Syn-Evangelium
(Studien-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
VI Die Aussöhnung
16: Tötungsbeschluss des Sanhedrin
16-A: Die Hoffnung auf einen Messias an sich ist schon gut, solange nur niemand meint, dass Er wahrhaftig gekommen ist!
16-B: Darum müssen wir auf der Hut sein! Sonst reißt dieser neue vermeintliche Messias ganz Israel mit sich ins Verderben!
16-C: Und was, wenn der Messias nun wirklich gekommen ist?
16-D: Und was ist mit den vielen Wundern, die dieser Jesus im Namen Gottes wirkt?!
16-E: Dieser falsche Prophet stellt doch alles in Frage, worauf unser ganzer Glaube gründet!
16-F: Und Seine vermeintlichen Wunder? Alles nur teuflischer Schwindel!
16-G: Wo wir doch selbst in vielen Fragen der Auslegung uneins sind: Müssen wir da nicht auch diesen stehen lassen?!
16-H: Bei allem hetzt dieser Jesus doch in keinster Weise zum Aufstand auf!
16-I: Und doch ist Er ein Umstürzler und verursacht nichts als Zwiespalt! Das führt noch zur Anarchie!
16-J: Besser, dieser Eine wird vernichtet, als unsere ganze Nation!
16-K: Eine göttliche Weissagung von einem widersetzlichen Gottlosen!
16-L: Der Beschluss war gefasst: Jesus musste sterben!
16-A: Die Hoffnung auf einen Messias an sich ist schon gut, solange nur niemand meint, dass Er wahrhaftig gekommen ist!
Es dauerte eine geraume Zeit, bis alle siebzig Rats-Ältesten im Palast des Hohenpriesters Kaiphas eingetroffen waren und ihre Plätze eingenommen hatten (a).
Denn nicht nur im Tempel Gottes gab es – linker Hand zum Vorhof der Priester vor dem eigentlichen Heiligtum des Höchsten – einen Tagungsraum des Sanhedrins, sondern ebenso im Prachtbau des sadduzäischen Zepter-Führers, nämlich einen licht-durchfluteten, von mächtigen Säulen getragenen quadratischen Raum, in dem sich rings um den Mosaik-Boden im Zentrum, der einen Davidsstern abbildete, auf dreifach erhöhten kreisrunden Ebenen Sitzplätze befanden, so dass sich alle Hohen Rats-Herren in der Versammlung sehen konnten – ähnlich, wie dies auch im römischen Senat gegeben war.
In dieser Runde nahmen nur drei Personen, die gleichsam auf erhöhten Thron-Stühlen saßen, auf einem Podest eine erhöhte Position ein: nämlich zur Linken der letzte amtierende Hohepriester, Simon Ben Kamithos, zur Rechten der augenblicklich eingesetzte Hohepriester, Joseph Quajjafa, in der Mitte aber, nochmals erhöht, das eigentliche, insgeheime Oberhaupt der ganzen Versammlung, nämlich Hannas, welcher der Schwiegervater des gegenwärtigen Hohenpriesters Kaiphas war und selbst neun Jahre die oberste Priester-Würde inne-gehabt hatte, aber auch nach seiner Absetzung durch den Prokurator Valerius Gratus nicht wirklich etwas von seiner Macht über die Sadduzäer eingebüßt hatte, was schließlich auch noch insgesamt Fünfen seiner Söhne, sowie gegenwärtig seinem Schwiegersohn Kajaphas, zum hohenpriesterlichen Zepter verhelfen sollte.
Entsprechend war es auch keineswegs verwunderlich, das nicht etwa Kaiphas als der amtierende Hohepriester, sondern vielmehr sein Schwiegervater Hannas die Sitzung des Hohen Rates eröffnete.
Seinen Bart kräuselnd, um über alles erhabene, unerschütterliche Gelassenheit zu mimen, erklärte dieser mit bedächtiger Mimik: „Wir sind heute hier zusammen-gekommen, weil wieder einmal jemand unter dem Volk auftritt mit dem Anspruch, der Messias Gottes zu sein: (b) Ihr alle wisst, von wem ich rede (c). Bevor wir unsere Verhandlung beginnen, will ich aber ein paar grundlegende Gedanken voraus-schicken:
Es hat ja durchaus sein Gutes, wenn das einfache Volk, das nichts weiß und versteht (d), auf einen solchen Messias wartet (e), der es einstmals aus allem Elend erlösen und alles wieder zurecht bringen soll (f), solange diese Hoffnung dazu führt, dass sich all diese Christus-Gläubigen in die gegebenen Umstände fügen und alles erdulden und ertragen – in der geduldig ausharrenden Hoffnung (g) auf diesen einstigen gott-gesandten Erlöser aus der Höhe als einen mächtigen Engel aus den Himmeln, der als Einziger irgendwann vielleicht einmal eine große Wende herbei-führen kann (h).
Und allein, wenn wir die Israeliten in dieser ihrer Erwartung dahin-gehend bestärken, dass wir ihre Hoffnung auf einen überirdischen Christus hin wenden, der einstmals von oben mit Seinen himmlischen Heerscharen kommen wird, um Sein Volk zu erlösen (i), können wir den Pöbel niederhalten, so dass die einfachen Leute, die sich unterdrückt fühlen, sich in der Erwartung eines derartigen engels-gleichen Heilsbringers aus der Höhe in Geduld üben und sich – ausharrend ergeben – in ihr augenblickliches Schicksal fügen.
Ja, mehr noch: Wir können uns diese ihre Hoffnung dann sogar zunutze machen, indem wir die Gläubigen lehren, dass der Höchste Seinen Heiland nicht eher entsenden wird, bevor sich nicht wirklich restlos alles Volk Seiner Ankunft als würdig erweist (j), indem es in allen Stücken die Thora des Mose befolgt – in der Weise, wie wir es ihnen nach der Überlieferung unserer altehrwürdigen Väter in allen Einzelheiten auslegen (k).
So können wir nämlich den niederen Plebs mit seinen oft recht wirren Sehnsüchten und Erwartungen an unsere Weisungen binden und den Pöbel recht lenken und leiten, um so die bestehende göttliche Ordnung zu sichern und aufrecht zu erhalten, in der – wie wir alle wissen – allein alles Heil liegt (l), weil nur so Ruhe und Frieden gesichert werden kann, unter dem allein sich alle göttlichen Segnungen entfalten und sich das Reich Gottes unter unserer Herrschaft verwirklichen kann (m).
Insofern liegt in der Messias-Erwartung – in Form einer Vertröstung auf ein noch weit fernes künftiges Reich (n) – eine gewisse Kraft, die wir uns durchaus positiv zum Wohle aller zu Nutze machen können.
Denn das einfache Volk erkennt freilich nicht, dass der »Messias« im Grunde nichts anderes ist, als der Geist der Thora des Mose, den allem Volk zu vermitteln unser Amt und Auftrag ist, weil allein die Aufrichtung und Bewahrung der göttlichen Ordnung Heil und Erlösung bringen kann (o). So ist das Gesetz der »Gesalbte« – ebenso, wie Mose es war und wir es auch selbst als dessen Jünger und Nachfolger sind (p), auf die Mose seinen Geist übertragen hat (q), so dass wir diese Salbung durch die Aufrichtung der Thora über alles Volk Gottes ausgießen (r), um es dem Höchsten zu heiligen.
Allein dadurch kommt das Reich Gottes. Darum ist der »Messias«, von dem die Propheten reden, im Grunde nichts anderes als eine Metapher für die Thora und eine Bildrede auf uns, die wir einzig die göttliche Salbung haben (s), wie auch uns allein verheißen ist, diesen Geist der Thora – und damit das Heil – noch aller Welt bringen zu können (t).
Aber wie soll man dies dem völlig unmündigen, naiven Plebs – ohne Geist und Verstand – einsichtig machen?! – weswegen das unwissende Volk ja schließlich – eben darum – auch auf unsere ganz behutsame Führung dringend angewiesen ist, die uns so viel Weisheit abverlangt, was man ihm schon sagen kann und was man besser noch für sich behalten sollte, um es in seinem einfältig-naiven Vorstellungen, die es sich nicht nehmen lassen will, noch recht lenken und leiten zu können!
Darum müssen wir dem einfachen Volk auch seine infantile Messias-Erwartung lassen (u); und wir können sie uns mit Weisheit sogar zunutze machen.
Ganz anders verhält es sich allerdings, wenn irgendwelche Aufrührer, die alle bestehende Ordnung umstürzen wollen, sich diese sehnsüchtige Erwartung des unverständigen Pöbels und unwissenden Volkes zu nutze machen, indem sie von sich behaupten, sie selbst wären nun dieser ersehnte Messias.
In dem Moment, wo irgendjemand tatsächlich mit einem derartigen Anspruch auftritt, gerät alles aus den Fugen und außer Kontrolle und kommt bedenklich ins Wanken! Denn dann hält die Hoffnung auf einen Erlöser Gottes den Pöbel nicht mehr im Zaum, alles – auf diesen Heiland wartend – ausharrend zu erdulden und sich um die Einhaltung aller göttlichen Satzungen und Bestimmungen zu bemühen, mit denen wir die bestehende göttliche Ordnung aufrecht erhalten, sondern dann peitscht diese Messias-Hoffnung das niedere Volk vielmehr auf und schürt aufrührerische Anwandlungen, man könne sich nunmehr von der römischen Obrigkeit befreien, obwohl diese doch der Höchste selbst nun einmal gegenwärtig als Ordnungshüter über uns eingesetzt hat (v), wie es allein uns tiefer Blickenden, mit Weisheit Gesegneten, durchaus einsichtig ist, was der Pöbel jedoch, der nichts weiß und versteht, als eine Demütigung und Unterdrückung durch eine heidnische, teuflische Übermacht empfindet, von der sich unser heiliges, auserwähltes Volk unbedingt befreien müsste.
Denn das einfache Volk, das von den großen weltumspannenden politischen Zusammenhängen nichts versteht, ist einfach nicht in der Lage, sich in göttlicher Weisheit und in bedächtigem Weitblick mit den irdischen Gegebenheiten, wo sie einfach nicht zu ändern sind, zu arrangieren.
Und solange sich Rom in unsere religiösen Angelegenheiten nicht einmischt und uns die geistliche Gerichtsbarkeit über unser Volk lässt, ja, diese sogar mit ihrer Militär-Gewalt noch unterstützt und fördert, da das Römische Imperium durchaus erkennt, dass wir das Volk im Gegenzug zum Gehorsam ihm gegenüber anhalten, solange es uns seinerseits gewährt, es nach unseren altehrwürdigen Bräuchen und Traditionen führen und leiten zu dürfen, … – solange Rom also in der Beherrschung des Pöbels unser Verbündeter ist, gibt es doch wahrhaftig keinerlei Anlass, gegen diese weltlichen Machthaber aufzubegehren und sich gegen sie zu erheben! Denn in Wahrheit sind sie doch, ohne es zu wissen oder zu ahnen, unsere ergebenen Diener und Gerichts-Vollstrecker, obwohl sie uns als ihre gefälligen Untertanen betrachten! (w)
Wenn nun aber irgendjemand, wer immer es sei, mit dem Anspruch auftritt, der uns verheißene Erlöser aus den höchsten Himmeln zu sein, obwohl er ein einfacher Sterblicher ohne jede übermenschliche göttliche Vollmacht ist, dass er mit einem einzigen Wink alle Gottlosen und Heiden hinweg-fegen könnte (x), – und dahin gehen doch letztlich alle Prophezeiungen von einem Messias (y), – dann kann eine solche selbstherrliche Behauptung eines gänzlich gewöhnlichen Menschen ohne jede echte überirdische Kraft und Gewalt wie ein kleines Zündholz, das jemand in ein stroh-trockenes Ährenfeld wirft, einen Flächenbrand auslösen, den niemand mehr zu bändigen oder zu löschen vermag! (z)
So ist dies immer höchst gefährlich und prekär, wenn irgendjemand mit dem Anspruch auftritt, der Messias und Erlöser Israels zu sein, da dies in Anbetracht der heißen Sehnsucht im einfachen Volk nach dem Erscheinen eines solchen Heilbringers (aa) schnell ganze Massen dazu verleiten kann, sich gegen das übermächtige Rom mit seiner unbezwingbaren Gewalt zu erheben – in der irren Erwartung, ihnen würde dann schon zu gegebener Zeit gegen die Übermacht jenes unbezwingbaren Welt-Imperiums durch himmlische Heerscharen Hilfe zuteil werden (ab).
Und wohin das führt, haben wir bei aufständischen Anführern, die für sich beanspruchten, der ersehnte Messias zu sein, ja schon hinlänglich erlebt! (ac)
16-B: Darum müssen wir auf der Hut sein! Sonst reißt dieser neue vermeintliche Messias ganz Israel mit sich ins Verderben!
Solche Erhebungen werden von Rom mit brachialer Gewalt und mit eiserner Faust regelmäßig niedergeschlagen, was immer wieder in einem unbeschreiblichen Blutbad endet! Darum sind wir als die Hüter Israels angehalten, alles im Keim zu ersticken, was den niederen Mob in eine derartige wahnhafte Raserei treiben könnte!
Und hier ist uns sicher allen bereits nur zu gut bewusst, welche Gefahr augenblicklich von diesem Galiläer aus Nazareth für uns alle ausgeht. Denn wir alle haben gesehen, wie Sein Einzug in Jerusalem vom gesamten Pöbel gefeiert wurde: als wäre Er der Messias! (a)
Und war es letztlich nicht auch dieser Nazarener – durch die Unruhe, die Er im Tempel verursacht hat, – der dadurch die Zeloten unter Barabbas zum Aufstand ermutigt hat, welcher zum Glück noch unversehens von den Römern niedergeschlagen werden konnte, ehe er sich zu einer allgemeinen Erhebung auswuchs?! (b) – da wir in unserer weisen Voraussicht unsere römischen Wachhunde dazu angehalten haben, besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen!
Aber daran erkennen wir trotz allem doch, wie tod-ernst und äußerst prekär die gegenwärtige Lage ist – zumal sich nunmehr ganz Israel in der Heiligen Stadt befindet, das augenblicklich nicht nur aus dem gesamten Heiligen Land hier versammelt ist, sondern überdies auch noch aus der Diaspora, in die es in aller Herren Länder zerstreut ist, vor Ort zusammen-gekommen ist. Denn niemand kann die Millionen zählen, die momentan aus aller Welt hier zum Heiligen Tempel Gottes zusammen-strömen! (c) Wenn diese nun alle von Raserei gepackt würden, im euphorischen Wahn, in diesem Jesus wäre nunmehr tatsächlich endlich ihr Messias gekommen, kann dies einen allgemeinen Aufstand herauf-beschwören, den Rom mit beispielloser Härte niederschlagen wird! (d)
Und wir alle können uns ausmalen, was uns dann blüht! Gegen das, was uns dann erwartet, wird die einstige Verschleppung unseres Volkes nach Babylon absolut nichts gewesen sein! (e) Unzählige werden nieder-gemetzelt werden! Und das ganze Heilige Land wird eingeäschert werden! – ganz zu schweigen von unserer Zierde auf dem heiligen Berg Zion: unserem Tempel und unserer erhabenen Stadt Jerusalem! Und auch mit unserer Herrschaft und unserem Wohlleben ist es dann ein für alle mal gänzlich aus und vorbei, weil man uns – und das dann wohl auch ganz zu recht! – vorhalten wird, dass wir als die Hüter Israels es nicht verstanden haben, all diese Horden im Zaum zu halten und zu bändigen.
Und wer immer all das, was unserem Volk dann widerfahren wird, überleben sollte, wird, wenn er Glück hat, nur in ein fernes Land verschleppt, um als Sklave an einen unbeschnittenen Gottlosen verschachert zu werden, dessen abartigsten Ansinnen er sich dann vollends ergeben muss, sofern einen solchen dann nicht gar das Los ereilt, auf einer Galeere oder in einem Bergwerk zu enden, wo er sich zu Tode schuften muss, oder aber zur Belustigung des niederen Plebs bei Brot und Spielen in den Arenen den Löwen und Geparden oder anderen wilden reißenden Bestien zum Fraß vorgeworfen zu werden!
Alles in allem wäre dies allerdings mit absoluter Gewissheit das totale Ende unserer Nation (f), was wir – als die von Gott eingesetzten Hüter Israels – dann aber wegen unserer leichtfertigen Un-Vorsicht und Nachlässigkeit ganz allein uns selbst zuzuschreiben hätten, da wir dann nicht geflissentlich über die uns anvertraute Herde gewacht und von vornherein in weiser Voraussicht allen üblen Anfängen gewehrt haben!“
16-C: Und was, wenn der Messias nun wirklich gekommen ist?
Da erhob sich Nikodemus, der erst vor kurzem den Meister heimlich auf dem Ölberg im Garten Gethsemane aufgesucht hatte, um Ihn zu warnen (a). Denn nun waren die schlimmsten Befürchtungen dieses Rabbiners doch noch eingetreten! Dem altehrwürdigen Pharisäer war nämlich durchaus klar, das diese Verhandlung der Beschluss-Fassung dienen sollte, Jesus hinrichten zu lassen.
Darum versuchte Nikodemus, behutsam Partei für den Herrn zu ergreifen, ohne sich verdächtig zu machen (b). So wandte er sich an die anderen der siebzig Ältesten Israels mit den Worten: „Werte Brüder! Bei all diesen Erwägungen dürfen wir meines Erachtens jedoch nicht außer Acht lassen, dass uns doch tatsächlich ein gesalbter Erlöser aus dem Stamm Davids verheißen worden ist (c) und vieles dafür spricht, dass Er in unseren Zeiten erscheinen wird!
Man denke nur an die Weissagung des Propheten Daniel von den siebzig Jahrwochen, der zufolge vierhundert-neunzig Jahre nach der Rückkehr unseres Volkes aus dem babylonischen Exil die Herrschaft des Messias anbrechen soll! (d) Wenn man dieser Offenbarung Glauben schenkt, dann würde das bedeuten, dass der Retter Israels tatsächlich in dieser unserer Generation erstehen müsste! (e)
Darum meine ich, dass wir mit äußerster Bedachtsamkeit vorgehen müssen, wenn irgendjemand mit diesem Anspruch auftritt! Denn nachdem immerhin die Möglichkeit besteht, dass tatsächlich in unserer Zeit der von Gott gesandte Erlöser erscheinen könnte (f), dürfen wir es uns meiner Meinung nach nicht so einfach machen, dass wir jeden, der erklärt, dieser verheißene Erretter zu sein, allein schon dafür aburteilen! Sondern wir sollten vielmehr anhand von dem, was uns über den, der da kommen soll, prophezeit worden ist, eingehend prüfen, ob es einer von denen, die behaupten, der Messias zu sein, nicht am Ende doch tatsächlich sein könnte!“ (g)
Diesen Einwand tat jedoch der Hohepriester Kaiphas mit einer Handbewegung ab und erklärte: „Werter Nikodemus! Du weißt doch selbst, wie schillernd und vieldeutig all die verschiedenen Prophezeiungen von einem Messias sind, und in wie vielen Punkten sie einander zu widersprechen scheinen! Man kann aus ihnen doch schier alles heraus-lesen, was immer man will! Und jeder, der für sich beansprucht, der Christus Gottes zu sein, wird in den zahlreichen, unterschiedlichsten Weissagungen ganz bestimmt auch irgend etwas finden, was er auf sich beziehen kann!
Und was das Buch »Daniel« betrifft, so wissen wir alle, dass es höchst fraglich ist, ob dies überhaupt den wahren prophetischen Überlieferungen zugeordnet werden darf, so spät, wie diese angebliche Schrift von Daniel überhaupt erst ans Licht und in Umlauf gekommen ist!
Ob diese Aufzeichnungen überhaupt wirklich von jenem Seher Daniel stammen, wie sie für sich beanspruchen! Und selbst wenn: dann ist über allem noch nicht einmal geklärt, ob jener Wahrsager am Hofe Babylons, der allen Astrologen und Sterndeutern und Magiern jener gottesfeindlichen Macht vorstand (h), überhaupt als ein Prophet Israels angesehen werden darf, selbst, wenn er jüdischer Abstammung gewesen sein sollte (i), da er doch nach seinem eigenen Zeugnis nicht einmal innerhalb des Heiligen Landes berufen worden ist (j), was ansonsten von keinem einzigen anderen wahren Propheten Gottes jemals überliefert worden ist!
Es ist also keineswegs gesagt, dass der Messias in unserer Zeit erscheinen muss, wie ja auch noch nicht einmal feststeht, ob dieser überhaupt ein Mensch aus Fleisch und Blut sein muss, oder ob es sich hier nicht vielmehr nur um eine geistige Kraft oder ein rein himmlisches Wesen handelt (k), oder aber, ob sich hinter dieser metaphorischen Gestalt nicht ausschließlich nur ein Bild für die einstige Salbung unseres ganzen Volkes verbirgt (l), wenn denn endlich ausnahmslos alle die göttlichen Weisungen, die wir durchzusetzen suchen, auch wirklich befolgen!
Darum müssen wir als die Ältesten Israels einen klaren Kopf behalten und dürfen uns nicht, wie der unwissende Mob, irgendeinem euphorischen Schwarmgeist ergeben, sondern müssen alles nüchtern mit Verstand prüfen und erwägen!“
16-D: Und was ist mit den vielen Wundern, die dieser Jesus im Namen Gottes wirkt?!
Nun meldete sich der junge Fürst Joseph von Arimathia zu Wort, der an der Seite seines Gönners Nikodemus saß und wohl das jüngste Rats-Mitglied war. Denn auch dieser war, wie sein väterlicher Freund, davon überzeugt, dass Jesus der Messias war. Er hatte den Meister auch bereits einmal aufgesucht, um Ihn zu fragen, was er tun müsse, um das ewige Leben zu ererben (a), und er hatte den Herrn seit dieser Begegnung auch heimlich mit seinem Vermögen unterstützt (b).
Darum setzte sich Joseph von Arimathia nun gleichfalls für Jesus ein – jedoch, in seinem jugendlichen Überschwang, weit forscher und unverhohlener, als es sein älterer Rabbiner-Kollege getan hatte. Denn da er einem wohlhabenden alt-ehrwürdigen Geschlecht entstammte, verkannte er völlig, in welche Gefahr er sich damit begab, dass er Partei für Jesus ergriff (c).
Und so stellte der junge Fürst dem Kajaphas, der die Bedenken seines Gönners Nikodemus abgetan hatte, nunmehr ganz konkret in Hinblick auf Jesus die Gegenfrage: „Aber was ist mit den zahllosen Wundern, die jener Prophet aus Galiläa überall im Heiligen Land wirken soll?! – für die Er schon weit über Israel hinaus bekannt geworden ist! (d) Müssen uns diese Kraft-Erweise nicht alle zu denken geben?!“ (e)
Mit diesem unverhohlenen Bekenntnis zu Jesus brachte Joseph von Arimathia freilich alle Rats-Mitglieder gegen sich auf – insbesondere die Pharisäer, die sich von ihm verraten fühlten, da er ihrer Parteiung angehörte.
Und einer der strengsten Rabbiner in der Nachfolge des altehrwürdigen Rabbi Schammai Haffakin mit Namen Jochanan Ben Sakkai schrie völlig aufgebracht und aufs Bitterste erbost: „Dieser kann doch unmöglich ein Prophet Gottes sein! Hat Mose nicht geweissagt: »Er wird einstmals ebenso wie ich sein!« (f), wie er aber auch vermahnt hat: »Nichts, von dem, was ich euch mitgeteilt habe, darf jemals aufgelöst werden; noch irgendetwas hinzugefügt werden!« (g), womit er uns eine klare Richtschnur an die Hand gegeben hat, woran wir falsche von wahren Propheten und Nachfolgern des Mose unterscheiden können!
Dieser Jesus aber stellt, wie wir alle schmerzlichst erkennen müssen, doch wirklich alles in Frage, was Mose uns gelehrt hat und was in seinem Gesetz geschrieben steht!“ (h)
Und auch andere Pharisäer fielen ein: „Er bricht regelmäßig, geradezu mit Fleiß ganz provokativ den Sabbat, da Er vorzugsweise an diesem Tag des HERRN, an dem uns doch Ruhe und Innehalten geboten ist, Seine spektakulären Heilungswunder zur Schau stellt, was in gewisser Weise eine Form von Arbeit darstellt; und Er besitzt überdies die Frechheit und Dreistigkeit, dies mitten in den Versammlungen in unseren Synagogen zu tun! (i) Und Er erklärt, für Ihn würde der Sabbat nicht gelten, da Er schließlich der gott-gesandte Messias wäre, der darum über dem Sabbat-Gebot stünde, da es für Ihn ebenso wenig Gültigkeit hätte, wie für Gott selbst, weil es nur eine Satzung für all jene wäre, die Gott unterstehen, was für Ihn, da Er sich geradezu mit Gott gleich setzt, darum nicht gelten würde! (j)
Aber damit nicht genug, ermuntert Er doch darüber hinaus auch Seine Jünger und Anhänger dazu, sich leichtfertig über unsere Sabbat-Verordnungen hinweg-zu-setzen (k), da wir das Ruhe-Gebot, wie Er aller Welt – bewusst in Opposition zu uns tretend – Glauben machen will, viel zu penibel und kleinkariert auslegen würden! (l) Dass Mose aber den ersten Übertreter des Sabbats steinigen ließ, nur, weil dieser am Tag des HERRN Reisig zum Feuer-Entfachen einsammelte, will jener nicht hören! (m)
Ebenso erklärt Er alle unsere Reinheits- und Speise-Gebote für null und nichtig! Alles, worauf es ankäme, wäre die innere Herzensbeziehung zu Gott! (n) Wenn die in Ordnung wäre, dann dürfe man sich alles heraus-nehmen, was immer man will (o) – sogar solche Widerwärtigkeiten begehen, dass man Schweinefleisch oder irgendwelche anderen Gräuelsuppen, welche die abartigen gottlosen Heiden auch noch für einen Genuss halten (p) – essen dürfe! (q)
Ja: dieser falsche Prophet erklärt doch wahrhaftig alle Speisen für rein; und er soll sogar schon angekündigt haben, dass man einstmals sogar das Fleisch von Ihm selbst essen und Sein Blut trinken solle! Man stelle sich das einmal vor! (r) Erübrigt sich hier nicht schon jede weitere Diskussion?!“
16-E: Dieser falsche Prophet stellt doch alles in Frage, worauf unser ganzer Glaube gründet!
Dieses Mal waren sich die Sadduzäer mit den Pharisäern völlig einig (a). Denn auch die Priester hatten sich über das Auftreten Jesu im Tempel zutiefst empört (b). So pflichtete der Zadokide Hisda den Rabbinern bei: „Und ebenso stellt dieser Nazarener den ganzen Opfer-Ritus in Frage: Er behauptet, der Höchste bräuchte keine Schlachtopfer zur Sühne, um zu vergeben, da alle Tiere, die geopfert würden, letztendlich doch ohnehin keine Opfergaben der Menschen an Ihn, sondern vielmehr Zuwendungen Gottes an die Menschen wären! Alles, was vor Gott Bedeutung hätte, wäre ein reuiges Herz! (c) Alle Opfer wären also völlig unnötig und keine einzige Seele zu ihrem Heil noch auf unseren Mittler-Dienst angewiesen! (d)
Und ein anderer Sadduzäer fiel ein: „Überdies hätten wir den Opfer-Ritus allein nur deswegen eingeführt aus dem heuchlerischen Vorwand, um guten Gewissens das Fleisch von Tieren essen zu können (e), die als Geschöpfe Gottes nach Seiner wirren Lehre doch tatsächlich als unsere Geschwister vor Gott anzusehen wären (f), so dass dies gegen Gottes ursprüngliche Ordnung stünde, wie sie im Paradies noch geherrscht habe, kein Fleisch von irgend einem Wesen Gottes zu verzehren!“ (g)
Und Rabbi Ben Sakkai schlussfolgerte: „Da seht ihr, dass dieser falsche Prophet alles in Frage stellt, was Mose uns gelehrt hat und worauf unser ganzer Glaube und unsere gesamte Religion und Frömmigkeit begründet ist! Ja, Er geht damit sogar so weit, dass Er behauptet, der Gott Israels, dem wir dienen, wäre der Satan und Widersacher des wahren Gottes, welchen Er Seinen Vater nennt (h), und nicht selbst der wahrhaftige Gott, dessen wahres Wesen Er wieder ans Licht bringen wolle, welcher Abraham und alle Propheten geleitet hätte – jedoch niemals uns!“ (i)
16-F: Und Seine vermeintlichen Wunder? Alles nur teuflischer Schwindel!
Joseph von Arimathia wollte aber noch nicht aufgeben und hielt gegen: „Aber Er beruft sich doch auch auf die Heiligen Schriften!“
Darauf aber konterte sogleich der Rabbi Jochanan: „Die Schriften! Die Schriften! Wenn diese völlig klar und unmissverständlich wären, was würde es dann noch unserer Auslegung bedürfen?! (a) Aber eben diese stellt jener doch total in Frage! (b) Und damit stürzt Er alle Ordnung um! Darum kann dieser nur ein diabolischer Volksverführer und ein Diener des Satans sein! (c) Denn Er stellt sich sowohl gegen Mose, als auch gegen den Tempel und lästert immerfort allem, was uns über alles geht und heilig ist!“ (d)
Nikodemus versuchte Joseph von Arimathia davon abzuhalten, sich auf eine weitere Diskussion einzulassen. Doch der junge Fürst wollte, nachdem er nun schon einmal deutlich Partei für Jesus ergriffen hatte, nicht so einfach kleinbei geben. Darum fragte er nochmals nachdrücklich in Hinblick auf das Wirken des Herrn: „Und was ist mit den vielen Wundern, in denen viele im Volk eindeutige göttliche Macht-Erweise und himmlische Bestätigungen Seiner Sendung, Vollmacht und Autorität sehen?!“ (e)
Sofort erklärte der Pharisäer Ben Sakkai: „Das müssen zweifellos alles diabolische, teuflische Täuschungen sein! (f) Unterschätzt nicht die Subtilität, mit welcher der Satan wirkt und agiert!
Oberflächlich mag dieser falsche Prophet und Christus Dämonen, die Menschen mit Krankheit und Besessenheit binden, zum Weichen zwingen – jedoch nur, um diese vermeintlich freigesetzten Seelen durch weit verheerendere Mächte der Verblendung an sich und den Satan, dem Er dient, zu binden! (g)
Denn Er will doch alles zerbrechen und auflösen und für ungültig erklären, was Gott uns zur Erlangung des Heils, sowohl durch die Thora, als auch durch den Tempel, gegeben hat! (h) So ist die verheerende Bindung, die Er durch Seine Verführung aufrichtet, weit katastrophaler, als die vordergründigen Fesseln, die Er dem Anschein nach zu lösen vermag!“ (i)
Und einer der Sadduzäer, die an keinerlei überirdischen Mächte glaubten (j), steuerte bei: „Wir halten das alles ja nur für einen geschickt eingefädelten ausgemachten Schwindel. Seht euch doch nur einmal diesen Lazarus aus Bethanien an, den Er erst kürzlich – bezeichnender Weise ausgerechnet jetzt, unmittelbar vor dem Passah-Fest – vom Tod auferweckt haben soll:
Es ist allgemein bekannt, dass dieser Jesus mit dem betreffenden Bethanier schon lange eng befreundet gewesen sein soll! (k) Da ist doch offensichtlich, dass dieser Lazarus seinen Tod nur vorgetäuscht hat, um seinen Meister nur noch weitere Anhänger zuzuspielen! Lasst uns doch einmal an diesen Jünger jenes falschen Propheten Hand anlegen, dass wir ihn für seine Dienste an diesem Anti-Christus zur Rechenschaft ziehen und wegen Gotteslästerung hinrichten, ob dieser ihn dann tatsächlich wieder von den Toten auferwecken kann! (l)
Und so wird es bei allen sein, die dieser falsche Messias angeblich geheilt haben will! (m) Oder habt ihr noch nicht davon gehört, dass Er in Seinem eigenen Heimat-Dorf, in dem Er groß geworden ist, kein einziges Wunder wirken konnte (n), weil man dort nämlich Seine Sendung in Frage gestellt hatte und Ihn einer kritischen Prüfung unterzogen hat! Die wussten nämlich, mit wem sie es da zu tun hatten, da Er schließlich mitten unter ihnen aufgewachsen ist!“ (o)
16-G: Wo wir doch selbst in vielen Fragen der Auslegung uneins sind: Müssen wir da nicht auch diesen stehen lassen?!
Nun wagte dann aber schließlich auch der alt-ehrwürdige Nikodemus nochmals einen Anlauf, indem er versuchte, im Geiste des Hillel und des Gamaliel, der zu dieser Zeit mit seinem Schüler Paulus in Babylon war (a), die Rats-Mitglieder durch beschwichtigende Worte zum Einlenken zu bewegen.
Er gab zu Bedenken: „Hinlänglich, was von Seinen Wunderwerken zu halten ist, durch die jener aber doch zweifelsohne überall von sich reden macht. Ich frage mich: Darf man diesen Wanderprediger wirklich nur dafür verteufeln oder gar hinrichten, weil Er in Fragen der Auslegung der Thora andere Ansichten wie wir vertritt und hier gänzlich neue Wege zu beschreiten sucht?!
Denn seht doch nur einmal, in wie vielen Punkten wir selbst, die wir uns alle als die Führer Israels und als die geist-gesalbten Hüter des rechten Glaubens betrachten, in mancherlei Hinsicht die unterschiedlichsten Meinungen vertreten, wie sie abweichender überhaupt nicht sein können! – so dass sich unser erlesener Rat in viele Lager spaltet: einmal in die Sadduzäer und die Pharisäer, die sich in Hinblick auf vielerlei Bereiche völlig uneinig sind – etwa bezüglich der Frage, ob es in jedem Wesen so etwas wie einen unauslöschlichen Geist und Gottesfunken oder eine unsterbliche Seele gibt, etwas, was nach dem Verscheiden (b) an einem himmlischen oder höllischen Ort fortbesteht (c) oder in einer Art Tiefschlaf verharrt (d), um einstmals wieder in ein sterbliches Dasein wieder-geboren (e) oder aber am Ende der Tage in einer unvergänglichen Existenz wieder-zu-erstehen (f), oder aber, ob alles, was uns ausmacht, unser Geist und unsere Seele mit unserem Leib endgültig und für immer vergeht (g), – wie auch in Hinblick auf den Streitpunkt, ob es außer der universal alles tragenden und belebenden göttlichen Kraft noch so etwas wie überirdische Geist-Wesen, Engel oder Dämonen, gibt (h), – wie sich aber auch wiederum etwa in Hinblick auf die rechte Umsetzung der mosaischen Gebote nicht allein Priester und Rabbiner in manchem uneinig sind, sondern die Pharisäer selbst sich auch ihrerseits wiederum nochmals in zwei Lager spalten: in die strenge Schule des Schammai, wie in die mildere Schule des Hillel. – …
Wir haben hier doch selbst schon unter uns die verschiedensten Ansichten und Einsichten! Doch verketzern und verteufeln wird uns deshalb untereinander?! – dass wir uns gegenseitig der allerschlimmsten Gotteslästerung und Blasphemie bezichtigen und die Steine gegeneinander erheben würden?!
Gebietet uns hier nicht auch die Vernunft Einhalt, dass wir einander stehen lassen?! – wie sehr uns die Überzeugungen der anderen Parteiungen auch immer aufstoßen mögen, weil wir wissen, dass wir uns andernfalls alle gegenseitig zerreißen würden und kein einziger von uns überleben könnte! (i)
Warum billigen wir diesem neuen Lehrer mit Seinen zugegebener Maßen gänzlich außergewöhnlichen, völlig eigenen Ansichten, wie sie es unter uns noch nie gegeben hat, nicht ebenso das selbe Recht zu, zumal jener bereits aufgrund Seines machtvollen Auftretens und in Anbetracht der vielen Wunder, die Er wirkt, eine nicht mehr zu unterschätzende Anhängerschaft um sich geschart hat (j), die sich in ihrer Überzeugung wohl erst recht fest-beißen und verhärten wird, wenn wir ihren Anführer zu einem heiligen Märtyrer machen! (k)
16-H: Bei allem hetzt dieser Jesus doch in keinster Weise zum Aufstand auf!
Überdies können wir doch dieses Faktum nicht einfach übergehen und ausblenden, dass jener – bei allen Unterschieden! – in den wesentlichen Fragen mit uns allen doch einer Meinung ist – nämlich darin, dass sich das Gesetz im Gebot der Gottes-, sowie in dem der Nächsten-Liebe erfüllt! (a) So hat doch auch dieser neue Lehrer – trotz Seiner alles umstürzend anmutenden Verkündigung – dieses basale Fundament nicht verlassen, auf dem auch wir uns – trotz aller unserer Differenzen – immer wieder finden, so dass wir einander stehen lassen können – und auch müssen!
Müssen wir da dann nicht auch Ihm mit Seiner Anhängerschaft als eine gänzlich neue Fraktion innerhalb unseres jüdischen Glaubens ein Existenzrecht zubilligen, wie sehr uns auch die eine oder andere Einstellung aufstoßen mag?! (b) Denn auch das Argument, dass jener, der überall nur zu Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung aufruft, das Volk zum Aufstand gegen Rom aufhetzen soll, will mir – offen gestanden – einfach nicht eingehen, was auch immer dieser Mann für sich selbst, zu sein, beanspruchen mag!
Denn bei allem hetzt Er doch in keinster Weise gegen die Römer, sondern ruft vielmehr alles Volk sogar dazu auf, alle Menschen zu lieben und selbst sogar für diejenigen inbrünstig von Herzen zu beten, die sie bislang als Feinde betrachtet haben! (c)
So lehrt Er beispielsweise: »Wenn ein römischer Soldat dich nötigt, alles liegen und stehen zu lassen, um ihm eine Meile sein Gebäck zu tragen, so biete dich ihm freiwillig für eine weitere Meile an!« (d) Ebenso hält Er dazu an, widerspruchslos alle Steuern an Rom zu entrichten (e). Welche Gefahr könnte von solch einem Menschen für Rom ausgehen?!“
16-I: Und doch ist Er ein Umstürzler und verursacht nichts als Zwiespalt! Das führt noch zur Anarchie!
Schließlich ergriff der ehemalige Hohepriester, Simon Ben Kamithos, das Wort, indem er dem Nikodemus entgegnete: „Und doch gehen von diesem Nazarener umstürzlerische Gedanken aus! Er erkennt weder die Thora, noch den Tempel an (a) und stellt sich mit seinen neuen Lehren gegen alles, wofür wir eintreten und was uns heilig ist! Und Er macht so alles Volk von uns abspenstig! (b)
Wenn Er schon uns nicht anerkennt, obwohl wir die von Gott eingesetzten Hüter Israels sind, und für sich als den Messias Israels die alleinige geistliche Leiterschaft aller wahrhaft Gläubigen beansprucht (c), wo führt das denn hin?! Was wird Er dann erst noch für sich alles beanspruchen, wenn Er erst einmal das ganze Volk von uns abspenstig gemacht hat?!
Er kann noch so viel von Liebe und Versöhnung sprechen! Entscheidend ist doch, was Er tut! Er verursacht nichts als Zwiespalt und Entzweiung! (d) Meint ihr, Er würde sich dermaleinst wirklich damit zufrieden geben, nur in geistlicher Hinsicht die Führerschaft über ganz Israel übernommen zu haben, wenn Ihm das ganze Volk erst einmal zugefallen ist?! Dann wird Er freilich auch die weltliche Macht für sich beanspruchen! Und wenn Rom Ihn dann nicht als neuen König Israels akzeptieren und einsetzen will, da es bestimmt dann auch in Ihm – mit Seinem Anspruch, der einzige, unvergleichliche Sohn des Allerhöchsten zu sein – eine ernste Gefahr sieht und sich gegen Ihn stellen wird (e), dann wird Seine vermeintliche Feindesliebe ganz bestimmt schnell ein jähes Ende finden!
Denn Er erklärt doch jetzt schon bereits, dass, wer sich gegen Ihn stellt, der würde sich gegen Gott höchstpersönlich erheben! (f) Ja! Er setzt sich doch jetzt schon bereits gleichsam an die Stelle Gottes und beansprucht für sich alles, was allein Gott gebührt, indem Er erklärt, Er wäre in ganz einzigartiger Weise Gottes eingeborener Sohn! (g) Das ist und bleibt doch ein Fanatiker, wie viel auch immer Er jetzt, im Augenblick, auch noch von Liebe reden mag!“
16-J: Besser, dieser Eine wird vernichtet, als unsere ganze Nation!
Joseph von Arimathia aber wollte einfach nicht kleinbei geben, und brachte erneut sein Haupt-Argument vor: „Und wenn die Heilungen und Freisetzungen, die Er wirkt, am Ende doch nicht Lug und Trug sind und sich in Ihm tatsächlich Gottes Kraft manifestiert und sich Gottes Macht zeigt (a) und sich in Seinem Wirken Gottes Heils- und Erlöser-Wille erweist, wie es uns doch schließlich prophezeit und verheißen worden ist?! (b) – und wenn jener am Ende tatsächlich doch der angekündigte Gesalbte Gottes und der uns gesandte Messias Gottes ist?! Wäre es da nicht nur allzu verständlich, dass sich uns dann in Ihm das Wesen und Wirken der Gottheit nochmals in einem ganz anderen, weit tieferen Licht erschließt?!“ (c)
Dann aber fuhr der Hohepriester Kaiphas wirsch in den Disput: „Ihr wisst und versteht alle miteinander überhaupt nichts! (d)
Es ist doch völlig gleichgültig, was dieser Jesus ist, ob nun tatsächlich nur ein trickreicher Scharlatan oder aber ein teuflischer Volks-Verführer, der mit den finsteren Mächten im Bunde steht und durch diabolische Kräfte der Täuschung agiert – oder aber am Ende doch tatsächlich einer der zahllosen Propheten Gottes! (e) Es ist auch völlig hinlänglich, ob Er im Grunde Seines Herzens von guter oder böser Gesinnung ist: einfach nur völlig wirr in Seinen eigenen Ansichten und Überzeugungen oder von wirklich üblen niederträchtigen Absichten bestimmt – oder ob Er wirklich am Ende irgendeine wahre, alles überbietende Erleuchtung haben sollte, die dann wahrlich unser aller Fassungsvermögen völlig übersteigen müsste, obwohl wir die Weisesten Israels sind!“ (f) – Hier erntete Kajaphas beipflichtendes Hohngelächter … – „Es spielt nicht einmal wirklich eine Rolle, für was dieser selbst sich hält oder was immer Er sogar wahrhaftig sein mag!
Entscheidend ist doch einzig und allein nur dieses EINE: für was das VOLK Ihn hält und worin Er sie durch alles, was Er sagt und tut, was immer Er damit auch beabsichtigen mag, immerfort nur ermutigt: Das Volk hält Ihn für den Messias!
Und wir müssen uns im Klaren darüber sein, wohin das zwangsläufig auf kurz oder lang führen wird: zu einem Aufstand gegen Rom, was unser ganzes Volk mit absoluter Bestimmtheit in den Ruin und in den totalen Untergang, ins völlige Verderben führen wird! – und unserer heiligen Nation den Todesstoß versetzen würde! (g) Darum muss dieser Jesus – was auch immer Er vertritt oder sei – unbedingt getötet werden und sterben!
Denn wenn das Volk in seiner wahnhaften Messias-Erwartung erst einmal in Raserei gekommen und völlig außer Rand und Band geraten ist, wird es kein Halten mehr geben! Und selbst, wenn dieser Jesus römer-freundlich eingestellt sein sollte, wird sogar auch Er das Volk nicht mehr im Zaum halten können! – insbesondere, wenn Er durch Seine neuen Lehren erst einmal uns als die Hüter Israels ausgeschaltet und alle göttliche Ordnung umgestoßen und ausgehebelt haben wird!
Dann haben wir Anarchie! Und dann wird der niedere Mob und Pöbel sich erheben! Und dann wird das Römische Imperium diese Nation knallhart und unerbittlich gänzlich zerschlagen! (h)
Darum ist es völlig, wirklich absolut unbedeutend, was von diesem Jesus für sich selbst zu halten ist! Entscheidend ist, was Er auslöst! Darum ist es in jedem Fall besser – und ja, mittlerweile unabdingbar, dass dieser eine Mensch stirbt, selbst wenn Er sogar tatsächlich der Gesandte Gottes wäre und zu Unrecht geopfert werden müsste, als dass unsere ganze Nation dem absoluten Verderben anheim-fällt und vernichtet wird!“ (i)
16-K: Eine göttliche Weissagung von einem widersetzlichen Gottlosen!
Und ohne es zu ahnen oder selbst zu verstehen, sprach Kaiphas mit dieser Bekundung prophetisch. Denn wenngleich er ein von Satan besetzter Widersacher Gottes war (a), so hatte er doch das Amt des Hohenpriesters inne und wurde deshalb durch die Heilige Ruach Gottes zu dieser Weissagung veranlasst (b).
Denn es verhielt sich ja schließlich tatsächlich so, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, als ein göttliches Sühneopferlamm geschlachtet werden musste (c), um so aller Menschen Seelen für Gott zu erkaufen (d), indem Er alle Verdammnis, welche das Gesetz für alle Gottlosen fordert, stellvertretend auf sich nahm und so alle Welt vor ihrem sicheren Verderben bewahrte (e) – und zwar nicht allein jene, die schon an Ihn glaubten, sondern wahrhaft alle! (f)
Und auch darin enthüllte die Kraft Gottes durch den prophetischen Ausspruch des Hohenpriesters eine uns alle betreffende beschämende Wahrheit (g), dass selbst, wenn Jesus von den unzähligen Massen als ihr Messias wirklich angenommen worden wäre, dies ihr Verderben nicht verhindert, sondern wohl sogar vielmehr noch befördert hätte (h), da wahrscheinlich niemand Seine wahre Sendung wirklich verstand – wie es sich schon bei den Jüngern Jesu zeigte (i), aber sich auch bei den späteren Nachfolgern Christi bis auf unsere Zeit schmerzlich bewahrheitete, dass sie sich berechtigt und berufen sahen, für die Sicherung und Verbreitung Seines Evangeliums, oder auch nur zur vermeintlichen Bewahrung ihrer eigenen freien Religionsausübung oder zur Aufrechterhaltung des Friedens in ihren Herrschaftsgebieten zu den Waffen zu greifen und Blut zu vergießen (j).
Damit verrieten und verloren all jene nämlich alles, wofür sie in völlig geistlich umnachteter, fleischlicher Gesinnung kämpften (k), da das Reich Gottes nur in der aufopferungs-bereiten göttlichen Liebe, die sogar bereit ist, sich für ihre erbittertsten Widersacher hinzugeben, aufgerichtet, wie auch bewahrt und aufrecht erhalten werden kann (l).
Aber wie viele, die sich Christen nennen, haben bis auf den heutigen Tag diese wahre Gesinnung Christi nicht wirklich verstanden, so dass sich nicht selten von je her sogar innerhalb des Christentums Gottes Kinder gegeneinander erheben und nicht davor zurück-schrecken, sich durch unlautere Worte oder Werke tödliche Wunden zuzufügen (m).
16-L: Der Beschluss war gefasst: Jesus musste sterben!
Mit dem Einwand des Hohenpriesters Joseph Quajjafa, Jesus müsse in jedem Fall ausgeschaltet werden, um einen allgemeinen Aufstand ganz Israels zu verhindern, der ein beispielloses Blutbad angerichtet hätte, war die Diskussion schließlich beendet (a).
Und Hannas, der Schwiegervater des Kaiphas, forderte: „So lasst uns also zur Abstimmung kommen. Wer pflichtet bei, dass dieser Jesus in jedem Falle dem Tode überantwortet werden muss?“ Sogleich gingen alle Hände hoch – bis auf die des Joseph von Arimathia (b), woraufhin sich schließlich auch Nikodemus dazu durchrang, Farbe zu bekennen und gegen ein Todesurteil über Jesus zu stimmen.
Folglich wurden diese beiden heimlichen Jünger Jesu überstimmt und damit unwiderruflich der Beschluss gefasst: Jesus musste sterben (c) – und zwar: je früher, umso besser!
Zu Beginn des Passah-Festes waren die meisten Rats-Mitglieder des Sanhedrin noch der Meinung, man sollte mit der Festnahme und Überführung des Nazareners vielleicht besser noch warten, bis die bereits angelaufenen hohen Feierlichkeiten in der Heiligen Stadt vorüber wären, wenn nicht mehr ganz Israel im Herzen des Landes versammelt wäre (d). Denn schließlich hätte dieser Übergriff auf Jesus auch seinerseits erst einen Aufstand auslösen können, so dass man mit Seiner Ergreifung genau das in Gang gesetzt hätte, was man doch eigentlich damit verhindern wollte (e).
Inzwischen aber hatte sich dieser Galiläer so viel herausgenommen, dass zu befürchten war, dass Er die Millionen von Menschen, die sich in Jerusalem befanden, noch derart aufpeitschen würde, dass es am Ende seine geistlichen Führer lynchen und steinigen würde (f), um sich sodann gegen die römische Besatzungsmacht zu erheben.
Denn Jesus hatte nicht nur in einem Zorn-Anfall mit Seiner Anhängerschaft im Tempel-Bezirk die Viehhändler und Geldwechsler aus dem äußeren Vorhof der Heiden hinausgetrieben (g), sondern überdies öffentlich sowohl alle Sadduzäer und Hohenpriester, als auch alle Pharisäer und Schriftgelehrten aufs Allergröbste als Heuchler verunglimpft und als Wölfe im Schafspelz, ja, als Satans-Diener beschimpft (h) und ihnen allen bereits die göttliche Vergeltung angedroht, wo dann selbst auch im Tempel kein Stein mehr auf dem anderen bleiben sollte! (i)
Und nachdem sich mittlerweile der Konflikt derart dramatisch zugespitzt hatte, dass jeden Augenblick mit einer totalen Eskalation zu rechnen war, wurde nun allen Hütern Israels klar, dass die Ergreifung dieses Aufrührers absolut keinen Aufschub mehr duldete, und, dass dieser Unruhestifter umgehend auszuschalten war, auch wenn das eigentliche Passah-Fest, an welchem die Sühneopfer im Tempel geschlachtet wurden (j), worauf sich die Tage der ungesäuerten Brote anschlossen (k), nun unmittelbar bevorstand und es nur noch zwei Tage bis zum Beginn dieser eigentlichen Feierlichkeiten waren (l).
Allerdings wusste man zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wo Jesus sich mit Seiner Gefolgschaft nachts aufzuhalten pflegte – nämlich in dem von einer Mauer umgebenen Garten Gethsemane auf dem Ölberg, welcher dem Meister von einem heimlichen Gönner regelmäßig zur Verfügung gestellt wurde, wenn Er in der Heiligen Stadt war (m).
Denn da die Heilige Ruach mit Ihren Heerscharen regelmäßig die Späher des Sanhedrins mit Blindheit schlug (n), war es dem Herrn mit den Seinigen immer wieder gelungen, in den drängenden Massen der Millionen Pilger, die sich zum Passah-Fest in der Heiligen Stadt befanden, unterzutauchen, wenn Er sich aus dem Tempel begab, wo Er sich ausschließlich der Öffentlichkeit zeigte – sehr wohl darum wissend, dass Er dort aufgrund der Unzähligen, die Ihn verehrten, nicht angreifbar war (o). Denn alle Tage machte sich schon früh am Morgen viel Volk zum Heiligtum Gottes auf, in hoffnungsvoller Erwartung, dass der Meister wieder käme und ihnen verkündigen würde (p).
Also galt es, endlich ausfindig zu machen, wohin Jesus regelmäßig für die Übernachtung unterzutauchen verstand. Denn da niemand davon wusste, konnte Er hier auch bedenkenlos heimlich, vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, festgenommen und abgeführt werden (q).