kapernaum zu kommen, um mit Jesus zu reden.
Als sich dann schließlich ihre Frauen und Schwestern mit den Kindern an den See Genezareth hinunter begeben hatten, kam dann allmählich doch zur Sprache, was sie alles an der Verkündigung ihres vermeintlichen „Bruders“ zu beanstanden hatten, und schließlich entzündete sich daran eine Diskussion, ob der Zuspruch Gottes – als einem alle unterschiedslos und bedingungslos liebenden Abba – über Seinen Anspruch gestellt werden dürfe, welchen Er in der Thora als Bedingung für Seine Liebe und Annahme aufgestellt hätte, wie es die Söhne Josephs verstanden.
So debattierten sie darüber, ob die Gnade Gottes an die Einhaltung Seines Gesetzes gebunden wäre, oder aber über dem Gesetz stünde und auch ewig bestehen bleiben würde, so dass auch das Gesetz mit all seinem Gericht letztlich doch immer nur im Dienst der Gnade bliebe und zur göttlichen Gnade führen wolle, die allein retten und erlösen und in gänzlich freier, völlig bedingungsloser Liebes-Zuwendung alle auf den rechten Weg zu bringen vermochte.
(J)
Schließlich kam Jesus am späten Nachmittag zusammen mit Seinen Vettern, dem Jakobus und dessen kleinen Bruder Johannes, welche die Söhne von Zebedäus und seiner Frau Salome, der Schwester von Jesu Mutter Maria, waren.
Und als Jesus eintrat, grüßte Er Seine Verwandten, indem Er sprach: „Friede sei mit euch! – auch wenn Mein Friede, den Ich aufrichten will und auch werde, für uns zunächst Spaltung und Entzweiung und Trennung bedeuten mag!
Denn Ich weiß wohl, warum ihr gekommen seid: nicht etwa, um zu hören und zu lernen, sondern, um zu reden und Mich über etwas belehren zu wollen, wovon ihr noch überhaupt nichts verstanden habt.
Doch weil Ich nicht gewillt bin, mit euch darüber zu streiten und in Zwietracht zu geraten, so erfahrt jetzt gleich Meine Antwort: Sie lautet »Nein!«“
Jakobus, der Älteste von Jesu Vater, erhob sich voll Überraschung über diese kategorische Abfuhr, ehe er überhaupt etwas gesagt hatte, und fragte Jesus irritiert: „Was meinst Du mit »Nein!«?“
Und Jesus erklärte: „Ich muss in dem sein und bleiben, was Meines Vaters ist, und herbeiführen, was Mein Vater erwirken will. Denn Ich weiß, wer Ich bin und woher Ich komme und wohin Ich gehe, und wer Mein Vater ist. Ihr aber nicht! Und Ich weiß, wem Ich angehöre und wo Meine Familie und Mein Heim und Zuhause ist, ihr aber nicht!
Denn ihr habt weder Mich, noch Meinen Vater schon recht erkannt. Darum steht es euch auch nicht an, Mich zur Rede zu stellen und zu belehren über das, was Ich tun oder unterlassen muss. Und Mir steht es nicht an, Mich mit Fleisch und Blut zu beraten über das, was Ich tun soll und was Mein Vater selbst Mir durch Seinen und Meinen Geist in Meinem Herzen klar und eindeutig kündet.
Darum lautet Meine Antwort »Nein!«. Ich werde nicht zur Diskussion stellen, was Mein Vater Mir gezeigt und geboten hat! Denn Er in Seiner unaussprechlichen Liebe steht über allem, und Glückseligkeit und Erfüllung bringt allein, sich ganz und rückhaltlos dieser Seiner Liebe zu verschreiben und ihr mit aller Kraft zu dienen.
Und selbst, wenn Ich Mich mäßigen und zurückhalten wollte um euretwillen, so könnte ich´s doch nicht, denn Mich verzehrt inwendig regelrecht das Feuer Seiner Retterliebe gegen alle! Und Ihm gehorchen und Seiner Liebe gegen wahrhaft alle zu dienen: das ist Mir Labsal und Speise! Deshalb wird es nichts und niemandem gelingen, Mich abzubringen von dem Weg, den die göttliche Abba-Liebe Mir weist.
Darum lasst es! Es ist vergeblich! Ich werde Mich nicht abbringen lassen von Meinem Weg, so wenig, wie ihr euch abbringen lasst von eurem Weg. Euer Weg führt euch nicht zu Mir; Mein Weg aber wird Mich zu allen führen, auch noch zu euch.
Wenn ihr aber meint, dass Ich, wenn Ich Mich von diesem Mir vorgezeichneten Weg nicht abbringen lasse, euch dann nicht mehr angehören kann, so wenig, wie ihr Mir, so müssen sich unsere Wege heute, hier und jetzt trennen.
Und Ich kann euch loslassen und freigeben, weil Ich weiß, dass Ich euch dadurch am Ende nur recht gewinnen kann und auch noch werde, an Meinem Tag.
Darum zieht hin, von wo ihr gekommen seid, wie Ich Dem entgegen gehe, von Dem Ich gekommen bin. Aber auch ihr werdet´s noch erkennen, dass euer jetziges Heim nicht euer wahres Zuhause ist, und eure Familie und euer Haus für sich nichtig und bedeutungslos, wenn es nicht der Familie und dem Haus des All-Vaters angehört.
So geht, und kommt erst wieder, wenn ihr zu hören und zu lernen bereit geworden seid! Bis dahin soll Ich euch nicht mehr angehören; und es soll euch auch nichts treffen, was Mich trifft. Erst, wenn ihr dazu bereit geworden seid.
Darum: Was ihr tun müsst, das tut: Sagt euch öffentlich los von Mir, wenn ihr dies denn für nötig erachtet, um in eurer Synagoge verbleiben zu können, und bleibt in dem, worin ihr seid, wie Ich in Dem, in Dem Ich Bin, bis wir uns wieder sehen und ihr Mich erkennen werdet, wie Ich euch erkenne. Denn wahrhaft alles ist Mein! Doch bis dahin: Gehabt euch wohl!“
Da folgerte Jakobus, gänzlich überrollt und sprachlos über den klaren, bestimmenden Worten seines einstigen „Zieh-Sohnes“: „Nun, wenn es so ist, dann haben wir uns in der Tat nichts mehr zu sagen: Dann sind wir hinfort geschiedene Leute, die nichts mehr miteinander zu tun haben! Du willst Dir ja nicht helfen lassen! Und wir sind nicht willens, den Weg mit Dir zu gehen, den Du Dir erwählt hast. Und wir könnten´s auch nicht! – beim besten Willen nicht! Denn wir verstehen´s fürwahr absolut nicht und können´s auch nicht im mindesten nachvollziehen!“
Alle Anverwandten aus dem Haus des Joseph erhoben sich, um zu gehen. Und Jakobus, der seit dem Tod ihres Vater ihr aller Familien-Oberhaupt war, wandte sich fragend zu Jesu Mutter, während sich bereits alle aus dem Hause Josephs zum Gehen anschickten: „Und was ist mit dir, Maria?“ und zwang sie damit in eine Entscheidung, nunmehr ebenso klar Stellung zu beziehen.
Zebedäus, der sofort die Not erkannte, in welche Maria hinein-gedrängt worden war, warf sogleich ein: „Du kannst natürlich gern bei uns bleiben, wenn du willst, Maria! Dein Sohn wohnt ja ohnehin schon gleichsam bei uns! Und Salome würde sich unbändig freuen, wenn sie auch ihre liebste Schwester um sich hat. Dann wäre unsere ganze Familie komplett unter einem Dach!“
Maria warf ihrem Schwager einen dankbaren, erleichterten Blick zu und umarmte sodann Rahel, Ruth und Debora, die Frauen von Joses, Simon und Judas Bar Joseph, mit welchen sie zusammen mit den Söhnen des Joseph in Nazareth unter einem Dach gelebt hatte, sowie auch die Töchter des Joseph, Esther, Judith und Schila, die ebenfalls in Nazareth bei ihren Männern wohnten, und sprach unter Tränen: „Seid mir nicht böse! Aber ich bin doch Seine Mutter, und Er mein einziger Sohn! Und mein Platz ist an der Seite meines Sohnes!“
„Ist schon gut, Maria!“, beschwichtigten sie alle Frauen: „Gräme dich nicht! Das verstehen wir! Und wir werden uns bestimmt irgendwann wieder sehen!“
Den Männern aus dem Hause Joseph missfiel dieses versöhnliche Einlenken ihrer Frauen freilich; sie sagten aber nichts dazu. Denn insgeheim waren sie wohl auch froh darüber, dass durch den Entschluss Marias, auch in Kapernaum bei ihrer Schwester bleiben zu wollen, die Scheidung vollständig vollzogen war und wirklich alle Bande gelöst worden waren, und so niemand mehr ihrem Hause angehörte, der ihnen einstmals ungefragt aufgezwungen worden war.
So gingen sie wortlos, ohne Abschied, dass Maria schon ihre Mühe hatte, sich noch von all ihren kleinen Nichten und Neffen zu verabschieden, die sie noch schnell alle an sich drückte und unter Tränen umarmte.
Damit brachen alle einstigen Anverwandten Jesu sogleich unvermittelt auf, obwohl der Abend schon nahte. Jesus aber rief ihnen nach: „Trotz allem: Schalom! Der Friede des HERRN begleite euch!“
Seit diesem Tag hatte sich Jesus also gänzlich von Seiner einstigen Familie, dem Haus des Joseph, gelöst, und Sein Heim war fortan nicht mehr in Nazareth, sondern in Kapernaum, im Haus Seines Onkels Zebedäus, wo Er von da an mit Seiner Mutter lebte.