Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
IV Die Ablehnung
6: Verwerfung in Nazareth
6-A: Fürchtet euch nicht! Dort wird man Mich am wenigsten vermuten!
6-B: Gewiss! Der Nezer muss zu uns nach Nazareth!
6-C: Was?! Dieser Jesus soll der Nezer sein?!
6-D: Und warum hat sich Seine ganze Familie von Ihm distanziert?!
6-E: Wer willst Du sein?! Der Messias?! Dann beweise es!
6-F: Was wollt ihr von Mir?! Euch in eurer Anmaßung steht überhaupt nichts zu!
6-G: Da werden selbst die Heiden noch vor euch Heil erfahren!
6-H: Entsetzensschreie!
(A)
Nachdem Jesus von Gaulanitis nach Galiläa zurück-gekehrt war, begab Er sich mit Seinen Jüngern in Sein Heimat-Dorf Nazareth, wo Er im Haus des Joseph unter dessen Söhnen aufgewachsen war.
Diese Halb-Brüder Jesu waren weit älter als Er – ja sogar älter, als Seine Mutter Maria. Denn sie waren die Kinder von Josephs ersten Frau, die bereits verstorben war, als ihr Vater aufgefordert worden war, das junge Mädchen Maria als eine Geweihte des HERRN aus dem Tempel in sein Haus aufzunehmen, um über ihre Keuschheit und Unschuld zu wachen, wie ein Vater.
Als Maria dann aber aus dem Schoß der Heiligen Ruach empfangen hatte und schwanger geworden war, hatte der Witwer Joseph die seiner Obhut anvertraute Maria zur Frau genommen und damit den Knaben, den sie schließlich gebar, als seinen Sohn angenommen.
So war Jesus im Kreis Seiner Halb-Brüder aufgewachsen, die nach dem Tod ihres Vaters unter der Leitung ihres Ältesten, des Jakobus, den Zimmermanns-Betrieb fortführten, in dem auch Jesus unter ihrer Anleitung im Schreiner-Handwerk ausgebildet worden war.
Als Jesus schließlich – vom Geist Gottes gedrängt – begann, im ganzen Heiligen Land das Reich Gottes zu verkündigen, wurde Kapernaum, das Fischerdorf am See Genezareth, zu Seinem neuen Stammsitz, da hier einige Seiner Anhänger wohnten, die als Erste zu Seinen vertrautesten Jüngern wurden – insbesondere Johannes und Jakobus, die Söhne des Fischerei-Inhabers Zebedäus, welche Jesu Vettern waren, da ihre Mutter, Salome, die jüngere Schwester von Jesu Mutter Maria war.
Nachdem dann aber Herodes Antipas begonnen hatte, nach dem Meister fahnden zu lassen, da der Tetrarch Ihn für den wieder-erstandenen Täufer Johannes hielt, den der Vierfürst hatte enthaupten lassen, war die ganze Sippschaft Jesu von Nazareth nach Kapernaum gezogen, um den Rabbi davon abzubringen, weiterhin öffentlich aufzutreten, weil sie fürchteten, Er würde damit nicht nur sich selbst, sondern ihr ganzes Haus in Gefahr bringen.
Da Jesus sich aber nicht den Mund verbieten ließ, war es zu einem Bruch mit Seinen Halb-Brüdern und dessen Familien gekommen; und Maria, die bis dahin noch im Haus ihres verstorbenen Mannes Joseph im Kreis seiner Söhne und Töchter in Nazareth gelebt hatte, schloss sich schließlich ihrem Sohn an und wohnte hinfort, ebenso wie Jesus, in Kapernaum im Haus des Zebedäus bei ihrer Schwester Salome.
Unmittelbar nach diesem Zerwürfnis hatte Jesus sich mit Seinen Jüngern über das galiläische Meer nach Gaulanitis abgesetzt, um den Spähern des Herodes Antipas zu entgehen, da die Gebiete östlich des Sees Genezareth dem milden Regenten Philippus unterstanden.
Weil der Meister dort aber nicht aufgenommen worden war, war Er mit Seinen Zwölfen bei Magdala wieder nach Galiläa zurück-gekehrt. Und nun wollte Er sich mit Seiner Anhängerschaft nach Nazareth begeben, um von einigen Seiner Jünger aus dem Haus Josephs die Habseligkeiten Seiner Mutter holen zu lassen, da diese nun zu Ihm nach Kapernaum gezogen war.
„Meinst Du nicht, das ist zu gefährlich, nun nach Nazareth zu ziehen?“, fragte da Jakobus Bar Zebedäus seinen Rabbi, „wo nach dem Bericht Deiner Brüder Herodes schon in Deinem Heimatdorf nach Dir suchen ließ!“
„Eben darum haben wir dort im Augenblick am wenigsten von dem Antipas zu befürchten“, erwiderte der Meister: „Denn nachdem dieser Fuchs dort schon nach Mir vergeblich suchen ließ, wird er am allerwenigsten vermuten, dass Ich ausgerechnet dorthin zurück-kehren würde.“
Und der Herr beschwichtigte Seine Gefolgsleute: „Fürchtet euch nicht! Wohin Ich auch immer gehe, dorthin werde Ich geleitet durch die Heilige Ruach Meines Abbas, die über Mich, wie über uns alle wacht.“
(B)
Als nun Jesus mit Seiner Anhängerschaft nach Nazareth kam, traten sogleich einige angesehene Bürger mit der Bitte an Ihn heran, ob Er nicht nach Seiner Gewohnheit auch in ihrer Synagoge Sein Evangelium verkündigen wolle. Denn es war Sabbat, und die Kunde von Ihm und Seinen großartigen Macht-Erweisen erschallte bereits im gesamten Heiligen Land.
Deshalb fragte man sich auch in Nazareth, ob Er nicht der Messias sein könnte, auf den ganz Israel wartete. Denn von dieser Hoffnung auf den Retter Israels war insbesondere auch ganz Nazareth bestimmt.
Dieser Weiler war nämlich eine Ansiedlung von Daviden, aus dem einstigen Königsgeschlecht des David. Darum hatten sie ihrem Ort auch den Namen »Nazareth« gegeben, als sie sich dort nach ihrer Rückkehr aus dem babylonischen Exil angesiedelt hatten. »Nazareth« bedeutete nämlich »Spross-Dorf« und war Ausdruck ihrer Hoffnung, dass dermaleinst der »Nezer«, der »Spross Isais«, aus ihrer Mitte erstehen würde, unter dem ganz Israel wieder aufblühen und sprossen sollte. Isai, der Vater des einstigen großen Königs David, war nämlich ihrer aller Stammvater; und aus seinem Geschlecht sollte nach den Weissagungen der Propheten einstmals der »Sohn Davids« als der Erlöser Israels hervorgehen, unter dem die glorreiche Königsherrschaft des David wieder-erstehen und Israel zur Weltmacht kommen sollte.
Nach allem, was die Nazarener nun von Jesus schon gehört hatten, hofften sie, Er könne der Messias aus ihrem Geschlecht sein, und sie meinten, Er habe sie vielleicht aufgesucht, um sich mit all Seinen Stammesbrüdern zu beraten, wie sie gemeinsam die Regentschaft über Israel wieder an sich bringen und die davidische Dynastie wieder aufrichten könnten.
Denn nachdem sie alle dem altehrwürdigen, einstigen Königsgeschlecht des David entstammten, waren sie felsenfest davon überzeugt, auch einstmals mit dem Messias aus ihren eigenen Reihen über Israel und die ganze Welt herrschen zu dürfen. Schließlich stand es für sie außer Frage, dass jener Jesus, von dem sie nichts Näheres wussten, wenn Er denn tatsächlich der Messias war, in jedem Fall ein Davide sein musste, der aus einer ihrer vielen Niederlassungen im ganzen Land entstammen musste.
Es gab nämlich noch einige andere Ansiedlungen von Daviden im Heiligen Land – wie etwa das Dorf »Kochaba« in Batanäa, das an der Pilgerstraße von Babylonien nach Jerusalem lag und mit dessen Namen, »Stern-Dorf«, sich die Hoffnung verband, es würde hier einstmals der »Stern aus Jakob« aufgehen, welcher nach der Weissagung des Wahrsagers Bileam vom Euphrat der Zepter-Führer über die ganze Welt werden sollte, oder aber auch Bethlehem, das Dorf, in welchem der einstige König David geboren und aufgewachsen war und aus welchen nach einer Vorhersage des Propheten Micha einstmals der hervorgehen sollte, dessen Ursprünge bis in die Urzeit reichen sollten, ja, sogar darüber hinaus aus allen Ewigkeiten her.
Was die Nazarener zu diesem Zeitpunkt nämlich noch nicht wussten, war, dass dieser Jesus, von dem ganz Israel sprach, in ihrer Mitte selbst aufgewachsen war, und, dass sich damit in Ihm tatsächlich all ihre Hoffnungen erfüllten, der »Nezer«, der »Spross Isais«, unter dem dermaleinst alles wieder sprossen sollte, könnte einstmals aus ihrem »Nazareth«, ihrem »Spross-Dorf«, hervor-sprossen.
(C)
Folglich hätte dies ihre Hoffnungen doch eigentlich ungemein bestärken und beflügeln müssen, als Er in ihrer Synagoge in ihre Mitte trat und sie erkannten, dass der große Prophet, der in ganz Israel von sich reden machte, jener Jesus war, der unter ihnen selbst aufgewachsen und in Nazareth erzogen worden war.
Doch überraschender Weise war genau das Gegenteil der Fall: Denn sie wussten von Ihm, dass Er bis zu Seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr unter ihnen ein scheinbar völlig bedeutungsloses Dasein im Zimmermanns-Betrieb Seines Vaters geführt hatte und schlicht und ergreifend nur Sein Schreiner-Handwerk ausgeübt hatte, ohne in irgendeiner Weise besonders auffällig gewesen zu sein. Manche von ihnen hatten sogar Möbelstücke, die einstmals von Ihm gezimmert worden waren!
Als nun Jesus in ihrer Synagoge in ihre Mitte trat, da ging ein ungläubiges Raunen durch ihre Versammlung: „Ist das nicht der Zimmermann aus der Schreinerei des Jakobus, ein Sohn des Joseph, von dessen zweiten Frau, der Maria? Denn Seine Halb-Brüder, den Jakobus und den Joses und Judas und Simon, wie auch Seine Schwestern hatte der Witwer Joseph schließlich aus seiner ersten Ehe.
Und DAS soll der große Prophet sein, der überall von sich reden macht, weil Er in einer Weisheit und Vollmacht predigen würde, wie man sie in ganz Israel noch nicht gehört hat, und der überdies so große Macht-Taten vollbringen soll, wie sie allein der Messias wirken könne?!
Wie sollte DER DA zu dem allen gekommen sein?! Das kann doch unmöglich dieser Jesus sein, der unter uns völlig unauffällig aufgewachsen ist, ohne dass uns an Ihm je irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen wäre!“
Und sogleich wurde auch gemunkelt: „Wenn der Sohn dieser Maria überhaupt wirklich ein Sohn des Joseph ist! Denn wurde Maria nicht ursprünglich im zarten Alter von dreizehn Jahren als eine Geweihte des HERRN der Obhut des Joseph anvertraut, dass er über über ihre Jungfernschaft wachen sollte, wie ein Vater?
Und dann war der Schreiner-Meister mit einem Mal über Jahre mit ihr verschwunden und kehrte dann plötzlich mit ihr als seiner Ehefrau an seiner Seite und diesem Knaben nach Nazareth zurück!
Ob dieser Jesus also überhaupt wirklich ein Sohn von ihm ist, und nicht am Ende vielmehr der Bastard eines Heiden, der jener Jungfrau Gewalt angetan hat! Vielleicht sah sich Joseph nur in der Pflicht, Maria zu ehelichen und dieses Balg als sein Kind anzunehmen, weil er nicht ausreichend über ihre Keuschheit gewacht hat! Dann wäre dieser Jesus nicht einmal ein Sohn Davids, wenn Er dann überhaupt ein Nachkomme Israels ist!“
So befiel sie alle Zweifel und Argwohn, dass dieser einfache Zimmermann, der unter ihnen allen so viele Jahre völlig gewöhnlich gelebt hatte, nunmehr tatsächlich mit einem Mal in solch göttlicher Kraft und Vollmacht überall im Land auftreten können sollte, wie es Ihm nachgesagt wurde.
Sie waren vielmehr zutiefst enttäuscht und nahmen Anstoß daran, dass dieser gewaltige Prophet, auf welchen auch sie schon große Hoffnungen gesetzt hatten, nun schlicht und ergreifend jener völlig unbedeutende Jesus sein sollte, der als ein Schreiner-Lehrling unter ihnen ganz normal aufgewachsen war. Denn sie waren vielmehr überzeugt, Er müsse dann wohl doch – wie es Ihm manche Rabbiner nachsagten – ein Schwindler und Hochstapler sein, der – wie so viele andere zwielichtige Magier – durchs Land zog und die Menschen durch irgendwelche Gaukler-Tricks täuschte und hinters Licht führte.
Denn so ein einfacher, gewöhnlicher Mann, der sich von ihnen in nichts unterschied und über so viele Jahre mitten unter ihnen ein völlig unbedeutendes Dasein geführt hatte, konnte doch unmöglich auf einmal der Messias sein!
Und die Nazarener fragten sich, wie viel jenem am Ende von dem gutgläubigen Volk nur angedichtet worden war – in der Hoffnung, in Ihm endlich den Erlöser Israels gefunden zu haben.
(D)
Und überdies: Sprach das nicht schon Bände, dass Jakobus, der Erstgeborene des verstorbenen Joseph, dem nunmehr das ganze Haus seines Vaters unterstand und der wegen seiner tiefen Frömmigkeit und Gesetzestreue allen als ein »Zaddik«, als ein »Gerechter«, galt, sich an diesem Tage mit seiner ganzen Sippschaft von der heiligen Versammlung in der Synagoge fern gehalten hatte, wo man Jesus freudig aufgenommen und um die Verkündigung gebeten hatte? Hatte sich damit nicht die ganze Sippschaft des Joseph mit ihrem neuen Familienoberhaupt, dem ehrenwerten Jakobus, ganz augenscheinlich von Jesus, ihrem vermeintlichen Halb-Bruder, distanziert?
Als die Halb-Brüder Jesu nämlich mitbekommen hatten, dass Er in Nazareth war und ersucht worden war, in der Synagoge Seines Heimat-Dorfes zu predigen, da kamen sie geschlossen überein, dieser Versammlung fern zu bleiben; denn sie wollten weder mit Ihm, noch mit Seinen neuen provokanten Lehren in Verbindung gebracht werden und sich dadurch deutlich von Ihm abgrenzen, nachdem Er sich von ihnen nicht davon hatte abhalten lassen, Seine Verkündigung fortzusetzen.
Sie glaubten nämlich nicht an Ihn, sondern meinten, Er sei völlig von Sinnen und würde nicht nur sich, sondern auch sie alle, als Seine Angehörigen, durch Sein Wirken in Gefahr bringen, nachdem Er mittlerweile nicht nur eine Unzahl von Pharisäern gegen sich aufgebracht hatte, sondern auch schon Herodes Antipas nach Ihm suchen ließ.
(E)
Jesus war nun also in der Synagoge nach vorn getreten, um die Schrift-Lesung vorzunehmen und die Worte Gottes der Versammlung auszulegen. Da wurde Ihm eine Abschrift vom Buch des Propheten Jesaja gereicht.
Und als Er die Schriftrolle auftat, fand Er die Weissagung, in der geschrieben steht: »Der Geist des Herrn ist auf Mir, weil Er Mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; Er hat Mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie ausgelöst werden sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie von ihrer niederdrückenden Last befreit werden und wieder aufgerichtet werden sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«
Danach rollte der Meister die Schriftrolle bedächtig wieder zusammen, gab sie dem Diener der Zusammenkunft zurück und blickte um sich in die Versammlung. Alle Augen in der Synagoge schauten gebannt auf Ihn. Was würde Er ihnen nun hierzu kundtun? Denn allen war klar: Dies war eine Prophezeiung auf den Gesalbten Gottes, den Messias Israels und den verheißenen Christus aus dem Haus und Geschlecht des Königs David.
Da fing Jesus an, zu ihnen zu reden, indem Er erklärte: „Heute hat sich dieses prophetische Wort der Schrift vor euren Augen und Ohren erfüllt!“
Unvermittelt trat in der ganzen Synagoge knisternde Totenstille ein; und allen stockte der Atem: Diese Worte der Gnade beanspruchte dieser Jesus doch tatsächlich für sich! Es bestand kein Zweifel: Er hatte ihnen damit eröffnet, Er würde der »Nezer«, der »Spross Isais« und der verheißene »Sohn Davids« sein, der Israel erlösen würde!
Als sich die ersten Hörer wieder gefasst hatten, setzte sogleich ein großes Geschrei ein; und einige riefen zutiefst verärgert und erbost: „Was sagst Du da?! Der Messias willst Du sein?! Du bist doch nur ein einfacher Zimmermanns-Sohn! Wir kennen Dich schließlich! Du bist im Haus des Joseph aufgewachsen! Und nun stellst Du Dich vor uns hin und willst, dass wir Dich als den Christus Gottes anerkennen?! Dann zeige uns doch erst einmal, was Du kannst und beweise uns, dass das stimmt, was man überall von Dir erzählt und Dir an-dichtet und nachsagt!“
Und andere fielen beipflichtend mit ein: „Ja, genau! Dann wirke erst einmal unter uns die großartigen Wunder, die Du in und um Kapernaum getan haben sollst! Haben wir etwa keinen Anspruch darauf? Schließlich ist das hier Dein Heimatort! Und dann erkläre uns erst einmal, wie Du die Macht ergreifen willst, dass wir darüber befinden und urteilen können, ob wir Dich als den »Sohn Davids« überhaupt anerkennen wollen und Dich zu unserem Messias machen und erwählen wollen!“
Schließlich vermahnte der altehrwürdige Synagogen-Vorsteher die aufgebrachte Versammlung durch beschwichtigende Handbewegungen zur Ruhe und wendete sich daraufhin bedächtig an Jesus mit den Worten: „Wenn Du wirklich der Messias sein willst, der aus unserer Mitte erstehen soll, so weise Dich erst einmal unter uns aus und tue auch hier bei uns in Deiner Heimatstadt die Wunder, die man Dir nachsagt, dass Du sie angeblich tun sollst! Dann wollen wir sehen, ob Du uns von Deiner Sendung überzeugen kannst.
Und teile uns erst einmal Deine Pläne und Absichten mit, wie wir das Königtum Davids wieder in Israel errichten wollen, und, was Du mit den Römern und diesem Thronräuber Herodes zu tun gedenkst. Und wenn Du uns überzeugst, wollen wir sehen, ob wir Dich zu unserem König erwählen und erheben wollen und dich als den Messias anerkennen wollen – als den »Nezer«, der aus unserem »Nazareth« erstehen soll.
Und wenn wir zu dem Schluss kommen, dass Du der bist, der aus unserem erlauchten königlichen Geschlecht erstehen soll, dann werden wir Dir sagen, was wir von Dir erwarten und was Du für uns tun sollst.“ Da pflichteten alle dem altehrwürdigen Rabbi der Synagoge bei: „Gut gesprochen! So wollen wir es handhaben.“
In der Versammlung befanden sich zwar auch einige Älteste, die einst von Joseph, dem Zieh-Vater des Meisters, in das Geheimnis von Jesu Herkunft eingeweiht worden waren, doch sie wurden intuitiv von einer inneren Stimme angehalten, zu schweigen und stille zu halten, da sie den Zweifel und Argwohn aller Nazarener spürten und auch erkannten, in welcher Arroganz diese dem göttlichen Gesandten gegenübertraten.
Nachdem nun von der ganzen Versammlung der Beschluss gefasst worden war, Jesus einer Prüfung zu unterziehen und sodann über Seine Absichten zu befinden, richtete einer von den Rabbinern aus Nazareth an Jesus das Wort: „Man erzählt sich von Dir, Du hättest in Kapernaum einen Gelähmten geheilt. Nun, dann wollen wir Dir einen von UNSEREN Gelähmten bringen, um zu sehen, was dran ist an Deiner Behauptung, der Messias zu sein. Aber nicht einen Gichtbrüchigen, den DU Dir aussuchen könntest, um uns am Ende hinters Licht zu führen, sondern einen, den WIR für Dich aussuchen, um überprüfen zu können, was es mit Deinem Anspruch auf sich hat, der Spross Isais zu sein, unter dem alles aufsprossen soll.“
„Ja, so wollen wir es feststellen!“, riefen sogleich einige aus der Versammlung und trugen einen Gebrechlichen auf seinem Stuhl nach vorn, an welchem links und rechts Trage-Stäbe angebracht waren. Und erneut riefen einige Nazarener: „Nun denn! Dann zeige uns jetzt erst einmal, was Du wirklich kannst!“
Jesus blickte um sich, und sah in den Augen aller Nazarener nichts als Arroganz, sowie Zweifel und Unglauben, wie Argwohn und Misstrauen. Dann wandte Er sich dem greisen Gelähmten zu, den sie auf seinem Tragestuhl vor Ihn gestellt hatten, und hob Seine Rechte, um ihn anzurühren.
Als Er aber in die Augen des Gichtbrüchigen sah, hielt Er inne, als würde Er von einer inwendigen Stimme abgehalten; denn der Meister fand auch in diesem Gelähmten keinerlei Vertrauen.
Darum fragte der Rabbi ihn: „Glaubst du denn überhaupt, dass Ich dich gesund machen kann?“ Da antwortete ihm der gelähmte Nazarener: „Wenn Du mich gesund machst, dann will ich an Dich glauben.“
Da schüttelte Jesus bedauernd den Kopf: „In dieser Reihenfolge funktioniert es leider nicht.“
Nun höhnten freilich alle Bürger in der Synagoge: „Da seht ihr es, was es mit diesem Scharlatan auf sich hat! Wenn man Ihn nüchtern einer Prüfung unterzieht, fliegt Seine Täuschung sofort auf!“
Und aus der Versammlung erschallten jähzornige Rufe: „Unser Messias willst Du sein?! Was für eine blasphemische Anmaßung!“ „Hochstapler!“ „Betrüger!“ „Du falscher Christus und Prophet!“ „Von Deiner Sorte haben wir schon genug in Israel gehabt!“ „Unser Nezer willst Du sein?! Ein Dreck bist Du!“
(F)
Als Jesus aber ihren Unglauben sah, sowie ihren Stolz und ihren Hochmut, und, mit was für einer Selbstgefälligkeit sie sich anmaßten, Ihm Bedingungen zu stellen, sich ihnen auszuweisen, als wäre Er ihrer bedürftig, und nicht vielmehr sie auf Seine Huld und Gnade angewiesen, und als Er erkannte, wie sie Ihn für ihre eigenen Zwecke missbrauchen und nach ihren eigenen Vorstellungen für ihre selbstsüchtigen Ziele vereinnahmen wollten, und Ihm darüber klar wurde, dass ihnen nicht zu helfen war und Er hier auch nicht ein einziges Wunder wirken konnte, da sprach Er zu ihnen: „Freilich! Ihr werdet Mich jetzt mit dem Sprichwort verhöhnen: »Arzt! Heile Dich erst einmal selber!« »Wenn Du alle Welt erretten willst, dann rette zuerst einmal Dich selbst! Denn wie große Dinge haben wir gehört, dass sie in Kapernaum und ganz Galiläa geschehen sein sollen! Und hier sollst Du all dies nicht vollbringen können?! – unter deinen Aller-Nächsten, die doch vor allen anderen ein Anrecht auf Deine Macht-Erweise haben müssten: wir hier, in deiner eigenen Vaterstadt!«
Aber wahrlich, Ich sage euch: Genau so war es schon immer! Von je her galt ein wahrer Gottes-Prophet nirgends weniger, als in Seinem Vaterland, und hier wiederum bei seinen Verwandten und in seiner Heimatstadt! Oder welcher der Propheten vor Mir ist nicht schon in Israel zu Tode gekommen?
Und meint ihr etwa, irgendeinen besonderen Vorzug und Anspruch auf den »Spross Isais« zu haben? – dass ihr euch anmaßen dürftet, über den »Sohn Davids« verfügen zu können, wie es euch beliebt – allein, weil ihr aus dem Haus und Geschlecht des David seid!
Wahrlich, Ich sage euch: Wenngleich der »Nezer« aus »Nazareth«, der »Spross« tatsächlich aus eurem »Spross-Dorf« hervor-gesprosst ist, so habt ihr dessen ungeachtet, doch in Wahrheit keinerlei Anrecht auf Ihn! Was nämlich glaubt ihr von euch selbst, dass ihr davon überzeugt seid, irgendwelche Forderungen an den Sohn Davids stellen zu können?!
Denn auch, wenn ihr die Nachkommen des David seid, aus seinem königlichen Geblüt: Wisst ihr nicht, dass euer Stammvater den, der aus ihm kommen sollte, schon vor dessen Geburt seinen Herrn und Gott nannte, so dass David und sein ganzes Haus Ihm zu gehorchen und Seiner Weisung zu folgen hat, und nicht etwa umgekehrt!
Oder hat David etwa nicht prophezeit: »Der HERR sprach zu meinem Herrn: „Setze Dich zu Meiner Reichten, dass Ich Dir alle Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße mache!“« – weswegen er selbst schon dem Christus gehuldigt und Ihn angebetet hat mit den Worten: »Darum hat Dich, o Gott, Dein Gott, gesalbt zum Messias vor allen Deinen Gefährten!«
Und ihr meint, in eurer Vermessenheit, ihr hättet irgendein Anrecht und einen besonderen Anspruch auf den Messias Gottes, dass ihr über den, der ebenso der Sohn Gottes, wie der Sohn Davids ist, in irgendeiner Weise verfügen könntet, wie es euch beliebt, allein, nur, weil ihr dem Fleische nach aus dem Haus und Geschlecht des David seid?!
Wahrlich, Ich sage euch: Das macht euch noch lange nicht zu rechten Daviden! Darum: Zeigt vielmehr IHR MIR erst einmal, was ihr vorzuweisen habt, dass Ich über euch urteilen kann, ob ICH EUCH annehmen und aufnehmen will in das Volk, das Mir angehören darf!
Denn nicht etwa IHR seid es, die sich ihren Messias erwählen und erküren könnten, sondern vielmehr ist es der Sohn und Auserwählte Gottes, der SICH SELBST erwählt, wen immer Er will!“
So widerstand der Herr all diesen Hochmütigen; denn allein den Demütigen erweist Er Gnade – denen, die zerbrochenen Herzens und zerknirschten Geistes sind.
(G)
Und Er schalt sie: „Oder glaubt ihr allen Ernstes, nur weil ihr Nachkommen des David oder auch nur Kinder Abrahams und Israels seid, dies würde euch irgendeinen Anspruch sichern, dass der Gesandte Gottes unter euch wirken müsste oder überhaupt irgendwo im Heiligen Land?!
Ist denn der Höchste über allen allein der Gott Israels? Und nicht ebenso der Gott über alle Heiden? Freilich ist der HERR auch der Gott der Heiden – und von je her reich für alle, wo Er echten Glauben und wahrhaftiges Gottvertrauen vorfindet!
Aber, wie es Mir scheint, findet Er solchen wahren Glauben von je her mehr unter den Nationen, ja, unter den Unbeschnittenen, als wie unter Euresgleichen, die ihr euch selbstgefällig für die Gerechtesten unter allen Völkern und Geschlechtern haltet und alle anderen verachtet und verdammt!
Aber erklärt Mir doch bitte einmal dies: Wie kommt es, dass schon Elia, welcher der größte unter allen Propheten war, kein einziges Wunder wirken konnte unter diesem ach so frommen, gottergebenen, auserlesenen Volk, sondern allein unter denen, welche ihr als gottlose Heiden verdammt?!
Oder meint ihr vielleicht, es hätte in Israel nicht unzählig viele Witwen gegeben, die Gottes Aushilfe nötig gehabt hätten, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war, so dass es nicht mehr regnete und eine große Hungersnot herrschte im gesamten Heiligen Land?
Aber war der Mann Gottes zu auch nur EINER von ihnen gesandt worden? Wahrlich, Ich sage euch: Nein! Denn in ganz Israel fand sich kein wahrer Glaube! Sondern er wurde vielmehr ins gottlose Heidenland geschickt zu einer Witwe in Sarepta im Gebiet der Baals-Anbeter von Sidon! Allein dort, bei dieser Witwe, fand die Gottheit wahres Gottvertrauen und echten Glauben!
Oder meint ihr, es hätte zur Zeit des Propheten nicht auch zahllose Aussätzige in Israel gegeben? Aber kein einziger von ihnen konnte gereinigt werden, sondern allein nur jener Naäman, des aus dem heidnischen Syrien gekommen war!“
Und Jesus blickte ernst um sich und überführte sie mit den Worten: „Was also lehrt euch dies über die wahren Gesandten Gottes, ob sie es nötig haben, sich euch zu beweisen? Und was sagt dies noch vielmehr über euch selbst aus, die ihr euch für die einzig wahren Rechtgläubigen auf dem ganzen Erdenrund haltet, während euch, wie keine andere Nation auf Erden, Argwohn und Misstrauen gegenüber der wahren Natur der Gottheit bestimmt und ihr aufgrund eures Zweifels und Unglaubens mitunter am wenigsten von Ihrer Aushilfe erlebt!
Liegt es also wirklich an Mir, dass Ich Mich unter euch nicht als der erweisen kann, der euch gesandt worden ist, um euch mit allen zu erlösen, oder vielleicht vielmehr an euch selbst, die ihr euch für die Ersten von allen haltet, in Wahrheit aber die Aller-Letzten von allen seid!“
(H)
Als dies die Daviden von Nazareth hörten, gerieten sie gänzlich außer sich und fielen unvermittelt von allen Seiten über Jesus her; und sie wurden von solcher Wut erfasst, dass sie schon in der Synagoge begannen, auf den Meister einzuschlagen.
„Hinaus mit Ihm! Dieser Scharlatan und diabolische Magier ist eine Schande für unser ganzes Dorf!“, „Er lästert dem auserwählten Volk Gottes und damit Gott!“, grölten sie und schleiften Ihn aus ihrer Versammlungsstätte hinaus vor das Dorf zu der dort befindlichen Anhöhe, die sich über der Tief-Ebene von Jersreel erhob, um Ihn dort zu Tode zu lynchen und den Steilhang in die Tiefe hinunter zu stürzen.
Und das Ganze vollzog sich derart unvermittelt und schnell, dass es den zwölf Jüngern Jesu, die Ihn in Sein Heimatdorf begleitet hatten, nicht gelang, sich durch die grölende aufgebrachte Meute aller Bürger von Nazareth, die ihren Meister ergriffen hatten und aus ihrer Siedlung hinaus zerrten, durchschlagen zu können, um ihren Rabbi vor dem aufgebrachten Mob zu schützen. So mussten die zwölf Apostel mit ansehen, wie ihr Rabbi zu dem Abhang gestoßen wurde, wo Ihn die aufgebrachten Nazarener zu Tode bringen wollten.
Dann aber mit einem Mal: Entsetzensschreie! Hatten sie ihren Meister die Klippe hinuntergestoßen?! Was war passiert?!
Dann sahen sie, wie von hinten her in der Meute, die ihren Rabbi bis zur Anhöhe hinauf-gedrängt hatte, nacheinander unzählige Männer mit ihren Steinen in der Hand zu Boden sanken und wie unter unsäglichen Schmerzen aufheulten, so dass unter dem Getümmel der aufgebrachten Nazarener mit einem Mal eine Schneise entstand, durch die Jesus hindurch-schritt, als wären sie alle körperlose Wesen und nur Luft!
Da blieben auch alle anderen Bürger des Dorfes, wie vom Blitz getroffen, kreidebleich erstarrt stehen und ließen ihr Steine fallen. Ja, selbst auch von ihnen sanken manche zu Boden, als wären sie durch eine Übermacht von der Messianität Jesu überführt worden.
Jesus aber, der durch die völlig aufgelöste Menge hindurch-geschritten war, als wäre sie nichts, sprach zu Seinen Jüngern: „Lasst uns von hier weggehen und den Staub und Dreck dieses Ortes von unseren Schuhen abschütteln, ihnen zum Zeugnis und Gericht. Denn nun haben auch diese keinerlei Entschuldigung mehr! Denn es ist ihnen alles verkündigt worden; sie aber wollten es weder annehmen, noch hören.
Und darin erweisen sich diese Nachkommen Davids fürwahr als die Ersten Israels! Wenn sich dies aber schon bei den Ersten so erweist, was wird dann erst mit den Letzten werden?!“ Und der Herr wendete sich mit den Seinigen weg von Nazareth, zurück nach Kapernaum.
So konnte Jesus in Seinem Heimatort kaum irgendein Wunder tun – wegen des Unglaubens all derer, in deren Mitte Er aufgewachsen war, außer einiger weniger Kranker und Gebrechlicher, denen Er bei Seiner Ankunft in Nazareth die Hände aufgelegt hatte und sie dadurch geheilt hatte.