Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
V Die Abkehr
18: Der Glaubenserweis eines Samariters
18-A: Weißt Du nicht um das höchste Gebot?! Lieben sollen wir nur unseren Gott allein!
18-B: Doch erweist sich wahre Gottesliebe nicht in der Nächstenliebe?
18-C: Aber welche gilt es, als die Nächsten zu lieben?!
18-D: Damit sind doch bestimmt nicht die Gottlosen und Heiden gemeint!
18-E: Oder sollen wir es etwa wie die abgeirrten Samariter halten?!
18-F: Wendet die göttliche Liebe sich denn nicht auch allen zu?!
18-G: Wenn Gott alle liebt: Müsst ihr da nicht auch alle lieben?!
18-H: Hört, wie es einmal einem frommen Juden in größter Not erging!
18-I: Zwei Rechtgläubige meinten, so etwas könne nur einen Gottlosen treffen!
18-J: Beide erkannten ihren Glaubensbruder nicht!
18-K: Ein Dritter sah nur die Not, die Hilfe erforderte!
18-L: Dieser Eine hielt sich nicht für so gerecht, dass ihn kein Unheil mehr treffen könnte!
18-M: Wer erwies hier nun wahre Gottes- und Nächsten-Liebe?
18-N: Wahre Gottesliebe erweist sich allein in der Liebe zu allen Nächsten!
18-O: Und wer erwies hier rechten Glauben? Ein Samariter!
18-P: Er sah nicht auf Unterschiede, sondern nur auf die göttliche Liebe, die allen gilt!
18-Q: Die göttliche Barmherzigkeit ist denen am nächsten, die aus Ihr leben!
18-R: Nicht euer Bekenntnis ist entscheidend! Sondern allein die gelebte Liebe!
18-S: Die Gottheit will euch deshalb doch nichts nehmen! Sie will nur allen geben!
18-T: Ich frage nicht nach dem Bekenntnis, sondern nach der Liebe!
18-U: Der Schlüssel aller Erkenntnis ist nicht das »Nein«, sondern das »Ja« und das »Amen«!
(A)
Als nun die Pharisäer gehört hatten, dass Jesus den Glauben eines Heiden über den aller Juden gestellt hatte, da erbosten sie sich darüber über alle Maßen, weil sie sich allein für die einzig Rechtgläubigen auf der ganzen Welt hielten und darum alle übrigen Nationen mit ihren anderen Religionen verachteten.
Und sie umringten den Meister, um Ihn deswegen zur Rede zu stellen und hart auf Ihn einzudringen und Ihn über vieles auszufragen; denn sie meinten, nun endlich etwas gegen Ihn gefunden zu haben, um Ihn der Gotteslästerung überführen zu können, worauf die Todesstrafe stand.
Und einer der Rabbiner versuchte, Ihm einen Hinterhalt zu stellen, indem er Jesus mit seiner entrüsteten Anfrage herausforderte: „Wie kannst Du einen verworfenen Heiden und Gottlosen, der anderen Göttern huldigt, als dem unsrigen, einzig wahren Gott, und der damit fremden diabolischen Mächten untersteht und ergeben ist, mehr Gottvertrauen zusprechen, als allen rechtgläubigen, frommen, gottesfürchtigen Juden, die allein dem einzig Wahrhaftigen dienen?!
Weißt Du denn nicht, welches das erste und oberste, höchste Gebot im Gesetz ist, an welchem alles Seelenheil, wie auch alle Erlösung hängt?! So erkläre Dich uns: Was ist Deiner Ansicht nach denn des Gesetzes Erfüllung?! Und was muss man tun, um das ewige Heil zu erlangen, und, um errettet zu werden und das ewige Leben zu ererben?!“
Der Meister aber durchschaute sie und berief sich darum auf das Gesetz, indem Er sprach: „Nun, was steht in der Thora des Mose geschrieben, und was lest ihr denn dort?!“
Da antwortete ihm der Pharisäer: „Dies ist das höchste Gebot, das schon unseren Kindern nach ihrer Geburt ins Ohr geflüstert wird und was ein jeder rechtgläubiger Jude als seine letzten Worte auf dem Totenbett zu bekennen sucht: »Höre Israel, der „HERR“ ist unser Gott! Unser „Adonaj“ ALLEIN!«“
Und der Herr bestätigte ihm: „Genau dies ist es! »Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft!« Dies ist wahrlich das höchste und wichtigste, größte Gebot!“
(B)
Dann aber entgegnete ihnen der Meister: „Nun aber lasst auch Mich euch im Gegenzug eine Frage stellen: Wisst ihr denn nicht, welches weitere Gebot dem gänzlich gleichkommt und worin sich die Verehrung der göttlichen Abba-Liebe gegen wahrhaft ausnahmslos alle erfüllt? Lehren dies nicht auch all eure angesehensten erhabensten rabbinischen Väter?
Dies ist es: »Du sollst ebenso auch deinen Nächsten lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft, ebenso, wie du auch dich selbst liebst und lieben darfst und sollst als ein Kind Gottes!«
Denn wie könntest du von dir behaupten, dass du die Gottheit liebst, die du nicht siehst, wenn du nicht einmal deine Nächsten lieben kannst, die du siehst, welche der göttlichen Liebe aber doch alle Ihre liebsten Kleinen und Kinder sind, von Ihr gewollt und aus Ihr geworden, so dass du, was du ihnen gewährst und zukommen lässt, gleichsam der Gottheit selbst tust, was du ihnen aber versagst oder zufügst, gleichsam der Gottheit selbst verweigerst oder antust, wie gering und deiner Liebe unwürdig jene anderen dir auch immer erscheinen mögen!
Aus diesem Grund erfüllt sich alle Gottes-Liebe in der Nächsten-Liebe; und so hängt an diesen beiden Geboten das ganze Gesetz und alle Propheten, sowie alle göttlichen Verheißungen!
Darum: Alles, was ihr euch von allen anderen wünscht, wie sie mit euch umgehen sollen, das sollt auch ihr allen Menschen gewähren und so sollt auch ihr gegenüber ausnahmslos allen handeln und so sollt auch ihr einer jeden Seele begegnen, ohne Unterschied!
Darin besteht wahrhaft alles und darin erfüllt sich das Ganze: sowohl das Gesetz, als auch die Propheten. Denn diese beiden Gebote gründen und münden ineinander, ja sie sind gleichsam eins; und kein anderes Gebot kommt diesem Ruf zur Liebe gleich, das es noch größer oder wichtiger wäre!“
Unter den Pharisäern, die allesamt feindlich gegen Jesus gesonnen waren, befand sich aber auch ein bedächtiger, älterer Rabbiner, der den Herrn wegen Seiner oft anders ausfallenden Schlüsse aus der Thora nicht sofort aburteilte, sondern Seine Worte im Herzen erwog.
Jener erkannte, dass der Meister den Schriftgelehrten gut geantwortet hatte, und bekundete: „Rabbi, Du hast wahrhaft recht geurteilt: Es ist nur EINER, dem ALLEIN alle Ehre gebührt; denn kein anderer Gott ist außer IHM; und Ihn lieben aus tiefstem Herzen und mit ganzem Gemüt und allen Kräften, ist das höchste Gebot, wie auch dies, den Nächsten zu lieben, wie sich selbst: Das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer!“
Als der Meister aber sah, dass jener altehrwürdige Rabbi Ihm verständig beipflichtete, sprach Er zu ihm: „Wahrlich: Du bist nicht fern vom Reich Gottes! Wenn du dies nun auch wahrhaftig in deinem Alltag beherzigst und umzusetzen suchst gegen wahrhaft jedermann: wahrlich, Ich verspreche dir: dann findest du darin wahrhaftige Erfüllung und ins wahre Leben, das niemals enden wird!
Denn wahrhaft alles wird vergehen; selbst auch alle Himmel, ebenso, wie auch diese Erde; und allein die Liebe wird es sein, die alles überdauert und am Ende allein alles erfüllt, so dass nichts sein und bleiben wird, als allein die Liebe! Darum hat ein jedes Herz, das in der Liebe gegründet ist, bereits jetzt schon Anteil am ewigen Leben!“
(C)
Daraufhin entgegnete jener Älteste aber dem Rabbi: „Doch wer ist denn mein Nächster?!“
Denn er war nicht bereit, wahrhaft alle Seelen unterschiedslos gleich zu lieben und in gleicher Weise als Kinder Gottes und Geschwister zu achten und anzuerkennen und wert-zu-schätzen.
Und er rechtfertigte seine engherzige Haltung mit dem Gesetz, indem er sprach: „Heißt dies denn nun, dass wir wirklich alle, ohne Unterschied, als von der Gottheit angenommen und geliebt betrachten sollen, so dass wir gehalten wären, sie ebenso alle, ohne Unterschied, anzunehmen und zu lieben, und, dass wir wirklich ausnahmslos alle als Kinder Gottes und als unsere Geschwister betrachten sollen?
(D)
Denn wie heißt es denn in Hinblick auf dies Gebot der Nächsten-Liebe in der Thora?! Und von wem spricht sie da?! Heißt es nicht, dies gelte allein »den Kindern deines Volkes«!
So macht die Thora hier doch unmissverständlich eine eindeutige Einschränkung; und damit erklärt das Gesetz doch vielmehr, dass wir allein diese als unsere Nächsten zu betrachten haben, die unsere Volks- und Glaubens-Genossen sind, und unter diesen freilich wiederum all jene, die uns am nächsten stehen und die uns anvertraut sind, dass wir über ihre Seelen wachen und Verantwortung für sie tragen, ihnen den rechten Weg zu weisen, wie geschrieben steht: »Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, wenn er auf Abwege kommt, damit du seinetwegen nicht Schuld auf dich lädst!
Wenn er aber nicht auf dich hören will, so sei er dir ein Gottloser und ein Heide! Dann sollst du keinerlei Erbarmen mehr mit ihm haben und ja keine Barmherzigkeit mehr gegen ihn kennen, dass du etwa Mitleid mit ihm hättest oder ihm irgendein Mitgefühl entgegenbrächtest! Sondern du sollst das Übel dann unerbitterlich ausrotten aus deiner Mitte!«
Also haben wir doch allein den Rechtgläubigen und Gottesfürchtigen Liebe und Ehrerbietung entgegenzubringen, aber doch keineswegs allen! Und schon garnicht den Gottlosen und Heiden, die sich dem rechten Weg hartnäckig verweigern! Denn was haben wir mit solchen zu schaffen?!
Heißt es nicht vielmehr in der Thora: »Von all denen haltet euch fern und habt nur ja keinen Umgang mit Ihnen! Nicht, dass ihr am Ende noch gemeinsame Sache mit diesen Gottlosen macht, dass ihr euch noch mit ihnen verbrüdert und verschwägert und ihren Töchtern eure Söhne zu Männern und ihren Söhnen eure Töchter zu Frauen gebt oder euch gar selbst noch mit ihnen vermählt, dass sie eure Herzen zu anderen Göttern wenden, weg von eurem alleinigen HERRN und Gott! Vielmehr sollst du deren Wohl und Heil und Frieden nicht suchen in alle Ewigkeit!«
(E)
So sind wir keineswegs gehalten, unterschiedslos alle in gleicher Weise zu lieben und wertzuschätzen nach dem Gesetz! Denn wie könnten wir auch jemanden lieben, der Gott hasst?! Gilt es nicht vielmehr, solche Ungläubigen und Abtrünnigen und Gottlosen zu hassen mit ganzem Ernst?! – alle, die in ihrem verkommenen Wandel dem HERRN ein Gräuel sind!
Oder sollten wir es etwa am Ende wie die abgeirrten Samariter halten, die sich nach unserer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft mit den gottlosen Heiden vermählt und verschwägert haben: mit all den heidnischen Chaldäern, die während unseres Exils von den Erzfeinden Israels in ihrem Erbteil »Ephraim« und »Manasse« angesiedelt worden waren, mit welchen dann aber jene dort ansässigen Rückkehrer aus Babylon Verbindungen eingingen, statt all diese verruchten Heiden aus ihrem Land wieder zu vertreiben?!
An diesen Samaritern zeigt sich doch nur allzu deutlich, wohin das führt, wenn man den Gottlosen und Heiden falsches Verständnis entgegenbringt und Nachsicht mit ihnen übt und sie am Ende annimmt, wie die eigenen Volks- und Glaubens-Genossen und sie zu guter Letzt auch noch zu lieben beginnt!
Sind jene Samariter, die einst rechtgläubige Juden waren, dadurch nicht allesamt vom wahren, rechten Glauben abtrünnig geworden und alle miteinander der allerschlimmsten dämonischen Verführung verfallen, so dass sie nunmehr einer anderen, heidnischen Gottheit huldigen, und jetzt – wie einst die Kanaaniter dem »Baal« – einem anderen Gott und Herrn dienen, nämlich in Wahrheit dem babylonischen »Bel«, dem Marduk, den sie für unseren Gott und alleinigen »Herrn« halten und nunmehr diesem anstelle des Wahrhaftigen auf ihrem Schand-Hügel, dem Garazim, Opfer darbringen und überdies in ihrer völligen Verirrung auch noch meinen, sie dienten damit in rechter Weise dem einzig wahren Gott Israels, obwohl dieser doch allein bei uns in unserem Heiligtum und Tempel im Herzen des ganzen Heiligen Landes, in Jerusalem, zu finden ist!
Und sind all jene in ihrem schändlichen Irrglauben, den sie über allem sogar auch noch für den einzig rechten halten, für ihre verwerfliche Abtrünnigkeit nicht schon selbst vom Allerhöchsten betraft worden, dass Er ihrer aller Herzen verstockt und sie in allerschlimmster Umnachtung gebunden hat, in einem trügerischen Geist des Tiefschlafs und der Betäubung und spirituellen Trunkenheit, dass sie die Wahrheit schon garnicht mehr erkennen können?!
Wie könnten wir also beispielsweise solche lieben, die Gott doch ganz offensichtlich hasst, mehr noch als die Heiden! Denn jene haben schließlich einstmals alle göttlichen Segnungen geschmeckt, sich aber dennoch vorsätzlich – wider alle Mahnungen aus ganz Israel! – von Höchsten und von Seiner einzigen Wahrheit abgekehrt und sind darum vom rechten, einzig selig machenden Glauben abgefallen und zu übelsten Abtrünnigen und Verführern geworden, so dass sie auch nichts anderes verdienen, als unerbitterlichen Verdammungszorn und ewiges Gericht!“
(F)
Jesus aber erwiderte: „Und doch geht über ganz Samaria tagtäglich die selbe güldene Sonne Gottes auf, wie über dem ganzen Rest Israels! – und, ja: auch über allen Reichen der Heiden-Nationen: über alle, die ihr als »Ungerechte« anseht, ebenso, wie über allen vermeintlich »Gerechten«, – wie ebenso aber auch reinigende Ungewitter und Stürme über alle in gleicher Weise herein-brechen: über alle vermeintlich »Gerechten«, wie über alle eurer Ansicht nach einzig »Ungerechten«!
Wenn nun aber die höchste Gottheit selbst keinerlei Unterschied macht und Ihre Sonne aufgehen lässt über wahrhaft alle, wie Sie auch Gericht übt über allen und alle in gleicher Weise als Ihre Kinder ansieht und sie läutert und züchtigt und erzieht, wie Sie auch hier, wie dort, wahres Gott-Vertrauen und wahre Gott-Ergebenheit findet: – bekundet Sie das nicht beispielsweise durch euren Propheten Maleachi? – wer seid ihr dann, dass ihr meint, einen Unterschied machen zu dürfen zwischen solchen, die eurer Meinung nach »gerecht«, und solchen, die eurem Urteil nach »ungerecht« sind?!
Seid ihr dann nicht vielmehr gehalten, auch gegen jedermann ebenso eingestellt zu sein, wie es die Gottheit über allen gegen wahrhaft alle ist: reich und barmherzig gegen wirklich alle?! – so dass Sie wahrhaft keiner Seele Ihre Liebe versagt und vorenthält, die nach Ihr verlangt, weswegen sehr wohl auch gar manche Heiden-Seele gänzlich aus Ihrer Liebe allein lebt!
Oder steht nicht im Gesetz geschrieben: »Dass du Mir ja nicht zweierlei Gewicht im Gewandbausch trägst und mit zweierlei Maß misst: Hier großzügig und nachsichtig, dort aber kleinlich und hart! Sondern du sollst alles mit gleichem Maß messen: den anderen und ja, auch den Fremden, ebenso, wie dich selbst, wenn du dich nicht selbst um das Leben bringen willst, weil du es dem anderen nicht zugestehst und verwehrst und mit ihm strenger und unbarmherziger ins Gericht gehst, als wie du es mit dir selbst und deinen eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten tust, nur weil jener ein Heide und Anders-Gläubiger ist, der die höchste Kraft unter einem anderen Namen, Gleichnis und Bild an einem anderen Ort unter einem anderen Bekenntnis in einem anderen Ritus und Kultus verehrt, und weil du einen Unterschied machst zwischen dem, der deine Ansichten und Einsichten teilt, und dem, der sie nicht teilt! Denn wer solches tut: ein Gräuel ist ein jeder so Gesonnener dem HERRN!«
(G)
Wenn ihr also nur die liebt, die euch lieben und euch in allem gleich gesonnen sind und euren Glauben und all eure Ansichten und Einsichten teilen, was zeichnet euch da noch als wahre Kinder Gottes aus?! Gleicht ihr darin dann nicht in allem auch den Huren und Zöllnern und Gottlosen und Heiden?! Denn auch sie achten und erkennen all jene an, die ebenso auch sie selbst anerkennen, und schätzen all diejenigen wert, von denen sie selbst Wertschätzung erfahren! Was macht da dann noch zwischen ihnen und euch irgendeinen Unterschied?! Meint ihr wirklich, eure Liebe und Barmherzigkeit ist dann so grenzenlos und unendlich und vollkommen, wie es die der göttlichen Allmacht ist?!
Oder steht etwa nicht im Gesetz des Mose geschrieben: »Keinen Fremdling und Ausländer sollt ihr Mir verachten und hassen und unterdrücken! Ihr solltet doch um ihr Herz wissen, da ihr selbst Fremdlinge und Ausländer in Ägypten wart! Darum, selbst sogar, wenn dir von deinem größten Erz-Feind ein Rind oder ein Esel oder sonst irgendein Vieh entgegen läuft, das sich verirrt hat, so sollst du es zu ihm zurück führen, wie sehr jener dich auch verachten und hassen mag! Und wenn du deinen schlimmsten Erz-Widersacher mit einem seiner Tiere in Nöten siehst, so lass ihn Mir ja nicht im Stich, sondern hilf ihm zusammen mit seinem Lasttier wieder auf!«
Und vermahnt nicht ebenso der Sohn Davids, der große König Salomo, in seiner unüberbietbaren Weisheit: »Ja, und wenn du deinen allergrößten Hasser schmachten und hungern siehst, so gib ihm zu essen; und wenn du ihn dürsten sieht, dann gib ihm zu trinken! Denn auch er hat ein Herz und Gewissen: Und wenn er dich zu unrecht hasst, wirst du damit feurige Kohlen auf sein Haupt legen! Denn dann muss er erkennen, wie ganz zu unrecht er dir feindlich gesonnen ist!«
So seid ihr wahrhaft angehalten, WIRKLICH ALLE zu lieben, AUSNAHMSLOS ALLE – hinlänglich ob Jude oder Heide, ob Volks- und Glaubens-Genosse oder nicht, ja, selbst unabhängig davon, ob Freund oder Feind! Und allein darin erweist ihr euch als wahre Kinder der göttlichen Liebe, die wahrhaft unterschiedslos allen gilt und auch alle in gleicher Weise liebt und sucht!“
(H)
Und Jesus fragte sie abschließend: „Wer also ist dein Nächster? Und wem gegenüber gilt dir dies göttliche Gebot und Wort? Und wer erfüllt es, dass er unterschiedslos allen zum Nächsten wird, ob nah oder fern, ob Volks- und Glaubens-Genosse oder nicht, ja, ob scheinbarer Freund oder vermeintlicher Feind? Wer steht im wahren göttlichen Leben?“
Da der Rabbi aber spürte, dass sie sich noch immer ungläubig und argwöhnisch inwendig gegen Seine Eröffnung sträubten und es einfach nicht annehmen wollten, setzte Er nochmals an und erklärte: „Ich will es euch an einer Begebenheit verdeutlichen, die sich so wahrhaftig zugetragen hat, wie es auch tatsächlich beständig und immer wieder an gar manchen Orten geschieht:
Was Ich euch nun erzähle, spielte sich auf der Landstraße zwischen Jerusalem und Jericho ab: Da war ein frommer, gottesfürchtiger Jude, der zog mit seiner Ware auf seinem Maultier jenen Pfad durchs Gebirge Judas zur Jordan-Ebene hinab, um dort seine Güter zu verkaufen.
Doch er fiel unter brutale Räuber. Die drangsalierten ihn furchtbar und entrissen ihn all sein Habe; ja sie zogen ihn sogar völlig nackt aus und schlugen ihn fast zu Tode und ließen ihn schließlich in seinem Blut am Wegesrand liegen.
(I)
Einige Zeit später ergab sich´s, dass ein Levit die Straße entlang zog, um seinen Dienst im Tempel des HERRN anzutreten; denn seine Abteilung war durch das Los bestimmt worden, nunmehr im Heiligtum Gottes das Priesteramt verrichten zu dürfen. Der sah wohl jenen Geschundenen, völlig Entstellten am Wegrand liegen, und er überlegte noch, ob er sich dieser armen geschundenen blutverschmierten Seele annehmen solle.
Doch ihm war klar, dass er dann nicht mehr seinen Dienst am Haus des Höchsten antreten hätte können: Denn wie hätte er da noch rechtzeitig zum Heiligtum Gottes kommen sollen?! Und überdies hätte er sich für den Dienst am Tempel des Herrn verunreinigt, wenn er mit vergossenem Blut oder gar mit einem schon Verstorbenen in Berührung gekommen wäre!
Also beschwichtigte er sich nach einem Moment der Verunsicherung mit dem Gedanken: »Was habe ich mit diesem zu schaffen?! – weiß ich doch nicht einmal, ob dies einer meiner Volksgenossen und ein rechtgläubiger Jude ist! Denn heißt es nicht: „Gott bewahrt all die Seinen!“?
Wenn nun solches Unheil über diesen Menschen gekommen ist, was mag dieser am Ende verbrochen haben, so dass ihn nur Gottes gerechter Zorn getroffen hat! Wenn ich diesem nun aushelfe, könnte ich mich am Ende ja sogar selbst noch an einem Menschen verunreinigen, der unrein in Gottes Augen ist, und ich könnte an dessen Sünden, für die er vom Höchsten bestraft wurde, noch teilhaftig werden, indem ich ihm die Bürde erleichtern würde, welche der Allmächtige doch sicher nicht ohne Anlass und Grund auf ihn gelegt hat! Da würde ich dann ja am Ende sogar jemanden Liebe erweisen, den Gott doch hasst!«
Also ließ dieser Levit jenen Elenden, der da vor ihm in seinem Blute lag, links liegen und versagte ihm, was die göttliche Liebe und Barmherzigkeit ihm geboten hätte, und ließ ihn im Stich.
Kurz darauf aber kam ein Rabbi vorbei, der schon darüber nachsann, was er seiner Gemeinde zum Sabbat künden wollte; denn es war der Rüsttag zum Tag des HERRN. Auch der sah jenen frommen Juden völlig zerschunden und zerfetzt splitternackt am Wegesrand in seinem Blut liegen. Und auch in ihm meldete sich wohl eine Stimme, ob er diesem nicht beistehen und aufhelfen müsse.
Aber auch dieser wies jene innere Eingebung von sich, indem er sich mit der Überlegung gegen diese seine erste natürliche Intuition verwahrte: »Aber wenn ich mich nun dieses Menschen annehme, der mir doch völlig fremd und unbekannt ist, wie sollte ich da noch vor Anbruch des Sabbats mit der heraufziehenden Nacht meine Gemeinde erreichen?! Bin ich nicht dieser zuerst und vor allem verantwortlich?! Wer sollte ihnen sonst am Sabbat das Wort Gottes recht auslegen?!
Überdies kenne ich diesen Menschen doch überhaupt nicht! Und so erbärmlich, wie jener zugerichtet worden ist, kann es doch wohl kaum ein gottesfürchtiger Mensch gewesen sein! Bestimmt traf diesen Unglückseligen, wie sehr sein Schicksal mich auch reuen mag, sein hartes Los ganz zu recht! Denn sonst müsste der höchste Allmächtige, der all dies zuließ, doch ungerecht sein!
Was also geht mich das Schicksal dieses von Gott Gestraften an?! Und wie er mich auch dauern mag: Ich will meine Kraft lieber auf die verwenden, die meine Nächsten sind und von denen ich darum auch weiß, dass sie mit Bestimmtheit gottesfürchtig sind, weil sie sich von mir in rechter Gottesfurcht leiten lassen.«
Also ließ auch dieser Pharisäer und Synagogen-Vorsteher jenen Elenden, der da vor ihm in seinem Blute lag, links liegen und versagte ihm, was die göttliche Liebe und Barmherzigkeit ihm geboten hätte, und ließ ihn im Stich, um am folgenden Sabbat seiner Gemeinde, die doch fest mit ihm rechnete, seine salbungsvolle Predigt halten zu können.
(J)
So ließen diese beiden »gottesfürchtigen« Männer – sowohl jener Rabbi, der auf dem Weg zum Dienst an seiner Gemeinde war, wie auch jener Levit, der auf dem Weg zum Dienst am Haus des HERRN war – diesen halb zu Tode Geschlagenen, bis zur Unkenntlichkeit entstellten Geschundenen einfach in seinem Blut am Boden liegen und schritten über ihn, der ihnen in dieser Stunde doch der Aller-Nächste war, ungerührt hinweg – und das, obwohl es, wohlgemerkt, doch einer ihrer eigenen Volks- und Glaubens-Genossen, ein höchst frommer und gottesfürchtiger Jude war!
Doch war ihm das in seinem Zustand freilich nicht mehr anzusehen! Und jene beiden, die allein nur auf das Auswendige blickten und nicht mit dem Herzen hinsahen, erkannten es freilich nicht, dass dies eine arme Geschwister-Seele und, wie sie selbst, ein Gottes-Kind war.
Und wie sehr jener in seinem Blut auch stöhnte, gurgelnd Blut spuckte und ächzte: es rührte sie nicht. Nicht wirklich! Denn sie gingen alle an ihm vorbei, über ihn hinweg, um ihren weit wichtigeren, bedeutsameren heiligen Verpflichtungen, wie sie meinten, welche sie sich vorgenommen hatten, nachkommen zu können: dort, wo sie auch wussten, dass es fruchten würde, weil sie es denen zukommen lassen konnten, welche ihnen die Nächsten waren, die ihren Dienst zu schätzen wussten und sie ehrten – ebenso wie diese auch Gott in der Weise ehrten, wie es nach ihrem Sinne war.
(K)
Schließlich kam dann aber – Gott sei Dank! – doch noch ein ganz anders Gearteter vorbei: … ein Mensch. – Ein Mensch, der sich sein natürliches Mitempfinden und seine angeborene Mitmenschlichkeit bewahrt hatte.
Zugegeben: ein Mann von ganz einfachem Gemüt, der sich nicht auf derartige Winkelzüge in Hinblick auf die rechte Auslegung des göttlichen Gesetzes in solch einer Situation verstand, zumal er darin beileibe nicht wie jene Schriftgelehrten, die immerfort ihre Thora studierten, bewandert war, so dass er keinerlei Ausflüchte fand, dem ersten, intuitiven Ruf seines Herzens nicht zu folgen.
Auch dieser hatte eigentlich höchst dringliche, wichtige, in seinen Augen überaus ehrenvolle Aufgaben und vermeintlich unaufschiebbare Verantwortlichkeiten vor sich, die keinerlei Aufschub duldeten, zumal er – im Gegensatz zu den beiden anderen – vor Anbruch des Sabbats noch eine ungleich weitere Wegstrecke vor sich gehabt hätte, um sein Ziel noch vor Ende des Rüsttages zu erreichen.
Doch als er jene arme Seele dort in ihrem Blute liegen sah, obwohl diese ihm völlig fremd war, vergaß er darüber alles andere, so wurde er erfüllt von tiefstem Schmerz und mitleidendem Mitgefühl.
Und er sprach zu sich selbst. »Wie wichtig, hehr und heilig auch immer alles gewesen sein mag, was ich mir vorgenommen habe: Was kann nun wichtiger sein, als sich dieser armen, geschundenen Seele anzunehmen, auf welche die göttliche Allmacht mich treffen ließ, um ihr in ihrem Elend auszuhelfen?!
Denn wenn ich diesem erbarmungswürdigen Herzen nicht aufhelfe, wird es – bei Gott! – diese Nacht nicht überleben und nicht mehr den heraufziehenden Sabbat der göttlichen Liebe sehen!
Und selbst, wenn es nicht so wäre und es tatsächlich keine höhere Macht gäbe, die über uns alle wacht und waltet: Wäre ich da minder verpflichtet, jener armen Seele beizustehen, wenn ich mich dem Geschlecht der Menschen zugehörig fühlen will?! Und wenn ich es nicht täte: könnte ich mir da je noch selbst in die Augen sehen?!«
So gab es für diesen Menschen nur noch das Eine: Er musste dieser armen Seele unbedingt beistehen und ihr aufhelfen mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Also ging er hin, beugte sich über jenen geschundenen Israeliten, nahm das kostbare Öl, das er bei sich hatte, wie auch den erlesenen Wein, den er mit sich trug, und goss es auf die Wunden jenes Geschundenen, um sie zu reinigen.
Dann nahm er aus seinem Gebäck das wertvolle Gewand, das er sich eben erst erworben hatte, in der Hoffnung, dass es keine Krankheitserreger an sich trug, da es noch von niemanden getragen worden war, und zerriss es, um damit die offenen Wunden des stöhnenden Hebräers, die er mit seinem Öl und Wein gereinigt hatte, zu verbinden.
Danach hob er den noch immer besinnungslosen Juden auf sein Maultier und brachte ihn in die nächstgelegene Herberge. Dort wachte er die ganze Nacht am Bett des Elenden, der mit seinem Leben rang, und pflegte ihn nach besten Kräften. Und ebenso nahm er sich auch den folgenden Sabbat des Verwundeten an.
Jener schlief viel am Tag des HERRN und schien wieder zu Kräften zu kommen. Da meinte der Mann, der sich seiner erbarmt hatte, er könne ihn nun der Pflege der Wirtsleute überlassen, wo er mit der elenden Seele Unterkunft gefunden hatte.
Darum nahm er zwei Denare, gab sie dem Hausherrn und sprach zu ihm: »Hier hast du Lohn für jene arme Seele zur Pflege für die nächsten beiden Tage! Sollte es aber nicht hinreichen, und wenn dieser Sohn Abrahams dich nicht selbst entlohnen kann für deine Fürsorge, und es dich mehr kosten sollte: Du weißt ja, dass ich regelmäßig bei dir einkehre. So will ich selbst dir es dann erstatten, wenn ich wiederkomme.«
(L)
So seht und erkennt, was diesen Letzen von den beiden Ersten unterschied, die sich für die Aller-Besten und darum auch für die Aller-Bewahrtesten und -Gesegnetsten hielten: Bei all seiner unübertrefflichen Gottesfurcht wurde er darüber doch nicht eitel in seinem Herzen, dass er meinte: »Solches, wie dieser geschundenen Seele hier am Wegesrand, könnte mir doch niemals und nimmermehr widerfahren! Denn ich bin ja so fromm und gerecht und wahrhaft gottesfürchtig, so dass derartiges unmöglich auch über mich kommen könnte!«
Jener Tiefgläubige besann sich nämlich vielmehr darauf, in wie Vielem er bei allem Glauben und Gottvertrauen und Mühen doch selbst noch immer fehlte, und wie oft es bei ihm trotz allem doch nicht hinlangen wollte zu dem, was in der Gottheit vollkommen ist, so dass er sich vielmehr fürchtete und sich vor Augen hielt: »Wer bin ich schon, dass mich am Ende nicht auch noch einmal ein solches Geschick ereilt und ich eine derart harte Züchtigung von meinem Herrn zu erwarten habe?!
Ach, und wie dankbar wäre dann auch ich, wenn mir eine mitleidige Seele in Wort und Tat beistünde und vor Augen führte, dass die göttliche Allmacht über allem doch noch immer auch mit mir nichts als gütig und barmherzig ist und in allem nur mein Bestes im Sinne hat, wenn auch ich dann einer mitfühlenden Seele begegnen könnte, die mich in meiner großen Not dann an die untrüglich trotz allem auch mir noch geltende Langmut und Güte der höchsten Kraft erinnern würde und mich so trösten, mich wieder aufrichten, sich meiner annehmen und mir wieder aufhelfen würde!
Denn auch, wenn ich mich redlichst nach meinen dürftigen Kräften bemühe: Was weiß ich schon, was das in den untrüglichen Augen der All-Weisheit ist, die wahrlich alles bis in die letzten Tiefen durchschaut: ob ich mir nicht in gar manchem selbst etwas vormache und mich selbst sträflich belüge und betrüge, weil ich´s nicht wahrhaben und anschauen will, wie es wahrhaftig um mich steht, wie ich schließlich aus mir selbst auch nicht im mindesten in der Lage bin, mit all dem, was noch arg ist in mir, abzuschließen, wenn sich denn die Gottheit nicht meiner annimmt und mich, wie auch immer, zum Besseren hin noch erzieht!“
(M)
Und Jesus hielt inne und erklärte: „So weit diese Geschichte, die sich wahrhaftig genau so zugetragen hat.
Wer von diesen Dreien meint ihr nun, war jenem armen, gottesfürchtigen Juden, der unter diese brutalen, eiskalten Räuber gefallen war, die nächste Seele gewesen?“
Da gestand jener Rabbi, der zunächst gemeint hatte, die göttliche Liebe und Barmherzigkeit hielte nicht zur Liebe und Barmherzigkeit gegen wirklich jedermann an, kleinlaut: „Es war wohl jener, der ihm Barmherzigkeit erwiesen hat.“
„Siehst du“, sprach Jesus zu jenem Ältesten: „Genauso ist es. So einfach und klar. Und wenn du wirklich verständig bist, wirst du es ebenso tun!“
(N)
Zu den anderen Pharisäern aber, die noch immer feindselig gegen Ihn eingestellt waren, weil er einen römischen Hauptmann mehr Gottvertrauen und wahren Glauben als allen Juden miteinander bescheinigt hatte, sprach der Herr: „So lernt daraus dies: Es gibt nur ein einziges Gebot, das es zu erfüllen gilt, das darüber entscheidet, ob du im göttlichen Leben oder noch tot in dir selber bist: die göttliche Liebe und Barmherzigkeit!
Dies allein ist dir geboten, und allein dazu reizt wahre Gottes-Erkenntnis an: zu Liebe und Barmherzigkeit!
Und wann? Immer und zu jederzeit! Damit in jedem Augenblick: Hier und jetzt! Und wem gegenüber? Einer jeden Seele, welche dir eben die nächste ist und gegenüber-tritt, hinlänglich ihres Glaubens, ihres Lebenswandels und ihrer Nation oder Religion! Denn in ihr begegnet dir gerade jetzt eben doch immer nur ein Gotteskind, das die Gottheit gewollt und dir gerade in diesem Augenblick gegenüber gestellt hat, auf dass du sie liebst, wenn du denn die Gottheit liebst, die alles erschaffen hat und von der und durch die und zu der wahrhaft alles ist!
So begegnet dir die Gottheit in allen Ihren Kindern und Seelen und Wesen und Geschöpfen: die Urquelle von ihnen allen in ihnen allen selbst! Und wenn du Sie, die Allerhöchste mit Ihrer Liebe finden willst, die auch dir gilt und gelten soll; wenn du Sie, die Allerhöchste finden willst in Ihrer Liebe zu wahrhaft allen, ohne jeden Unterschied: dort, in dem dir je nächsten Kind und Geschöpf dieser Liebe findest du Sie!
(O)
Aber nun haltet euch fest und hört, was für ein Mensch dieser andere war, der das göttliche Gesetz verstanden und erfüllt hat. Es war – hört und vernehmt es – ein Samariter!“
Da stach´s ihnen allen durchs Herz, denn sie hielten die Samariter für verworfene Abgefallene, die in ihren Augen als abtrünnig gewordene Juden noch verachtenswerter als alle Heiden waren, da sie sich ihrer Meinung nach als einstige, ebenso gesegnete Juden vorsätzlich und bewusst vom wahren Glauben abgekehrt hatten, wobei sie überdies auch noch für sich beanspruchten, den einzig wahren Gott in der allein rechten, gottgefälligen Weise zu verehren.
Und nun wagte es dieser selbst-ernannte Prophet, ihnen einen derartigen abgefallenen Abtrünnigen mit seiner von heidnischem Gedankengut infiltrierten und verfälschten Religion als Parade-Beispiel für den rechten, wahren Glauben in einem Wandel nach dem rechten Sinn eines gottesfürchtigen Lebens gemäß dem Gesetz und den Propheten zu präsentieren!
„Und noch eines will Ich euch sagen:“, fuhr Jesus fort: „Im Gegensatz zu jenen ersten beiden vermeintlich »rechtgläubigen« Juden, die meinten, einen Gottlosen zu erblicken, über den rechtens der Zorn Gottes gekommen sein müsse, erkannte jener Samariter, dass es ein strenggläubiger Jude war, den dieses Geschick ereilt hatte: einer, der nicht seinen, des Samariters, eigenen Glauben teilte, sondern all den übrigen Israeliten angehörte, die allesamt die Samariter abgrundtief verachten und hassen!
Er aber sprach nicht in seinem Herzen: »Da ist diesem selbst-gefälligem, vermeintlich Gott-Gerechten nun ja nur ganz recht geschehen! Hoffentlich gehen ihm über all dem, was ihn nunmehr getroffen hat, endlich die Augen auf!« Sondern jener Samariter sah nur das unendliche Elend dieses Juden, eures Volksgenossen; und obwohl es keiner seiner eigenen Landsleute und Glaubensbrüder war, besann er sich darauf, was er selbst sich in solch einer erbarmungswürdigen Situation wünschen würde, wenn Derartiges am Ende noch einmal über ihn selbst kommen würde.
(P)
So seht: Er erkannte sich über allen vordergründigen Unterschieden doch vollends in jener anderen leidenden Seele wieder, wie gänzlich anders deren Glaube und Religion auch immer sein mochte, ja, überdies, wie berechtigt in seinen Augen das göttliche Strafgericht auch immer erscheinen mochte, das über diese Seele zu ihrer Züchtigung gekommen war!
Er erkannte nur dies eine: »Diese Seele unterscheidet sich in ihrem Glauben wie Unglauben, in ihrem Verständnis wie Unverständnis, in ihrer Gerechtigkeit wie Ungerechtigkeit, in ihrer Reife wie Unreife, in ihrer Schuld wie Unschuld im letzten und tiefsten Grunde doch wahrlich in nichts wirklich von mir und ist mir in allem völlig gleich, wie ich auch ihr!
Und doch sind wir alle in gleicher Weise unverlierbar geliebte Kinder Gottes, so dass mir in diesem Gotteskind die Gottheit selbst begegnet, in der Sehnsucht und in dem Verlangen, wie wohl auch in der Prüfung, ob ich dieser erbarmungswürdigen Seele die Liebe und Barmherzigkeit entgegen brächte, die auch ich mir an ihrer Stelle wünschen würde, weil die Erkenntnis dieser göttlichen Liebe, die doch selbst über allem Zorn und Gericht noch waltet und allen bleibend gilt, letztlich uns alle allein noch erretten kann!«
Und in dieser Einsicht erwies sich jene Samariter-Seele als gottesfürchtiger, wie auch vertrauensseliger, als die aller-gottesfürchtigsten, orthodoxesten Juden-Seelen, die nichts anderes kennen, als ihren Gott und HERRN in wahrlich unguter, gänzlich verkehrter und verdrehter Weise zu »fürchten«, wie auch, in ihrem fanatischen Eifer alle anderen das Fürchten Gottes in dieser unseligen Form zu lehren.
Denn diese samaritanische Seele erwies wahre, rechte Gottesfurcht, so dass sie es nicht wagte, einer noch so verachtenswert erscheinenden Seele die Liebe und Barmherzigkeit zu verweigern und zu verwehren, aus der allein sie selbst sich getragen und gehalten wusste: die göttliche Liebe und Barmherzigkeit, mit der die göttliche Erbarmung doch letztlich wahrhaft alle gänzlich unterschiedslos als ihre Kinder und Geschöpfe und Seelen und Wesen unverlierbar liebt!
(Q)
Wenn ihr nur auf das Auswendige seht, und allein darauf, was den anderen Seelen noch fehlt, dann wird die Gottheit auch bei euch allein auf das Auswendige sehen, was euch noch alles fehlt; wenn ihr aber auf das Inwendige seht, was vor der Gottheit allein gilt, dass es ein Kind und Geschöpf der göttlichen Liebe ist, das Liebe und Barmherzigkeit empfangen soll, um auch selbst zur Liebe und Barmherzigkeit zu gelangen, dann werdet ihr ebenso auch von der Gottheit erkannt werden und schon empfangen dürfen, was wahrhaft ausnahmslos allen zugedacht ist.
So hat gar manche Heiden-Seele mit ihrer »falschen Religion« vom wahren Namen und Wesen der Gottheit bereits mehr erkannt, als ihr, und wird noch vor euch eingehen ins Himmelreich: eine jede Seele in die Wohnung ihrer Glaubensgemeinschaft, nach dem, was sie schon von der göttlichen Abba-Liebe erkannt hat, um von dort aus aufzusteigen von einer Herrlichkeit zur anderen, je mehr sie auch noch in den Himmeln vom wahren Christus-Antlitz der Gottheit über allen und für alle erkennt und dies dann auch in ihr Gestalt findet und dann auch ebenso hervorstrahlt auf ihrem eigenen Angesicht, das darüber verklärt und verwandelt wird von einer Herrlichkeit zur anderen, bis sie gänzlich eins mit diesem göttlichen Liebes-Antlitz wird.
Doch wahrlich, Ich sage euch: Weil diesem Samariter wahrhaft alle, besonders die Bedürftigen, die Nächsten waren, darum war jener selbst auch dem göttlichen Herzen am nächsten, nämlich der himmlischen Liebe und Barmherzigkeit.
Und wahrlich: Allen solchen, die so mitfühlend leben, wie dieser Samariter, unter welchem Namen und Gleichnis und Bild und Bekenntnis und Kultus auch immer, denen wird auch Gnade und Barmherzigkeit zuteil werden VOR EUCH vermeintlich Orthodoxen, Rechtgläubigen ALLEN, da sie nämlich schon längst aus der göttlichen Gnade und Barmherzigkeit leben und sich von ihr zu ebensolcher Gnade und Barmherzigkeit anreizen lassen.
So siegt ihre Gnade und Barmherzigkeit über jedes Gericht! Denn wer Barmherzigkeit übt, dem wird auch Barmherzigkeit widerfahren, was immer er sonst auch sein und glauben mag, und wenn es das abstruseste Gottesbild und -Bekenntnis ist!
Wer aber nicht aus der Barmherzigkeit lebt, dem wird auch keine Barmherzigkeit widerfahren, und wenn er das rechteste Gottesbild und Bekenntnis hat! Denn entscheidend ist nicht, WAS du glaubst, sondern vielmehr, WIE du glaubst! Entscheidend ist nicht der Name, das Bild, der Kultus und das Bekenntnis, sondern das Inwendige, das jenseits davon ist, und was dein tägliches profanes Leben bestimmt.
Wenn du an die unverlierbare göttliche Liebe und Barmherzigkeit glaubst, die wahrhaft allen gilt, und aus ihr lebst, dann hast du wahrhaft alles, auch unter dem verkehrtesten Gottes-Namen, -Bild und -Bekenntnis; wenn du aber nicht an die unverlierbare göttliche Liebe und Barmherzigkeit glaubst, die wahrhaft allen gilt, und darum auch nicht aus ihr lebst, dann hast du in Wahrheit garnichts, selbst unter dem rechtesten Gottes-Namen, -Bild und -Bekenntnis.
(R)
Darum sage Ich euch: Es werden wahrhaftig viele andere aus allen Nationen und Religionen VOR euch in das Himmelreich eingehen! Denn sie leben gar oft weit mehr aus der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit, als ihr ALLE!
Darum erkennt doch: Was ihr glaubt, was ihr bekennt, was ihr verehrt, was ihr studiert, wonach ihr euch orientiert: Es ist gänzlich bedeutungslos! Er ist nichts! Und niemand wird danach fragen! Alles, worauf es einzig und allein ankommt und was zählt, ist, ob Liebe in euren Herzen ist!
Oder was meinst du: Wenn ein Samariter oder sonst irgend ein Heide aus den Nationen den verkehrtesten Glauben hätte, aber aus der göttlichen Liebe für die göttliche Liebe lebt: Meinst du, er würde verworfen?! Oder wenn ein orthodoxer Jude den rechtesten Glauben aus der höchsten, erdenklichen Erkenntnis über alles, was recht und unrecht ist, erlangt hat, aber nicht aus der göttlichen Liebe für die göttliche Liebe lebt: Meinst du, er würde angenommen?!
So erkennt, dass Name, Bild und Bekenntnis, Kultus und Ritus NICHTS ist! Das Entscheidende, auf das es allein ankommt, was erweist, ob du im Leben oder noch unter Zorn und Verdammnis bist, das ist allein und immer nur die Liebe!
Lebst du aus der Liebe, so bist du aus der Liebe und unter der Liebe! Und die Liebe wird dein Leitstern und deine Zukunft sein! Lebst du aus der Barmherzigkeit, so erfährst du auch in dir und an dir selbst diese Barmherzigkeit! Lebst du aber nicht aus dieser Liebe und hast du diese Barmherzigkeit nicht, so hast du in Wahrheit nichts, wie recht dein Glaube dir selbst auch immer scheinen mag!
Und darum seht und erkennt es: So erwies sich jener, den ihr für gottlos und abtrünnig und sogar über allem noch als dämonisch irregeleitet und in schlimmster Verkehrung haltet, als gerechter und wohlgefälliger vor der höchsten Allmacht der Liebe, als ihr alle! – und das, obwohl er die Gottheit in einer heidnisch beeinflussten, mitunter vielleicht sogar verdrehten und verkehrten »falschen Religion«, wie ihr wähnt, unter einem anderen Namen und Bekenntnis und Gleichnis und Bild und an einer anderen heiligen Stätte und in einem anderen Kultus und Ritus verehrt, als wie ihr!
Darum urteilt und richtet nicht nach dem, was vor Augen ist! Denn dies zählt auch nicht vor der alles durchschauenden Weisheit, die in das hinein sieht, was im Herzen ist, und die keiner Seele Ihre Liebe vorenthalten wird, die wahrhaft danach verlangt, unter welchem Namen und Bekenntnis und Gleichnis und Bild und Kultus und Ritus diese Seele Sie auch immer suchen mag!
Deshalb ist nicht das vor der Gottheit eine rechte Seele, die jüdisch und beschnitten ist und in allem nach eurer Thora lebt! Sondern dies ist eine rechte Seele vor der Gottheit, die allein nach Ihrer Liebe fragt und – diese wohl auch empfangend! – aus dieser Liebe lebt!
(S)
Aber über allem: Selbst auch die, welche die wahre Gottheit nicht als die grenzenlose Abba-Liebe gegen wahrhaft alle erkennen und ihr darum nicht in ebensolcher Liebe huldigen und Sie darin, wie es allein recht sein kann, verehren, so erkennt Sie selbst, dessen ungeachtet, doch alle als Ihre Kinder an, da sie alle trotz allem doch aus Ihr sind! Und da nichts ist, was nicht aus Ihr wäre!
Darum: Wenn Sie auch als die Abba-Liebe aller verkannt und verleugnet und verachtet wird, so könnte Sie sich selbst doch niemals in Ihrer unbeirrbaren Liebe zu wahrhaft allen Ihren Kindern jemals selbst verleugnen! – auch selbst dann nicht, wenn sie so manches ihrer Kinder noch gar hart züchtigen und zurechtweisen muss!“
Da steckten die Schriftgelehrten die Köpfe zusammen. Jesus aber sprach zu ihnen: „Ihr richtet den, der niemanden richtet. Würdet ihr doch verstehen! Dann würdet ihr erkennen, dass auch ihr geachtet und verstanden seid in eurer besonderen Eigenartigkeit, und, dass euch nichts genommen werden soll, was euch wichtig und heilig ist, sondern ihr alle nur immer noch mehr hinzugewinnen und erhalten sollt!“ Da sie aber nichts mehr gegen Ihn vorzubringen wussten, wagte es keiner von ihnen mehr, Ihn noch länger zu befragen.
(T)
Aber auch Jesu Jünger verstanden Seine Ausführungen über die wahrhaft grenzenlose göttliche Agape, die zur Liebe gegen alle, ohne Unterschied, anhält, noch immer nicht.
Und Judas Bar Simon fragte den Meister regelrecht vorwurfsvoll: „Rabbi! Musstest Du ausgerechnet einen Samariter als Beispiel für einen vorbildlichen Glauben auswählen?! War Dir etwa nicht bewusst, dass Du damit aufs Neue nur allgemeinen Anstoß erregst und all Deine Widersacher noch mehr gegen Dich aufbringst?!“
Jesus aber erwiderte ihm: „Ja! Gerade deshalb! Denn alle Welt soll es wissen, dass Ich nichts auf Abkunft oder die Art des Glaubens gebe! Ich frage nicht nach der Abstammung oder nach dem Bekenntnis, sondern einzig und allein nach tätiger Liebe!“
(U)
Und später sagte der Meister noch zu Seinen Jüngern: „Lernt aus diesem Streitgespräch und seht und erkennt dies: Jene berufen sich, wie Ich, auf die selben Heiligen Schriften und legen sie doch gänzlich konträr zu Mir aus!
Und wahrlich, Ich sage euch: Selbst auch der Satan trägt einen Talar und hat einen Tanach in der Hand und beruft sich ebenso immerfort mit »Es steht geschrieben!« auf das göttliche Wort. Und doch verdreht und verkehrt er alles widersinnig und unsinnig nach seinem zerrütteten Sinn.
Und Ich weiß es, denn er ist mir schon höchstpersönlich begegnet, um auch Mich zu verführen und zu versuchen und zu Fall zu bringen. Und danach trachtet er bei jeder Menschenseele!
Darum beherzigt dies und lernt es von Mir: Es gibt nur einen einzigen Schlüssel, der euch alle Heiligen Schriften recht aufschließt: die göttliche Barmherzigkeit und Liebe, die für euch alle bis zum Äußersten geht, um euch noch alle zu gewinnen: die göttliche Barmherzigkeit und Liebe, die nunmehr in Mir, greifbar und betastbar, Fleisch und Blut geworden ist, um euch allen Ihre wahrhaft grenzenlose, wie auch unverlierbare Retterliebe in unüberbietbarer Weise zweifelsfrei vor Augen zu führen in Ihrem »Ja« und »Amen« auch auf die größten und hehrsten Verheißungen, das alsbald als Ihr Feld- und Sieges-Zeichen aufgerichtet werden wird über alle Welt!
Und nach diesem werden auch die fernsten Heiden-Nationen und entlegensten Inseln fragen! Denn nicht das »Nein« ist Fleisch und Blut geworden, sondern das »Ja« und das »Amen«.
Aber selbst, wenn dermaleinst auch das »Nein« Fleisch und Blut werden und als der Leibhaftige unter euch erscheinen wird, so glaubt ihm nicht! Denn er ist nicht aus der Bejahung von allem von oben her, in der alles begründet ist, sondern aus der Verneinung von allem von unten her, die darum keinen Grund und keine Begründung hat und darum auch noch vom alles umgreifenden »Ja« und »Amen« verschlungen werden wird.“