Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
IV Die Ablehnung
1: Der Tod des Täufers Johannes
1-A: Nur Ehebruch verhalf ihr doch noch zur Macht!
1-B: Sie wollte Israel doch nur von den Idumäern befreien!
1-C: Doch ihr schlimmster Kritiker verschaffte sich immernoch Gehör!
1-D: Ein besonderes Geschenk für den Antipas
1-E: Der hinterlistigen Natter in die Falle gegangen!
1-F: Der stechende Blick des abgeschlagenen Hauptes
(A)
Es war mittlerweile ein Vierteljahr vergangen, seit Herodes Antipas, der Tetrarch von Galiläa und Peräa, den Täufer Johannes in der Burgfeste Machärus hatte einkerkern lassen, da der Tauf-Prophet den doppelten Ehebruch angeprangert hatte, welcher seiner Verbindung mit seiner Nichte Herodias, der Tochter seines Halb-Bruders Aristobul, vorausging.
Diese Herodias nämlich hatte den Antipas dazu verleitet, sich von seiner Frau Phasaelis, der Tochter des arabischen Königs Aretas von Petra, zu lösen, wie sie sich auch selbst von ihrem Mann Herodes Philippos getrennt hatte, welcher ebenfalls ein Onkel und Halb-Bruder ihres Vaters Aristobul war.
Denn im Gegensatz zu seinem Halb-Bruder Herodes Antipas war ihr Mann Herodes Philippos – mütterlicherseits aus dem Hause Boethos – nach dem Tod von deren gemeinsamen Vater, Herodes, dem Großen, nicht mit einem königlichen Erbe bedacht worden.
Herodias Großvater hatte das von ihm beherrschte Palästina nämlich auf nur drei seiner Söhne aufgeteilt: Herodes Antipas hatte Galiläa und Peräa erhalten, sein Bruder Herodes Archelaus aber Samaria, Judäa und Idumäa, und deren Halb-Bruder Herodes Philippus hatte Gaulanitis, Batanäa und Trachonitis erhalten.
Letzterer war aber nicht der Mann von Herodias, welcher der Sohn von der zweiten Frau von Herodes, dem Großen, war, die den Namen »Mariamne« trug, welche die Enkelin des Priesters namens Simon Ben Boethos war, den Herodes, der Große, ihretwegen zum Hohenpriester von Jerusalem ernannt hatte; sondern dieser Philippus, dem Gaulanitis, Batanäa und Trachonitis übertragen worden war, war der Sohn einer Kleopatra von Jerusalem, welche sich Herodes der Große ebenso zur Frau genommen hatte.
Und nachdem Herodes Philippos Boethos, der Mann der Herodias, mit keinem herrschaftlichen Erbe bedacht worden war, hatte seine Frau jegliches Interesse an ihm verloren. Denn sie hatte sich allein nur darum mit diesem Sohn ihres Großvaters Herodes, des Großen, vermählt, um über diese Verbindung Anteil an der Herrschaft über Israel zu erlangen.
Herodias nämlich entstammte großmütterlicherseits aus dem hohenpriesterlichen Königsgeschlecht der Hasmonäer, das über Israel geherrscht hatte, ehe die Macht über Palästina in die Hände der Herodianer gefallen war.
Und Herodias wollte diese alte makkabäische Dynastie wieder-erstehen lassen, welche den Hasmonäern durch die Herodianer entrissen worden war. Allein deshalb hatte sie sich einstmals mit ihrem Onkel Herodes Philippos Boethos vermählen lassen; und allein darum hatte sie diesem schließlich den Rücken zugekehrt und ihren Onkel Herodes Antipas zum Ehebruch verführt, weil letzterer im Gegensatz zu ihrem ersten Gemahlen mit einem Herrschaftsgebiet in Palästina betraut worden war.
(B)
Herodias ging es also einzig und allein darum, die Herrschaft über Israel wieder an das jüdische Priestergeschlecht der Hasmonäer zu bringen, dem sie entstammte, und so das Heilige Land den fremdländischen Herodianern wieder zu entreißen, die aus dem Königsgeschlecht der Idumäer hervorgegangen waren.
Idumäa, das südlich von Israel lag, war zwar einstmals durch die Hasmonäer zum jüdischen Glauben zwangsbekehrt worden; jedoch gehörten die Idumäer nicht der Nachkommenschaft des Jakob an, welcher der Stammvater der Kinder Israel war, sondern diese Edomiter waren Nachkommen des Esau, der einstmals seinen göttlichen Erstgeburtssegen verschmäht und seinem Bruder Jakob-Israel für ein Linsengericht überlassen hatte. Darum stand freilich die ganze Nachkommenschaft des Esau – im Gegensatz zu den Kindern Israels – unter dem göttlichen Fluch, weswegen diesen verfluchten Idumäern unbedingt die Herrschaft über Gottes auserwähltes Volk wieder entrissen werden musste. Allein diesem Ziel hatte sich die hasmonäische Prinzessin Herodias verschrieben, und dafür war ihr jedes Mittel recht.
(C)
Der niedere, unwissende Plebs verstand Herodias hehre Absichten freilich so wenig, wie auch jener selbst-ernannte blindwütige Tauf-Prophet Johanan, der den doppelten Ehebruch anprangerte, welchen Herodias in Kauf genommen hatte, um über ihren neuen Gemahlen Herodes Antipas wenigstens einen Teil Palästinas wieder unter ihre, und damit unter hasmonäische Herrschaft zu bringen.
Und nachdem dieser Täufer Johannes den doppelten Ehebruch, der Herodias zu einer Teil-Herrschaft über Israel verhalf, als eine schwere Sünde angeprangert hatte und dadurch den Pöbel gegen sie und ihren Gemahlen aufgebracht hatte, hatte Herodias so lange auf ihren Gatten Antipas eingewirkt, bis dieser – ungeachtet seiner Furcht vor dem Volk – jenen allgemein verehrten Mann Gottes schließlich im Verlies der Hochburg von Machärus in Peräa hatte einkerkern lassen.
Aber auch dies war der Herodias noch keineswegs genug. Denn sie hatte in Erfahrung gebracht, dass ihr Mann jedes Mal, wenn er sich in Machärus befand, heimlich diesen Mahner Gottes in seinem Kerker aufgesucht hatte, um ihn über den Ausgang seiner kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Nabatäer-König Aretas zu befragen, der sich daran entzündet hatte, dass Antipas sich von dessen Tochter Phasaelis um Herodias willen getrennt hatte.
Und jedes Mal, wenn ihr Gemahl den Tauf-Propheten aufgesucht hatte, so wurde ihr berichtet, war er zutiefst verunsichert und beunruhigt.
Ebenso war ihr überdies zugetragen worden, dass ihr Gatte es dem Täufer sogar gestattete, von seinen Propheten-Schülern in seinem Verlies aufgesucht zu werden, so dass dieser Gerichts-Prophet weiterhin Einfluss auf das ganze jüdische Volk nehmen konnte, das diesen asketischen Rufer aus der Wüste zum Teil sogar für den von Gott verheißenen Messias, den Erlöser Israels, hielt.
Denn wenngleich Antipas im Grunde seines Herzens nur sein Wohlleben mit Vergnügungen und Orgien aller Art suchte, war er doch recht abergläubisch; und er hätte es niemals gewagt, an diesen heiligen Mann Gottes Hand anzulegen, wenn Herodias ihn darin nicht so unnachgiebig bedrängt hätte.
Und nachdem selbst Herodias Gatte sich dem Einfluss dieses Propheten nicht wirklich entziehen konnte und sich am Ende von diesem vielleicht sogar noch selbst beeinflussen ließ, setzte Herodias alles daran, diesen Täufer ein für alle Mal gänzlich auszuschalten: Es genügte ihr darum nicht, dass dieser Johannes nur eingekerkert war. Er musste unbedingt sterben!
(D)
Darum ersann sich die Herodias eine List, wie sie ihren leichtlebigen Gemahlen doch noch in eine Zwickmühle bringen und dazu nötigen konnte, den Täufer doch noch endlich hinrichten zu lassen.
Ihr war nämlich durchaus nicht verborgen geblieben, dass ihr lüsternder Ehegatte auch auf Salome, ihre Tochter von ihrem einstigen Ehemann Philippos Boethos, seinem Halb-Bruder, ein Auge geworfen hatte. Und als Antipas anlässlich seines Geburtstages in der Burgfeste Machärus in Peräa für die mächtigsten Fürsten und wohlhabendsten Männer seines Couleurs aus ganz Galiläa ein großes Gastgelage veranstaltete, wo es alles andere als sittlich und züchtig zuging, hatte sie mit ihrer Tochter eine Intrige gesponnen, die dem gegen sie wetternden Gerichts-Propheten endlich wirklich den Kopf kosten sollte.
Auf dieser herodianischen Orgie nämlich sollte ihre Tochter Salome durch einen obszönen Tanz, splitternackt unter durchscheinenden seidenen Gewändern, all ihre Reize spielen lassen, um ihren gewohnt deftig angetrunkenen Schwiegervater ein leichtfertiges Versprechen abzuringen.
Und als Salome mit ihrer aufreizenden Darbietung ihren Schwiegervater genügend aufgegeilt hatte, trat sie mit vielsagenden Blicken ganz nah an den Antipas heran, so dass er ihren nackten Körper unter ihrem seidenen Gewand bestens erblicken konnte, und flüsterte ihm verführerisch zu: „Ich will dir gern noch weit mehr zu deinem großen Tag schenken, wenn du mir meinerseits eine einzige Bitte gewährst. Dann will ich mich mit gespreizten Beinen auf deinen Schoß setzen und dich unter mein Gewand greifen lassen, so dass du mit deinen Händen auch erfühlen darfst, was ich deinen Augen zu sehen vergönnt habe!“
Der Antipas, sturz-trunken, wie er war, sabberte vor gieriger Lust: „Alles, was du willst! Ich schwöre es bei dem Allmächtigen! Und sei es mein halbes Königreich: Du sollst es haben!“
Freilich hatte Herodes zuvor einen prüfenden Blick auf seine eigentliche Gemahlin Herodias, der Mutter von Salome, geworfen, um sich zu vergewissern, dass er damit bei ihr nicht in Ungnade fiel. Diese aber hatte ihn, hinterlistig wie eine Schlange, ermunternd zugenickt. Denn sie war schließlich an Antipas persönlich ebenso wenig wirklich interessiert, wie einst an dessen Halb-Bruder Philippus Boethos, den sie für ihn verlassen hatte. Alles, was die Herodias in dieser Beziehung anstrebte, war schließlich einzig und allein der Ausbau ihrer Macht.
Also setzte sich die splitternackte Salome mit gespreizten Beinen auf den Schoß ihres Schwiegervaters und ließ ihn im Beisein ihrer Mutter unter ihrem seidenen Gewand – selbst noch erhitzt von ihrem Tanz – an, sowie zwischen ihren Schenkeln, wie auch an ihren Brüsten Fühlung nehmen.
Antipas glaubte sich schon im siebten Himmel und konnte in seiner aufsteigenden Wollust – in Hoffnung auf noch größere Geschenke von seiner Schwiegertochter anlässlich seines Geburtstages – kaum noch an sich halten, als er sein angenommenes Kind, das so auf ihm saß und sich alles gefallen ließ, fragte: „O, Salome! Ganz die Tochter ihrer Mutter! Aber noch so unschuldig und unberührt! Was willst du von mir? Was immer es ist: Du sollst es augenblicklich erhalten!“
(E)
Da wurde er durch die Antwort der Salome aus seiner himmlischen Verzückung wie durch einen Blitzschlag regelrecht in die unterste Hölle unüberbietbarer Gewissenskonflikte gerissen: „Den Kopf des Täufers will ich! Auf einem silbernen Tablett! Hier und jetzt! Vor aller Augen! Denn ich habe dir mehr Gunst erwiesen, als sich ein Schwiegervater rechtens von seiner Schwiegertochter erwarten kann!“
Wie benebelt Antipas auch war, so wurde ihm doch durchaus bewusst, in welch intrigante Falle er da geraten war. Alle gierige Lust war sogleich in ihm erloschen. Der Strick um seinen Hals hatte sich fest zugezogen.
Ihm war freilich sofort klar, dass dies ein ausgemachtes Spiel zwischen Herodias und ihrer Tochter war. Diese satanische Schlange hatte ihn nun fest in ihrem Würgegriff, um ihm ihren tödlichen Biss zu versetzen! Und er wusste in diesem Augenblick nicht, ob er seine hinterhältige Gemahlin für ihre unüberbietbare Durchtriebenheit hassen oder lieben sollte. Sie schaffte es doch tatsächlich immer wieder, am Ende doch noch durchzusetzen und zu bekommen, was sie wollte! Und wie oft schon hatte sie von ihm das Haupt des Täufers verlangt!
Bislang hatte der Antipas sich ihrer Nötigung noch immer entwinden können. Aber dieses Mal – und das an seinem Geburtstag! – hatte sie ihn offensichtlich doch noch zu fassen bekommen!
„Ja, Salome! Alles!“, stotterte der Antipas, nach Atem ringend: „Alles, was du willst, Salome, sollst du bekommen! Aber doch nicht das Haupt und Leben eines Heiligen Gottes!“
„Ein Heiliger Gottes?!“, fuhr seine Schwiegertochter ihn da entrüstet an und löste sich sofort aus seinem Griff und verließ seinen Schoß: „Wie dieser verruchte Ungeziefer-Fresser in Kamelhaaren ständig meine Mutter in ihrer Würde verletzt, ist dir wohl völlig gleichgültig und egal?!
Ich weiß garnicht, was mich veranlasst hat, dir hier nun zu deiner Erfreuung solche Zugeständnisse zuzubilligen, wo du es zulässt, dass dieser Satan selbst noch aus dem Kerker heraus den lauteren Namen meiner Mutter beschmutzt!
Ich will den Kopf dieses Scheusals! Und zwar hier und jetzt!“
„Aber Salome! So höre doch!“, rang der Antipas um Atem.
„Du hast es versprochen!“, fuhr ihm da seine Gattin Herodias in die Parade, die dabei unversehens aufgesprungen war, um ihrer Entgegnung vor allen geladenen Großen Galiläas gebührendes Gewicht zu verleihen: „Sollten denn all deine Gäste heute den Eindruck gewinnen, dass das Wort des Herodes, des eigentlichen Herrschers von ganz Israel und des einzig rechten Thron-Erbens seines ruhmreichen Vaters, nichts gilt, weil dieser anscheinend keinerlei Ehrgefühl und Mumm besitzt, dass er sich lieber angst-besetzt seinen Namen von einer Gift-spritzenden, Heuschrecken-fressenden Viper aus der Wüste anhaltend verunglimpfen lässt, als seiner eigenen Tochter ein unter Eid gegebenes Versprechen einzulösen?!
Den Kopf des Herodes! Das ist es, was meine Tochter sich von dir erbeten hat! Und du hast vor allen Anwesenden hier beim Höchsten Israels geschworen, ihr jede Bitte zu erfüllen, was auch immer sie will!
Wenn du nun wortbrüchig wirst: Wer wird dann je noch irgendetwas auf ein Versprechen von dir geben?! Man wird vielmehr ausspucken vor dir und erklären: »Der Antipas kennt wahrlich keinerlei Ehre! Und da er selbst es schon längst weiß, schont er sogar den, der im Namen Gottes Gericht über ihn herab-wünscht!«
Darum ermanne dich nun endlich! Dir DAZU zu VERHELFEN: DAS ist nämlich mein und meiner Tochter eigentliches Geburtstagsgeschenk für dich! Schaff deinem Namen endlich wieder Ehre, dass du diesen Aasfresser unter deinen Zehen zertrittst, der immerfort deinem Namen lästert, und stelle damit zugleich unter Beweis, was dein Wort gilt. Dann wird es wahrlich niemand mehr wagen, dich jemals mehr in Frage zu stellen!“
(F)
So hatte die Herodias es tatsächlich geschafft! Sie hatte ihn, den Antipas, hinterhältig überlistet; und ihr gelang es überdies auch noch, dies vor aller Welt so erscheinen zu lassen, als hätte sie ihn in seinem Herrschaftsanspruch auf ganz Israel unterstützen wollen und sich für seine Ehrenrettung, die ihr mehr zu bedeuten schien, als ihm selbst, eingesetzt.
„So sei es denn!“, gab Herodes sich, unter austretenden Schweißperlen auf seiner Stirn, geschlagen; und es fühlte sich für ihn an, als hätte er damit endgültig seine Seele an den Teufel verkauft und dadurch das schon längst überfällige göttliche Gericht unabwendbar über sich herauf-beschworen, da er nun auch noch einen Heiligen Gottes, der seine Gesetzes-Übertretungen doch eigentlich ganz zu Recht angeprangert hatte, auch noch töten ließ und dieses schändliche Vergehen überdies noch auf derart widerwärtige Weise krönte, dass er sich das Haupt des Täufers auf einem silbernen Tablett servieren ließ!
So hatte seine Gattin Herodias ihren Willen am Ende doch noch durchgesetzt: Wenig später wurde zur allgemeinen Belustigung das aschfahle Haupt des Tauf-Propheten, mit offenem Mund und aufgerissenen Augen, auf einem silbernen Tablett serviert und in der Mitte des Saales auf der Tafel drapiert, von der sich die Gäste des Herodes von dessen Bediensteten Speisen zutragen ließen.
Herodes befahl schließlich, dass das Tablett mit dem Haupt des Täufers gewendet würde, damit ihn die stechenden totenstarren Augen des Tauf-Propheten nicht länger anstarren konnten. Doch wurde er bis zu seinem Lebensende in der Verbannung von diesem Anblick des göttlichen Gerichts-Propheten verfolgt.
Die Jünger des Johannes aber, die sich allezeit in der Nähe ihres Meisters bei der Burgfeste Machärus aufhielten, erfuhren schließlich, dass der Täufer enthauptet worden war. Immerhin wurde ihnen der Leichnam des Johannes überlassen, so dass sie ihn begraben konnten. Über den Verbleib seines Hauptes aber erfuhren sie nichts.