Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
V Die Abkehr
20: Gleichnisse Jesu: Wer erfährt Gottes Gnade?
20-A: Ich will euch erzählen von einem Pharisäer und einem Zöllner
20-B: Welcher von den beiden wurde wohl von Gott erhört?
20-C: Gnade kann nur empfangen, wer erkennt, wie sehr er Ihrer bedarf!
20-D: Dann habe Ich noch ein Rätsel für euch von zwei ungleichen Söhnen
20-E: Wer macht Gott Freude? Wer sich von Seiner Liebe zur Umkehr bewegen lässt!
20-F: Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einer Ernte, für die wahrlich jede Hand gebraucht wird!
20-G: Aus Freude über die eingebrachte Ernte wurden alle überreich belohnt
20-H: Da fühlten sich die Erst-Berufenen zurückgesetzt
20-I: Dabei wurden sie auch von Anfang an immer überreich belohnt!
20-J: Habt ihr vergessen, dass euch einstmals dieselbe Gnade widerfuhr?!
20-K: Aber wer nicht sieht, dass alles Gnade ist, kann sie auch nicht erfahren!
(A)
Es begab sich aber an einem der folgenden Tage, dass der Meister wieder von einigen Rabbinern belauscht wurde. Jene Schriftgelehrten betrachteten sich nämlich als die Hüter des rechten Glaubens, und sie maßten sich an, besonders fromm und gerecht zu sein. Darum verachteten diese selbstherrlichen »Rechtschaffenen« auch alle, denen es nicht gelang, eine ebenso beeindruckende vermeintliche Tadellosigkeit, wie sie selbst, an den Tag zu legen.
Als diese Tugendwächter sich wieder einmal in die Menschenmenge um Jesus eingeschlichen hatten, um etwas aufzuschnappen, was sie gegen Ihn verwenden könnten, da erzählte Er folgendes Gleichnis:
„Da waren zwei Männer, die hinauf in den Tempel nach Jerusalem gingen, um zu beten: einer von ihnen war ein angesehener Pharisäer, der andere aber ein verachteter Zöllner.
Und als sie in den Vorhof der Männer traten, grüßten alle den ehrenwerten Rabbi ehrfürchtig und machten ihm sogleich Platz, so dass er sich ganz nach vorn in die erste Reihe zum Heiligen Bezirk der Priester vor dem Haus Gottes begeben konnte. Denn an seinem edlen »Talit«, seinen wallenden rituellen Gebets-Gewändern, die mit weißen Quasten, dicken wollenen, verknoteten Schau-Fäden-Bündeln, versehen waren, sowie an seinen schwarzen, ledernen Gebetsriemen um seinen linken Arm und um seine Stirn, den »Tefillin« mit den Kapseln, die Pergamentstreifen der Thora enthielten, war er sofort allen als ein hoher Geistlicher erkenntlich.
Und da vor ihm alle ergeben zurück-wichen, begab sich jener Pharisäer sogleich nach seiner Gewohnheit ganz nach vorn vor alle anderen zum Heiligtum hin und betete dort selbstgefällig und in höchstem Maße mit sich selbst zufrieden folgendermaßen:
»O HERR, Du allmächtiger Gott! Ich danke Dir, dass ich nicht bin, wie all die anderen Leute – all die Sünder, Ehebrecher, Betrüger, Diebe und Räuber, wie etwa dieser verruchte Zöllner dahinten, der mit den gottlosen Heiden unlautere Geschäfte macht und sich ständig allerorts in Kontakt mit diesen Verworfenen verunreinigt! Hab Dank, dass ich nicht solchem Gesindel angehöre, sondern wahrlich fromm und gerecht vor Deinen Augen bin und mir nie irgendetwas zuschulden kommen lasse!
Denn siehe, ich studiere täglich in der Synagoge Dein Gesetz, und halte die Thora wahrhaftig geflissentlich in allen Stücken ein: und zwar nicht allein die „Masora“, welche uns schriftlich gegeben ist, sondern überdies auch die „Halacha“, ihre Auslegung in allen Einzelheiten, nach der mündlichen Überlieferung unserer alt-ehrwürdigen Väter! Ich halte strikt den Sabbat ein und stelle jeden zur Rede, der diesem Deinen höchsten Gebot nicht genauestens nachkommt! Überdies beachte ich penibel alle Speise- und Reinheits-Vorschriften und gehe all den verkommenen Sündern, die mich verunreinigen könnten, aus dem Weg. Desweiteren gebe ich den Zehnten von allem, was ich einnehme, und achte peinlich genau darauf, selbst beim Verkauf von Minze, Anis und Kümmel! Und obendrein faste ich sogar ganze zwei Mal in der Woche!
Darum habe ich mir wahrlich nichts vorzuwerfen. Denn ich bin in jeder Hinsicht ein strahlendes Vorbild für alle Frommen. Aus diesem Grund ist mein Rat auch immer so überaus gefragt und man grüßt mich ehrwürdig mit „Rabbi“, ja, sogar mit „Abba“ auf den Märkten und Straßen. Und wenn ich in der heiligen Versammlung das Wort ergreife und am Sabbat in der Synagoge die Schrift auslege, dann kleben alle andächtig und ehrfürchtig an meinen Lippen.
So hast Du mich wahrlich sichtlich überreich gesegnet in allem, da ich mich Dir treu im Kleinsten und Geringsten, wie auch im Größten und Gewaltigsten erzeige, so dass ich inwendig, wie auswendig völlig rein und makellos bin!
Danke, dass Du mich zu solch einer „Säule“ unter Deinem Volk gemacht hast und dass ich nicht so ein schäbiger, verkommener Taugenichts bin, wie etwa dieser verruchte Zöllner dort hinten, den jeder Gottesfürchtige aus gutem Grund meidet und mit dem wahrlich rechtens niemand irgendetwas zu tun haben will!«
Jener Zöllner dagegen stand ganz hinten im Vorhof der Männer – ja, er verblieb sogar im Eingangsbereich, um nur ja keinen Anstoß zu erregen, da er wusste, dass er allen als »unrein« galt und bei seinen jüdischen Volksgenossen als ein »Blutsauger« verachtet war, da er seinen Lebensunterhalt damit verdiente, für die römischen Beherrscher Israels in dem ihm anvertrauten Zoll-Bezirk die Steuern einzutreiben.
Und dabei hielt er es nicht einmal so, wie manche anderen von seinem Stand, dass er sein Amt missbrauchte, um sich durch überhöhte Steuern auf Kosten seiner Geschwister persönlich zu bereichern, sondern verlangte mit Weitsicht allein nur so viel von seinen Landsleuten, dass er den Pacht-Zins für sein Zoll-Amt regelmäßig an die Römer entrichten konnte, ohne in Zeiten schlechter Ernten das Volk allzu sehr belasten zu müssen, und insbesondere darauf bedacht, minder bemittelten Bürgern gegenüber Nachsicht und Milde zeigen zu können oder solchen, die von besonderer Not betroffen waren, ihre Steuern auch einmal gänzlich erlassen zu können.
Doch obwohl dieser Zoll-Pächter sein Amt, das er sich hatte erwerben können, äußerst gewissenhaft, stets auf Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bedacht, ausübte, um niemanden mehr abzuverlangen, als das, was angemessen oder aber unbedingt notwendig, sowie auch einem jeden gerade eben möglich war, – obwohl jener Steuer-Erheber also wirklich darum bemüht war, niemanden in der Ausübung seines eigenen Broterwerbs zu schaden, so wurde er doch von einem jeden Juden geschnitten und gemieden, weil er mit den von jedermann verachteten »gottlosen Unterdrückern« des auserwählten Gottes-Volkes »gemeinsame Sache« machte und so nach allgemeinem Dafürhalten diesen verhassten Heiden in die Hände spielte.
Darum wollte auch kein einziger Israelit irgendetwas mit ihm persönlich zu tun haben; und wenn er durch die Straßen und Gassen ging, machte ein jeder um ihn einen großen Bogen, wie wenn er vom Aussatz befallen war.
Dabei war jener Zöllner im Grunde seines Herzens doch nicht minder fromm, wie seine Glaubensgenossen, sondern in gleicher Weise ein gottesfürchtiger Mann, der sich redlich darum bemühte, nach den Geboten des HERRN zu leben, soweit es ihm möglich war und er sich im Stande dazu sah.
Jener Zoll-Eintreiber bildete sich jedoch nichts darauf ein, sondern sah sich vielmehr so, wie er von jedermann beurteilt wurde: als einen »erbärmlichen Sünder«. Auch hatte er viel nachhaltiger, als manch ein anderer, im Bewusstsein, in wie gar Vielem es bei ihm nicht hinlangte, dem göttlichen Gesetz in allen Stücken gerecht zu werden; und da er um seine vielfältigen Mängel und Unzulänglichkeiten nur zu gut Bescheid wusste, getraute er sich – im Tempel an der Schwelle zum Vorhof der Männer stehend – nicht einmal, seinen Blick zum Heiligtum hin zu erheben; sondern er schlug sich vielmehr voll inbrünstiger Reue über sein Unvermögen in so Vielem an die Brust und flehte inwendig: »Ach, HERR! Um Deiner unendlichen Langmut und Gnade und Barmherzigkeit willen: Sei mir elenden Sünder doch bitte gnädig! Dein unaussprechliches Erbarmen ist doch alles, worauf ich Meine Hoffnung noch setzen kann!«
(B)
Als nun Jesus Seinen Zuhörern diese beiden Männer mit ihrer Art, zu beten, vorgestellt hatte, da fragte Er: „Was meint ihr denn nun? Welchem von diesen beiden wird wohl Barmherzigkeit widerfahren sein? Wer von den Zweien hat nach eurem Dafürhalten »Gerechtigkeit« zugesprochen bekommen und erlangt? Wessen Gebet war wohl dem Höchsten, eurer Meinung nach, angenehm und wohlgefällig? Wessen Flehen war angemessen und recht?
Das Gebet jenes Pharisäers, der meinte, er wäre so tadellos, fromm und sittlich rein, dass er keiner göttlichen Barmherzigkeit bedürfen würde, weswegen er auch gegenüber allen, die es nicht schafften, so tugendvoll zu leben, wie er selbst, höchst engherzig war, diese alle verachtete und abschätzig behandelte oder gar ständig maßregelte und sie mit Vorhaltungen beschwerte und niedermachte, richtete und verdammte?
Oder jener, der sich seines eigenen übergroßen Mangels und Unvermögens gegenüber Gott selbst voll bewusst war und dies anhaltend eindrücklich vor Augen hatte, dass er in allem hoffnungslos allein auf die Gnade und Barmherzigkeit des Höchsten angewiesen war, weswegen er sich auch bemühte, in allem, was er tat, gegenüber jedermann die selbe Nachsicht und Milde an den Tag zu legen, immer darauf bedacht, niemanden über Gebühren zu belasten und auch keinen, der seine Steuern nicht entrichten konnte, dafür zu maßregeln oder zu schinden und zu knechten, oder sich auch nur ein Urteil über einen solchen zu erlauben, der nicht den vollen Zoll zu entrichten in der Lage war.
Wer also, meint ihr, ging als ein gerechter Mann aus dem Tempel, dem alle Schuld vom Vater der Barmherzigkeit vergeben und erlassen worden war? Der selbstherrliche Pharisäer, der sich selbst bis hinauf in den Himmel hob, oder der schuldbewusste Zöllner, der sich seiner Niedrigkeit und Unwürdigkeit gegenüber dem einzig wahren Vollkommenen, Heiligen, absolut Reinen, zutiefst bewusst war?“
(C)
Da wussten die Umstehenden nicht, was sie darauf sagen sollten; denn tatsächlich hielten sie alle die Zöllner für unwürdige, gottlose Sünder. Und nach einer Bedenkzeit erklärte ihnen der Meister: „Wahrlich, Ich sage euch: Es war jener Zoll-Eintreiber! Ja, jener Zöllner ging vollauf gerechtfertigt in sein Haus zurück, aber nicht jener von allen so geschätzte und verehrte selbstgerechte Rabbiner!
Denn Gott widersteht allen Hoffärtigen und Stolzen, den Demütigen aber erweist Er Gnade! Und ein jeder, der sich völlig selbst-verblendet und gänzlich von sich eingenommen stolz und selbstherrlich über alle anderen bis in den Himmel erhebt, wird noch gründlich zurecht-gestutzt und so nachhaltig erniedrigt werden, bis er erkennt, wie schlecht es in Wahrheit doch wirklich um ihn bestellt ist; ein jeder aber, der seine Niedrigkeit erkannt hat, so dass es ihm nur allzu recht und billig erscheint, sich zu demütigen und zu erniedrigen vor seinem Herrn und Gott, der wird von Ihm erhöht werden!
Denn Gnade kann nur derjenige erfahren, der sich seiner Gnaden-Bedürftigkeit schon vollauf bewusst ist, dass er diese reumütig für sich erbittet und erfleht.
Darum glaubt Mir: Ja, Amen: Allein jenem Zöllner war Gnade und Barmherzigkeit widerfahren, in wie viel an Gelingen und Umsetzen er dem äußeren Anschein nach jenem selbstzufriedenen Pharisäer auch nachstehen mochte!
Denn jener Steuer-Erheber – wenngleich er sich selbst seinerseits von manch anderen Zöllnern durchaus löblich abhob – war sich dennoch immer und in allem seiner eigenen durchgängigen Gnaden-Bedürftigkeit gegenüber dem Allerhöchsten, einzig Vollkommenen, beständig vollauf bewusst, weswegen er auch selbst nachsichtig und gnädig mit all seinen Mitmenschen umging, obwohl er selbst doch gerade von so vielen vermeintlich ganz ganz »Frommen« keinerlei Verständnis und Annahme erfuhr, sondern selbst vielmehr von allen geschnitten und verachtet wurde, wie sehr er sich in der Ausübung seines Amtes auch um Gerechtigkeit bemühte!
Denn er blieb sich in allem bewusst: »Was ist das alles, was ich vorzuweisen habe, schon im Vergleich zu dem, was ich schon empfangen habe, wie zu dem, was ich noch empfangen muss!« Und darum erwies er allen die selbe Barmherzigkeit, auf die er sich selbst vollends angewiesen erfuhr; und dafür fand jener auch ebenso sehr wohl Anerkennung und auch Hochachtung bei Gott!
Denn fürwahr, Ich sage euch: Wer Barmherzigkeit übt, der wird auch Barmherzigkeit erlangen; und wer Milde und Nachsicht gegenüber seinen Mitmenschen zeigt, der wird auch selbst Milde und Nachsicht bei der höchsten Allmacht erfahren. So triumphiert Barmherzigkeit wahrhaftig über alles Gericht!
Wer aber keine Barmherzigkeit und Milde und Nachsicht mit den anderen kennt, weil er blind für seine eigenen vielfältigen Schwächen und Unzulänglichkeiten ist, darf auch nicht für sich selbst Langmut und Güte erwarten! Denn das Gericht wird ebenso ohne jede Gnade über einen jeden kommen, der keinerlei Gnade mit all den anderen Gnaden-Bedürftigen gekannt hat! Den trifft das Gesetz mit seinem Gericht so hart, wie er es selbst auf alle anderen angewendet hat!“
(D)
Danach wandte Jesus sich an die Kinder, die sich um Ihn geschart hatten, und fragte sie liebevoll: „Aber auch für euch, Meine lieben Kleinen, habe Ich ein Rätsel: Was meint ihr?
Da war ein Mann, der hatte zwei Söhne. Und er hatte ein Anliegen. Damit wendete er sich als erstes an seinen jüngeren Sohn und bat ihn: »Ach, mein Lieber! Könntest du heute in den Weinberg gehen, um dich um meine Weinstöcke zu kümmern?«
Da antwortete ihm sein Letztgeborener: »Ach, das passt mir heute aber garnicht! Ich bin mit meinen Freunden verabredet und hab dafür gerade heute wirklich keine Zeit!«
Danach reute es diesen jüngeren Sohn aber doch, dass er seinen Vater mit seiner Bitte so wirsch abgewiesen hatte, weil ihm anderes wichtiger war; also sagte er seinen Freunden ab, und er ging doch noch hin, um sich der Weinstöcke seines Vaters anzunehmen.
Jener Vater nun wendete sich mit seinem Anlegen in gleicher Weise danach ebenso an seinen erstgeborenen Sohn, nachdem der Jüngere von den beiden ihn abgewiesen hatte.
Und jener andere Sohn erklärte ihm: »Aber natürlich, mein Vater! Schließlich bist du das Familien-Oberhaupt, und dein Wille ist mir immer Befehl!«
Aber er vergaß schnell wieder, was er seinem Vater so vorschnell willig versprochen hatte. Dies und das kam ihm dazwischen, so dass er am Ende nicht mehr dazu kam, sich um die Weinstöcke seines Vaters zu kümmern.
Was meint ihr nun, Meine lieben Kleinen? Wer von den beiden hat denn nun am Ende den Willen des Vaters erfüllt und ihm Freude gemacht? Derjenige, der zuerst »Ach, nein! Das wird mir heute zu viel!« gestöhnt und ausgerufen hat, aber dann doch hinging, oder derjenige, der sogleich beherzt »Aber natürlich, Mein liebster Vater!« beteuert hat, seinem Versprechen jedoch nicht nachkam?“
Da überlegten die Kinder; und ein kleines Mädchen, das mit dem Finger am Mund darüber nachgegrübelt hatte, rief schließlich aus: „Na, der erste Sohn! Denn auch, wenn er zuerst nicht wollte, so ist er dann ja doch hingegangen!“ Jesus streichelte der Kleinen über den Kopf und lobte sie: „Genau richtig!“
(E)
Dann erhob Er sich und wandte sich direkt an die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Ihn belauschten, und erklärte: „Und was ist die Moral von dieser Geschichte? Dass es nichts bedeutet, was man in langen, inbrünstigen Gebeten beteuert, sondern vielmehr darauf ankommt, was man dann auch wirklich tut!“
Und daraufhin schaute sie der Meister mit durchdringendem Blick an und rügte sie: „Wahrlich, Ich sage euch: Die Huren und die Zöllner, die ihr als gottloses Gesindel verachtet: sie alle werden noch vor euch ins Himmelreich Meines Vaters eingehen!
Als nämlich Johannes, der Täufer, zu euch kam, und euch alle eurer Gottlosigkeit überführte und euch den rechten Weg zu Meinem Vater in den Himmeln wies, da bereuten gar viele Huren und Zöllner, wie sie bislang gelebt hatten und kehrten um; ihr dagegen nahmt Anstoß an seiner Mahnung, dass er euch, die ihr euch als die einzig wahren Söhne Abrahams und gesetzestreuen Jünger des Mose betrachtet, in gleicher Weise, wie alle anderen, zur Umkehr rief, weil es in Wahrheit keinerlei Unterschied gibt zwischen jenen Sündern und euch!
Ihr aber seid darüber in Wut und in Rage geraten, da ihr meintet, ihr hättet keine Umkehr mehr nötig, es wäre doch schon alles in Ordnung bei euch! Und selbst, als ihr saht, wie viele von jenen, die ihr als gottlose Sünder verachtet habt, wirklich umkehrten und ihren Wandel überdachten und änderten, veranlasste euch dies nicht, auch eurerseits euer Leben zu überdenken und ein anderes Leben anzustreben, das von Liebe und Barmherzigkeit, von Mitleid und Mitgefühl, sowie von Nachsicht und Güte bestimmt ist.
Darum sage Ich euch: All jene, die ihr noch immer so verachtet, obwohl sie nun redlich um Umkehr bemüht sind, während ihr selbst euch nicht eingestehen wollt, wie sehr doch vor allem auch bei euch selbst ein Umdenken und Umkehren notwendig wäre: all jene, die ihr noch immer »außen vor« wähnt, weil sie noch immer nicht so vermeintlich »heilig« und »vollendet makellos« erscheinen, wie ihr, die ihr selbst euch vermessen als schon »drinnen« anseht: all jene Huren und Zöllner, werden vor euch hinein-gehen, während ihr nicht einmal den Einlass seht: Gnade nämlich und Barmherzigkeit!“
(F)
Da aber immer noch viele zwischen sich und anderen einen Unterschied machten und meinten, aufgrund ihrer Leistungen und guten Werke einen Anspruch zu haben, mehr in der Gunst des Höchsten zu stehen, hob Jesus an und erzählte ihnen ein weiteres Gleichnis, indem Er sprach:
„Seht, bezüglich des Himmelreiches und seiner Segnungen verhält es sich, wie mit einem Großgrundbesitzer, der sich früh am Morgen aufmachte, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen, da die Zeit der Ernte gekommen war.
Zuerst bestellte jener Landesherr all jene Tagelöhner zu sich, die schon seit geraumer Zeit für ihn arbeiten durften und die darum von ihm persönlich bereits in alle zu verrichtenden Tätigkeiten bestens eingewiesen und angelernt worden waren. Und er kam mit ihnen überein, ihnen, wie gewohnt, einen Denar für ihre Arbeiten in seinem Weinberg zu bezahlen, da dies dem allgemein üblichen Tageslohn entsprach.
Da aber die Zeit der Ernte war, bedurfte jener Gutsbesitzer noch weit mehr Aushilfsarbeiter, um alles, was auf seinem Weinberg gediehen war, auch ernten und in seine Scheinen einbringen zu können, damit ihm auch nichts von all dem, was Früchte getragen hatte, verloren ging.
Also machte sich jener Landesherr persönlich auf, um noch weitere Tagelöhner zu suchen, die er zur Arbeit in seinem Weinberg einstellen konnte.
Etwa um die dritte Stunde nach Sonnenaufgang, also um die Mitte des Vormittags, traf er auf einige Leute, die müßig auf dem Markt herum-hingen und nichts Rechtes mit sich anzufangen wussten. Denen bot er an, dass sie auf seinem Weinberg die Ernte mit einbringen könnten, und er versprach ihnen einen angemessenen Lohn für ihre Arbeit, so, wie es aufgrund der vorgerückten Stunde auch recht und billig war.
Nachdem ihm aber noch immer Arbeiter fehlten, um die ganze überreiche Ernte an prallen Reben auf seinem Weinberg einzulesen, machte er sich nochmals um die sechste Stunde, also um die Mittagszeit, sowie um die neunte Stunde, also am Nachmittag, auf den Weg, um noch weitere Trauben-Leser einzustellen. Ja, selbst sogar um die elfte Stunde, also eine Stunde vor Sonnenuntergang, sprach er noch einige Männer an, die am Rande der Stadt untätig herumlungerten und nichts mit sich anzufangen wussten.
Und als er sie fragte: »Warum hängt ihr so müßig und niedergeschlagen herum?«, da entgegneten sie ihm bedrückt und betrübt: »Weil niemand für uns Verwendung hat! Wir taugen offensichtlich zu nichts und es gibt niemanden, der uns etwas zutraut!«
Der Gutsherr aber ermunterte sie: »Also ich wüsste schon, etwas mit euch anzufangen! Mir ist jeder Helfer lieb und willkommen! Denn es ist endlich die Zeit der Ernte gekommen, und da gibt es nicht genug Hände, die zupacken könnten! So macht euch doch auf und kommt auch in meinen Weinberg!«
Da entgegneten sie ihm in freudiger Überraschung: »Was könnten wir jetzt noch ausrichten?! Der Tag neigt sich doch schon seinem Ende zu!« Zudem waren sie von schweren Selbst-Zweifeln befallen und gaben zu Bedenken: »Auch haben wir von dieser Arbeit noch keinerlei Ahnung! Und es müsste uns wahrlich alles erst beigebracht werden! Und da willst du es wirklich mit uns wagen und glaubst, uns gebrauchen zu können, und willst uns tatsächlich dafür auch bezahlen?!«
Doch der Großgrundbesitzer erklärte ihnen: »Das spielt keine Rolle! Wenn ihr euch mit einbringt nach eurem Vermögen, wie´s euch denn eben gegeben ist, soll es mir recht sein! Ich will euch dafür anständig entlohnen, ebenso wie die, die von Anfang an für mich tätig sind! Hauptsache, meine ganze gute Ernte wird vollständig eingebracht, und auch nicht eine Traube, die gewachsen ist, geht mir verloren!«
Da machten sich auch jene Letzt-Berufenen auf, überglücklich darüber, dass jemand doch noch Interesse an ihnen gezeigt hatte und ihnen noch zu solch einer späten Stunde etwas zutraute, obwohl sie den ganzen Tag von sich aus nichts zustande gebracht hatten und ihre Zeit vertan hatten.
(G)
So hatte jener Landesfürst am Tag der großen Ernte, weil sie so überreich war, von Sonnen-Aufgang bis hin zum Sonnen-Untergang nach und nach also noch zahlreichen Leuten, die nichts mit sich anzufangen wussten, weil keiner sie haben wollte, Arbeit in seinem Weinberg angeboten und sie berufen und eingestellt.
All diese Nachzügler waren aber freilich zunächst noch recht unkundig und unbeholfen, so dass sie anfänglich noch viele Fehler machten und schon fast mehr Schaden anrichteten, als sie von Nutzen waren. Und der Landwirt, wie auch seine älteren Angestellten, die er bereits angelernt und geschult hatte, hatten ihre liebe Mühe, jene so viel später Berufenen, die noch keinerlei Ahnung hatten, in die zu verrichtenden Arbeiten einzuweisen, so weit es in der verbliebenen Tageszeit überhaupt noch möglich war.
Am Abend jenes Tages war dann aber doch noch die gesamte Ernte bis auf die letzten Reben-Stöcke eingebracht und kein Landstrich, der Früchte getragen hatte, war übersehen oder vergessen worden, so dass wahrlich alles, was einzuholen war, in die Scheunen des Großgrundbesitzers eingebracht worden war.
Und von überschwänglicher Freude darüber erfüllt, dass am Ende doch alles Werk zufriedenstellend verrichtet und noch tatsächlich alles eingeholt worden war, gedachte der Landesfürst, alle Arbeiter, die er angestellt hatte, mit vollem Lohn auszuzahlen – auch all jene, die erst später herzu-gerufen und eingestellt worden waren, selbst, wenn sie nur kurze Zeit vor Tagesende und vor dem Abschluss der vollendeten Einholung der gesamten Ernte eingewiesen worden waren und da wohl noch mehr Mühen bereitet hatten, als schon bereits von Nutzen sein zu können.
Also ließ jener Großgrundbesitzer alle Arbeiter zusammenrufen und wies seinen Verwalter an: »Zahl ihnen allen einen vollen Tageslohn aus! Denn nun ist wahrhaftig noch meine ganze Ernte eingefahren worden, und jeder hat dazu wirklich sein Bestes gegeben und beigetragen und sich eingebracht! Darum entlohne jeden mit einem vollen Denar vom Letzten, der noch herzu-gerufen worden ist, bis zum Ersten, der mir schon länger dient.«
Also erhielten – entsprechend der Anweisung des Landesfürsten – selbst auch die Aller-Letzten, die erst um die elfte Stunde, also erst bereits kurz vor dem Ende des großen Ernte-Tages eingestellt worden waren und zu arbeiten angefangen hatten, den vollen Tageslohn von einem Denaren – obwohl gerade diese eigentlich noch mehr Mühe gemacht hatten, als schon von wahrem Nutzen zu sein.
Zum Schluss wurden schließlich die Aller-Ersten zum Verwalter gerufen, die schon länger im Dienst des Großgrundbesitzers standen und schon früh am Morgen zu arbeiten begonnen hatten.
Und nachdem diese sahen, dass auch alle anderen, die erst später in den Weinberg berufen worden waren, den vollen Tageslohn von einem Denar erhalten hatten – selbst, wenn sie auch nur eine Stunde vor dem Abschluss der Ernte hinzu-gekommen waren, da meinten jene Aller-Ersten, sie würden gewiss mehr empfangen, da sie doch viel länger, als all die anderen, gearbeitet hatten.
Doch auch diese erhielten lediglich den vereinbarten Lohn von einem Denaren.
(H)
Da erbosten sich jene Tagelöhner, die schon länger in Lohn und Brot des Landesfürsten standen, aufs Äußerste und beschwerten sich bei ihrem Dienstherrn: »Ist das nicht ungerecht?! Wir erhalten auch nur so viel, wie die Aller-Letzen, die nur eine einzige Stunde gearbeitet haben?! Und du stellst uns mit diesen Taugenichtsen gleich, die ihren ganzen Tag vergeudet und vertan hatten und dann, als du dich ihrer trotz allem noch angenommen hast, mehr Schaden anrichteten, als dass sie eine wirkliche Hilfe waren?!
Wir dagegen haben von frühmorgens an schwer geschuftet und die Hitze und Last des ganzen Tages getragen! Überdies waren all diese anderen, die du erst später hinzu-gerufen hast, derart unbeholfen, dass sie uns mehr zu einer zusätzlichen Beschwernis wurden, als dass sie uns die Arbeit erleichtert hätten! Denn wir mussten diese auch noch einweisen und anlernen, weil sie keine Ahnung hatten!
Haben wir da als Wertschätzung unserer Mühen, die ungleich viel umfangreicher waren, nicht eine bessere Entlohnung verdient als jene Nichtsnutze, die trotz allem den vollen Tageslohn erhalten haben?!“
(I)
Der Großgrundbesitzer aber entgegnete ihnen: „Meine lieben Freunde, was beschwert ihr euch? Euch ist doch kein Unrecht widerfahren! Waren wir uns nicht darüber einig geworden, dass ihr, wie jeden Tag, für eure Mühen den Tageslohn von einem Denaren erhalten solltet?
Und habt ihr überdies vergessen, dass ihr, als ihr einstmals als die Aller-Ersten von mir berufen und eingestellt worden wart, anfangs ebenso unkundig und unbeholfen wart, so dass auch ihr mir vormals mehr Mühe bereitet hattet, als schon von Nutzen zu sein, da ich persönlich euch alle erst in die zu verrichtenden Tätigkeiten einweisen und anlernen musste? Was also habt ihr denn nun an jene später Hinzugekommenen weitergegeben, was ihr nicht selbst von mir einstmals ebenso umsonst empfangen hattet?!
Und habe Ich euch da nicht auch von Anfang an täglich den vollen Lohn entrichtet und mit einem Denaren pro Tag ausgezahlt, obwohl ihr damals ebenso noch gar lange Zeit in vielem recht unbeholfen gewesen wart und meiner beständigen Anleitung bedurft hattet, so dass ihr zuerst auch mehr eine Belastung, als schon eine wirkliche Hilfe wart?!
Und so, wie ich euch von Anfang an täglich alles zukommen ließ, was ihr brauchtet, so will ich es auch bei diesen Aller-Letzten halten, die jetzt erst hinzugekommen sind!
Oder habe ich nicht das Recht, mit dem Reichtum, den ich mir erworben habe, umzugehen, wie ich will, so dass ich ihn austeilen oder auch verschenken kann, an wen immer ich will?!
Was also blickt ihr so scheel drein, nur weil ich so gütig auch zu allen anderen bin, ohne irgendeinen Unterschied zu machen? – wie es in Wirklichkeit zwischen jenen Aller-Letzten und euch, die ihr in der Gunst standet, die Aller-Ersten sein zu dürfen, die ich in Lohn und Brot gestellt habe, im Grunde doch eigentlich überhaupt keinen Unterschied gibt!
Mit welchem Recht also wollt ihr jenen meine Großherzigkeit und Güte verweigern, die euch einstmals in euren eigenen Anfängen doch ebenso von mir zugebilligt worden ist?!
Wenn ich also auch euch einstmals euren vollen Lohn nicht absprach, als es ebenso bei euch noch bei Weitem nicht hinlangte und ich euch in allem erst anleiten musste: Was berechtigt euch dann, diesen den vollen Lohn abzusprechen, nur, weil sie nicht in der selben Gunst standen wie ihr, schon viel früher berufen worden zu sein?!
So will ich jenen Aller-Letzten geben, ebenso, wie euch, den Aller-Ersten, wie ich es schließlich auch bei euch selbst in euren Anfängen gehalten habe!
(J)
Und statt zu murren, solltet ihr vielmehr dankbar sein! Ihr nämlich seht nur den Einsatz, den ihr inzwischen an den Tag legt und eure eigenen Verdienste, nicht aber die Gnade, welche ich euch all die Jahre erwiesen habe, die euch überhaupt erst in die Lage versetzt hat, euch nunmehr verdient zu machen!
Denn nicht ihr habt mich seinerzeit aufgesucht und um eine Arbeit gebeten! Sondern vielmehr war es damals auch ich, der euch aufgesucht und eine sinnvolle, erfüllende Tätigkeit angeboten hat!
Oder war es nicht ebenso auch bei euch, wie nunmehr bei diesen Aller-Letzten, dass ihr ganz genauso in den Straßen und Gassen herum-gehangen wart und nichts Vernünftiges mit euch anzufangen wusstet und euch nutzlos und unbrauchbar, wertlos gefühlt hattet, bis ich kam und euch eine sinnvolle Beschäftigung angeboten hatte, die es euch ermöglicht hatte, euch etwas aufzubauen, was eurem Dasein endlich Sinn und Erfüllung schenkte und zu einem gelingenden Leben verhalf?! Kehrte da nicht auch bei euch erst die wahre Lebensfreude ein? Und war dies nicht sogar noch viel wertvoller, als die Bezahlung selbst, die auch ihr von Anfang an vollumfänglich erhalten hattet?!
So stünde euch allen vielmehr Dankbarkeit an, statt wegen dem, was ihr inzwischen durch meine Schulung zu leisten im Stande seid, auf eine noch größere Anerkennung zu schielen, obwohl ihr doch jeden Tag das Vollmaß dessen von mir erhaltet, was ihr wirklich zum Leben braucht! Denn wozu ich euch berufen habe: War dies bei allen Anstrengungen nicht trotz-alledem von Anfang an mehr Lust als Last? Stärkte dies nicht euer Selbstwertgefühl, dass ihr endlich gebraucht wurdet und euer Leben einen tiefen Sinn und echten, erfüllenden Inhalt bekam?
Wenn ich dies nun auch anderen im selben Vollmaß vollumfänglich schenken will, und wenn ich dies wahrhaft allen – ohne Unterschied – zukommen lassen will: Was geht´s euch an?! – wo euch einstmals ebenso gänzlich unverdient solche in höchstem Maße befriedigende Beglückung zugefallen ist – und dies sogar, ohne, dass auch ihr irgendeinen Anspruch darauf gehabt hättet, überdies als den Aller-Ersten, noch vor allen anderen, da ich euch mir doch aus gänzlich freien Stücken, ohne besonderer Verdienste eurerseits, vor allen anderen erwählt habe, um euch ein sinnvolles, erfülltes Leben in Lohn und Brot zu schenken!
Aber all dies habt ihr offensichtlich vergessen und wisst es überhaupt nicht mehr zu schätzen! So scheinen mir wahrhaftig jene Aller-Letzten sogar würdiger als ihr, den vollen Lohn zu empfangen: Denn sie wissen es noch zu schätzen, welche Gnade ihnen hier widerfährt, und dass alles, was zu erbringen sie noch lernen mögen, nichts als Ausfluss dieser Gnade ist!«”
(K)
Und als Jesus ihnen dieses Gleichnis erzählt hatte, erklärte Er: „Seht, ebenso wie bei diesem Landesfürsten, der allen zuteilte ohne Unterschied: so ist es auch mit dem Himmelreich und all seinen Segnungen:
Welche sich als die Aller-Letzten erkennen, werden sich in ihrer Freude über die Gunst, die ihnen erwiesen wird, als die Aller-Ersten erfahren; welche sich aber für die Aller-Ersten und Aller-Besten, die Aller-Verdientesten halten, werden im Erfassen und Auskosten der übergroßen Gunst und Gnade, die unterschiedslos allen völlig unverdient zuteil wird, die Aller-Letzten sein
Denn erst, wer die wahrhaft unermessliche Liebe und Güte der All-Barmherzigkeit wirklich erfasst hat, kommt auch in den Genuss jenes zu allerhöchst befriedigenden, erfüllenden Lebens in der Überfülle der Segnungen des Himmelreiches, die ihm ,wie allen, zufallen – gänzlich umsonst!“