Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
VI Die Aussöhnung
48: Die verhängnisvolle Pilatus-Akte
48-A: Alle Welt begann, an Christus zu glauben!
48-B: Wie sollte er sich nun vor Rom rechtfertigen?!
48-C: Und wie würde er jetzt in die Geschichte eingehen?!
48-D: Und in unbändiger Wut rächte er sich an den Juden!
48-E: Was regt ihr euch eigentlich so auf?! Ihr wolltet doch den Kaiser als euren einzigen Herrn!
48-F: Eine bewusste Provokation, um ein schreckliches Exempel zu statuieren!
48-G: Sein segensreiches Aquädukt verwandelte Pilatus bewusst in einen Fluch!
48-H: Mit seinem Gericht über die Juden brachte Pilatus über sich selbst Gericht!
48-I: Geforderte Stellungnahme von Pilatus
48-J: Ich wurde genötigt, einen Unschuldigen zu kreuzigen! Nur so ließ sich ein unbeschreibliches Blutbad vermeiden!
48-K: Weil jener aber bereit war, trotz allem für Sein Volk zu sterben, wird Er nunmehr als Gott verehrt!
48-L: Vieles spricht dafür, dass dieser wahrhaftig auferstanden und zu den Göttern aufgefahren ist!
48-M: Ich selbst habe noch niemals so viel Göttliches gesehen, wie in diesem!
48-N: Ich kann nur hoffen, dass dieser wahrhaftig zur Vergebung aller Sünden gestorben ist!
48-O: In Seiner Liebe wäre dieser der beste Schirmherr über aller Welt!
48-P: Nach der verlangten Ermordung dieses Gerechten wurde das hasserfüllte Judenvolk aber noch widerspenstiger, als je zuvor!
48-Q: Erlass des Kaisers Tiberius: Die Christen sollen geduldet werden!
48-R: Wegen der brutalen Niederschlagung eines drohenden Aufstands in Samaria nach Rom zitiert
48-S: Hochverrat in den Augen des neuen Kaisers!
48-T: In der Verbannung zum Selbstmord gezwungen!
48-U: O Herr Jesus! Bitte verdamme mich nicht!
48-V: Pontius Pilatus: von der Welt verdammt, von Christus aber, wie wir alle, angenommen!
(A)
Nach der Hinrichtung Jesu Christi war Pontius Pilatus noch etwa vierzig Monate als der Präfekt von Judäa und Samaria im Amt. So blieb ihm freilich nicht verborgen, wie sich seit der Ausgießung des Heiligen Geistes zum jüdischen Schawuot, sieben Wochen nach Passah, eine immer mehr anwachsende Menge in Jerusalem, sowie in ganz Israel dem Glauben anschloss, jener Nazoräer, den er hatte kreuzigen lassen, sei von den Toten auferstanden und in die Himmel aufgefahren und so vom Höchsten Israels als dessen göttlicher Sohn bestätigt worden.
Ja, dem Statthalter wurde sogar zugetragen, dass sich überdies auch schon außerhalb Palästinas im ganzen römischen Reich Gemeinden bildeten, in welchen der von ihm Verurteilte als der Christus und Sohn Gottes verehrt wurde.
Denn seit jenem Pfingstfest, als alle Anhänger Jesu Christi – nicht allein Seine zwölf Apostel, sondern auch Seine zweiundsiebzig Herolde und viele weitere Seiner Jünger und Jüngerinnen – vom Feuer Seiner Retter-Liebe gegen alle entzündet wurden und fortan in dieser Erlöser-Liebe brannten, waren viele von ihnen ausgeschwärmt ins ganze römische Imperium, um aller Welt das Heil zu künden, welches Christus in Seiner liebenden Selbst-Hingabe wahrhaft allen eröffnet hatte.
Ebenso entging es dem Präfekten auch keineswegs, dass die Soldaten, welche er zur Bewachung des Grabes Christi unter dem Hauptmann Petronius hatte abstellen lassen, ihre dortigen Erlebnisse doch nicht für sich behalten konnten und schon allein um ihrer Soldaten-Ehre willen gegenüber ihren Kameraden beteuert hatten, jener Tote, dessen Gruft sie zu sichern hatten, sei wahrhaftig durch ein übernatürliches Ereignis von den Toten auferstanden und in die Himmel aufgenommen worden.
So musste der Prokurator feststellen, dass selbst unter den römischen Soldaten viele christus-gläubig wurden, und er musste damit rechnen, dass die Entwicklungen, welche die von ihm befohlene Hinrichtung dieses heiligen Mannes in Gang gesetzt hatte, auch Rom auf Dauer nicht mehr verborgen bleiben konnten.
(B)
Dies alles aber steigerte den Hass und die Wut des Pilatus sowohl auf die Hohe Geistlichkeit Israels, als auch auf das ganze jüdische Volk, das ihn genötigt hatte, jenen heiligen Mann hinrichten zu lassen. Denn er erkannte, wie sich aufgrund dessen, was er nicht aufzuhalten vermochte, nun aller-schwärzeste Dunkelwolken über ihm zusammenzogen und unweigerlich sein ganzes künftiges Geschick überschatten mussten, und, wie ihn all das Geschehene nach seinem einstigen Lebensende wohl überdies auch noch für alle künftigen Zeiten völlig jeder Ehre beraubt in die ewigen Analen der Geschichte eingehen lassen würde. Und alles nur wegen der Juden!
Denn Pilatus sah es unweigerlich auf sich zukommen! Er musste sich nun wohl auf kurz oder lang dafür verantworten, wie unter seiner Regentschaft eine solch gewaltige neue Glaubensbewegung entstehen konnte – um einen Mann, den er hatte hinrichten lassen!
Hätte er erklärt, jener von ihm Hingerichtete wäre, wie es diesem von der geistlichen Obrigkeit Israels unterstellt worden war, ein Aufrührer und Feind Roms gewesen, so wäre es dem Pilatus zum Vorwurf gemacht worden, dass er diese neue jüdische Aufstands-Bewegung, die aus dem Glauben an dem von ihm abgeurteilten und gekreuzigten Unruhestifter nunmehr erwuchs und sich dann freilich folgerichtig zu einer immer umgreifenderen Bedrohung entwickelte: dass er diese aufständische Bewegung nicht im Keim erstickt und ausgemerzt hatte.
Hätte er aber bekundet, dass es ihm sein Gewissen verbat, gegen diese neue Glaubensrichtung vorzugehen, nachdem er schon deren Stifter hatte hinrichten lassen, da diese neue Bewegung – in allem ihrem Propheten folgend – überaus friedfertig war – auch gerade gegenüber Rom, dessen Herrschaft sie sich weit williger unterordnete, als im Allgemeinen das ganze übrige jüdische Volk, dann hätte er sich dafür rechtfertigen müssen, warum er dann jenen Begründer dieser neuen religiösen Bewegung überhaupt zum Tode verurteilt hatte, da dieser dann ja wohl ganz offensichtlich ein Freund Roms gewesen war – mehr als Seine eigenen Volksgenossen, die Ihn deshalb als ihren Messias abgelehnt und Seine Hinrichtung eingefordert hatten.
So konnte Pilatus es drehen und wenden, wie er wollte: Es warf in jedem Fall auf seine Regentschaft ein schlechtes Licht und ließ seine Führungsqualitäten höchst fraglich erscheinen – entweder, weil er das römische Recht nicht durchzusetzen vermochte, das jenen von den Juden zu unrecht Verklagten, gänzlich Unschuldigen hätte schützen müssen, oder aber, weil er das Auswachsen einer gefährlichen neuen jüdischen Aufstandsbewegung nicht zu unterdrücken verstand.
Überdies musste der Präfekt nun in ganz Palästina mit neuen Unruhen rechnen, da diese entstandene Erweckungsbewegung der geistlichen Führerschaft Israels missfiel und sie gegen diese neue religiöse Strömung mitunter schon ebenso gewaltsam vorzugehen begann, wie gegen deren Begründer, dessen Tod sie gefordert hatten.
Pontius Pilatus war einstmals sein Prokurat so enthusiastisch und hoffnungsvoll angetreten! – in der festen Überzeugung, er könne durch sein diplomatisches Geschick endlich Frieden und Ordnung in den so verrufenen Unruhe-Herd jener aufsässigsten Provinz im ganzen römischen Imperium bringen!
Und ihm war es ja schließlich bislang auch ganz gut gelungen, sich immerhin über viele Jahre auf diesen Posten zu bewähren, was ihn auf eine weitere Karriere hoffen ließ!
Nun aber drohte das Urteil über diesen Unschuldigen, welches die Juden ihm abverlangt hatten, seine ganze Laufbahn zu zerstören und ihn in Rom in Ungnade fallen zu lassen!
Die Schuld daran sah Pilatus aber freilich nicht bei sich selbst, dass er als Präfekt versagt hatte, das römische Recht in dieser aufsässigen Provinz gegen allen Widerstand durchzusetzen und auch hier in Israel den viel gepriesenen »Pax Romana« aufrecht zu erhalten, sondern Pilatus machte dafür selbstverständlich vielmehr die Juden verantwortlich: dieses halsstarrige, immerfort aufsässige, widerspenstige Volk, das sich nicht einmal von seinem eigenen Gott recht führen und leiten lassen wollte, wie sich an jenem wirklich heiligen Propheten Jesus gezeigt hatte.
Denn hätte Pontius sich ihren Forderungen widersetzt, jenen heiligen Mann hinrichten zu lassen, als Millionen von ihnen aus ganz Israel, sowie aus der Diaspora aus aller Herren Länder in Jerusalem zusammengerottet waren, und hätte es da einen Aufstand gegeben, den er mit Gewalt hätte niederschlagen müssen, so hätte es fraglos ein beispielloses Blutbad gegeben! So war ihm doch garnichts anders übrig geblieben, als jenen Unschuldigen preiszugeben, um den Frieden in seiner Provinz aufrecht zu erhalten!
Nun aber wurde ihm dies – angesichts der Entwicklungen, die alles nahm – wie er es empfand und heraufziehen sah, auf die eine oder andere Weise doch noch zum Verhängnis: entweder, weil er einen Unschuldigen zu Unrecht hatte hinrichten lassen, oder aber, weil er, wenn jener doch ein Aufrührer war, gegen diese neue Glaubensbewegung, welche dieser durch Seinen Märtyrertod ins Leben gerufen hatte, nicht von Anfang an mit Entschiedenheit vorgegangen war, um ihr Hochkommen schon im Keim zu ersticken.
Aber nunmehr auch noch gegen die Anhänger jenes Jesus vorzugehen, die alle nur Seinem Weg der Liebe folgen wollten: Das konnte Pilatus einfach nicht! – zumal den Präfekten bislang auch der Hohe Rat Israels noch überhaupt nicht ersucht hatte, gegen diese neue Glaubensbewegung einzuschreiten!
Man spürte aber wohl im Sanhedrin ganz offensichtlich bereits nur allzu deutlich, dass man es sich mit dem Stellvertreter Roms damit gänzlich verscherzt hatte, dass man ihn öffentlich genötigt hatte, wider seinen Willen einen seiner Meinung nach Unschuldigen hinrichten lassen zu müssen.
Aus welchen Grund aber hätte er gegen diese Anhänger Christi vorgehen sollen, die von jenem glaubten, Er sei aus Liebe zur Versöhnung der ganzen Welt gestorben und dafür von Gott in die höchsten Himmel erhöht worden?!
Es lastete schon schwer genug auf dem Gewissen des Pontius, dass er diesen heiligen Mann von beispielloser Menschlichkeit völlig zu unrecht hatte hinrichten und kreuzigen lassen! Darum war es ihm einfach schlichtweg unmöglich, nun auch noch gegen dessen Nachfolger vorzugehen, die Seiner beispiellosen grenzenlosen Liebe und Vergebungs-Bereitschaft nacheiferten!
Wie aber sollte er dann alles, was geschehen war, vor Rom rechtfertigen und erklären?! Dies musste fraglos auf kurz oder lang das Ende seiner Karriere bedeuten!
(C)
Über allem aber musste er ja auch noch damit rechnen, dass jener heilige Mann, der innerhalb dieses Volkes erstanden war, am Ende tatsächlich noch den Zenit des ganzen römischen Götter-Pantheons erklimmen würde! Dann wäre Pilatus am Ende sogar noch als derjenige in die ewigen Analen der Geschichtsschreibung eingegangen, der diesen gänzlich zu Unrecht hatte hinrichten lassen – entweder aufgrund dessen, weil er in der Ausübung seiner Regentschaft erbärmlich versagt hatte, oder aber – schlimmer noch, – weil man ihm nachsagen würde, er hätte jenen kaltherzig um der selbstsüchtigen Verfolgung seiner eigenen Vorteile willen geopfert und hinschlachten lassen, um seine eigene Laufbahn nicht zu gefährden!
In jedem Fall war er, Pontius, damit für alle Zeiten aller Ehre beraubt worden, auf die er ein Leben lang hingearbeitet hatte, durch welche er sich über seinen Tod hinaus Unsterblichkeit in einem rühmlichen Andenken sichern wollte!
(D)
Und Schuld daran waren einzig und allein diese Juden! Nicht nur ihre Obersten und Führer, sondern dieses ganze halsstarrige, unregierbare Volk, das mit einem Mal einhellig die Hinrichtung dessen eingefordert hatte, den es kurz zuvor noch als seinen Messias mit Hosianna-Rufen bejubelt hatte!
Und da Pilatus – von seinem Gewissen geplagt, wie von Unheil-verkündenden Furien – seinen völligen Ruin schon unweigerlich heraufziehen sah, dafür aber nicht sich selbst, sondern alle Juden verantwortlich machte, gegen die sich darum sein Hass und seine Verachtung ins Unermessliche steigerte, beschwor er selbst herauf, was er unvermeidlich auf sich zukommen glaubte: seinen totalen Untergang.
In seiner Verbitterung gegenüber den Juden hielt er nämlich fortan gegen Angeklagte keine öffentlichen Gerichtsverhandlungen mehr ab, wie noch bei Jesus, da er zu der Überzeugung gekommen war, dass weder das jüdische Volk, noch seine geistliche Führerschaft zu einem gerechten, fairen Urteil fähig oder auch nur überhaupt willens war, so dass er hinfort völlig im Alleingang über Angeklagte Sanktionen verhängte, wobei er hier aber nunmehr selbst überaus schnell, ohne die jeweiligen Fälle überhaupt zu prüfen, unverhältnismäßig drastische Strafen verhängte, da es sich hier freilich immer um Juden handelte und diese in seinen Augen ohnehin alle miteinander halsstarrige Aufrührer, allesamt „schuldig“ – nämlich für seine gescheiterte Laufbahn verantwortlich – waren, so dass er sogar viele wirklich gänzlich Unschuldige ohne jede Verhandlung und Klärung der Schuldfrage kurzerhand einfach eiskalt hinrichten ließ.
(E)
Überdies ließ Pilatus in seinem vom Satan geschürten unbändigen, immer mehr anwachsenden Hass auf alle Juden nun doch in einer Nacht- und Nebel-Aktion überall in Jerusalem an seinen Amts- und Verwaltungs-Gebäuden, insbesondere an seinem Prätorium, dem einstigen Hasmonäer-Palast, unmittelbar vor der Süd-West-Seite des Heiligen Tempels Gottes, römische Paniere mit dem Bildnis des Kaisers anbringen, wie er es schon einmal ursprünglich bei seinem Amts-Antritt vornehmen wollte – wo er noch nicht im Mindesten ahnen konnte, welchen Aufschrei des Entsetzens er mit dieser sonst in allen römischen Provinzen völlig üblichen, nirgends je beanstandeten Praxis bei dieser, seiner Führung anvertrauten Nation auslösen würde, so dass er damals nur durch die unverzügliche Wieder-Abnahme der Insignien der römischen Oberhoheit den Ausbruch kriegs-ähnlicher Zustände gleich bei seiner Übernahme dieses, seines Prokurats noch einmal verhindern konnte.
Damals hatte ihn unversehens eine Abordnung des Hohen Rates noch unmittelbar vor seinem Aufbruch nach Jerusalem, um sich als neuer Präfekt dem Volk vorzustellen, in Cäsarea aufgesucht, und ihm dringend angeraten, er solle diese Bildnisse des Kaisers unverzüglich wieder aus der heiligen Stadt entfernen, wenn er nicht schon bei der Übernahme seiner Regentschaft einen empörten Aufstand des ganzen Volkes heraufbeschwören wolle.
Mit einer solchen Aktion nämlich – so erklärte man ihm damals – würde er das religiöse Empfinden der gesamten jüdischen Bevölkerung auf Allerschwerste zutiefst verletzen, weil dies in deren Augen eine Aufrichtung von Götzenbildern war, welche ihren Glauben an ihren einen alleinigen, einzigen Gott aufs Gröbste missachten und mit Füßen treten würde. Damit würde er die Heilige Stadt Gottes entweihen, was für alle gläubigen Juden absolut nicht hinnehmbar wäre und darum allerschlimmste Unruhen auslösen würde.
Darum hatte er damals, um des lieben Friedens willen, die Insignien der Macht Roms in der Heiligen Stadt Jerusalem unverzüglich wieder abnehmen lassen, um nicht schon seinen Amts-Antritt in einem Eklat enden zu lassen, der ihn damals gewiss seine eben gerade erst neu erworbene höhere Stellung gekostet hätte.
Nun ließ er diese Paniere erst recht aufrichten! Ja, Pilatus legte es regelrecht ganz bewusst auf eine Konfrontation an! Er wollte ihnen allen eine Lektion erteilen, die sie nicht vergessen sollten! Es war ganz klar eine Vergeltungsmaßnahme für das, was sie durch ihre Übergriffigkeit, mit der sie ihn als ihren Herrscher in die Enge getrieben hatten, über ihn gebracht hatten.
Natürlich gab es am nächsten Tag, als man überall in der Heiligen Stadt die Paniere Roms sah, die über Nacht aufgerichtet worden waren, einen Aufschrei des Entsetzens unter der ganzen Bevölkerung. Und unversehens kam wieder eine Abordnung des Hohen Rates zur Residenz des Pilatus in Cäsarea, er müsse diese Bildnisse des Kaisers unversehens wieder abnehmen, wenn er keinen blutigen Aufstand im Volk heraufbeschwören wolle.
Pilatus aber entgegnete den abgesandten Mitgliedern des Hohen Rates kaltschnäuzig und völlig unbeeindruckt: „Was regt ihr euch eigentlich so auf?! Habt ihr nicht selbst alle öffentlich erklärt, dass ihr keinen anderen König über euch habt und auch nicht haben wollt, als allein den Kaiser von Rom?! Und habt ihr nicht beteuert, dass ihr lieber diesem dienen und huldigen wollt, als eurem eigenen Gott und dessen zu euch gesandten Christus und Sohn?! Ich habe doch allein eurem Willen entsprochen!“
(F)
Und, ohne eine Erwiderung ihrerseits abzuwarten, ließ er die Gesandtschaft des Sanhedrins stehen – jedoch nicht ohne den gezielt gesetzten Hinweis, er würde dies klären, wenn er in den nächsten Tagen persönlich die Hauptstadt aufsuchen würde.
Pilatus wusste nämlich, dass sein Erscheinen in Jerusalem ganz gewiss einen Aufstand im ganzen Volk auslösen würde. Dieses Mal stünde ihm aber nicht, wie an ihren hohen heiligen Festtagen, das gesamte jüdische Volk gegenüber, sondern allein nur die Bürger der Heiligen Stadt. Und deren Aufbegehren ließ sich mit Leichtigkeit durch die in Jerusalem stationierte Garnison niederschlagen!
Und genau das wollte er auch! Er hatte nämlich schon im Vorfeld seinen Soldaten mitteilen lassen, sie sollten sich bei seiner Ankunft heimlich, in der Kleidung der Einheimischen, unter das Volk mischen und im Falle eines Aufruhrs bei seinem Einritt alle, die aufbegehren würden, gnadenlos niedermachen. Er legte es bewusst darauf an, allen Juden nachhaltig ein abschreckendes Exempel zu statuieren!
Niemand sollte es mehr wagen, auch nur mit irgendeinem Gesuch an ihn heranzutreten! Und Pilatus war so von Hass gegen alle Juden erfüllt, dass ihn auch selbst seine Frau, die Claudia Procula, nicht davon abbringen konnte, derart abschreckende Maßnahmen zu ergreifen, um sich das ganze jüdische Volk gänzlich unterwürfig und gefügig zu machen.
Pilatus lag inzwischen überhaupt nicht mehr daran, bei diesem Volk irgendeine Anerkennung zu finden oder gar irgendwann einmal beliebt zu sein; er wollte nur noch, dass sie ihn fürchten!
So kam es dann schließlich auch genau so, wie Pilatus es sich insgeheim erhofft hatte und worauf er es ganz gezielt und bewusst angelegt hatte: Bei seinem Einzug in Jerusalem kam es zu einem Aufstand. Seine Soldaten aber stachen daraufhin eine Vielzahl der Bürger Jerusalems nieder und schlachteten die aufbrausende Meute gnadenlos ab; und es gab ein schreckliches Blutbad.
(G)
So beschwor der Statthalter Pontius Pilatus in seinem vom Satan selbst befeuerten Hass wider alle Juden durch seine bewusste Provokation nunmehr selbst ohne jeden äußeren Anlass genau das herauf, was er zuvor um alles in der Welt verhindern wollte und wofür er sich zuvor sogar dazu hatte hinreißen lassen, den Sohn Gottes abschlachten zu lassen, um nur dies eine abzuwehren: einen Aufstand in seiner Provinz, der nur mit äußerster Brutalität einzudämmen war.
Über allem begann schließlich der letzte Bau-Abschnitt für das Aquädukt, das der Präfekt von den Teichen Salomos bei Bethlehem nach Jerusalem errichten lassen wollte, um – in damals noch gegebener Sorge um das Wohlergehen des Volkes – in der Heiligen Stadt auch in Zeiten größter Dürre die Wasserversorgung sicher zu stellen.
Da dieses Aquädukt schließlich auch den Tempel mit Wasser versorgen sollte, vergriff sich Pilatus, um die Steuern nicht erhöhen zu müssen, nunmehr aber an dem heiligen Tempelschatz, um die letzte Bau-Phase durch die Heilige Stadt finanzieren zu können.
Den Schatz im Heiligtum Gottes für derart profane Zwecke zu missbrauchen, stellte aber freilich für die Juden eine erneute, nicht hinnehmbare Provokation und Ächtung ihres Glaubens dar; denn für die frommen Juden war dies gleichsam ein Tempel-Raub und ein unverzeihliches Sakrileg.
Überdies aber ließ Pilatus die Wasserleitung einfach quer über den heiligen Platz, der »Korban« genannt wurde, verlaufen, um die Kosten des Aquäduktes nicht noch weiter ins Unermessliche steigen zu lassen.
Aber das Allerschlimmste, wirklich Unverzeihlichste war, dass er den Wasserlauf überdies auch noch durch die hasmonäischen Palast-Anlagen seines Prätoriums laufen ließ, statt dorthin einen gesonderten Ablauf legen zu lassen, um auch sich selbst und seine Soldaten jederzeit ausreichend mit Wasser versorgen zu können! Damit wurde das Wasser, das ins Heiligtum Gottes geleitet wurde, schließlich verunreinigt, da die Wasserleitung durch heidnisches Gelände lief!
Freilich war Pilatus mittlerweile derart gefürchtet, dass es niemand mehr wagte, ihn dafür zur Rede zu stellen. Aber das Volk begann ihn dafür in gleicher Weise abgrundtief zu hassen und zu verachten, wie er dieses Volk mittlerweile abgrundtief hasste und verachtete.
Selbst sogar die Hohen Rats-Herren hielten sich tunlichst zurück, da jenem Pilatus, der sich zu einen höchst reizbaren Despoten entwickelt hatte, inzwischen alles zuzutrauen war. Denn seine einstmals über viele Jahre mit so höchst gekonntem diplomatischen Geschick geführte Regentschaft hatte sich seit der Verurteilung jenes galiläischen Propheten in eine wahre Schreckensherrschaft gewandelt. So war jener Präfekt mittlerweile ebenso gefürchtet, wie verhasst.
(H)
Damit aber beschwor der Statthalter in seinem anwachsenden Groll gegen die Juden selbst all das herauf, was er durch deren Schuld, wie er meinte, gegen sich heraufziehen sah. Denn indem er sich am Volk Gottes vergriff, tastete er den Augapfel Gottes an!
Denn wenngleich die Juden unendlich große Schuld auf sich geladen hatten, weil sie nicht allein alle Propheten, welche der HERR zu ihnen gesandt hatte, getötet hatten, sondern am Ende sogar Ihn selbst, als sogar der Vater persönlich zu ihnen kam in dem Sohn, so dass dies unweigerlich die göttlichen Gerichte nach sich ziehen musste, die sodann über dieses widerspenstige Volk hereinbrechen mussten, so blieb dieses vom Höchsten auserwählte Volk doch von der Gottheit, die unbeirrbar ausnahmslos aller Heil und Erlösung will und anstrebt, bei allem doch nicht minder gesucht und geliebt! – wie es auch bleiben wird bis zum Ende – der Vollendung, wenn die Kinder Israels in ihrer ganzen Vollzahl doch noch gewonnen werden sollen!
Denn unsere Untreue kann die Treue der göttlichen Abba-Liebe niemals aufheben! Und selbst auch, wenn wir Sie verleugnen: Diese selbstlose göttliche Agape zu uns allen kann sich selbst doch niemals aufgeben und verleugnen!
Da aber vor Gott eine jede Seele schuldig wird, ist es auch niemanden, der diese unendliche Gnade für sich selbst in Anspruch nehmen will, gestattet, diese irgendeiner anderen Seele wegen ihrer vermeintlich viel schwereren Schuld abzusprechen und diese für ihre Verfehlungen zu verdammen und zu verfolgen!
Genau dies aber hatte Pilatus, in Verkennung seiner eigenen Schuld, getan, dass er all seine eigenen Verfehlungen, die er selbst zu verantworten hatte, den Juden zuschrieb und zuschob, weil sie ihn dazu verleitet haben sollten.
Da der Prokurator aber dem Volk Gottes nicht vergeben konnte, was es ihm, wie er meinte, angetan und über ihn gebracht hatte, dass er den Heiligen Gottes dem Tode überantwortet hatte und dafür nunmehr fürchten musste, alles zu verlieren, was er sich in seinem Leben durch harte Arbeit errungen hatte, konnte er so freilich auch nicht die Vergebung erlangen, die ihn ebenso, wie dem abgefallenen Volk Israel, eigentlich von Anfang an zugedacht war.
Und damit beging jener Pilatus, obwohl er an Jesus zu glauben begann, ein unsägliches Verbrechen am erst-erwählten Volk Gottes, wozu sich später auch – entgegen der eindringlichen Mahnung des Heiden-Apostels Paulus – viele Heiden-Christen berechtigt und sogar ermächtigt sahen – jedoch zu ihrem eigenen Schaden, und bis auf den heutigen Tag keineswegs ungestraft!
So brachte jener Pilatus dadurch ganz allein erst wirklich selbst über sich das Gericht, für das er – der selbstverblendeten uneinsichtigen menschlichen Natur gemäß, alle seine eigene Schuld von sich auf die anderen schiebend – allein die Juden verantwortlich machte.
(I)
So kam es, dass von dem neuen Prokonsul von Syrien, Vitellius, welchem der Präfekt Pilatus inzwischen unterstand, im Namen des Kaisers ein weit genauerer, detaillierterer Bericht eingefordert wurde, als es sonst üblich war, wegen der zunehmenden Unruhen in seinem Präfektorat, sowie auch wegen der vielen Beschwerden und Beschuldigungen, welche aus Israel über ihn bei seinem Vorgesetzten eingegangen waren.
Des Pilatus einstiger Gönner Serius, der vorherige Prokonsul von Syrien, der ihm einstmals durch seine Fürsprache beim Kaiser jene hohe Stellung verschafft hatte, war nämlich just zu dieser Zeit von jenem Vitellius abgelöst worden. Und ausgerechnet nach diesem Amtswechsel im syrischen Prokonsulat war es in Palästina unter Pontius Pilatus zunehmend zu den von diesem selbst heraufbeschworenen Spannungen und deshalb schließlich auch zu massiven Anklagen aus Judäa und Samaria wegen des brutalen Vorgehens des Statthalters gegen die jüdische Bevölkerung gekommen.
So wurde der Präfekt Pilatus durch ein Schreiben seines Vorgesetzten, des Prokonsuls Vitellius, aufgefordert, Stellung zu all den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu nehmen – sowie bei dieser Gelegenheit, wie in einem abschließenden Nebensatz erwähnt wurde, auch ausführlich über jene neue jüdische Sekte zu unterrichten, die sich schon über Israel hinaus auszubreiten begann und einen Mann nunmehr als Gott verehren würde, welchen er, Pilatus, als Aufrührer hatte hinrichten lassen.
Man wollte eigentlich vorrangig wissen, warum Pilatus immer härter und brutaler gegen die jüdische Bevölkerung vorging, was die Aufrechterhaltung des Friedens in dieser Provinz zunehmend zu gefährden schien. Pilatus allerdings verstand diese Anfrage so, dass er sich nunmehr für die Verurteilung jenes heiligen Mannes zu rechtfertigen habe, welche zur Entstehung jener neuen Glaubensbewegung in Palästina geführt hatte und – aus seiner Perspektive – schließlich auch für die Verschärfung der Spannungen zwischen ihm und dem von ihm zu regierenden Volk verantwortlich war.
Entsprechend ging Pilatus im Wesentlichen seines Rechtfertigungs-Schreibens nur auf diese eine letzte, nebenbei gestellte Anfrage ein und berührte die eigentlichen Problempunkte, die Rom interessierte, nur marginal am Rand.
Auch richtete er seine Stellungnahme nicht an den Prokonsul von Syrien, sondern wendete sich direkt an den Kaiser Tiberius, da er – wohl nicht ganz zu unrecht – meinte, in dem ihm nunmehr unmittelbar vorstehenden neuen Prokonsul Vitellius nicht mehr einen solchen Gönner vorzufinden, wie er ihn in dessen Vorgänger Serius hatte.
(J)
Darum richtete Pilatus sein Schreiben auch direkt an den Kaiser von Rom, mit folgendem Wortlaut:
„Pontius Pilatus, der Statthalter von Judäa und Samaria, grüßt den erhabenen Kaiser Tiberius Claudius Nero und Sohn des göttlichen Augustus!
Ich wurde gebeten, die zunehmenden Unruhen in der mir unterstellten Provinz darzulegen. Diese sind darin begründet, dass das ganze Volk, und nicht etwa nur seine geistliche Obrigkeit, mit immer dreisteren Ansinnen die Führung dieser Provinz erschwert und eine immer härtere, unnachgiebigere Regentschaft aufzwingt.
Es ist von je her aller Welt bekannt, wie schwer dieses aufsässige Volk zu führen ist, das schon immer selbst sogar gegen seine Wohltäter beständig aufbegehrt und rebelliert. Dies ging nun sogar so weit, dass ich zum Passahfest vor drei Jahren, als sich Millionen von Juden in ihrer Heiligen Stadt versammelt hatten, von der gesamten Meute genötigt wurde, einen Mann zu kreuzigen, an welchem ich keinerlei Schuld fand.
Denn alles Volk geriet dermaßen in Aufruhr, dass ich andernfalls gezwungen gewesen wäre, ein beispielloses Blutbad anzurichten, um das Leben dieses EINEN, dessen Tod sie alle forderten, zu verhindern.
Jener ist es auch, von welchen immer mehr in ganz Palästina, aber auch schon in anderen Regionen des Römischen Reiches glauben, dass er der Sohn des Höchsten sei, welcher von den an ihm Gläubigen »Christus« genannt wird und als der Erlöser verehrt wird, welchen der Gott Israels, den die Juden für den einzigen wahren lebendigen Allerhöchsten halten, aller Welt durch seine Propheten verheißen haben soll.
Ich will nun im Kurzen von diesem berichten, auf dass man sich in Rom ein Bild von jenem Mann, den hinzurichten ich von den Juden genötigt wurde, machen kann, sowie von der neuen Religion, die durch jenen entstanden ist.
Wie ich aus verlässlichen Quellen, nämlich von zwei mir sehr gut vertrauten, höchst glaubwürdigen und allgemein angesehenen Hohen Rats-Mitgliedern ihres jüdischen Sanhedrins, weiß, hat jener heilige Mann, der unter meiner Regentschaft durch ganz Israel als Wanderprediger zog, zeitlebens nichts Böses getan, sondern überall nur Gutes gewirkt. Ja, er soll sogar eine Unzahl von Wundern bewirkt haben, wie der göttliche Asklepios – jedoch nicht, wie jener, mit Hilfe eines magischen Schlangen-Stabes oder durch irgendwelche Heilkräuter und Zaubermittel, sondern allein durch sein Wort, das allen die göttliche Vergebung zusicherte und auf diese Weise viele Seelen von ihren unseligen Bindungen freisetzte und auch die Heilung und Genesung ihrer Leiber von mancherlei Krankheiten und Gebrechen bewirkte. Ja, er soll sogar Tote wieder zum Leben auferweckt haben durch die Vollmacht seines Wortes!
Viele sahen darum in diesem schon zu seinen Lebzeiten den Messias, den Sohn ihres Gottes, dessen Niederkunft auf die Erde jenem Volk durch ihre Propheten angekündigt worden sein soll. Jedoch entsprach dieser nicht ihren Erwartungen. Denn sie hofften auf einen Erlöser, der Israel nicht allein von jeder Obrigkeit befreien sollte, sondern sie selbst zur Herrschaft über alle Nationen führen würde, da sie sich als das einzige von Gott auserwählte, heilige und Gott-gefällige Volk betrachten.
Jener aber forderte sie auf, ohne Murren und Aufbegehren weiterhin ihre Steuern an Rom zu entrichten und Dir, dem göttlichen Kaiser, die Ehre zukommen zu lassen, die Dir als dem vom Höchsten bestellten Welt-Beherrscher zustünde.
Ja, mehr noch: Sie sollten überdies alle, welche sie bislang als ihre Feinde und Unterdrücker betrachtet haben, lieben, da auch alle »Heiden« – wie die Juden alle anderen Nationen abfällig und verächtlich nennen – geliebte Kinder Gottes wären, der zwischen Juden und Heiden, wie zwischen Großen und Kleinen, ja, selbst zwischen Gerechten und Ungerechten, keinen Unterschied machen würde, sondern alle in gleicher Weise unendlich lieben würde. Darum sollten sie allen in ebensolcher Liebe begegnen, selbst sogar dann noch, wenn ihnen nach ihrem eigenen Empfinden Unrecht geschehen würde.
Wenn sie beispielsweise von einem unserer Soldaten genötigt wurden, ihm eine Meile sein Gebäck zu tragen, so sollten sie ihm freiwillig anbieten, ihm seine Last noch eine weitere Meile abzunehmen! An all diesen Beispielen kannst Du erkennen, hoch-geschätzter göttlicher Tiberius, von welcher Größe und Erhabenheit die Verkündigung jenes Mannes war, der wohl rechtens als ein Sohn der Götter angesehen werden kann, welche wir verehren.
So sehr ich persönlich aber auch von den Lehren jenes Mannes beeindruckt war und auch meinte, solch ein Prediger ihres Gottes könne jenes ständig gegen Rom aufbegehrende Volk vielleicht endlich zur Ruhe bringen, so sehr setzte mich – wohl gerade darum – sein eigenes Volk unter Druck, ich müsse jenen zum Tode verurteilen und hinrichten lassen, da er ein Verräter ihres ganzen Volkes, sowie auch ihres Gottes selbst sei, da er all ihre engstirnigen Gesetze, die Gott ihnen gegeben haben soll, in Frage stellte und sich überdies als der Sohn ihres Gottes bezeichnete. Denn wegen seiner Liebe zu allen Menschen wurde er von seinen eigenen Volksgenossen verachtet und gehasst! – allein nur wegen seiner Liebe zu wahrhaft allen Menschen – auch gerade zu uns, allen Nicht-Juden, die wir in den Augen dieses selbstgerechten, selbstherrlichen jüdischen Volkes dagegen aber allesamt verachtenswerte Sünder und unreine Gott-Lose sind und darum ausnahmslos alle den Zorn ihres Gottes und sein Verdammungsgericht verdient hätten, so dass sie sich von uns angewidert absondern, wie von Dreck und Kot, um sich nicht an uns zu verunreinigen, und es sogar als unter ihrer Würde ansehen, auch nur unsere Räumlichkeiten zu betreten!
Dies nur zu Deiner Kenntnis, auf dass Du einen Eindruck gewinnst, wie es darum jenem Volk aufstoßen muss, dass wir als minderwertige Heiden durch die Gunst der Götter über sie, die sich als das einzig auserwählte heilige Volk ihres höchsten Gottes betrachten, erhoben worden sind, und wie schier unmöglich es darum auch ist, es jenem Volk je recht machen zu können, das den Frieden und das Recht, das unsere Herrschaft ihnen gebracht hat, auch nicht im Mindesten anzuerkennen, zu schätzen und zu würdigen weiß, sondern immerfort gegen alles nur Erdenkliche aufbegehrt und rebelliert, so wie jene Juden auch dieses heiligen Mannes Hinrichtung eingefordert haben, weil jener nur Liebe gegen alle kannte, während sie meinen, ihr Gott habe ihnen geboten, alle Nicht-Juden zu verachten und sogar zu hassen und, wo immer möglich, niederzumetzeln und vom Boden ihres heiligen Gottes zu vertilgen!
(K)
Du wirst Dich nun fragen, wie ich einen solchen Mann, der doch ganz im Sinne Roms auf dieses immerfort aufrührerische Volk einzuwirken suchte, habe hinrichten lassen können, wiewohl ich persönlich keinerlei Schuld oder auch nur irgendetwas noch so Geringes an ihm zu Beanstandendes gefunden habe.
Ich wurde hierzu allerdings genötigt, da sich Millionen von Juden zu jenem Passahfest in Jerusalem befanden – nicht allein aus dem ganzen Land Israel, sondern auch aus der Diaspora aus allen Regionen des Römischen Reiches – eine nicht zu zählende aufgebrachte Meute, die bis zum Horizont reichte!
Wenn ich diesen allen, welche lauthals schreiend seine Kreuzigung forderten, nicht nachgegeben hätte, so wäre es, wie oben schon erwähnt, zu einem Blutbad sondergleichen gekommen. Denn sie wurden alle rasend, wie Teufel, und waren nicht mehr zu halten!
Jener aber versicherte mir, er wolle lieber sein eigenes Leben lassen, um allerschlimmstes Unheil von seinem Volk abzufangen und dessen gänzliche Vernichtung und Austilgung abzuwehren – was auch im Willen des Gottes dieses Volkes gewesen wäre, welchen jener seinen Vater nannte, da jener bei allem doch noch immer das Heil und die Erlösung seines so widerspenstigen Volkes suchen würde! Also gab ich ihn nach seinem eigenen Willen hin, um schlimmeres Unheil zu vermeiden.
Und um dieser seiner heroischen Selbst-Aufopferung willen sogar für die, welche seinen Tod forderten, erfährt jener Heilige nunmehr zunehmend Verehrung – sowohl bei vielen Juden, die sich nun doch zu ihm kehrten, wie aber auch in vielen anderen Nationen, wohin die Kunde von seiner Liebes-Hingabe eilt, da noch nie zuvor jemals solch eine unermessliche göttliche Liebe verkündigt worden ist, die sich sogar lieber selbst hingibt und zu unrecht bestrafen lässt, als vielmehr selbst höchst berechtigt zu strafen.
(L)
Was nun jenen heiligen Mann selbst betrifft, der so viel übermenschliche Liebe gegen wahrhaft alle erzeigt hat, so dürfte es nicht verwundern, wenn die Götter diesen um seiner göttlichen Erhabenheit über alle irdischen Seelen willen in ihre Himmel aufgenommen haben, sofern jener nicht tatsächlich sogar schon von ihnen auf die Erde gesandt worden ist, um uns eine gänzlich neue, göttliche Art rechter Lebensführung zu lehren.
Welche an jenen gläubig geworden sind, glauben sogar von ihm, er sei leibhaftig von den Toten auferstanden und in die Himmel aufgenommen worden. Hierzu muss ich berichten, dass der jüdische Hohe Rat von mir gefordert hat, das Grab jenes Heiligen bewachen zu lassen, da jener von sich, als er noch lebte, angekündigt hatte, er würde drei Tage nach seiner Hinrichtung von den Toten auferstehen. Darum ließ ich die Gruft jenes Propheten Israels sichern.
Am dritten Tag nach seiner Kreuzigung gab es nun tief in der Nacht schwere Stürme, begleitet von Erdbeben. Die Soldaten, welche die Felsengruft dieses göttlichen Menschen zu bewachen hatten, kamen nun in derselben Nacht zu mir und berichteten völlig aufgelöst, ein Gott wäre vom Himmel gestiegen und hätte jenen, der aus seinem Grab erstieg, mit sich hinauf zu den Göttern genommen. Dabei muss erwähnt werden, dass jener Wachtrupp, welcher dies berichtete, dem Hauptmann Petronius unterstand, der für seinen Todesmut und seine Unerschrockenheit allgemein bekannt ist und auch mein rückhaltloses Vertrauen genießt.
Doch wie sehr ich auch auf all jene dem Petronius unterstellten Soldaten eindrang: Sie alle blieben fest bei ihrem Zeugnis, dass jener auferstanden sei, und beschworen selbiges bei ihrer Soldaten-Ehre
Und wiewohl sie alle eindringlich vermahnt wurden, niemanden etwas von diesen sonderbaren Ereignissen zu berichten, welche in jener Nacht vorgefallen waren, konnten sie es doch nicht für sich behalten.
Zudem traten fünfzig Tage später zum jüdischen Wochenfest, als wieder ganz Israel in Jerusalem versammelt war, die einstigen Jünger dieses heiligen Mannes auf und bekundeten vor allem Volk, jener sei von den Toten auferstanden und sei ihnen allen erschienen.
Seither sind viele in und um Israel gläubig an diesen geworden, weil er für aller Welt Sünden gestorben sein soll, so dass keine Seele mehr fürchten muss, um ihrer Verfehlungen und Verirrungen willen auf ewig fern der göttlichen Herrlichkeiten an einen Ort äußerster Finsternis verbleiben zu müssen.
(M)
Ich selbst aber muss bekunden, dass jener Mann bei meinem Verhör eine Autorität ausstrahlte, die auch selbst mich erschaudern ließ, und das, obwohl er – oder aber gerade WEIL er zu allen Anschuldigungen der Juden und Anfragen meinerseits einfach nur schwieg, als sähe Er in dieser seiner Hinrichtung selbst tatsächlich ein gottgewolltes Opfer liebender Selbst-Hingabe für alle Geschlechter, wie er es mir ganz am Ende, als ich um seine Verurteilung nicht mehr umhin kam, schließlich auch doch noch im Vertrauen bekundete.
Ja, obwohl Er mir ganz ausgeliefert war, konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, als wäre ich Ihm ausgeliefert und als hätte ich bei dem ganzen Schauspiel, das die grölende Menge mir abverlangte, eine unselige Rolle zu spielen, die mir von höherer Warte ohne meine Zustimmung einfach zugeteilt worden war.
Dessen ungeachtet fühlte ich mich durch die Gegenwart dieses Gerechten allein schon beschämt und konnte Seinem Blick, der nicht von mir weichen zu wollen schien, nicht begegnen, Ihm nicht in die Augen sehen, obwohl in der Art und Weise, wie er mich ansah, gänzlich nichts Anklagendes war, sondern selbst mir, seinem Richter, gegenüber nichts als Annahme und Liebe.
All dies ließ mich – ungeachtet der vielen unberechtigten Anschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht wurden, er wäre ein Gotteslästerer, weil er sich selbst zum Sohn Gottes erklärt hatte – doch regelrecht erschaudern, da es mich spüren ließ, dass mir hier tatsächlich etwas Höheres, schier Göttliches begegnete, das auch das ganze Römische Imperium erschüttern muss.
Auch hatte meine Gemahlin Claudia Procula einen Traum, in welchem sie um dieses Mannes willen viel erlitt, und sie ließ mir noch vor seiner Hinrichtung mitteilen, ich solle ja nichts Übles zu schaffen haben mit diesem Gerechten.
Darum erklärte ich unmissverständlich, klar und deutlich vor allen Juden, die seine Hinrichtung forderten, im Angesicht der Sonne, dass ich mit ihrem Urteil nichts zu schaffen haben wolle, und bekannte ihnen darüber, dass ich noch keinen Menschen auf Erden gefunden habe, wie diesen, an dem wirklich keinerlei Mangel zu finden ist.
Und fürwahr: Ich glaube nicht, dass schon einmal ein Mensch, wie dieser, über die Erde gewandelt ist, noch, dass einer kommen könnte, der zu überbieten vermag, was dieser aller Welt bot. Er scheint mir wahrhaftig der Einzige zu sein, dem wahrlich göttliche Königswürde zusteht – nicht allein über das Volk Israel, das sich unter allen Völkern für das auserwählte Volk Gottes hält, sondern auch über alle anderen Nationen der Welt, auch über das glorreiche Rom und den römischen Weltherrscher selbst.
Aus diesem Grunde wusch ich mir demonstrativ vor allem Volk die Hände und erklärte, mit der Hinrichtung dieses Mannes nichts zu tun haben zu wollen. Ich gab dem aufgebrachten Plebs allein darum nach, weil ein Aufstand zu befürchten war und wegen des Passahfestes der Juden das ganze Volk in Jerusalem versammelt war, so dass es, wie schon mehrfach angezeigt, andernfalls ein beispielloses Blutbad gegeben hätte, da all die millionen Juden rasend wurden, dieser müsse unbedingt gekreuzigt werden.
(N)
So muss ich doch ganz offen gestehen, dass ich somit jenen Menschen, obwohl ich ihn selbst für gänzlich unschuldig befand und fürwahr sogar Göttliches aus ihm hervor strahlen sah, wie ich es noch niemals zuvor irgendwo erlebt habe, dennoch dem Tod am Kreuz überantwortet habe, entgegen den heiligen Rechtsbestimmungen Roms – allein um des Friedens in der mir unterstellten Provinz willen, wegen der über alle Maßen aufgebrachten Meute aller Juden.
Darum muss ich mich selbst wegen dieses meines Urteils schuldig sprechen – sowohl dir, dem göttlichen Kaiser über die ganze Welt, gegenüber, wie ebenso gegenüber allem, was mir göttlich erscheint.
Denn ich finde keine andere Möglichkeit, mich zu befreien von meinem mich seither peinigenden Gewissen, von dessen Existenz ich vor der Begegnung mit diesem Menschen überhaupt nicht wirklich wusste; und ich sehe für mich selbst keinen anderen Ausweg, frei zu werden von meiner mich seither zutiefst drückenden schweren Schuld, einen solchen Gerechten der Ungerechtigkeit überantwortet zu haben, als allein, mich reinwaschen zu lassen von ebendiesem selber, der für alle zur Vergebung aller nur erdenklichen Sünden gestorben sein will – für den Allergeringsten ebenso, wie für den allerhöchsten und herrlichsten Herrscher: für mich also ebenso, wie für Dich, unseren Kaiser von Rom, um uns so alle in gleicher Weise mit Seinem unbezahlbaren heiligen vergossenen Blut für den Höchsten in den Götter-Himmeln zu erkaufen und damit alle für sich und den Gott-Vater aller Himmlischen, wie Irdischen, welchen Er Seinen und unser alle liebenden Abba nannte, zu gewinnen und Seiner alleinigen Herrschaft der Liebe und Vergebung zu unterstellen.
(O)
Dies aber scheint mir kein Schaden zu sein für die Welt – auch nicht für Rom, sondern für alle nur ein Gewinn, wenn er als der rechte Herrscher anerkannt würde von allen – selbst auch von dir, dem göttlichen Kaiser von Rom.
Denn siehe, bei allem Anspruch, den jener rechtens innezuhaben scheint, erklärte er doch den Juden, sie hätten dir, dem von Gott eingesetzten Kaiser, zu folgen und Dir zu geben, was dir zustünde, wie sie auch Gott zu geben hätten, was diesem zustünde.
Außerdem rief er nicht zum Aufstand auf gegen Rom, wie vor ihm schon manche selbst-ernannte Erlöser dieses aufsässigen Volkes, sondern forderte vielmehr, sie hätten als wahre Gotteskinder selbst auch alle ihre vermeintlichen Feinde, alle Heiden und hier insbesondere uns, die Römer, zu lieben und allen in solcher Liebe zu dienen.
Was also jenen Menschen bei den Juden so unliebsam machte, sollte ihn bei uns, den Römern, wie auch bei Dir, unserem göttlichen Kaiser, umso beliebter machen.
Ich bekenne darum abschließend ganz offen, dass ich nicht allein keinen Menschen, sondern auch keinen Gott auf Erden gefunden habe, wie diesen, und dass ich, wenn ich mir selbst einen Gott über mir, Rom und die ganze Welt erwählen könnte, keinen anderen mehr wollte, als diesen, der für mich und alle ist – auch für dich, unserem von ihm eingesetzten göttlichen Kaiser, welcher als der von ihm bestellte weise Herrscher über alle Welt in allem recht und weise zu urteilen vermag.
(P)
Was nun aber dieses Volk betrifft, das für einen solch edlen Menschen, der immer mehr von aller Welt für sein heiliges, göttliches Wesen unsäglicher Liebe Bewunderung und göttliche Verehrung erfährt, nur Hass und eine derart große Abscheu empfinden konnte, dass es in rasender Wut seinen Tod forderte: was nun eben dieses gänzlich gottlose Volk betrifft, das sich selbst für das einzig göttliche hält, das zu regieren und in Ruhe zu halten mir zunehmend zu einer wachsenden Bürde wird, so hat mir jener, den ich um ihretwillen verurteilen musste, schon angezeigt, dass es damit selbst schier unvergebbare Schuld auf sich laden würde, weil es mich zwang, ihn aus ihrer Mitte auszutilgen, wo er allein doch ihrer aller Sühne und Errettung sei, wie auch die der ganzen Welt.
So zeigte es sich, dass dieses Volk von jenem Tage an, da es den Tod seines gott-gesandten Erlösers gefordert hatte, der sie auf den Weg der göttlichen Liebe in Eintracht mit allen Völkern und Nationen – allem voran mit dem ihnen durch die Götter vorangestellten Rom – führen wollte: dass von dem Tage an, da diese Nation den Tod jenes Künders der göttlichen Liebe forderte, dieses ganze Volk nach meinem Befinden noch hartherziger, verstockter und verbohrter wurde, als wie es, wie aller Welt bekannt ist, schon von je her war, so dass es ohne mitunter auch drastische Gewaltanwendung schlichtweg nicht mehr zu führen und zu regieren ist.
Überdies fürchte ich, jenes Volk in seiner anhaltenden Aufsässigkeit wird nicht mehr Ruhe geben, bis es – hinlänglich, wem auch immer es unterstehen mag – völlig zerschmettert und zerrissen und als eigenständige Nation vom Erdboden ausgetilgt worden ist.
Darin auch ist mein zunehmend härteres Vorgehen gegen dieses aufsässige Volk begründet, dass sich selbst sogar gegen den größten Gesandten seines eigenen Gottes aufgelehnt hat, so dass ich genötigt bin, jener Nation mit immer größerer Härte und Unnachgiebigkeit entgegen zu treten, um den Römischen Frieden in dieser Nation aufrecht zu erhalten, die ich immerhin, wie ich meine, länger als jeder Statthalter vor mir unter der Rechtssprechung Roms in Ruhe halten konnte.
Doch wie sie von je her nach dem Urteil ihrer eigenen gott-gesandten Propheten selbst sogar gegen ihren eigenen heiligen Gott aufbegehren, dessen höchsten Friedensboten sie nunmehr haben kreuzigen lassen, so lehnen sie sich freilich noch vielmehr auf gegen uns, welche sie alle für auf ewig verdammte gottlose Sünder halten.
So tue ich fürwahr mein Möglichstes, auch in dieser Provinz des Römischen Imperiums den in aller Welt gerühmten »Pax Romana« aufrecht zu erhalten, auch gegen allen unnachgiebigen Widerstand dieses allzeit aufsässigen und widerspenstigen Volkes, und hoffe hier für mein mitunter drastisches Vorgehen, das in diesem größten Unruheherd im Römischen Reich leider unumgänglich ist, Verständnis zu finden.“
Auf diese Darlegung folgten schließlich noch die üblichen Huldigungs-Bekundungen der Ehrerbietung gegenüber dem göttlichen Kaiser Roms.
(Q)
Als dieses Schreiben des Präfekten von Judäa und Samaria den Kaiser Tiberius auf Capri erreichte, wo dieser in Zurückgezogenheit residierte, war jener von dieser gänzlich neuen Verkündigung einer völlig selbstlosen göttlichen Liebe, auch gegen die Verlorensten unter den Verlorenen, berührt und sichtlich angetan, zumal er selbst – wie ihm zumindest von seinen vielen Widersachern nachgesagt wurde – hoffnungslos in Dekadenz versunken war und sich als lüsternder Greis, wie man ihm unterstellte, in seinen Bade-Anlagen von Lustknaben, welche er angeblich seine „Fischlein“ nannte, befriedigen ließ.
So soll aber jener völlig seiner niedersten Triebhaftigkeit verfallene menschenscheue Regent Roms doch immerhin noch erkannt haben, dass, wenn überhaupt irgendjemand, so allein dieser Heiland Gottes der Welt in ihrer völligen Verlorenheit, wie er sie wohl an sich selbst erfuhr, noch Heil und Erlösung bringen konnte.
Jener Kaiser Tiberius soll nämlich sogar im römischen Senat, wiewohl er in diesem viele Feinde ausmachte, die seine Herrschaft stürzen wollten, doch – wie es das Römische Recht vorschrieb – eine Petition eingereicht haben, jene neue christliche Glaubensgemeinschaft, die, von Palästina ausgehend, sich im ganzen Römischen Reich ausbreitete, als rechtmäßig anzuerkennen, da sie den »Pax Romana«, also die Ordnung und den Frieden, welchen das Römische Imperium durch seine Herrschaft über alle Welt aufgerichtet hatte, nach seiner kaiserlichen Einschätzung nicht gefährden würde, sondern vielmehr stützen würde.
Der Senat aber, der den Bericht des Pilatus, sowie die Stellungnahme des Kaisers begutachtete, verweigerte seine Zustimmung, jenen neuerdings verehrten Christus der Juden als einen weiteren Gott im römisch-hellenistischen Pantheon anzuerkennen, dem damit ebenso künftig straffrei im Römischen Reich gehuldigt hätte werden dürfen, da über Ihn und Seine Lehre, sowie über den Kult um Seine Person noch zu wenig bekannt gewesen sei.
Dessen ungeachtet erließ der Kaiser jedoch ein Edikt, dass jedes Vorgehen gegen diese neue Glaubensgemeinschaft im Römischen Reich unter Strafe stellte; und so räumte jener römische Herrscher, wie schlimm seine eigene Verfallenheit in triebhafte Lüste und Sünde auch immer gewesen sein mochte, doch der Verkündigung des Evangeliums im ganzen Imperium Romanum für eine geraume erste Zeit jedes Hindernis aus dem Weg, was gewiss auch seiner eigenen spirituellen Reifung zum Heil in Christus hin in einem Folge-Leben zugute kam.
Was nun Pilatus betrifft, so wurde diesem mitgeteilt, dass der Senat über seine Anregung, die neue Glaubensgemeinschaft der Christen anzuerkennen, noch kein abschließendes Urteil gefällt habe, gleichwohl der Kaiser aber verfügt habe, deren Religionsausübung bis auf Weiteres nicht unter Strafe zu stellen, so dass auch er, Pilatus, gegen diese neue jüdische religiöse Strömung in der ihm unterstellten Provinz nicht vorzugehen habe.
Auf seinen Unmut und die vielen Klagen infolge seiner zunehmend hartherzigeren Regentschaft in der ihm unterstellten Provinz wurde nicht näher eingegangen. Dem Pilatus wurde lediglich – allgemein gefasst – nahe gelegt, seine Provinz nach den Direktiven des Römischen Imperiums und nach seinen Gesetzeswerken zu verwalten und Aktionen, welche ihm als eigenmächtige Übergriffe ausgelegt werden könnten, zu vermeiden.
Der Kaiser Tiberius nämlich hatte vollauf damit zu tun, das Schreckensregiment des Prötorianerpräfekten Sejan zu brechen und ihm ein Ende zu setzen, welcher die Abgeschiedenheit des menschenscheuen Kaisers auf Capri für sich ausgenutzt hatte, um seine Machtposition in Rom auszubauen und mit übelsten Unterstellungen gegen den Herrscher zu intrigieren.
(R)
Schließlich sollte den Statthalter Pontius Pilatus aber doch schon bald auf diesen Schriftverkehr hin eine weitere brutale Intervention in dem ihm unterstellten Samaria das Genick brechen.
Dort nämlich erhob sich ein Mann aus dem hohenpriesterlichen Geschlecht des Manessah. Als nämlich vor vielen Generationen die aus Samaria stammenden Juden sich nach ihrer Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft wieder in dem ihnen zum ewigen Erbteil gegebenen Land Samaria angesiedelt hatten, vermischten sie sich mit der dort lebenden Bevölkerung, die während der Zeit ihres Exils aus Babylon dort angesiedelt worden war, so dass sich viele Juden dort ansässige Samariterinnen aus dem heidnischen Babylon zu Frauen nahmen.
Esra und Nehemia, die mit dem Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels und der Heiligen Stadt betraut worden waren, forderten jedoch, dass all diese Misch-Ehen zwischen Juden und Heidinnen wieder gelöst werden müssten nach dem Gesetz des Mose, das allerdings bei der Verschleppung nach Babylon gänzlich verloren gegangen war und unter der Leitung des Schriftgelehrten Esra völlig neu nach der mündlichen Überlieferung der Väter verfasst worden war.
Aufgrund jener angeblichen uralten mosaischen Bestimmungen des Esra sollte auch Manessah aus dem Geschlecht der Hohenpriester seine Ehe mit einer samaritischen Königstochter wieder lösen. Da jener hierzu aber nicht bereit war und die Ehe zu seiner geliebten Frau nicht lösen wollte, wurde jener Manessah aus dem Dienst am neuen, wieder-errichteten Tempel in Jerusalem ausgeschlossen. Manessah jedoch erkannte im Gegenzug die neue mosaische Gesetzes-Fassung des Esra nicht an, welche nunmehr auch Misch-Ehen mit Nicht-Jüdinnen verboten hatte, zumal Mose selbst mit einer schwarzen, ausländischen Kuschiterin ehelich verbunden war und selbst die Urgroßmutter des glorreichen Königs David, jene Ruth, welche Boas zur Frau genommen hatte, eine Moabiterin war, also nicht aus der Nachkommenschaft Israels, des Enkels des Abraham, war, sondern aus dem Geschlecht des Moab, des Sohnes des Lot, des Neffen Abrahams.
Daraufhin hatte jener Hohepriester Manessah auf dem samaritanischen Berg Garazim, auf welchem durch Josua nach der Weisung des Mose Gedenktafeln der Thora aufgestellt worden waren, ein eigenes Heiligtum für alle in Samaria lebenden Juden errichtet.
Die Nachkommen Josephs aus dem Stamm Ephraim und Manasse betrachteten sich seitdem nämlich auch ihrerseits als die Wahrer der eigentlichen ursprünglichen göttlichen Satzungen, welche Gott dem Mose gegeben habe. So sahen sich fortan die Samariter als die einzig wirklich noch rechtgläubigen Juden, welche allein die rechte Überlieferung bewahrt hätten, während sie von allen übrigen Juden als von den Heiden verführte Abtrünnige angesehen und selbst noch mehr als die gottlosen Nationen verachtet wurden. Und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag.
Nun trat in jenem Samaria ein Mann aus dem hohenpriesterlichen Geschlecht jenes Manessah auf, der für sich beanspruchte, der Messias der Juden zu sein – nämlich der »Taheb«, wie die Samariter ihn nannten: der von Mose angekündigte Prophet, der nach ihm kommen sollte als der große »Wiederhersteller« der wahren mosaischen Ordnung, der darum das Reich Gottes wieder aufrichten würde für Israel.
Jener Priester aber erklärte von sich, ihm sei durch göttliche Weisung mitgeteilt worden, wo auf dem heiligen Berg Garazim ein Schatz des Mose vergraben sei, wobei es sich wahrscheinlich um heilige Geräte handelte, welche vor der Zerstörung des Tempels der Samariter durch den Hasmonäer Johannes Hyrkanos, dem Ersten, versteckt worden waren, wenn nicht sogar um die Bundeslade selbst, die von dem Propheten Jeremia vor der Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch Nebukadnezar an einem geheimen Ort verborgen worden sein sollte. Die Wiederentdeckung dieser allerheiligsten Schätze, so erklärte nun jener, würden seine göttliche Sendung bestätigen und ihn als den wahren Messias Gottes ausweisen, der zur Herrschaft über die ganze Welt bestimmt sei.
So kam es, dass sich – bis auf all jene, die an Jesus Christus gläubig geworden waren – ganz Samaria in der Gefolgschaft dieses ihres neuen Anführers auf seinen heiligen Berg Garazim begab, um jene Schätze des Mose zu bergen. Hier sah Pilatus, der als Statthalter Roms über Judäa und Samaria eingesetzt war, drastisches Eingreifen geboten.
Denn all jene Samariter, welche sich zu diesem ihren heiligen Berg begaben, waren nämlich bis auf die Zähne bewaffnet! Daher war abzusehen, dass jene beabsichtigten, sich mit Gewalt ganz Israel zu unterwerfen, wenn sich die göttliche Sendung ihres Taheb bestätigen würde, so dass im ganzen Land Israel ein Bürgerkrieg ausgebrochen wäre.
Aus diesem Grunde entsandte der Präfekt ein großes Heer nach Samaria, das jenen mächtigen Zug der Samariter zerschlagen sollte, um einen möglichen Aufstand schon im Keim zu ersticken. Alle Samariter aber, welche bei diesem Überfall der römischen Legionen gefangen genommen worden waren, ließ Pilatus ohne eine Gerichtsverhandlung umgehend als Aufrührer kreuzigen, so dass es nunmehr in Samaria zu einem gewaltigen Blutvergießen kam.
Da der Präfekt hier allerdings schon gewaltsam einschritt, ehe eine wirklich klar ersichtliche äußere Veranlassung gegeben war, richtete sich ganz Samaria mit massiven Beschwerden an Vitellius, dem ihm vorgesetzten Prokonsul von Syrien, Pilatus hätte ohne jede Veranlassung einen friedlichen Pilgerzug auf den heiligen Berg der Samariter brutal niedermetzeln lassen. So wurde Pilatus wegen dieser Sache nach Rom zitiert, um sich für sein hartes Einschreiten in Samaria zu verantworten.
(S)
Nachdem aber bis zum Eintreffen des Pilatus in Rom der Kaiser Tiberius verstorben war, an seiner Stelle aber inzwischen Caligula als neuer Caesar Roms den Thron bestiegen hatte, musste der Präfekt Palästinas sich mit einem Mal für ganz andere Dinge rechtfertigen – nämlich nicht etwa für sein hartes Vorgehen gegen die Juden und Samariter, sondern vielmehr dafür, dass er, wie aus seinem Schreiben an Tiberius hervorging, offensichtlich jenen einstigen selbst-ernannten jüdischen Messias, der unter seiner Regentschaft als Aufständischer zu Tode gekommen war, mittlerweile offensichtlich selbst als den einzigen wahren höchsten Sohn des alleinigen Gottes Israels ansah, dem mehr Verehrung zustünde als allen Göttern der Römer und Griechen, ja, selbst sogar als dem Kaiser von Rom.
Überdies hatte Pilatus leichtfertig erklärt, dass nach seiner Ansicht in jenem einzig wahren göttlichen Menschen Jesus etwas in die Welt getreten wäre, was selbst sogar das ganze römische Imperium erschüttern würde. Dies wurde Pilatus freilich ganz anders ausgelegt, als es von ihm eigentlich gemeint worden war – nämlich als eine Bedrohung Roms und des Anspruchs des neuen Kaisers, der einzige auf Erden wandelnde Gott zu sein, dem Huldigung und Anbetung zustünde.
Caligula, der neue Kaiser Roms, der von vielen als wahnsinnig angesehen wurde, hatte nämlich von Beginn seines Amtsantrittes an gefordert, dass ihm schon zu Lebzeiten im ganzen Römischen Imperium als dem höchsten Gott über allen gehuldigt werden sollte, und auch für die Provinz Palästina die Durchsetzung des bereits im ganzen Römischen Reich üblichen Kaiserkultes gefordert.
Dies ging so weit, dass jener Caligula, ausgehend von Antiochia, überall in den jüdischen Synagogen Standbilder von sich aufstellen ließ und auch beabsichtigte, selbst den Heiligen Tempel Gottes in Jerusalem in sein persönlichem Heiligtum umgestalten zu lassen, das fortan »Tempel des Gaius, des neuen, sichtbaren Jupiter« genannt werden sollte.
Jener neue Kaiser war also so von dem selbstherrlichen Wesen des Satans erfüllt, dass er wohl sogar schon den angekündigten Antichristen gestellt hätte, der einstmals kommen soll, so dass sich damals bereits alles hätte erfüllen können, was über Israel bis zum Anbruch seines Messiasreiches prophezeit worden war, wenn Israel in jener Zeit schon erkannt hätte, dass Jesus Christus der ihm verheißene Messias Gottes ist und Ihn nicht verworfen hätte.
Denn auch jener größenwahnsinnige Caligula überhob sich wahrhaft schon über alles, was »Gott« genannt wurde oder Gegenstand göttlicher Verehrung war, wie es auch einstmals der letzte und größte, wahrhaftige Antichrist tun soll; und ebenso beabsichtigte jener Cäsar, im Jerusalemer Tempel ein »Gräuel der Verwüstung« zur Anbetung seiner eigenen Person aufzurichten, wie es am Ende der Tage der Antichrist tun wird. So hätte sich wahrhaft schon damals alles erfüllen können, was über Israel geschrieben steht, wenn es seinen Christus nicht verworfen hätte!
Denn wenngleich der Allerhöchste, der zeitgleich in alle Räume und Zeiten blickt, schon von allen Ewigkeiten her darum wusste, dass Sein auserwähltes Volk das Heil, welches Er ihm in Seinem Sohn darbot, ausschlagen würde, weswegen alle diesem Volk durch Seine Propheten angekündigten Entwicklungen bis zu der Aufrichtung Seines Messianischen Reiches in Christus ausgesetzt wurden – für die Zeit der Nationen, die Er als eine gänzlich neue Heils-Epoche in der gänzlich neuen Heils-Gemeinschaft aus allen Nationen in Christus einschob, so hatte der Höchste doch Seinem Volk die reale Option eingeräumt, in Christus sein Heil zu finden, so dass sich schon damals alles hätte erfüllen können, was an Prophezeiungen über Israel bis zum Beginn seines Weltreiches unter der Herrschaft seines Erlösers prophezeit worden war, wenn es das Heil in seinem Messias, Jesus Christus, nicht ausgeschlagen hätte und der Höchste nicht genötigt gewesen wäre, sich eine neue Heilsgemeinschaft aus den Nationen zu erwecken, um Israel dadurch zur Eifersucht zu reizen, damit sich am Ende doch noch alles erfüllen kann, was an Prophezeiungen über dieses erst-erwählte Gottes-Volk noch aussteht, bis ihm sein Messias, Jesus Christus, bei Seiner Wiederkunft, das Reich errichten kann, das ihm von allen Uranfängen an zugedacht und verheißen worden ist.
Denn auch wenn Sein eigenes Volk Ihm untreu wurde und Ihn verleugnet hat, so bleibt Er Seinen Heilsabsichten mit diesem Volk doch treu: denn Er selbst kann Sein Erlöserwesen vollendeter selbstloser Liebe nicht verleugnen!
Die nun von Pilatus an den Kaiser Tiberius gerichtete Anregung, der im Entstehen begriffenen Religion, welche aus seiner Provinz überall im Römischen Reich Fuß zu fassen begann und Jesus Christus als den einzigen Sohn Gottes verehrte, allgemeine Anerkennung zu verschaffen, stellte also damit freilich für den neuen Cäsar Roms, der für sich allein göttliche Verehrung beanspruchte, nicht nur eine Majestätsbeleidigung dar, sondern regelrecht eine blasphemische Verhöhnung seiner eigenen Göttlichkeit und eine Missachtung der allein ihm zukommenden Huldigung und Anbetung. So hatte sich Pilatus nach dem Urteil des Caligula mit seinem Zeugnis über Christus folglich des Hochverrats schuldig gemacht, da er den Kaiser von Rom ganz offensichtlich nicht mehr als höchste Gottheit anerkannte, und er war damit nach Ansicht des neuen Cäsars eines unverzeihlichen Vergehens überführt worden, worauf die Todesstrafe stand.
(T)
Darum verbannte der Kaiser Caligula den Pontius Pilatus in eine entlegene Provinz des Römischen Reiches, nötigte ihn jedoch, dort seinem Leben ein Ende zu setzen, wenn nicht seine Frau und seine Kinder, sowie alle seine übrigen Verwandten und Nahestehenden auf Veranlassung des neuen Cäsars umgebracht werden sollten. Und Pilatus kam dieser Forderung des Kaisers nach.
In welcher Gesinnung Pontius Pilatus in der Verbannung schließlich selbst an sich Hand anlegte, blieb freilich im Dunkel. Tat er es, um durch die Hingabe seines eigenen Lebens sein Haus und alle seine ihm Lieben vor der kaiserlichen Verfolgung zu bewahren? Oder tat er es, weil all seine Mühen, seinem Namen ein ehrenvolles Andenken zu schaffen, am Ende völlig gescheitert waren? – nicht allein, weil er sich in der ihm unterstellten Provinz zuletzt noch den Ruf eines brutalen Regenten zugezogen hatte, sondern insbesondere wegen dem, was er dem Heiligen Gottes angetan hatte, der – trotz aller bald einsetzenden Verfolgungen gegen die Christen – von einer immer weiter anwachsenden Anzahl von Gläubigen im ganzen Römischen Reich als der Erlöser der ganzen Welt verehrt wurde, so dass Pilatus erkennen musste, dass er durch sein Urteil über Jesus für alle künftigen Generationen endlose Schmach über seinen Namen gebracht hatte.
Was letztlich seine wirklichen Beweggründe für seinen Selbstmord waren, weiß allein der Herr. Denn Pilatus hatte ja wohl doch erkannt, dass Christus Sein Leben zur Sühne für alle Welt gelassen hatte, so dass niemand mehr um seiner Verfehlungen willen ewige Verdammung fürchten muss.
Aber dessen ungeachtet konnte Pontius Pilatus sich wohl selbst nicht verzeihen, welch Schimpf und Schande er durch seine schwere Verfehlung über sich und seinen Namen gebracht hatte, dass er sich hatte nötigen lassen, jenen Gerechten hinrichten zu lassen, obwohl er persönlich von dessen gänzlichen Unschuld überzeugt war – wie es ja häufig selbst auch mit gläubig-gewordenen Seelen ist, dass sie mitunter selbst mit sich schwerer ins Gericht gehen, als es ihr Heiland und Erlöser in Seiner Nachsicht und Güte, Liebe und Barmherzigkeit je täte, da Er sich, nachdem Er, als Er in unserem Fleische war, selbst in allem versucht wurde gleich, wie wir, selbst sogar in all die Schwachheiten unseres gefallenen Geschlechtes restlos einzufühlen vermag und darum wahrhaft um alles weiß und deshalb selbst das zu vergeben in der Lage ist, was wir uns mitunter selbst nicht verzeihen können.
(U)
Gewiss aber lastete vor allem dies bis zuletzt verhängnisvoll auf der Seele des Pilatus und war vielleicht auch für seinen schrecklichen Lebensbeschluss verantwortlich, dass er dem jüdischen Volk nicht verzeihen konnte, was es über ihn und seinen Namen für alle Zeit gebracht hatte, weil er sich von ihm hatte nötigen lassen, den Sohn Gottes zu kreuzigen.
Und weil er selbst voll Hass und Verbitterung gegen das auserwählte Volk war und ihm all das einfach nicht vergeben konnte, konnte er auch selbst nicht vollends die Kraft der Vergebung der göttlichen Liebe erfahren, so dass er wohl auch selbst nicht die vollumfängliche Erlösung von seiner eigenen schweren Seelen-Last finden konnte, weil er eben dies auch jenen, die an ihm selbst schuldig geworden waren, nicht zubilligen wollte.
Dessen ungeachtet wird am Ende aber sicher noch erhört werden, was jener Pilatus in der Stunde seines Todes gebetet haben soll: „O Herr, verdamme mich nicht mit diesen durch und durch von Bosheit erfüllten Hebräern! Denn du weißt, dass ich unter Zwang gehandelt habe, weil ich von diesem gottlosen, vom Satan besessenen Volk aufs Allerschlimmste genötigt wurde, Hand an Dich zu legen! – da diese rasenden Teufel anders nicht zu halten gewesen wären, so dass es damals schon zu einem schrecklichen Blutbad gekommen wäre, was sich am Ende aber doch nicht vermeiden ließ.
Da ich aber so handelte, um Schlimmeres zu vermeiden, bitte ich Dich: Vergib mir, dass ich mich zu dieser unverzeihlichen Untat von jenem mord-lüsternden Geschlecht habe hinreißen lassen! Du weißt ja, dass ich aus Unkenntnis und Unverstand so gehandelt habe, da ich meinte, so ließe sich der Zorn von jenen abwenden, welche aber doch fürwahr nichts als Zorn verdient haben. Denn sie bringen nicht allein über sich selbst das Verderben, sondern reißen überdies auch noch alle mit sich in den Ruin, die sich ihrer annehmen wollen! – bei Dir beginnend bis hin zu mir!
Darum bitte ich Dich um Deiner in aller Welt gepriesenen Langmut und Gnade willen: Vergib mir meine schwere, unverzeihliche Schuld, die nicht einmal ich selbst mir verzeihen kann, und richte mich nicht, wie ich Dich zu Unrecht, aber wider Willen, gerichtet habe!
Verzeih´ mir und sei mir gnädig! – und ebenso meiner geliebten Claudia, die in der Stunde meines Todes an meinem Lager sitzt, und die ihr ganzes Vertrauen auf Deinen großen Erlöser-Namen setzt. Bewahre sie vor allem, was meinetwegen über sie kommen könnte! Und lass uns einstmals wieder verbunden sein in der Schar Deiner Erlösten, die Du von aller ihrer Schuld befreit hast!“
Und als Pilatus so gebetet hatte, wandte er sich zu seiner Frau Claudia, welche ihm die Hand hielt, und seufzte: „Ach, Claudia!“ Und seine Augen erstarrten. Denn mit diesen Worten auf den Lippen wurde er abberufen und verschied.
(V)
Wie aber dieses Ende, das Pilatus nahm, zu bewerten ist, darüber schieden sich von je her bis zum heutigen Tag die Geister: Nicht wenige meinen, Pontius Pilatus sei ein gläubiger Christ geworden; und einige verehren ihn sogar als einen Heiligen, weil ihn sein Zeugnis für Christus letztlich ins Martyrium trieb. Viele andere hingegen sehen in seinem Selbstmord das Walten des gerechten göttlichen Gerichtes, wie es auch den Verräter Judas Ischarioth ereilt hat, und sehen den Statthalter, unter welchem der Sohn Gottes zu Tode gekommen ist, darum als einen auf ewig Verfluchten und Verdammten an.
Diese Welt nämlich – leider auch gerade die christliche Welt – meint, sie verstünde sich darauf, alles recht zu beurteilen und bewerten zu können und weiß darüber unablässig viel zu richten und zu verdammen. So aber nicht der Herr! Er nämlich ist gewaltig! Gewaltig an Kraft des Herzens! Und Er verdammt niemanden!
Darum sollten auch wir uns hüten, irgendeine Seele zu verurteilen und zu verdammen! Und wir sollten uns darum auch kein Urteil darüber erlauben, wie dies zu deuten sei, dass heute überall in der Welt im Glaubensbekenntnis aller Christen auch des Namens des Pontius Pilatus gedacht wird, unter welchem der Erlöser aller gekreuzigt, gestorben und begraben worden ist, um am dritten Tage für alle von den Toten aufzuerstehen und aufzufahren in die Himmel zum Heiland-Gott über alle.
Denn letztlich zeigt sich in jenem Pilatus, in jenem Herrscher, der in Wahrheit doch nur ein elender Knecht seiner eigenen Ängste und Befürchtungen war und der an seiner größten Sorge, welches Andenken er seinem Namen in der Welt hinterlassen würde, am Ende vollauf gescheitert ist, doch nur die unselige Natur aller gefallenen irdischen Seelen, die allesamt in ihrer hoffnungslosen Selbst-Verhaftung unweigerlich ihrem Untergang geweiht sind, bis sich ihnen denn die unversiegbare göttliche Retterliebe in ihrer erlösenden, von allem freisetzenden Kraft in letzter Tiefe enthüllt und offenbart.
So sollten wir uns kein Urteil über Pontius Pilatus erlauben, unter welchem unser aller Erlöser gekreuzigt, gestorben und begraben worden ist, sondern vielmehr erkennen, dass wir uns alle, wenn wir ganz ehrlich und aufrichtig mit uns selbst sind, doch wiederfinden müssen in jenem »Pilatus«, der unser aller »Lanze« trug, die unseren Heiland durchbohrt hat, da wir letztlich alle doch einzig und allein durch die unerfindliche Gnade unseres Herrn und Heiland-Gottes Jesus Christus aus unseren unseligen Selbst-Verstrickungen erlöst werden können, weswegen wir uns darum vielmehr fragen sollten, wo wir selbst gerade stehen!
Denn wir erblicken in jenem an sich selbst gescheiterten Pilatus letzten Endes alle doch nur uns selbst! – wie es schon, über dieser Erkenntnis zutiefst erschüttert und bewegt, unter Tränen der große Mathematiker und Mystiker Blaise Pascal erkannt und bekannt hat:
„Jesus Christus!
Jesus Christus!Ich habe mich losgesagt von Ihm,
Ihm abgeschworen,
bin geflohen vor Ihm,habe Ihn gekreuzigt.
Möge ich nie
von Ihm geschieden sein!“