Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
IV Die Ablehnung
(A)
Noch am Abend des selben Tages, als es zwischen Jesus und Seinen Brüdern zum Zerwürfnis gekommen war, weil der Rabbi sich von Seinem ältesten Bruder nicht den Mund hatte verbieten lassen – nämlich von Jakobus, der nach dem Tod ihres Vaters Joseph das neue Familienoberhaupt ihres Hauses geworden war, – noch am selben Abend dieses Tages sprach der Meister zu Seinen zwölf nächststehenden Jüngern, die Er sich zu Seinen Aposteln erwählt hatte: „Lasst uns über den See Genezareth hinüber fahren nach Gaulanitis. Denn wir müssen Galiläa für eine Weile verlassen.“
Also ließen sie alles Volk, das Seinetwegen in Kapernaum versammelt war, sowie Jesu weitreichendere Jüngerschaft zurück, um noch vor Einbruch der Nacht in der Abenddämmerung über den See Tiberias ans jenseitige Ufer zu segeln. Es gab aber einige, die sich nicht abwimmeln lassen wollten und ihrerseits in Boote stiegen, um ihnen über die Wasser zu folgen.
Der Meister hatte Seinen zwölf Aposteln zwar keinen Grund genannt, warum Er mit ihnen so unvermittelt über das galiläische Meer in die Fremde übersetzten wollte, doch war die Veranlassung dafür nur zu offensichtlich: Von Zebedäus, dem Vater von Johannes und Jakobus, der die Brüder Jesu bewirtet hatte, bis Sein Neffe kam, sowie von Jesu Mutter Maria hatten sie erfahren, dass Herodes Antipas nach Jesus suchen ließ und Ihn ergreifen lassen wollte, weil dieser Ihn für den von den Toten wieder-auferstandenen Täufer Johannes hielt, den jener hatte enthaupten lassen.
Dies war schließlich auch der Grund gewesen, weswegen es Jesu ältester Bruder Jakobus ihrem Rabbi untersagen wollte, weiter öffentlich Sein Evangelium zu verkündigen, was schließlich zum Bruch zwischen ihrem Meister und Seiner Familie, den Söhnen und Töchtern Seines Zieh-Vaters Joseph, geführt hatte; und es war überdies gut denkbar, dass die Späher des Herodes den Halb-Brüdern Jesu heimlich nach Kapernaum gefolgt waren – in der nahe-liegenden Erwartung, dass diese bestimmt ihren Bruder aufsuchen würden, um diesen vor ihnen zu warnen.
Aber wenn nun überall in Galiläa nach ihrem Meister gesucht wurde: Wie sollte es dann jetzt mit Seiner Verkündigung vom Reich Gottes weitergehen? Wollte ihr Rabbi sich nun am Ende gänzlich ins Ausland zu den gottlosen Heiden absetzen? Aber was sollte das?! – war Er doch der verheißene Erlöser für Israel!
Und war nicht überdies zu befürchten, dass Herodes Philippus, dem unter anderem das östlich des Sees gelegene Gebiet von Gaulanitis unterstand, wohin sie nun segelten, es seinem Bruder Antipas gestatten würde, auch in seinem Hoheitsgebiet nach ihrem Meister suchen zu lassen? – zumal jener Philippus mit Salome, der Tochter von Herodias, der Frau des Antipas, vermählt war!
Und was würde sie in diesem jenseitigen Landstrich erwarten?! Zwar gehörte das Herrschaftsgebiet des Tetrarchen Philippus offiziell auch noch dem Heiligen Land Israel an, doch war diese Region – dessen ungeachtet – hauptsächlich von blutigen unbeschnittenen Heiden besiedelt, deren Verwerflichkeit sich nicht allein daran zeigte, dass sie andere Gottheiten anbeteten und verehrten, sondern überdies den Verzehr von Gräuelsuppen und Schweinefleisch genossen. Entsprechend galt jenes abgelegene Gebiet von Gaulanitis, ebenso wie das heidnische »Zehn-Stätte-Gebiet« »Dekapolis«, allen frommen Juden bereits als ein vom Satan und seinen Dämonen besetztes, zu fürchtendes und zu meidendes düsteres Land.
(B)
Folglich quälten sich Jesu Jünger auf der Überfahrt mit den Gedanken, was sie in jener Region der Finsternis zu erwarten hatte, und, wie es überhaupt mit ihrem Meister und mit Seiner Mission, die doch ausschließlich dem Heiligen Land galt, wie auch mit ihnen selbst als Seinen Gefolgsleuten weiter gehen sollte.
Ihren Rabbi schienen all diese Fragen jedoch nicht im Mindesten zu beschäftigen oder gar zu belasten! Er legte eine heitere Gelassenheit an den Tag, als ob alles in bester Ordnung wäre! Ja, Er erklärte überdies, Er wolle sich während der Überfahrt etwas erholen, und legte sich im Heck des Bootes nieder, um dort zu schlafen!
Gewiss! Er hatte angesichts der vielen Menschenmassen, die Ihn anhaltend in Beschlag genommen hatten, schon lange nicht mehr richtig zur Ruhe kommen können! Aber angesichts der prekären Lage, in der sie sich durch Herodes Antipas befanden: Wie war da an Schlaf überhaupt zu denken?! Ja, wie war es angesichts solch bedrückender Fragen ihrem Meister überhaupt möglich, da schlafen zu können und ins Reich seliger Träume hinüber-gleiten zu können?
(C)
All diese unablässig bohrenden Fragen beschäftigten also die zwölf nächsten Jünger Jesu auf dem Boot, dass sie es überhaupt nicht fassen konnten, wie ihr Meister in solch einer verzweifelten Situation schlafen oder überhaupt nur Schlaf finden konnte, zumal Er sich überdies mit Seinen nächsten Anverwandten überworfen hatte!
Und, als hätte das Wetter ihre Stimmung aufgegriffen, zog dann, als sie sich mit ihrem Boot mitten auf dem galiläischen Meer befanden, auch noch ein gewaltiger Sturm, ja, ein regelrechter Orkan unglaublichen Ausmaßes auf.
Weil der See Genezareth nämlich besonders an seiner Ostseite von vielem Steilhängen umgeben war, konnten sich Unwetter auf dem galiläischen Meer ungemein hochpeitschen, da weder Wind, noch Wellen am Ost-Ufer auslaufen konnten, sondern sich dort, zurück in die See geworfen, nochmals ungemein verstärkten. So konnte auf dem See Tiberias urplötzlich ein gewaltiger Orkan von allerschlimmster Gewalt entstehen und losbrechen, dem jedes Boot auf dem galiläischen Meer dann gänzlich unvermittelt hoffnungslos in haushohen Wellen ausgeliefert war.
Simon Petrus und sein Bruder Andreas hatten durch solch einen völlig überraschenden Sturm bereits ihren Vater verloren, und jeder Fischer am See Genezareth fürchtete sich vor dem plötzlichen, unvermittelten Aufkommen eines solchen Ungewitters.
Und, als ob es nicht genug war, dass sie inwendig schon derart angefochten waren, wurden sie nun auch noch zusätzlich urplötzlich von solch einem lebensbedrohlichen Sturm heimgesucht und bedrängt: Der eben noch sternenklare, glutrot-violette Abend-Himmel verdunkelte sich schlagartig unter den aufziehenden tiefschwarzen Gewitterwolken, die Wasser unter ihnen begannen zu brodeln, wie in einem kochenden Hexen-Kessel, um bald darauf in haushohen Wellen ihr Boot wie eine winzige Nussschale in die Höhe zu heben, um es alsdann mit sich in die Tiefe zu reißen.
(D)
Obwohl alle Fischer auf dem Boot schon manche heftige Stürme erlebt und ausgestanden hatten: Einen Ansturm dieser Art hatten sie alle noch nicht erlebt, so dass selbst die Erfahrensten unter ihnen in Todesangst aufgelöst schrien, wie kleine Kinder!
Unmengen von Regen und brechenden Wellen peitschten ihnen ins Gesicht, und ihr Boot begann sich, trotz allem vergeblichen Ausschöpfens, bedenklich mehr und mehr mit Wasser zu füllen. Und ihnen allen wurde klar: Ihr Kentern und Ersäuft-Werden von diesem unvergleichlichen, geradezu dämonischen Orkan stand ihnen unmittelbar bevor!
Ein Blick auf ihren Meister verriet ihnen jedoch: Jesus schlief noch immer seelenruhig, als würden sie eine gemütliche Spazierfahrt bei hell-lichtem Sonnenschein unter klarstem Himmel über den See Genezareth machen!
War Er wirklich so maßlos erschöpft, dass Er derart in Tiefschlaf gesunken war, um von all dem, was sie ereilt hatte, nichts mitzubekommen? Aber Er war doch der Gesalbteste unter allen Propheten Gottes! Wie konnte es da sein, dass Er angesichts der Gefahr, in der sie alle sich befanden, nicht von der Heiligen Ruach Gottes aufgeschreckt und geweckt wurde?!
Und wenn Er, als der auserlesenste Gesandte Gottes am Ende sehr wohl um ihre aussichtslose Lage wusste:; Wie konnte Ihn das alles so gänzlich kalt und ungerührt lassen, in was für eine lebensbedrohliche Notsituation sie alle gekommen waren, dass Er so seelenruhig weiterschlafen konnte, als läge überhaupt nichts vor, was Grund zu Furcht und Zittern oder aber Anlass zum Eingreifen geben könnte!
So war Simon Petrus schon regelrecht erbost, dass dies alles offensichtlich ihren Meister so gänzlich kalt und ungerührt ließ, als ginge Ihn dass alles überhaupt nichts an, oder aber, dass Er tatsächlich – in solch einen Tiefschlaf gefallen – von all dem, womit sie – um ihre nackte Haut kämpfend – zu schaffen hatten und welchen Stürmen sie da mit einem Mal ausgesetzt waren, überhaupt nichts mitbekam. Wie konnte der Messias Gottes, ja, Gott selbst, da seelenruhig schlafen, während sie in solch eine verzweifelte Notlage kamen und schon den Tod vor Augen hatten?!
So kämpfte Kephas sich im wütenden Sturm zum Heck des Schiffes vor, wo sein Meister schlief, um schließlich, nachdem ihr Boot erneut von einer heftigen Woge erfasst wurde, auf ihn geworfen zu werden; und er schüttelte seinen Rabbi energisch, ja, schlug Ihm sogar ins Gesicht, um Ihn endlich wach zu bekommen, und schrie in heller Panik: „Rabbi! Meister! Wie kannst Du noch so seelenruhig schlafen?! Kümmert es Dich denn überhaupt nicht, dass wir umkommen?! Willst Du denn nichts tun, um uns vor dem sicheren Untergang zu bewahren?!“
(E)
Jesus schien garnicht so tief zu schlafen, wie es den Anschein hatte; denn Er war sogleich hellwach und wirkte nicht wie jemand, der – aus dem Tiefschlaf gerissen – sich erst einmal wieder fassen und sich der gegebenen Umstände gewahr-werden musste.
Dennoch blieb Er von dem sie von allen Seiten angreifenden Ungestüm völlig unbeeindruckt, als hätte dies Ihn auch nicht im Mindesten um Seinen Schlaf bringen können, sondern tadelte vielmehr Seine Gefährten: „Aber Meine lieben Kleinen! Ach, ihr Klein-Gläubigen! Warum seid ihr nur so furchtsam?! Habt ihr denn keinerlei Vertrauen?!“
Sodann erhob Er sich – sogar leicht genervt wirkend, wegen solch einer Lappalie geweckt worden zu sein, – wendete sich von ihnen um zu dem sie umgebenden, übermannenden, alles zu verschlingen drohenden Ungestüm der Naturgewalten, hob Seine Rechte und bedrohte den Sturm-Orkan, sowie das wütende, tosende Meer mit dem machtvollen Ausruf: „Schweig´ still und verstumme! Bis hierher und nicht weiter! Hier soll aufhören der Stolz deiner Wellen!“
Und siehe da: Unverzüglich legte sich tatsächlich das tosende Unwetter und der Sternenhimmel klarte noch schneller wieder auf, als er sich verdunkelt hatte; und das Meer, das eben noch wie ein wütendes Ungeheuer ihr Boot in berg-hohen Wellen um sich warf und es zu verschlingen drohte, wurde völlig ruhig, wie ein ebener Spiegel; und es entstand gänzlich unvermittelt eine unglaubliche große Stille.
Daraufhin wandte sich der Meister wieder zu ihnen um und schalt sie nochmals: „Was jagt euch denn solche Furcht ein? Wo ist denn euer Glaube?!.“
Und als Er so vor ihnen stand, erfasste sie mit einem Mal ein noch unendlich tieferer Schauder, als es jener Sturm verursacht hatte, dass es ihnen beim Anblick ihres Meisters eiskalt über den Rücken lief: Denn sie alle überwältigte erstmals ein erstes wirkliches Erahnen, mit wem sie es in diesem ihren Meister in Wahrheit zu tun hatten.
Und sie sanken ehrfurchtsvoll vor Jesus auf die Knie. Denn ihnen allen ging mit einem Male auf: „Wer muss dieser sein, wenn Ihm sogar Wind und Wellen gehorchen und Seinem Gebieten untertan sein müssen?!“ Denn wer konnte dieser dann anderes sein als jener, der in ihren Psaltern besungen wurde: „Mächtigerer als alle Gewalten des tosenden Meeres mit seinen wuchtigen Brechern, ungleich machtvoller noch ist der HERR, welcher der Höchste ist, weit erhaben über wahrhaft allem! Durch Seinen Hauch wird der Himmel heiter, Seine Hand hat die schnelle Schlange durchbohrt!“