Syn-Evangelium
(Roman-Fassung)

Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi

VI Die Aussöhnung

43: Jesu Verhör vor Pilatus und Seine Überstellung an Herodes Antipas

43-A: Überlieferung Jesu an den Statthalter Pontius Pilatus
43-B: Dieser behauptet, der Messias zu sein, und stachelt damit alles Volk auf gegen Rom!
43-C: Er bricht den Sabbat und erklärt sich in gotteslästerlicher Weise für Gottes Sohn!
43-D: Er stürzt alle Ordnung um und provoziert dadurch einen Aufstand!
43-E: Dieser sagt, Er wäre euer König? So lasst Ihn uns würdig empfangen!
43-F: Auf diesem Hurensohn liegt schon von Geburt an ein Fluch!
43-G: Jesus ist durchaus auf ehrenwerte Weise geboren! Wir waren bei der Hochzeit Seiner Eltern Zeugen!
43-H: Diese ganze Vermählung war doch nur ein Vertuschungsversuch!
43-I: Es gibt mehrere Beweise, dass Jesus göttlicher Herkunft ist!
43-J: Gott brachte keinen Fluch über dieses Kind! Sondern vielmehr ihr habt dies versucht!
43-K: Dies sind unlautere Zeugen! Wie könnte ein Mensch göttlicher Abkunft sein?!
43-L: Die Schriften selbst bezeugen, dass der Messias Gott aus Gott ist!
43-M: Was?! Wegen Seiner Barmherzigkeit wollen sie Ihn zu Tode bringen?!
43-N: Wie könnte ich solch einen wahrhaftigen Menschen hinrichten lassen?!
43-O: Ich bin der König der Wahrheit!
43-P: Nikodemus ergreift das Wort für Jesus
43-Q: Geheilte legen Zeugnis für Jesus ab
43-R: Hörst Du nicht, was diese gegen Dich vorbringen?! Warum verteidigst Du Dich nicht?!
43-S: Was? Dieser ist ein Galiläer?! Na, dann führt Ihn zu Herodes Antipas!
43-T: Auch kein klitzekleines Wunder?! Ach! Das ist aber schade!
43-U: Da dieser ganz Israel für sich beansprucht, mag Pilatus über Ihn richten!

(A)

Und am frühen Morgen hielten alle Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und den Ältesten des Volkes sogleich eine Beratung ab und bekräftigten ihren Beschluss vom Vortag, Jesus zu Tode zu bringen. Und nachdem sie den Propheten Gottes gebunden aus dem Kerker hatten bringen lassen, stand die ganze Menge derselben auf: die Hohenpriester und die Schriftgelehrten – Hannas und Kaiphas und Semes und Dathaes, sowie Judas, Levi und Naphthali, Alexander und Jairus, und die übrigen Hohen Rats-Herren; und sie gingen hinaus und führten Ihn alle miteinander vom Haus des Kaiphas zum Prätorium, den Palast des Pontius Pilatus, welcher der Statthalter des römischen Kaisers über Judäa und Samaria war.

Als die Hohenpriester mit den Ältesten und Schriftgelehrten des Sanhedrins aber Jesus zu dem Palast des Präfekten überführt hatten, erbaten sie sich bei Pilatus eine Audienz.

Sie gingen allerdings nicht hinein in das Prätorium, damit sie sich nicht durch Berührung mit heidnischem Boden verunreinigten, weil ihr Passah-Fest anstand. Die Sadduzäer im Hohen Rat feierten nämlich erst an diesem Tag das Pessach, da sie dem Geschlecht der Priester angehörten, so dass sie sich nicht verpflichtet sahen, das Passah-Fest einen Tag vorverlegen zu müssen, wie die Pharisäer, damit der Fest-Sabbat des Pessach, der in diesen Jahr auf den regulären Sabbat fiel, auch gesondert begangen werden konnte; denn die Priester durften schließlich auch am Sabbat im Tempel ihren Dienst tun.

Da dieser Vortag zum Wochen-Sabbat für die Sadduzäer also zugleich auch der Rüsttag zu ihrem Passah-Sabbat war, so dass diese am Nachmittag dieses Tages ihre Passah-Lämmer schlachten ließen, um sie am Abend, wenn der sogenannte »große Sabbat« begann, essen zu können, darum konnten sie das Prätorium des Präfekten nicht betreten, um sich nicht vor dem Fest zu verunreinigen. Deshalb blieben sie in dem großen Empfangshof, der den Vorbau zum Palast des Statthalters bildete, und erbaten sich, dass Pilatus sich zu ihnen hinaus begeben möge. Jesus aber wurde von ihren Tempelwachen abseits von ihnen, außerhalb des Hofes wie ein Verbrecher festgehalten.

(B)

Nachdem aber dem Pilatus mitgeteilt wurde, dass er zu den Juden hinaus treten müsse, schickte er seine Standarten-Träger voraus, dass sie links und rechts von seinem Richterstuhl Aufstellung nehmen sollten, um die Entwürdigung, sich als römischer Herrscher zu den jüdischen Untergebenen hinaus begeben zu müssen, weil diese seine heidnischen Räumlichkeiten als ihrer unwürdig erachteten, in einen Triumph zu verwandeln, indem er im Gegenzug die Juden demütigte, dass sie vor den Zeichen der römischen Macht, den Adlern des Imperiums, stehen mussten.

Und nachdem seine Standarten-Träger auf dem erhöhten Empfangs-Podest links und rechts von seinem Gerichts-Thron Stellung bezogen hatten, schritt schließlich auch der Präfekt, nicht ohne seine Bittsteller gebührend warten zu lassen, würdevoll hinaus und nahm auf seinem Richterstuhl Platz, ohne ihnen einen Gruß zu entbieten. Sondern der Statthalter fragte unverwandt, gleich einem hohen Gebieter und höchstem Richter scharf seine Untergebenen: „Was ist euer Begehren?!“

Da erklärte der Hohepriester Kaiphas: „Wir bitten dich, werter Präfekt, einen schlimmen Aufrührer mit dem Tode zu verurteilen.“

Pilatus aber maßregelte sie schnippisch: „Nana! Immer langsam! Welche Anklage bringt ihr denn überhaupt gegen diesen Menschen vor?!“

Da fingen sie an, Jesus vor dem Präfekten zu verklagen, und erklärten: „Wir haben diesen Menschen als einen befunden, der unsere Nation verführt und wehrt, dem Kaiser Steuern zu geben, da Er von sich behauptet, der Christus Gottes und damit der messianische König der Juden zu sein.“

Pilatus aber durchschaute sie; denn er wusste wohl, dass das ganze jüdische Volk die Ankunft eines Messias erwartete, welcher Israel mit Macht in die Befreiung führen sollte, und dass auch die rabbinischen Schriftgelehrten diese Erwartung durchaus teilten und gegen einen solchen Gesalbten bestimmt nichts einzuwenden gehabt hätten, wenn er ihren Vorstellungen entsprochen hätte.

Dem Präfekten war aber gleichwohl auch bekannt, dass Jesus den allgemeinen Messias-Erwartungen überhaupt nicht entsprach, da Er die Juden vielmehr zur Liebe auch gegen ihre heidnischen Beherrscher, sowie zur Duldsamkeit gegenüber der römischen Besatzungsmacht aufrief. Und dass jener jüdische Rabbi nicht die Person ansah, sondern Römer, wie Juden in gleicher Weise, ohne Unterschiede zu machen, an sich heran ließ, war dem Pilatus gleichfalls schon zugetragen worden.

Weil aber Jesus deswegen sogar bei vielen aus den Juden als ein Freund der Römer in Verruf gekommen war, wusste Pilatus nicht, was er mit diesem zu schaffen hätte, auch wenn Jesus bei nicht wenigen aus dem Volk als Davidssohn und jüdischer Messias-König religiöse Verehrung genießen mochte. Denn gegen einen solchen römer-freundlichen Gott-Gesalbten hatte das Imperium bestimmt nichts einzuwenden.

Darum erwiderte Pilatus auf ihre Anschuldigungen: „Da ist mir aber etwas anderes zu Ohren gekommen! Hat jener nicht bezüglich der Steuer-Abgaben erklärt: »Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser zusteht!«? So scheint mir, dieser Mensch, was immer Er sein und für sich unter euch beanspruchen mag, zumindest kein Feind Roms und des Kaisers zu sein!“

Und der Präfekt fragte mit Scharfsinn nach: „Schließlich erwartet euer Volk doch einen geistlichen Führer von Gott, einen sogenannten Messias! Was also ist es wirklich, was ihr an DIESEM auszusetzen habt?!“

Er nämlich durchschaute sie, dass es ihnen keineswegs um den Machtanspruch des Kaisers gegenüber den Juden, sondern um ihre eigene Stellung beim Volke ging, da jener Prophet offensichtlich weniger die politische Herrschaft Roms, sondern vielmehr ihre religiöse Obrigkeit und Gerichtsbarkeit in Frage stellte.

So war Pilatus völlig klar, dass sie Jesus nicht etwa wegen der vorgegebenen politischen Befürchtungen zu ihm brachten, sondern, weil sie selbst mit Ihm uneins waren und in Ihm vielmehr eine Bedrohung ihrer eigenen Machtposition sahen.

Für Rom dagegen schien dieser weit heiden-freundlichere Gottes-Prophet aber gerade deshalb keine Gefahr zu sein! Und wenn Jesus kein Feind des Kaisers war, fielen diese Streitigkeiten, sowie das Verfahren gegen Ihn auch nicht unter seine, des Statthalters, Zuständigkeit. Ihre religions-internen Streitfragen fielen klar und eindeutig unter ihre eigene geistliche Gerichtsbarkeit, die sie sich von Rom sonst doch auch nicht hatten nehmen lassen wollen.

Nun aber sollte Rom für sie die Drecksarbeit erledigen und für sie einen unangenehmen Widersacher beiseite schaffen, der ihren Anspruch in Frage stellte!

(C)

Da erhoben sie Anklage gegen Jesus wegen vieler Punkte und sagten: „Von diesem wissen wir, dass Er der Sohn eines einfachen Zimmermanns mit Namen Joseph ist, zumindest von der Frau geboren, die jenem anvertraut worden war. Jener unbedeutende Zimmermanns-Sohn aber lästert Gott aufs Höchste, indem Er von sich selber sagt, Er sei Gottes Sohn und Messias-König!“

Pilatus aber, der ihren Vorwand durchschaute, entgegnete ihnen: „Wird denn euer Messias etwa nicht eurer religiöser Führer und der Sohn eures Gottes sein?!”

Die Rabbiner aber antworteten ihm nicht darauf, sondern fuhren fort: „Siehe, wir halten das Volk zusammen unter unserem Gesetz, indem wir lehren, dass erst, wenn alle den Sabbat halten, auch der verheißene Messias kommt. Jener aber entweiht den Sabbat und will damit unser väterliches Gesetz auflösen!“

Da fragte Pilatus: „Was ist´s denn konkret, was Er wider euren Sabbat tut und womit Er euer göttliches Gesetz auflösen will?!“

Die Pharisäer aber erklärten: „Unser Gesetz verbietet es, am Sabbat irgendwelche Arbeiten zu verrichten. Und diese göttliche Weisung verbietet es darum auch, irgend jemanden am Sabbat zu heilen. Dieser aber hat Gelähmte und Verkrümmte und Verdorrte und Blinde und Gichtbrüchige und Dämonenbesessene am Sabbat geheilt mit üblen Praktiken.“

Da verwunderte sich Pilatus: „Was könnte eurem Gott daran missfallen, wenn jemand eure Kranken heilt?! Wie können das denn üble Praktiken sein?!“

Sie aber erwiderten ihm: „Weil Er dies am Sabbat tut, an dem man solches nicht tun darf! Sind sechs Tage, die Gott für die Arbeit erschaffen hat, dafür nicht genug?! Muss solches ausgerechnet am Sabbat geschehen?! Er aber tut solches vorzugsweise bewusst provozierend gerade am Sabbat, wo Er Seine neuen Lehren in den Synagogen in ganz Israel verbreitet und so alle von Mose, der uns Gottes Gesetz gegeben hat, abspenstig macht!

Daran erkennen wir, dass Er ein Verführer und böser Zauberer ist, der mit dem Satan im Bunde steht und der mit dem Beelzebub, dem Anführer der Dämonen, die bösen Geister austreibt. Und wegen dieser vermeintlich göttlichen Krafterweise fällt diesem Menschen der Gesetzlosigkeit das einfache, unkundige Volk zu, und Er macht sie sich so durch üble Praktiken gefügig und allesamt untertan und lehrt sie den Abfall von unseren Gesetzen und von den Überlieferungen unserer Väter!

Pilatus aber fragte unverständig: „Wer kann denn Krankheiten durch böse Geister und üble Dämonen heilen?! Geschieht solches nicht vielmehr in der Kraft des Gottes Asklepios?!“

Asklepios, einer von den Göttern der Griechen, war nämlich auch unter den Römern wegen seiner Heilkraft als gütige Gottheit hochbeliebt. Er galt als der Sohn des Licht-Gottes Apollon und der thessalischen Fürstentochter Koronis und soll als Wunderheiler durch die Lande gezogen sein, wie es nun auch von Jesus berichtet wurde.

Ja, jener Asklepios soll sogar auch einen Toten wieder zum Leben erweckt haben, wofür aber das Hades, das Totenreich, im Gegenzug sein eigenes Leben im Götterrat einforderte, so dass der Gottes-Sohn Asklepios um den Preis seines eigenen Lebens einem Toten das Leben geschenkt hatte. Dafür wurde er von den Griechen und Römern als ein rechter Sohn der Götter verehrt.

Denn man glaubte, dass Asklepios für seine Heilstaten zum Gott erhoben wurde und nunmehr aus den Götterhimmeln Heilungen bewirkte. Der göttliche Asklepios war also in gewisser Hinsicht sogar auch schon eine gewisse prophetische Vorschattung Christi unter den Heiden, so, wie die Propheten in Israel mit ihren Lebens-Schicksalen in gar mancher Hinsicht schon das Geschick des Sohnes Gottes vor-abbildeten.

Und Pilatus, dessen Frau dem Glauben der Juden sehr zugetan war, sprach zu ihnen: „Hat nicht selbst euer eigener großer Prophet Mose schon in der Kraft des Asklepios gewirkt? Denn auch er hatte einen Äskylap-Stab, um den sich eine Schlange wand, welcher Heilung von Krankheiten bewirkte. Wenn nun schon euer eigener Prophet solche Wunder tat, wie einst Asklepios, was sollte dann Rom dagegen einzuwenden haben, wenn nun auch unter euch ein Sohn der Götter mit göttlichen Heilkräften auftritt, wie es unter uns der Asklepios tat? – zumal jener auch ein Freund der Heiden und Römer ist!“

Da ergrimmten die Pharisäer und erklärten: „Genau eben deswegen! Weil dies heidnische Praktiken und Vorstellungen sind, welche jener unter uns einführen will! Wir aber haben keinen anderen Gott als den Gott des Mose allein!“

(D)

Pilatus aber wies sie zurück: „Was aber habe dann ICH damit zu schaffen?! Wenn er wider EUER religiöses Gesetz gehandelt hat, so nehmt IHR Ihn und richtet ihm nach EUREM göttlichen Gesetz!“

Sie aber wollten nicht, dass Jesu Blut an ihren Händen kleben würde; sie fürchteten sich nämlich insgeheim, sich dadurch den Zorn des ganzen Volkes zuzuziehen; darum wollten sie Ihn den Römern überantworten, dass er durch der Heiden Hand zu Tode käme.

So gaben sie nicht nach und ließen vom Statthalter nicht ab, indem sie widersprachen und feststellten: „Dieser aber bringt Unruhe unter das Volk, indem er einen Großteil vom rechten jüdischen Glauben abfällig macht! Wenn diesem aber nicht Einhalt geboten wird, kommt es noch zu einem Aufstand unter dem Volk, und wer weiß, was daraus noch alles erwächst! Willst du dafür die Verantwortung tragen?! Bist du nicht dafür eingesetzt, die Ordnung in dieser römischen Provinz aufrecht zu erhalten?! So fällt dieser gar wohl unter deine Zuständigkeit!“

Und sie beschworen ihn und sagten: „Wir stellen an deine Hoheit den Antrag, dass Er vor deinem Tribunal erscheine und verhört werde. Befrage Ihn selber und sieh Ihn dir an! Dann wirst auch du selber feststellen, wie gefährlich dieser Mann mit Seiner neuen Lehre für die innere Sicherheit dieser Provinz Roms ist. Denn wiewohl Er nicht mit Waffen umgeht, ist bei Ihm doch mehr Gewalt, als bei einem Feldherrn und König!“

Pilatus aber spottete ihrer, indem er fragte: „Sagt mir doch, wie kann ich, der ich doch nur ein einfacher unreiner, heidnischer Statthalter bin, euren gott-gesandten König ausfragen oder mir gar ein Urteil über Ihn erlauben?!“

Da brüskierten sie sich: „Wir behaupten ja gar nicht, dass Er unser König sei, sondern Er selbst sagt das vielmehr eigenmächtig von sich, was wir ja eben beanstanden!“

(E)

Pilatus aber scherzte weiter und rief: „Er also sagt von sich, Er sei euer König, ihr aber verneint das. Nun, nachdem diese Sache noch nicht entschieden ist, dann muss ich Ihn ja wohl doch nun erst einmal empfangen, wie euren König!“ Und er winkte seinem Läufer heran und gebot ihm: „So möge mir der König der Juden auf ehrerbietige Weise vorgeführt werden!“ Der Präfekt wollte damit aber keineswegs Jesus selbst verspotten, sondern vielmehr die hohe Geistlichkeit Israels verärgern und reizen.

So ging der Läufer hinaus vor die Empfangshalle, wo die Tempelsoldaten mit Jesus ,nebst vielen anderen standen; und jener wies die Tempel-Garde an, Jesus in den Vorhof des Prätoriums zu führen.

Als sie den Rabbi aber durch das Tor führten, erwies der Läufer Ihm auf spöttische Weise Ehrerbietung, indem er sein Schweißtuch, die Binde, die er um sein Handgelenk trug, löste, auf der Erde ausbreitete und zu Ihm sprach: „Herr, schreitet darüber und tretet ein! Denn der Statthalter lässt Euch bitten!“

Als aber die Schriftgelehrten sahen, was der Läufer tat, wandten sie sich brüskiert an Pilatus und mokierten sich: „Warum hast du Ihn nicht durch einen einfachen Boten hereinbitten lassen, sondern durch einen Königs-Herold und Läufer?!“ Denn sie ertrugen´s nicht, dass Jesus solche königliche Ehre erwiesen wurde, und sei es auch nur zum Spott. Darum waren sie ganz außer sich, und erbosten sich: „Aber damit nicht genug! Musste dein Läufer über allem diesem Aufrührer auch noch die Reverenz erwiesen und sein Tuch auf der Erde ausbreiten und Ihn wie einen gott-gesalbten König darüber-schreiten lassen?!“

Da winkte Pilatus den Läufer zu sich und fragte ihn: „Wie bist du denn darauf gekommen, dein Tuch für jenen auf der Erde auszubreiten, um Ihn darüber-schreiten zu lassen?!“

Der Läufer aber erklärte: „Statthalter, als du mich seinerzeit nach Jerusalem zu Alexander, deinen Stellvertreter in Samaria, gesandt hast, habe ich diesen Mann hier auf einem Esel sitzen sehen, und die Kinder der Hebräer hielten Zweige in ihren Händen und riefen, andere aber breiteten ihre Kleider aus und benedeiten Ihm: »Hosianna in der Höhe! Gelobt sei, der da kommt im Namen des HERRN!«“

Pilatus aber schüttelte den Kopf und spottete: „Was ist das doch für ein Volk! Bettler, die zu einem Bettler rufen!“

Die Pharisäer aber maßregelten den Läufer: „Die Kinder der Hebräer haben jenen auf hebräisch bejubelt! Woher willst du also wissen, was sie gerufen haben?!“

Da erklärte der Läufer: „Ich habe einfach einen von euch Juden gefragt: »Was rufen die denn da auf hebräisch?«, und der hat´s mir übersetzt.“

Und Pilatus fragte die Rats-Herrn: „Was haben sie denn nun gerufen?!“

Sie aber erklärten: „Sie riefen: »Hosianna membrone baruchamma Adonai!«“ Pilatus hakte nach: „Und was heißt das aber denn nun übersetzt?!“ Da bestätigen´s die Schriftgelehrten und erklärten: „Nun, sie riefen: »Hosianna in der Höhe! Gelobt sei, der da kommt im Namen des HERRN!«“

Da verwunderte sich Pilatus, worüber sie sich überhaupt aufregten, und sprach zu ihnen: „Wenn ihr also selbst die Aussagen, die von euren eigenen Kindern gemacht worden sind, bestätigt, inwiefern hat dann mein Läufer einen Fehler gemacht?! Er hat doch alles korrekt wiederholt und wiedergegeben!“

Die Hohen Priester aber antworteten: „Wir haben ja überhaupt nicht beanstandet, dass dein Läufer es falsch wiedergegeben hat. Nur weiß jener überhaupt nicht, was er damit tut, wenn nun auch er jenen wie den Messias begrüßt! Denn es ist nicht nur ein Hohn auf diesen, sondern ein Spott gegen den Höchsten, wenn man einem anderen, als dem Messias Gottes, die Kleider ausbreitet, zujubelt und begrüßt mit: »Hosianna membrone baruchamma Adonai!«.“

Als die Priester aber jene Worte aussprachen – Jesus aber wurde zugleich auf einen Wink des Statthalters zu ihm nach vorne geführt – da neigten sich mit einem Male die Fahnen der Standartenträger, die rechts und links vom Statthalter standen, als die Priester den Messias-Ruf zitierten, so dass sich bei ihrem »Hosianna membrone baruchamma Adonai!« die römischen Standarten senkten, dass alle erschraken.

Als die Schriftgelehrten aber das Verhalten der Standarten-Träger sahen, dass diese die Insignien des römischen Imperiums vor Jesus neigten, da wandten sie sich heftig schreiend gegen die Fahnen-Träger und brüllten: „Müssen nun auch noch deine Soldaten den Spott vollenden, dass sie ihre Standarten neigen und diesem falschen Messias Ehrerbietung erwiesen?!“

Pilatus aber meinte, seine Standarten-Träger hätten tatsächlich nur seine Verhöhnung der Juden vollendet, da er sich einen würdigen königlichen Empfang für den Messias der Juden auserbeten hatte; darum fragte er sie, Unschuld mimend: „Warum habt nun auch ihr das gemacht?!“ Denn es waren die Insignien der römischen Herrschaft, welche sie vor Jesus geneigt hatten; und solches war eigentlich vor niemand anderen zu tun gestattet, als vor dem römischen Kaiser allein.

Die Standarten-Träger aber beschworen: „Wir sind Griechen und den Göttern ergeben! Wie kämen wir dazu, diesem Reverenz zu erweisen?! Vielmehr: während wir die Bilder hielten, haben sie sich selbst geneigt und Ihm Ehre erwiesen. Und wir konnten´s nicht verhindern; denn es geschah, wie von unsichtbaren Armen, mit einer Kraft, der kein Sterblicher etwas entgegensetzen kann!“

Pilatus aber schenkte ihnen keinen Glauben, sondern meinte, sie trieben, ihm gleich, mit den Juden ihren Spott, und rechtfertigte seine Soldaten: „Ihr müsst schon entschuldigen! Aber meine Kriegsleute sind verständlicher Weise ziemlich erschöpft von den letzten Tagen, in welchen euer ganzes Volk hier in Jerusalem im Zaum zu halten war! Und nicht zu vergessen: Da war ja auch noch der Aufstand eures Barabbas, der niedergeschlagen werden musste! Um den hättet ihr euch vielleicht besser einmal kümmern sollen!“

Erst später sollte dem Pilatus noch klar werden, dass dies keine missverstandene Umsetzung seines spöttischen Befehls war, Jesus einen königlich Empfang zu erweisen, sondern dass hier tatsächlich höhere Kräfte im Spiel waren.

Damit erfüllte sich nämlich, was Jesus einigen Pharisäern angesagt hatte, die an der Ehrerbietung Anstoß genommen hatten, welche die Volksmengen Ihm bei Seinem Einzug in Jerusalem entgegen brachten, als der Herr ihnen prophezeite: „Ich sage euch, wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.“

Denn wie später die Felsen schrien und mit lautem Krachen zerbarsten bei Seiner Hinrichtung, als keiner mehr die Stimme für Ihn erhob, so neigten sich nun die Standarten, auf dass sich das Prophetenwort erfüllte: „Ja, der Stein schreit mit Getöse aus seinem Sitz, und antwortet so dem Tragwerk.“

(F)

Pilatus aber blickte hinunter zu Jesus und wird gewahr: dieser sieht ihn an. Da ruft er Jesus heran, und noch immer wendet Jesus nicht von ihm Seinen Blick.

Da fragte Ihn Pilatus, von Seinem Anblick verunsichert: „Weißt Du, was diese gegen Dich vorbringen: dass Du, als Sohn eines einfachen Zimmermanns, vorgibst und unrechtmäßig behauptest, Du seist der Juden Christus, und dass Du damit das Volk aufwiegeln würdest, – und dass Du ein böser Zauberer seist und das Volk verführst, sich von dem Glauben ihrer Väter abzukehren, und dass Du dadurch die Ordnung ihres Gottes zerstören willst durch das diabolische Blendwerk des mächtigsten Dämons der Finsternis? Was hast Du dazu zu sagen und auf all diese Anschuldigungen zu erwidern?“

Jesus aber sprach zu ihm: „Wenn sie nicht frei über Mich verfügen dürften, hätten sie nichts gegen Mich vorbringen können. Doch ist einem jeden Menschen von Gott die freie Wahl überlassen worden, Segen oder auch Fluch für sich zu erwählen – Leben oder Tod. Denn ein jeder verfügt frei über seinen Mund, Gutes zu reden oder Böses – und beides ist ihm gewährt zu dieser Zeit.

Wehe aber denen, die Unrecht reden; denn es kommt die Stunde, da sie sich dafür verantworten müssen und Rechenschaft ablegen müssen über jedes unrechte und böse Wort. Da werden sie dann auch selbst zusehen müssen!“

Diese Worte Jesu aber ließen die Ältesten der Juden in Wut geraten; und sie erwiderten dem Meister: „Was soll das heißen: wir werden schon noch sehen und zu spüren bekommen, was wir da gegen Dich vorgebracht haben?! Bezichtigst DU etwa UNS der Lüge?! Wo alles, was aus DIR kommt, lauter Verfinsterung und Lüge ist?!

Oder ist das nicht der Gipfel aller lasterhaften Verblendung, wenn ein gewöhnlicher Mensch, noch dazu durch Hurerei geboren, von sich reden macht, Er sei ausgegangen aus den Himmeln, ja, aus dem Höchsten selber, von Gott, und damit selbstherrlich von sich behauptet, er sei Gottes eingeborener Sohn, und sich damit selbst macht zu Gott?!

Dabei zeigt schon Deine früheste Kindheit, dass der Zorn Gottes über Deinem Leben liegt und Du unter dem Fluch Gottes stehst: Denn erstens bist Du ganz gewiss aus verächtlichem unzüchtigen Verkehr geboren worden! Zweitens hat Deine Geburt zu einem Kindermord geführt!

Denn Deine Eltern versuchten, ihre Schande zu verbergen, indem sie verbreiteten, Du, die Frucht jener unzüchtigen Zeugung, seist von Gott; – und weil diese ungeheuerliche Kunde nicht verborgen bleiben konnte, sondern schon vor Deiner Geburt nur Unruhe brachte, wurdet ihr selbst aufgespürt in Bethlehem, wohin deine Eltern deinetwegen weichen mussten, und die von ihnen geschürte Furcht vor einem neuen gottgesandten Emporkömmling richtete ein gräuliches Blutbad an!

Drittens mussten Dein Vater und Deine Mutter Maria schließlich nach Ägypten ins Exil fliehen, weil sie im Volk keinerlei Leumund besessen haben. So hat es Gott selbst gefallen, Dich schon von Kindesbeinen an zu verstoßen, und Dich weit in der Ferne von Ihm, Seinem Land und Seinem Tempel, aufwachsen zu lassen, dem Volke Israel zur Mahnung und uns, seinen Hütern, zugut.

Du aber machtest Dich im Heidenland vertraut mit finstersten Praktiken, und hast Dich mit den Dämonen eingelassen und den Teufeln anvertraut, um Gottes Volk aufs Schlimmste zu verblenden und zu verführen!

So bist Du am Ende der, vor welchem wir gewarnt wurden durch den Propheten Daniel, welcher uns angekündigt hat, dass einstmals ein völlig ruchloser Gesetzesbrecher aufstehen würde, der sich in gotteslästerlicher Weise selbst zum Gott erklären würde und alles Volk von seinem einstigen Messias abspenstig machen wolle, dessen Gegenspieler jener sein würde, weil dieser durch seine glatten Worte alle zum Abfall von Mose und vom Bund Gottes verleiten wollen würde und die gott-gegebenen Sabbate und Festzeiten abzuschaffen suchen würde, wie er auch gegen den Opferdienst im Tempel wüten soll und danach trachten, das Heiligtum Gottes zu zerstören! – Alles Dinge, die Du getan hast!

Denn wohl heilst Du viele, wie es vom Messias angesagt ist, aber Du wendest darüber das Herz dieses Volkes ab vom einzig wahren Gott, der im Himmel wohnt und der – Höre Israel! – als EINZIGER unser rechter Arzt ist, so dass die zweite Krankheit, die Du über alle bringst, weit schlimmer und verheerender und tödlicher ist, als die erste Krankheit, die Du zu nehmen vorgibst!

Darum auch sagen wir: Du heilst durch die Kraft der Dämonen und bist nicht der wahre Messias, der uns verheißen worden ist, sondern vielmehr sein Gegenspieler, der falsche Christus, vor dessen Ankunft wir gleichfalls gewarnt worden sind! Denn Du treibst ja nicht etwa den SATAN durch Satan aus, sondern letztendlich GOTT!“

(G)

Da aber traten einige von den Anwesenden gegen die Ältesten auf, fromme alt-ehrwürdige Männer und hochbetagte Weise aus dem Kreis der Juden, die bei der Verhandlung des Hohen Rates nicht vorsprechen durften.

Sie nämlich waren Vertraute des Witwers Joseph, des Zieh-Vaters von Jesus. Und es hatte sich schnell herumgesprochen, dass Jesus vom Sanhedrin dem römischen Statthalter vorgeführt worden war. Deshalb waren nun auch einige gekommen, um für Jesus das Wort zu ergreifen. Und unter diesen waren auch die Freunde des Joseph, welche Jesu Zieh-Vater gewesen war.

Diese widersprachen den Hohenpriestern: „Wir bestreiten dieses – vor allem, dass Er aus unzüchtigem Verkehr stammt! Vielmehr wissen wir, dass Joseph mit Maria verheiratet war und dass Jesus somit nicht ein vaterloser Hurensohn war. Siehe, was diese über Seine Herkunft behaupten, entspricht nicht der Wahrheit!“

Diese zwölf geachteten Alt-Ehrwürdigen Israels, die dies bezeugt hatten, dass Er nicht aus unzüchtigem Verkehr geboren sei, waren aber diese: Lazarus, Asterius, Antonius, Jakobus, Amas, Zeras, Samuel, Isaak, Phinees, Krispus, Agrippa und Judas, welche im ganzen Volk hohes Ansehen genossen.

(H)

Pilatus aber wollte mehr über die wahre Herkunft Jesu erfahren; denn ihm war nämlich freilich auch schon mehrfach über des wunderhafte Wirken dieses Propheten, der überall Aufsehen erregt hatte, Bericht erstattet worden; und der Statthalter wollte erkunden, ob jener am Ende ein Sohn der Götter sein könne.

Da entgegnete Pilatus den Ältesten, die behaupteten, Er stamme aus unzüchtigem Verkehr: „Diese eure Aussage ist somit nicht wahr. Denn es hat ja ganz offensichtlich doch eine völlig reguläre Trauung stattgefunden, wie eure eigenen Volksgenossen erklären.“ Er liebte es nämlich auch, die Hohen Rats-Herren zur Wut anzustacheln.

Da beteuerten Hannas und Kaiphas, die Hohenpriester, dem Pilatus: „Wir als Gesamtheit versichern’s laut und finden keinen Glauben damit, dass Er aus unzüchtigem Verkehr geboren worden ist!

Wir wissen es: Denn das Weib Maria, dieses Menschen Mutter, war schon kurz nach ihrer Entwöhnung dem HERRN geweiht worden und wuchs im Heiligtum Gottes unter der Obhut der Priester auf. Als sie aber ins Alter der Unreinheit kam und wegen ihrer anstehenden Blutungen den Tempel des HERRN verlassen musste, wurde sie der Obhut des hochbetagten Witwers Joseph anvertraut, dass er über ihre Keuschheit wachen sollte. Denn sie war durch das Gelübde ihrer Eltern zu ewiger Jungfernschaft verpflichtet.

Dann aber zeigte sich´s, dass es jener in seinem Greisenalter nicht verstand, über die Unschuld jenes Mädchens sorgsam zu wachen. So kam es zu der Schande, dass sie, die ihm zum Schutz anbefohlen worden war, durch irgendeinen Heiden, der ihr Gewalt angetan hat, entehrt wurde, als sie noch im zarten Alter von gerade einmal fünfzehn Jahren war.

Und um die Schande von der ihm zur Obhut anvertrauten Jungfrau abzuwenden, nahm der schon recht betagte Joseph sie noch zur Frau, als ob er es gewesen wäre, der sie beredet hätte, ihr beiwohnen zu dürfen. Und so erschlich jener sich nachträglich die Ehe mit ihr, nachdem sie durch unzüchtigen Verkehr geschwängert worden war, um ihre Schande, die auch auf ihn als ihren Schutzherrn ein schlechtes Licht warf, zu verschleiern.

Folglich hat jener alte Zimmermann sich lediglich als der Vater des Kindes ausgegeben, obwohl es doch ganz offensichtlich war, dass er in seinem vorgerückten Alter nicht mehr der Erzeuger jenes Knaben gewesen sein konnte! Wenn es also auch eine Hochzeit gegeben haben mag, so war diese nichts als Lug und Trug, um zu vertuschen, dass das junge Mädchen Maria durch unzüchtigen Verkehr schwanger geworden war!“

(I)

Die zwölf Zeugen aber, die einstmals Vertraute des Zieh-Vaters Jesu waren und aus erster Hand die Wahrheit kannten, fielen den Hohenpriestern mit ihren Verleumdungen ins Wort und beteuerten: „Wir versichern nochmals, dass dieser nicht durch Hurerei gezeugt worden ist! Denn wir selbst sind bei der Trauung von Joseph und Maria zugegen gewesen! Auch glauben wir dem Zeugnis des Joseph, er habe Maria schwanger vorgefunden vom Heiligen Geist.

Denn er ist uns von Jugend auf bekannt gewesen als ein überaus ehrbarer Mann, geachtet beim ganzen Volk! Auch wurde er gerade darum als der Hüter Marias durch den Himmel selber bestellt durch das Los und von den damaligen Priestern Gottes für würdig befunden, die Mutter des hier zu Unrecht Angeklagten in seine Obhut zu nehmen.

Und auch der Maria, Seiner Mutter, glauben wir, denn sie ist überaus gottesfürchtig, voll Reinheit und Anmut, eine rechte Magd des HERRN. Zudem konnten die Tempelpriester, welche sie aus Unglauben mit tödlichem Gift prüfen wollten, weder Maria, noch Joseph irgendeiner Schuld überführen! Darum ließen jene sie auch ziehen.

Beide aber, Joseph und Maria, vermählten sich um des Kindes willen und zogen, noch ehe das Kind geboren war, nach Bethlehem, um die wahre Herkunft des Knaben geheim zu halten, zu dessen eigenem Schutz, damit sie niemand mehr über das Kind befragen konnte.

Aber ein Licht in der Finsternis kann ja nicht verborgen bleiben, so dass schon bei der Darstellung des Knaben im Tempel über Ihn geweissagt wurde durch das einhellige Zeugnis von zwei Erleuchteten: nämlich durch den allgemein hochgeschätzten Propheten Simeon, sowie durch die vielerseits verehrte Seherin Hanna, welche allen im Tempel Gottes verkündigten, dass jener der verheißene Messias sei.“

Da meldete sich einer aus der Menge zu Wort. Denn es kamen immer mehr Leute aus Jerusalem herzu, als sie hörten, dass dem großen Propheten aus Galiläa der Prozess gemacht wurde. Es war nämlich das ganze Volk Israel in der Heiligen Stadt wegen dem Passah. Und Pilatus gewährte ihnen Einlass, da er hoffte, es würden sich noch weitere Fürsprecher für Jesus finden, so dass am Ende die Rats-Herren des Sanhedrin vielleicht umgestimmt worden wären, um nicht ihre Gunst beim Volk zu verlieren.

Und der Präfekt erteilte jenem Mann das Wort. Der erklärte: „Ich bin Rabbi Levi und der Vorsteher der Synagoge zu Emmaus. Ich kann bestätigen, was diese bekunden. Denn ich war ein Schüler des großen und geachteten Rabbi Simeon, der auch die Gabe der Weissagung besaß.

Denn als die Eltern jenen Jesus in den Tempel brachten, um für Ihn ein Opfer darzubringen und Ihn vor dem HERRN darzustellen nach dem Gesetz, da nahm mein Meister jenen Knaben mit Tränen in den Augen in den Arm und pries Gott, den Höchsten, indem er bekundete: »Nun lässt Du, o HERR, deinen Knecht in Frieden gehen, genau wie Du es mir versprochen hast. Denn meine Augen durften Dein Heil noch erblicken, das Du im Angesicht aller Völker, sowie zur Verherrlichung Israels der ganzen Welt geschickt hast.«

Und der alt-ehrwürdige Rabbi Simeon segnete die Eltern des Kindes und sprach zu Maria, der Mutter Jesu: »Ich bringe dir Kunde über dies dein Kind.« Da fragte Maria: »Ist es gute Kunde, Meister?« Er aber sprach zu ihr: »Sowohl, als auch: Denn siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen vieler in Israel, sowie in der ganzen Welt, aber auch zu einem Zeichen, das Widerspruch finden wird. Und auch dir selbst wird ein Schwert durch die Seele dringen, um die Regungen und Bewegungen vieler Herzen zu enthüllen.«

Da fragte die Mutter ihn: »Woher weißt du das alles?« Und er antwortete: »Der HERR hat mir dies alles kund getan, und mir verheißen: Ehe ich die Augen schließen werde für immer, dürfe ich noch einmal den Messias sehen!«“

Da fragte ihn einer von den Ältesten, sichtlich erstaunt: „Rabbi Levi, ist das wirklich wahr, was du hier bekundet hast?!“

Er aber sprach: „Es ist allgemein bekannt, dass ich zu Füßen des verehrungswürdigen und gerechten Simeon saß und von ihm in den Schriften unterrichtet wurde. Und alles, was ich von ihm gesagt habe, ist wahr. So hat er es bekundet, und so habe ich es gehört.

Überdies weiß ich aus zuverlässiger Quelle, dass seine Eltern als sehr gottesfürchtige und fromme Menschen bekannt waren, die auch regelmäßig ihren Zehnten getreu entrichteten, obwohl sie nicht sehr wohlhabend waren.“

Da sprachen die Zwölf, welche einstige Vertraute von dem Witwer Joseph waren: „Da hörst du es, Präfekt. Wir bezeugen die Wahrheit, wie sie nun aus dem Munde eines anderen unabhängigen Zeugen bestätigt worden ist.

Aber auch davon werden sich jene Lehrer des Volkes nicht überzeugen lassen, obwohl somit sogar ihr eigenes Gesetz des Mose wider sie steht. Denn dort heißt es: »Wenn die Aussage von verschiedenen unabhängigen Zeugen übereinstimmt, so soll es als wahr angesehen werden, insbesondere in Hinblick auf ein Urteil über Leben und Tod.«“

(J)

Und sie wandten sich an die Hohenpriester und stellten diese bloß mit den Worten: „So stand jenes Kind keineswegs von Anfang an unter einem göttlichen Fluch! Sondern vielmehr IHR wart es, die den Blick des krankhaft angsterfüllten Herodes auf Seinen Geburtsort lenkten, weil ihr selbst wusstet, dass nach der Schrift der Messias aus Bethlehem kommen soll! So wart ihr selbst es, die den Kindermord in Bethlehem heraufbeschworen hatten, welchen jener anordnete, um das Hochkommen dieses gott-gesandten Königs, welchen jener gottlose Herrscher fürchtete, noch im Kein zu ersticken!

Gott aber warnte die Eltern, denen Sein Kindlein anvertraut war, durch Träume, so dass sie fliehen konnten.

So war nicht Gott es, der von Anbeginn an gegen das Knäblein war, sondern vielmehr ihr wart es! – wie auch ihr es seid, die jetzt wider Gott und Seinen Christus streiten!“

Zu Pilatus aber sprachen die zwölf Weisen: „An all dem erkennst du, dass jener der gott-gesandte Messias ist, der unserem Volk Ruhe und Frieden in Eintracht mit allen Völkern bringen soll – auch mit Rom, da Er alle zu Brüdern machen will: Er, der Sohn Davids, der, wie es von Ihm prophezeit wurde, auch in der Geburtstadt des Königs David geboren wurde.

Er ist der, von welchem schon der Prophet Jesaja verheißen hat: »Siehe, eine Jungfrau, die kein Mann erkannt hat, wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird Seinen Namen wissen: »Immanuel« – »Gott selbst, der zu uns gekommen ist«. Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt worden, dessen Name ist: Wunderbarer Ratgeber, Gott-Held, Wunder-Täter, Friede-Fürst. Er ist der Ewig-Vater selbst! Groß wird Seine Herrschaft sein: ein Friede ohne Ende!«

Sie aber können´s nicht ertragen, dass dieser, der mit allen Menschen Freundschaft schließen will, von Gott geboren ist, weil sie alle verachten, die nicht so rein sind, wie sie es zu sein meinen, und die keine Juden sind, weil diese glauben, ihr Gott wäre einzig der Gott Israels. Darum beharren sie darauf, Er müsse aus Unzucht geboren und ein gottloser Heide sein, weil der Gott, welchen jener verkündigt, alle Heiden und Sünder ebenso, wie alle frommen Juden, liebt.“

(K)

Als das die Hohen Rats-Herren hörten, wurden sie ganz außer sich vor Wut und Zorn, und schrien: „Das Zeugnis von diesen da ist absolut wertlos, wie auch völlig unhaltbar! Denn diese da sind ja nicht einmal rechte Juden, sondern Proselyten und überdies auch noch Jünger von jenem Verführer!“

Pilatus aber verstand nicht und fragte nach: „Was heißt das: »Proselyten«?“

Da erklärten sie: „Diese sind als Kinder von Griechen geboren worden, und erst viel später sind sie Juden geworden; in Wirklichkeit aber suchen sie, die Reinheit unseres Glaubens durch ihre heidnischen Vorstellungen zu zerstören! Darum wollen sie das Volk glauben machen, unser Gott, der Heilige, sei ihren Göttern gleich, die ihre himmlische Stellung nicht gewahrt und ihre Behausung in den höheren Örtern verlassen haben, um zu den Menschentöchtern einzugehen und sich an ihnen zu verunreinigen, indem sie ihren Engelssamen in sie gaben, woraus die Tyrannen der Vorzeit erwuchsen, die ihr als Abkömmlinge der Götter verehrt.

Gott aber strafte sie hierfür schonungslos, und Seinem Zorn gebot Er nicht Einhalt – auch nicht, als ihm durch Henoch eine Bittschrift von ihnen überbracht worden war.

Und nun wollen uns diese Heiden aus Galiläa glauben machen, der Heilige selber, der über allen Himmeln wohnt, habe solch eine Schande begangen und wäre bei einer Jungfrau eingegangen?! Der Geber aller Gesetze soll derart gesetzesbrüchig geworden sein?!“

Da widersprachen ihnen jene: „Wir sagen ja nicht, Gott sei bei Maria eingegangen, wie ein Mann mit einer Frau zu tun pflegt, um einen Sohn zu zeugen! Wir deuten´s vielmehr so aus den Worten Jesu, dass Er, der von Ewigkeit her aus Gott und mit Gott eins war, von Ihm ausgegangen ist, sich selbst Seiner Gottheit entäußert hat, und dass Er, der unbegrenzter ewiger Geist war, so dass die Himmel und aller Himmel Himmel Ihn nicht fassen konnten, in die Begrenztheit und Enge des Fleisches einging und eine kleine Menschenseele wurde.“

Da höhnten die aus dem Hohen Rat: „Wollt ihr uns lehren, Gott sei mehr als einer?“ Und sie zitierten das Glaubensbekenntnis der Juden, die »Schema Israel«: „»Höre, Israel, der Herr ist unser Gott! Der Herr ist EINZIG, UNTEILBAR!«“ – denn sie verstanden’s nicht besser; und zitierten weiter die Schrift ohne Einsicht: „»So spricht der Herr: Gott bin ich und nicht ein Mensch!« Darum: Eure eigenen Worte überführen euch, dass ihr allesamt Heiden und mit den absonderlichsten heidnischen Vorstellungen geschwängert seid!“

(L)

Jene aber, die des Josephs Genossen waren, widersprachen: „Daran wird offenkundig, dass diese der Lüge und Verblendung ergeben sind! Sie verhöhnen und verleugnen nämlich wider besseres Wissen unsere heilige Abkunft – ebenso wie die dessen, für den wir hier eintreten.

Denn wir sind keineswegs Proselyten und als Heiden geboren, sondern sind angesehene Kinder von altehrwürdigen Juden und reden darum auch die Wahrheit. Wir sind nämlich vielmehr alle – ebenso, wie es auch Joseph war – nicht allein Juden, sondern überdies sogar aus königlichem Geblüt und aus dem Geschlecht Davids, wie es unsere Stammtafeln belegen, die über unzählige Generationen geführt wurden und in unseren Synagogen verwahrt werden. Uns nämlich ist verheißen, dass aus unserer Mitte der Messias erstehen soll, der darum auch »Sohn Davids« genannt wird.

Auch zitieren wir die Schrift nicht mit Unverstand. Denn es steht gleichfalls geschrieben: »Er selber aber wird für Zion als der Erlöser kommen, spricht der HERR.« Ferner hörte schon David die himmlische »Götterheit« der »Elohim« diese Dinge unter sich bereden, weshalb er bezeugte und niederschrieb: »Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setzte Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße gemacht habe.«

Darum auch huldigte David schon dem Messias, dem Gesalbten Gottes, mit Psalter und Lobgesang, indem er benedeite: »Dein Thron, o Gott, besteht auf ewig: ein Zepter der Geradheit ist Dein Stab der Herrschaft. Denn Du liebst Gerechtigkeit und hasst alle Gottlosigkeit: Darum auch hat Dich, o Gott, Dein Gott, gesalbt mit Freudenöl vor all Deinen Gefährten.«“

So bezeugte schon David, dass Gott, welcher allein Gott und Herr ist, doch eins mit dem Messias ist, welcher gleichfalls Herr und Gott ist, ebenso, wie Gott, der HERR.

Hat schließlich nicht Mose selbst für den EINEN, EINZIGEN, UNTEILBAREN Gott dennoch ZWEI Zelte errichten lassen, in welchen der HERR zugleich zugegen war?! – nämlich einmal das Heiligtum, die Stiftshütte inmitten des Lagers, wo Er im Allerheiligsten wohnte und über den Cherubim thronte, so dass niemand sich jener Gegenwart nahen durfte, als allein einmal im Jahr am Versöhnungstag der Hohepriester, welcher Aaron war, dann aber auch noch außerhalb des Lagers das Zelt der Begegnung, wo der Engel des HERRN dem Mose in der Feuersäule erschien und mit ihm redete, wie ein Freund, von Angesicht zu Angesicht!

So begegnete doch schon damals der HERR zugleich von zwei Zelten her Seinem Volk, obwohl Er doch nur EINER und UNTEILBAR ist, wie ihr sagt. Daran erkennt ihr, dass der Allmächtige in Seiner überirdischen Unbegreiflichkeit schon damals Seinem Volk nicht allein als der Vater und Herr aller Heerscharen, sondern ebenso im Engel des HERRN in Gestalt eines himmlischen Gottes-Sohnes entgegen trat, in welchem Er, der »ICH BIN«, sich gleichfalls zeigte und enthüllte und durch den Er zu Mose sprach.

Und kündet nicht auch der Prophet Sacharja vom Messias, dass Er als der Herr der Heerscharen und die Herrlichkeit des Herrn sich aus Seiner heiligen Wohnung in den Himmeln aufmachen würde und von dem selben Herrn der Heerscharen und von der Herrlichkeit des Herrn ausgehen würde, um selbst in unserer Mitte zu wohnen und unter uns zu wandeln, wie einer von Unseresgleichen?!

Des weiteren wisst ihr selber von euren eigenen Schülern, die Dämonen austreiben, dass die Personhaftigkeit der überirdischen Wesen von höherer Natur ist, als die der Irdischen, wie das etwa von dem gefürchteten Dämonen »Legion« bekannt geworden ist, der EINER ist, und zugleich doch VIELE. Darum auch war jener Dämon so machtvoll, dass ihn niemand austreiben konnte, als Jesus allein: weil jener EINE Dämon zugleich eine VIELZAHL von Dämonen war.

Auch hatten die Cherubim, die vier lebenden Wesen, welche in sich göttliche Lebendigkeit trugen, die vom Propheten Hesekiel als Teil der »Schechina«, der göttlichen »Herrlichkeit« gesehen wurden, weil in ihnen allen doch allein nur ein und der selbe Geist Gottes war, verschiedene Häupter und aus ihnen blickte eine Unzahl von Augen, was nahe legt, dass auch sie über-personale Kollektivwesen waren, ähnlich, wie jener Dämon »Legion«. Ihre Stimme aber war wie das Rauschen vieler Wasser und der Schall eines ganzen Heerlagers, so dass die Stimme des Allmächtigen der Chor unzähliger Stimmen war und im Ratschluss der HERRN der Beschluss aller Götter und Engel, der himmlischen Wächter, vernommen wurde, wie denn auch der Geist Gottes der Geist aller heiligen Götter ist und alle derselbe vom Ersten bis zum Letzten: Gott!

Wenn solches schon bei Engeln und Geistern möglich ist, dass ein himmlisches Wesen aus mehreren Personen bestehen kann, wie viel mehr ist das dann für den Höchsten denkbar?!

Oder wisst ihr nicht, wie der HERR dem Abraham erschien? Er nämlich sah DREI Männer!

Und gibt euch das nicht zu denken, wenn Mose im Anfang Gott schildert, als sei Er die Einheit Vieler? Denn er nennt ihn »Elohim«: das heißt übersetzt »Götterheit«. Und Mose bezeugt, dass Jener mit sich selbst im Gespräch war, indem Er sprach: »Lasst UNS Menschen hervorbringen!« Und hört, was die Fülle noch bekundete: »Lasst sie Uns erschaffen in Unserem Bild, Uns ähnlich!«, was doch schon besagt, dass sich in der Gottheit auch die Menschheit in der Gestalt des Menschen-Sohnes fand, so dass die Gottheit auch schon immer in einem menschlichen Antlitz gezeigt hat!

Wenn nun aber das Wesen der Gottheit alle unsere Vorstellungen derart sprengt und übersteigt, so ist es wohl denkbar, dass der EINE Gott sich sowohl in den Himmeln, sowie in der Gestalt eines menschlichen Wesens zugleich auch auf Erden finden kann, in welches Er selbst eingegangen ist, um sich uns in einer uns begreiflichen Form verständlich in Seinem Wesen unendlicher Liebe zu enthüllen und zu offenbaren.

Darum ist dies keine Gotteslästerung, wenn der Gesalbte Gottes von sich bekundet, dass Er aus Gott ausgegangen ist, und der Messias von sich bezeugt, Er sei in ganz einzigartiger Weise auch Gottes Sohn.“

So gaben die Zwölf Zeugnis, dass Jesus nicht aus unzüchtigem Verkehr, sondern aus Gott geboren war. Sie getrauten sich aber, frei heraus zu sprechen, nicht nur, weil sie im Volke angesehen waren, sondern vielmehr auch Pilatus auf ihrer Seite fanden; des weiteren waren sie alle, die Vertraute des Josephs waren, bereits hochbetagt und voll des Glaubens, so dass sie ihr Ende nicht fürchteten.

(M)

Die Ältesten aber waren außer sich und schrien: „»So spricht der HERR: Ich bin der HERR, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben Mir!« – Haben wir es nicht gesagt?! Diese da sind Proselyten von heidnischer Gesinnung und zudem noch Jünger von Ihm?! Und selbst, wenn sie jüdischer Abkunft sein sollten, aber nur dem Fleische nach: An ihnen siehst du, wie dieser unser Volk verführt und in die Entzweiung bringt!“

Pilatus aber begann sich zu fürchten, weil jene Zwölf erklärt hatten, dass Christus aus Gott geboren sei, und er wandte sich an diese zwölf Männer, die erklärt hatten, dass Er nicht aus unzüchtigem Verkehr geboren sei, und bedrohte sie: „Ich lasse euch schwören beim Heil des Kaisers: Ist das wahr, was ihr erklärt habt, dass Er nicht der Sohn eines Weiber-Schänders ist?“

Da antworteten sie dem Pilatus: „Wir haben ein Gesetz, nicht zu schwören, weil das Sünde ist. So sollen sie denn, Hannas und Kaiphas, beim Heil des Kaisers schwören, dass es nicht so ist, wie wir gesagt haben, und, wenn sie es tun, dann sind wir des Todes schuldig.“

So wandte sich Pilatus, der von diesem Augenblick an Jesus losgeben wollte, an Hannas und Kaiphas: „Habt ihr darauf nichts zu antworten?!“

Kaiphas aber brüskierte sich: „Was sollen wir noch vorbringen?! Diese finden ja ganz offensichtlich mehr Glauben mit ihrer Aussage, dass Er nicht aus unzüchtigem Verkehr geboren sei, obwohl sie nur zwölf sind! Wir aber, die Gesamtheit der Siebzig des Mose, die in seinem Dienst stehen, in welchem der Geist unseres größten Propheten fort-wirkt, und ich, ihr Hoherpriester, versichern es laut, dass dieser aus Unzucht geboren und ein übler Magier ist, der mit den Mächten der Finsternis im Bunde steht und sich auf diabolische Täuschung und Betrug versteht, und sich selbst nur als Gottes Sohn ausgibt und sich unrechtmäßig als König und Messias des Höchsten bezeichnet! Doch WIR finden keinen Glauben!“

Schließlich befahl Pilatus, dass alle miteinander hinausgehen sollten – mit Ausnahme der zwölf Männer, die erklärt hatten, dass Jesus nicht aus unzüchtigem Verkehr geboren sei; und auch Jesus ließ er abtreten.

Und Pilatus fragte sie im Vertrauen: „Wie kommt es, dass jene so darauf beharren, Er sei aus Unzucht und nicht aus Gott geboren?! Und aus welchen Gründen wollen sie Ihn eigentlich zu Tode bringen?! Wenn alle diese Dinge gegen sie stehen – die Wunder, welche dieser wirkt, sowie die vielen Prophezeiungen auf Ihn! – und wenn all dies jenen Jesus aus Bethlehem als den König eures Gottes zu bestätigen scheint, warum erkennen sie Ihn nicht an?!“

Da erklärten sie dem Pilatus: „Sie können’s nicht ertragen, dass er das Gesetz anders auslegt, als sie. Jene nämlich sehen darin die Richtschnur für die Aufrichtung ihrer eigenen Gerechtigkeit, Er aber versteht es vielmehr als Künderin der Gerechtigkeit Gottes, der voll der Gnade und des Erbarmens ist.

So sind sie beispielsweise und vor allem über alle Maßen erbost, weil Er auch am Sabbat heilt. Er nämlich lehrt, Gott in Seiner Liebe habe den Sabbat für den Menschen und nicht den Menschen für den Sabbat gemacht. Darum ist es nach Seiner Lehre und Verkündigung auch erlaubt, am Sabbat zu helfen und zu heilen, selbst, wenn man dem Buchstaben nach damit durch Arbeit den Sabbat bricht. Sie aber können´s nicht ertragen, dass man ihrer Auslegung widerspricht und die Überlieferungen ihrer altehrwürdigen Väter von einer Unzahl von Zusatzbestimmungen in Frage stellt, sie für ungültig erklärt und bricht.“

Da zeigte Pilatus eine für ihn ungewohnte Betroffenheit: „Wegen solcher Worte der Gnade und derart gütigen Handlungen der Barmherzigkeit also wollen sie Ihn zu Tode bringen?!“

Und bestätigten sie ihm: „Siehe, auch du, der Statthalter Roms, erkennt es! Ja, Amen: Genauso verhält es sich!“

(N)

Und zornerfüllt rief Pilatus die Hohen Rats-Herren wieder zu sich in den Vorhof vor dem Prätorium und erklärte ihnen: „Als Zeugen habe ich die Sonne, dass ich keinerlei Schuld an diesem Menschen finde. Ganz im Gegenteil! Mir ist noch nie ein Mensch wie dieser begegnet, der so über alle Maßen wahrhaft menschlich und mitfühlend und barmherzig ist! Wahrhaftig: Was für ein Mensch!“

Die Hohenpriester und Ältesten aber erbosten sich: „Dies soll ein gottesfürchtiger Mensch sein?! Mitnichten! Wenn dieser nicht ein Übeltäter wäre, würden wir Ihn dir nicht überliefert haben! Denn nach dem Gesetz, das wir von Gott, dem Höchsten selbst, empfangen haben, muss Er sterben; denn Er möchte die Sitten und Gebräuche, die Moses selbst uns befohlen hat, abschaffen und Er erklärt, Er sei dazu berechtigt, weil Er der Sohn Gottes wäre! Damit erklärt Er sich aber gleichsam selbst zu Gott!“

Da sprach Pilatus zu ihnen: „So nehmt ihr Ihn und richtet Ihm nach eurem Gesetz! Wenn ihr Ihn töten wollt, so seht selber zu! Ich aber will damit nichts zu schaffen haben!“

Die Obersten Israels aber erwiderten dem Pilatus: „Es ist uns nicht erlaubt jemanden zu töten.“ So sollte sich nämlich das Wort Jesu erfüllen, das Er gesprochen hatte, um anzudeuten, welches Todes er sterben würde: nämlich, dass man Ihn erhöhen würde, wie einstmals die eherne Schlange des Mose, weil Er als der Frauen-Same mit Seiner Erhöhung nämlich die alte Schlange selbst mit sich kreuzigen und den Satan, den Verkläger aller Gotteskinder, selbst festnageln lassen würde, um Sein Verheerungswerk für immer zu verheeren.

Darum nämlich sollte Er nicht gesteinigt, sondern ans Fluchholz geschlagen werden, um allen Fluch in sich selbst zu binden und für immer aufzulösen.

Pilatus aber entgegnete ihnen: „Euch hat Gott verboten, zu töten. Und mir etwa nicht?!“

(O)

Und der Statthalter Pilatus ging wieder hinein in das Prätorium und ließ Jesus zu sich bringen, allein für sich, und fragte Ihn: „Bist du der König der Juden?“

Jesus aber sah dem Pilatus liebevoll in die Augen, wie ein Vater seinem Kind, und fragte ihn vertraut: „Fragst du das von dir selbst aus, oder nur wegen der anderen?“

Pilatus aber, davon zutiefst irritiert, wollte sich seine persönliche Betroffenheit nicht anmerken lassen; denn er war schließlich der Statthalter und Regent Roms. So brüskierte er sich: „Bin ich etwa ein gottgläubiger Jude?!“

Und er wandte sich von Jesus ab, da er es nicht ertrug, wie dieser ihn anblickte, und erklärte, dem Rabbi den Rücken zugewandt: „Deine Nation, dein Volk und seine Hohen Priester haben Dich mir übergeben und überliefert.“ Dann drehte er sich wieder zu Jesus um: „Was hast Du also wirklich getan und verbrochen?! Und was ist mit Deinem Anspruch, der König Gottes zu sein?! Müssen dich darum die Beherrscher dieser Welt fürchten, wie jene es behaupten?”

Jesus antwortete ihm: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt; denn wenn Mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten Meine Jünger für Mich gekämpft und würden bis aufs Blut darum streiten, dass ich den Juden nicht überliefert würde. Jetzt aber ist Mein Reich nicht von hier.“

Da hakte Pilatus nach: „Also bist Du ein König?!”

Jesus aber erklärte ihm: „Du sagst es: Ich bin ein König – aber ein anderer, als wie man sie auf der Welt findet! Denn Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass Ich für die Wahrheit Zeugnis ablege; jeder, der aus der Wahrheit ist, hört Meine Stimme.“

Da fragte Pilatus Ihn, verbittert über diese Welt: „Was ist Wahrheit?!“ Jesus aber sprach zu ihm: „Recht hast du geredet: Auf Erden findet sich keinerlei Wahrheit. Die Wahrheit kommt aus den Himmeln.“

Da fragte ihn Pilatus, nun doch wiederum verwundert über dies vernichtende Urteil: „Auf Erden ist keine Wahrheit?“

Und Jesus bestätigte dem Pilatus: „Du siehst ja, wie die, welche die Wahrheit sagen, von denen gerichtet werden, die auf Erden die Macht haben. Es gibt aber doch eine höhere Wahrheit, die letztlich allein gilt und sich darum auch noch in aller Welt durchsetzen wird: Gott ist Liebe! Und Ich bin gekommen, um als der Erste die Wahrheit zu künden. Ich selbst bin diese Wahrheit und verkörpere die Wahrheit Gottes, und in Mir ist Sie, wie in keinem Gottesboten, in die Welt gekommen. Darum wird sich die Wahrheit auf Erden allein unter denen finden, die Mein Evangelium von der unendlichen göttlichen Abba-Liebe annehmen und danach alles recht beurteilen.“

Und als Er dies gesagt hatte, verließ Pilatus Jesus und ging wieder hinaus vor das Prätorium zu den Juden und sprach zu ihnen, zu den Hohenpriestern und den Volksmengen: „Ich finde keinerlei Schuld an diesem Menschen!“

(P)

Und der Statthalter schaute sich nach den ringsum stehenden Volksmassen um und sah viele von den Juden weinen und erklärte nochmals: „Ich finde fürwahr keinerlei Schuld an Ihm. Und wie ich sehe, bin ich damit ganz offensichtlich nicht allein. Denn ganz ersichtlich wollen nicht alle, dass dieser sterbe!“

Da erklärten die Ältesten der Juden: „Gerade deswegen sind wir als Gesamtheit der Hüter und Vertreter des Volkes hierher gekommen mit unserem Gesuch, dass Er sterbe, weil jener mit Seinem Teufelswerk schon so viele verführt hat, dass Sein Krebsgeschwür nicht noch mehr um sich greift!“

Pilatus jedoch fragte erneut: „Aber warum soll Er sterben?!“

Da erklärten die Rats-Herren: „Weil Er sich unrechtmäßig als Sohn Gottes ausgegeben und sich eigenmächtig zum Messias-König der Juden erklärt hat!”

Nikodemus aber, ein angesehener Fürst unter den Rats-Herren, der ein heimlicher Jünger Jesu war, trat vor den Statthalter und bat den Präfekten: „Ich bitte dich, unser frommer Regent, lass mich einige Worte sagen!“

Pilatus aber, heimlich berührt von dieser respektvollen Anrede, die ihn als Glaubensbruder achtete, obwohl er ein Heide war, erteilte dem Nikodemus das Wort: „Sprich!“

Da erklärte Nikodemus: „Ich habe zu den Ältesten und den Priestern und Leviten und zur Gesamtheit der Juden in der Synagoge gesagt: »Was sucht ihr an diesem Menschen?! Dieser Mensch tut viele wunderbare Zeichen, wie sie noch keiner je getan hat, noch wohl jemals einer nochmals tun wird! Darum lasst Ihn in Ruhe und plant nichts Böses gegen Ihn! Wenn die Zeichen, die Er tut, von Gott sind, werden sie Bestand haben; wenn sie aber von Menschen sind, werden sie sich von selbst auflösen.

Denn auch Mose hat, als er von Gott nach Ägypten gesandt worden war, viele Zeichen getan, von denen Gott ihm gesagt hatte, er solle sie vor dem Pharao, dem König von Ägypten, tun. Und es waren dort zwei Magier und böse Zauberer im Dienst Pharaos: Jannes und Jambres, die mit finsteren Mächten der Verführung im Bunde standen; und auch sie taten nicht weniger Zeichen, als Mose sie tat, und es hielten die Ägypter sie für Gesandte der Götter und für Götter selbst: den Jannes und den Jambres. Da aber die Zeichen, die sie taten, nicht von Gott, dem Höchsten, waren, kamen sie selber um, wie auch die, die ihnen geglaubt hatten. Darum lasst ab von diesen Menschen! Lasst Ihn in Ruhe! Denn Er verdient den Tod nicht! Wenn aber doch, so mag Gott selbst Ihn richten!«“

Da erbosten sich die Pharisäer über Nikodemus: „Dieser ist auch schon ein Jünger von ihm geworden und tritt für Ihn ein!“

Da fragte sie Nikodemus: „Ist dann etwa auch der Statthalter Sein Jünger geworden, dass er für diesen Jesus Partei ergreift?! Hat der Kaiser ihn nicht für diesen Streitfall eingesetzt?!“

Die Juden aber waren über seine Widerrede ergrimmt und fletschten die Zähne gegen Nikodemus. Da ergriff der Statthalter Pilatus für Nikodemus das Wort: „Warum knirscht ihr mit den Zähnen gegen ihn, wo ihr von ihm doch nur die Wahrheit zu hören bekommen habt?!“

Die Ältesten aber wetterten daraufhin gegen Nikodemus: „Wenn dieser gerichtet werden soll durch die Wahrheit Gottes und nicht durch Menschen, so sollst auch du Sein Schicksal teilen!“

Da pflichtete der alt-ehrwürdige Rats-Herr Nikodemus ihnen bei und beteuerte: „Ja, wahrlich, Amen: Das will Ich tun und die Verantwortung dafür übernehmen, dass ich für Ihn gesprochen habe und für Ihn eingetreten bin: Es soll geschehen, wie ihr´s gesagt habt!“

(Q)

Inzwischen hatte sich eine große Menge des Volkes in der Vorhalle des Prätoriums gesammelt. Denn es war in der ganzen Stadt bekannt geworden, dass der große Prophet aus Galiläa festgenommen worden war und er vor dem Prokurator verklagt wurde.

Da trat einer von den Juden vor und bat den Statthalter, ein Wort sagen zu dürfen. Und der Präfekt gewährte es ihm und sagte: „Trag vor, was du zu sagen hast!“

So erklärte der Israelit: „Ich bin achtunddreißig Jahre lang bettlägerig gewesen und war an mein Lager gefesselt unter peinvollen Schmerzen. Als aber bekannt wurde, dass Jesus in unserer Gegend war und dass Er schon viele, die von Dämonen besessen waren, sowie auch viele Kranke, die an verschiedensten Gebrechen gelitten hatten, geheilt hatte, da trugen mich meine Anverwandten samt meiner Pritsche zu Ihm.

Und siehe, dieser Rabbi hatte großes Mitleid mit mir und heilte mich, indem Er zu mir sprach: »Steh auf, nimm dein Bett und geh!« Und fürwahr, ich konnte es! Ich konnte mich nicht nur wieder bewegen, sondern wurde durch einen Schauer, der mich von den Kopfhaaren bis zu den Fußsohlen durchfloss, derart gekräftigt und gestärkt, dass ich sogar die Pritsche, auf der ich lag, selbst mit mir nach Hause tragen konnte!“

Die hohen Rats-Herren aber riefen: „Frag ihn, was für ein Tag das war, an dem er geheilt wurde!“ Da erklärte der Geheilte: „Das war an einem Sabbat!“ Und die Schriftgelehrten triumphierten: „Haben wir´s nicht gesagt, dass Er ausgerechnet immer am Sabbat geheilt und Dämonen ausgetrieben hat?!“

Daraufhin trat ein anderer aus dem Volk vor und bezeugte: „Ich bin blind gewesen und musste betteln. Da hörte ich, dass jener große Prophet durch die Straße zog, in welcher ich zu sitzen und um Almosen zu bitten pflegte. Da rief ich mit lauter Stimme: »Du Sohn Davids! Erbarme Dich meiner!«

Da trat Er zu mir, und Ich hörte Seine Stimme voller Liebe und Mitgefühl, wie mich noch nie jemand angeredet hat; Sein Angesicht sehen aber konnte ich nicht, denn ich war ja schließlich blind. Und Er fragte mich: »Kind, was willst du, dass Ich dir tun soll?« Da bat ich: »Herr, dass ich wieder sehend werde!« Da erbarmte Er sich meiner und legte mir Seine Hände auf die Augen, und alsbald konnte ich wieder sehen!“

Wieder ein anderer von den Juden bekundete: „Und ich bin verkrümmt gewesen, dass ich kaum aufrecht gehen konnte. Er aber hat mich durch nur ein Wort wieder aufgerichtet, dass ich nun wieder gerade gehen kann!“

Und noch ein anderer gab die Kunde: „Und ich bin fürwahr aussätzig gewesen und wegen meines Aussatzes verbannt gewesen und ausgeschlossen von jeder Gemeinschaft, dass ich bei den Ausgestoßenen in Höhlen hausen musste. Er aber hat mich geheilt. Und nicht mich allein, sondern uns alle!“

Schließlich rief aus großer Entfernung eine Frau mit Namen Bernike: „Und ich bin blutflüssig gewesen und habe nur die Quaste Seines Gewandes berührt, und unversehens kam mein Blutfluss, den ich ganze zwölf Jahre lang hatte, zum Stillstand!“

Da grölten die Pharisäer: „Wir haben ein Gesetz, dass ein Weibsbild nicht als Zeugin zugelassen ist! Da siehst du, wie jener alle mit Seinen Lehren vergiftet, dass die Überlieferungen unserer altehrwürdigen Väter im gemeinen Volk schon garnichts mehr gelten, dass selbst schon Frauen einfach das Wort ergreifen und aus der Menge schreien!“

Dann aber riefen mehrere aus dem Volk: „Dieser ist ein großer Prophet, denn selbst die Dämonen haben Angst vor Ihm und müssen sich Seinem Machtwort fügen und sind Ihm untertan!“

Da fragte Pilatus die vielen, die für Jesus eintraten: „Wenn Ihm selbst die Dämonen ergeben sind, warum haben sich nicht auch eure Lehrer Ihm untergeordnet?“ Sie aber antworteten: „Das verstehen wir auch nicht.“

Schließlich riefen noch einige aus Bethanien: „Siehe, in unserem Dorf hat Er sogar einen Mann, der schon drei Tage in der Gruft lag, wieder zum Leben erweckt, nämlich den Lazarus, der ein hoch geachteter angesehener und wohlhabender frommer Jude ist!“

Da erschrak Pilatus, als er hörte, dass jener Prophet sogar Tote erweckt haben sollte, und er sprach zu den Hohen Rats-Herren: „Und diesen, der sogar Tote erwecken kann, wollt ihr töten?! Warum wollt ihr unschuldiges Blut vergießen?!“ Sie aber antworteten ihm nicht.

(R)

Da trat Pilatus hinunter zu den Ältesten und Priestern und Leviten und sagte zu ihnen im Vertrauten: „Macht es nicht so! Lasst ab von eurem Gesuch! Fordert nicht Seinen Tod! Denn eure Anklage bezieht sich lediglich auf Heilen und Entweihen des Sabbats.“

Da fragten die Ältesten und die Priester und die Leviten: „Wenn einer gegen den Kaiser lästert, verdient er den Tod oder nicht?“

Darauf antwortete Pilatus: „Ja, ein solcher verdient den Tod. Aber das tut jener ja überhaupt nicht!“

Die Hohenpriester aber erklärten dem Pilatus: „Wenn einer gegen den Kaiser lästert, verdient er, wie du selbst sagst, den Tod. Dieser aber hat gegen Gott gelästert! Also verdient jener erst recht den Tod!“

Und die Hohenpriester gaben nicht nach und klagten Ihn vieler Dinge an.

Jesus aber, als Er von den Hohenpriestern und den Ältesten noch vieler weiterer Ungeheuerlichkeiten angeklagt wurde, antwortete nichts.

Da sprach Pilatus zu Ihm: „Hörst Du nicht, was diese alles gegen Dich vorbringen?.“ Denn sie führten noch viele weitere Beschuldigungen an – wie etwa diese: „Jener hat erklärt: »Ich kann diesen Tempel niederreißen und Mir in drei Tagen einen weit Größeren auferbauen.«” Und Pilatus hatte sie gefragt: „Welchen Tempel?“ Da hatten die Priester und Leviten höhnisch gespottet: „Den, welchen Salomo in sechsundvierzig Jahren erbaut hat. Dieser aber erklärt, ihn niederreißen zu wollen und in nur drei Tagen einen weit gewaltigeren, neuen Tempel auferbauen zu wollen!“

Pilatus aber fragte Ihn wieder und sprach: „Antwortest Du nichts? Siehe, wie vieles sie gegen Dich vorbringen!“

Jesus aber sagte gar nichts mehr. Und Er antwortete ihm auch nicht ein einziges Wort, so dass der Statthalter Pilatus sich sehr wunderte und sich zu fürchten begann.

Aber Pilatus wusste nicht, was er machen sollte; denn er wollte nicht einen Unschuldigen kreuzigen.

Doch die Führer Israels nötigten ihn und ließen von ihrem eindringlichen Gesuch auch nicht im Mindesten ab.

(S)

Sie aber, die Obersten der Juden, bestanden darauf, dass Er hingerichtet würde, und schrien: „Dieser Aufrührer muss unbedingt sterben! Denn Er wiegelt das ganze Volk auf und verbreitet Seine Irrlehren, angefangen von Galiläa, nun aber, wie sich´s hier schon vor dir selbst erweist, auch schon in ganz Judäa bis hierher in die Heilige Stadt Jerusalem!“

Als aber Pilatus etwas von Galiläa hörte, fragte er: „Was sagt ihr da?! Jener Prophet ist ein Galiläer?! Ich denke, Er ist in Bethlehem in Judäa geboren! Wie sprecht ihr nun, dass Er aus Galiläa sei?!“

Da antworteten ihm die zwölf Vertrauten des Witwers Joseph: „Er ist allein in Bethlehem geboren worden, weil Sein Zieh-Vater, Joseph, aus dem königlichen Geschlecht des Davids war, wie wir alle, und deshalb wegen der Volkszählung, die seiner Zeit der große Kaiser Augustus angeordnet hatte, in die Stadt seiner Herkunft musste, um sich dort einschreiben zu lassen.

Gelebt aber hat Joseph in Nazareth, wo auch heute noch seine Kinder leben, welche ihm seine Frau geschenkt hatte, ehe sie verstarb und er Maria in seine Obhut nahm., welche sodann Jesus austragen durfte. Dort, bei uns in Nazareth hatte Joseph auch sein Schreinerhandwerk ausgeübt mit seinen Söhnen, die seine Werkstatt übernommen haben, nachdem er in vorgerücktem Alter verstarb.

Und dort ist auch Jesus aufgewachsen und erzogen worden – zuerst von Joseph, und nachdem dieser verstorben war, von dessen ältesten Sohn Jakobus, der nach seines Vaters Tod das neue Oberhaupt der Familie wurde. Auch dieser Jakobus ist ein hoch-geachteter frommer Jude, der wegen seinem Eifer für das Gesetz des Mose allem Volk als ein überaus Gerechter und als eine Säule der Gottesfürchtigkeit gilt.

Nazareth aber, aus welcher Jesus kommt, verdankt seinen Namen dem Umstand, dass sich dort nach der Rückkehr aus Babylon lauter Daviden angesiedelt haben, die aus seinem, des Davids, königlichen Geblüt und edlen Geschlecht sind, und darum erwarten, dass aus ihrer Mitte der »Sohn Davids« für Israel erstehen würde, welcher von den Propheten auch als der »Nezer« bezeichnet wird: der verheißene göttliche »Spross«, unter dem es in ganz Israel und in aller Welt wieder sprossen würde!

So siehst du, dass nichts anderes eingetreten ist, als wie es uns von Anfang an durch die Propheten angekündigt worden ist, dass der »Nezer« tatsächlich aus »Nazareth« stammt, was übersetzt »Spross-Dorf« heißt. Denn in Hinblick auf die Verheißungen, welche uns, den Daviden, gegeben worden sind, dass aus unserer Mitte der Messias erstehen würde, haben wir voller Hoffnung unserer neuen Siedlung im Heiligen Land diesen Namen gegeben. Und siehe, es hat sich ebenso erfüllt!“

Darauf antwortete Pilatus hocherfreut: „Na, dann ist Er doch ein Galiläer! Dann fällt Er ja überhaupt nicht unter meine Zuständigkeit! Denn ich bin Statthalter allein von Judäa und Samaria! Galiläa aber fällt unter den Machtbereich des Vierfürsten Herodes Antipas, dessen Gerichtsbarkeit sich über Galiläa und Peräa erstreckt!“

Die Rats-Mitglieder wollten aber ein Urteil von dem Präfekten. Denn sie hatten schon versucht, gemeinsame Sache mit den Herodianern zu machen. Der Tetrarch fürchtete anfänglich nämlich den Meister und suchte, Ihn zu ergreifen, weil er meinte, dass jener neu erstandene Prophet der von den Toten wieder auferstandene Täufer Johannes sei, den er hatte enthaupten lassen. Doch mussten die Pharisäer dann schließlich erkennen, dass Herodes allerdings irgendwann sein Interesse an jenem neuen Täufer verlor, nachdem er erkannte, dass Jesus nicht, wie der Tauf-Prophet Johannes, gegen ihn wetterte und überall seinen gottlosen Wandel anprangerte, sondern sich vielmehr aller Gottlosen und Sünder annahm und ihnen die Liebe und Vergebung Gottes zusprach – zum großen Ärger aller Frommen, welche auch gegen den Antipas waren.

Darum konnten die Rabbiner bei Herodes nicht mehr mit Gewissheit mit einer Unterstützung ihres Anliegens rechnen. Deshalb bestanden sie weiter darauf, dass Jesus der Gerichtsbarkeit des römischen Präfekt unterstehen würde, und erklärten: „Doch! Du bist sehr wohl zuständig! Denn hinlänglich, wo Er aufgewachsen ist und zuerst gewirkt hat, so ist Er ja doch in Bethlehem geboren, wo Er auch in die Steuer-Listen Roms eingetragen wurde!“

Die zwölf Daviden aus Nazareth aber widersprachen: „Und doch ist er aufgewachsen in »Nazareth«, dem »Spross-Dorf«, das schon nach Ihm, dem »Nezer«, benannt ist. Er ist allein darum in Bethlehem geboren, auf dass sich die Schriften erfüllten. Denn es wurde geweissagt von dem Propheten Micha: »Und du Bethlehem im Lande Judäa bist keineswegs die geringste unter den Fürstentümern Judas! Denn aus dir wird der Erlöser kommen, der Mein Volk weiden wird, Und Seine Ursprünge sind von den Urzeiten her, und reichen zurück bis hinein in die Ewigkeit!«“

Pilatus aber fragte: „Bis in die Ewigkeit?!“ Sie aber bestätigten es: „So steht es geschrieben.“

Da wandte sich Pilatus an die Hohenpriester und erklärte spitzfindig: „Nun, wie auch immer. Auch wenn Er in Bethlehem geboren worden sein mag: Wenn Sein Vater nach dem Gesetz, jener Joseph, aus Nazareth war und mit der ihm anvertrauten Maria, als diese schwanger war, nach Bethlehem gezogen ist, so hat jenes Mädchen die Frucht ihres Leibes ja doch ganz offensichtlich in Nazareth empfangen, wie auch immer sich das nun zugetragen haben mag. Damit ist jener aber ein Nazarener, denn in Nazareth wurde Er ausgetragen; und damit ist Er ein Galiläer, wo Er schließlich auch aufgewachsen ist und hauptsächlich gewirkt hat! Und somit habe ich nichts zu schaffen mit Ihm! Da müsst ihr euch schon an den Vierfürsten wenden, welcher für Galiläa zuständig ist!“

Nachdem er, der Präfekt, also erfahren hatte, dass der Angeklagte aus dem Machtbereich des Herodes stammte und damit der Gerichtsbarkeit des Tetrarchen Antipas unterstand, da sandte er sie mit Jesus zu dem Vierfürsten Herodes Antipas, der auch selbst in jenen Tagen in seinen Palast-Anlagen oberhalb des Tempels in Jerusalem war und auf der Burg Antonia residierte.

Und als er sie entlassen hatte, sprach Pilatus zu seinem Hauptmann Petronius, der ein Vertrauter des Präfekten war und bei ihm stand: „Dieser Jesus ist der erste wahre Gottesmensch, den ich hier in dem angeblich so gottesfürchtigen Israel gefunden habe, bei dem man etwas von einer wahren Heiligkeit und göttlichen Präsenz verspürt – unter diesem ganzen Volk, das sich für so gott-verbunden wähnt! Aber ausgerechnet den soll ich hinrichten lassen!“

(T)

Als aber Herodes sah, dass ihm Jesus vorgeführt wurde, da freute er sich sehr; denn er wünschte schon seit langer Zeit, Ihn zu sehen, weil er vieles über Ihn gehört hatte. Seine früheren Befürchtungen, jener Prophet könnte der wieder-erstandene Täufer sein, den er hatte köpfen lassen, weswegen er einst den Meister zu ergreifen suchte, um Ihn auch töten zu lassen, waren schon lange verflogen, nachdem er erkannt hatte, dass Jesus in ganz anderer Weise auftrat, wie der Täufer, und nicht Zorn und Verdammungsgericht predigte, wie sein Vorläufer, sondern vielmehr Gottes Nachsicht und Barmherzigkeit verkündigte, selbst sogar gegen die Undankbaren und Bösen, und sich vielmehr gerade der Huren und Zöllner annahm, die aus der Gemeinschaft der Frommen ausgestoßen worden waren.

All das machte jenen Künder der Gottesliebe dem Tetrarchen eher sympathisch, weil dieser meinte, nach dieser neuen Lehre wäre keine Umkehr zu Gott mehr nötig, worin der Vierfürst die Verkündigung Jesu freilich gänzlich missverstand, wie er auch die Verlorenheit seiner eigenen Seele noch überhaupt nicht erfasste und erkennen konnte; denn seine Züchtigung durch die Gerichte Gottes stand noch aus.

Zunächst traten die Hohenpriester und die Schriftgelehrten bei dem Tetrarchen von Galiläa und Peräa vor und begannen, Jesus aufs Heftigste zu verklagen. Herodes aber, der ihnen auch nicht einen Augenblick zuhörte, winkte irgendwann ab und stöhnte: „Genug! Genug! Ich habe genug gehört! Lasst uns allein mit Ihm! Wartet draußen! Ich werde euch mein Urteil mitteilen lassen!“

Herodes interessierte sich nämlich nicht im Mindesten dafür, was diese Frommen, die, wie er genau wusste, hinter seinem Rücken auch wider ihn selbst lästerten und Ränke schmiedeten, gegen jenen Wanderprediger vorzubringen hatten. Der Antipas freute sich vielmehr über die willkommene Abwechslung und hoffte, er könne vielleicht irgend ein Wunder von Jesus sehen, und bat den Meister, Er möge ihm doch einige Seiner Kunststücke vorführen.

Jesus aber erkannte, dass sich jener selbstgefällige Herrscher seiner abgrundtiefen Verlorenheit auch nicht im Allermindesten überhaupt bewusst war und sich in seinem gottlosen Leben in Saus und Braus, wie in Unzucht und Sünde auch noch gefiel, so dass jenem selbstherrlichen Gesetzlosen gegenwärtig auch nicht im mindesten zu helfen war, weil ihm die schauderhaften Folgen seines frevelhaften Lebenswandels noch überhaupt nicht bewusst waren, da sie ihn noch nicht ereilt hatten, und somit der Prozess der Ernüchterung bei ihm noch überhaupt nicht abzusehen war. Und da der Herr all das erkannte, schwieg darum zu allem.

Und was auch immer Herodes Ihn fragte und sich von Ihm zu seiner, wie zu seines Hofstaates Belustigung erbat, wie immer der Tetrarch Ihn auch aus der Reserve zu locken und bei Seiner Ehre zu packen suchte: Er antwortete ihm nichts, auch nicht nur ein einziges Wort.

Da erhob sich der Antipas von seinen Polstern und torkelte mit einem Becher Wein in der Hand zu Jesus und foppte Ihn: „Auch nicht ein einziges Wunder?! Kein klitzekleines?! Ach wie schade! Und ich habe gehört, Du könntest Wasser in Wein verwandeln! Das wäre uns ja so recht gewesen! Ich hätte Dich glatt angestellt! Denn sieh: Selbst meine Magier können doch nur alle Wein in Wasser verwandeln! Wie ich übrigens auch! Ich bin nämlich auch ein Wunderkind! Aber denk mal an: Das können wir alle hier!“

Die Gesellschaft des Herodes aber bog sich vor Lachen. Und Herodes spottete weiter: „Aber trinken will das dann doch keiner! Der Wein aber, den Du aus Wasser machen sollst, habe ich mir sagen lassen: der soll ja ganz erlesen sein! Die selbe berauschende Wirkung! Aber kein Kater danach! Das würde uns hier allen nur zu gut gefallen! Dann könnten wir ja noch mehr trinken, bevor wir umfallen!“ Wieder Gelächter.

Und Herodes ließ sich einen Krug mit Wasser bringen und flehte Jesus an: „Ach bitte, guter Meister! Wenigstens diesen einen Krug! Ich würde so gerne einmal den Wein kosten, den Du austeilst! Ich werde Dich dann hier auch auf der Stelle zum neuen König über ganz Israel ausrufen lassen! – … wenn er wirklich schmeckt. Ganz bestimmt! Großes feierliches Ehrenwort! – Wirklich nicht?! Schade! Wirklich schade!“

(U)

Und Herodes wandte sich, nicht ohne einen gewissen Anflug von Verärgerung, dass der ihm Vorgeführte auch nicht im Mindesten mitspielen wollte, von Jesus ab, und befahl: „Schickt ihn zurück zu Pilatus! Sagt ihm: Ich danke ganz herzlich, dass er meinen Herrschaftsbereich so achtet und meine Gerichtsbarkeit so hoch einschätzt. Ich aber weiß nicht, was ich mit diesem anfangen soll. Der taugt ja nicht einmal als Hofnarr und Pausenclown!

Und da sich ganz offensichtlich gezeigt hat, dass jener nur ein Gaukler und Possenreißer und Schwindler ist, der nicht einmal mit bösen Gerichtsandrohungen Eindruck zu schinden versteht, bin ich der Meinung, man sollte diesen Vagabunden wieder auf die Straße schicken, wo Er hingehört. Wir jedenfalls finden nichts an diesem unbehauenen starren Klotz und sehen darum auch keinen Grund, Ihn umzuhauen – nicht, dass Er sich dann doch noch einmal bemerkbar macht, weil Er einem am Ende auf die eigenen Füße fällt!“ – Wieder Gelächter. – „Wir befinden also: Dieser ist keine Bedrohung! Außer, man fürchtet Langeweile! – Also, dann dann: Hinweg mit diesem! Er amüsiert uns nicht! –

Aber nein! Wartet! Ist dieser nicht der König der Juden?! Dann wollen wir Ihn auch entsprechend einkleiden!“ Da nahm Herodes, nachdem Er den Rabbi schon über Gebühren gering-schätzend behandelt und verspottet hatte, seinen Umhang aus ganz erlesenem glänzenden Stoff und warf ihn Jesus zum Amüsement seiner angetrunkenen Gäste über.

Und Herodes betrachtete den schon ziemlich zugerichteten Propheten und sprach: „Steht Ihm zwar nicht, eigentlich schade drum: Nicht einmal Mein königlicher Umhang macht diesen zu einem König! Das einzig Königliche an diesem erbarmungswürdigen Scharlatan ist, wie mir scheint, mein königliches Gewand! Aber sei´s drum!

Schickt Ihn also so zurück zu Pilatus und erklärt ihm: Wenn dieser der König der Juden ist und somit doch wohl Jerusalem als Seinen Herrschaftssitz beansprucht, so überlassen wir ihn gerne der Zuständigkeit des Präfekten, da die Hauptstadt in sein Herrschaftsgebiet fällt.

Denn wie der Präfekt Roms unseren Herrschaftsbereich achtet und wertschätzt, so vielmehr auch wir den seinigen, und darum wollen wir ihm in seinem Urteil keineswegs vorgreifen und haben vollstes Vertrauen, dass der Statthalter Roms gerechtes und angemessenes Urteil über jenen Gaukler verhängen wird, der uns in keiner Weise amüsiert oder beeindruckt oder wenigstens das Fürchten gelehrt hat, sondern vielmehr in jeder Hinsicht nur enttäuscht und furchtbar gelangweilt hat, so dass wir meinen, dass von jenem aber auch garnichts Aufregendes zu befürchten oder auch nur zu erwarten ist.“

So sandte Herodes Antipas den Sohn Gottes in seinem eigenen glänzenden Gewand zu Pilatus zurück. Nachdem Herodes aber nicht durchschaute, dass Pilatus sich aus der Verantwortung stehlen wollte, ein Urteil über diesen Gerechten Gottes fällen zu müssen, und ihn allein darum zu ihm geschickt hatte, sondern meinte, der Prokurator hätte dies getan, um ihm damit eine Geste seiner Wertschätzung zu erweisen, waren seit diesem Tage die Spannungen, welche zwischen den Präfekten Roms und dem Tetrarchen bestanden, beigelegt.

So pflegten Pilatus und Herodes, die vorher Feindschaft gegeneinander hegten, seit diesem Tage ein vertrauensvolles, geradezu freundschaftliches Verhältnis, in welchem jeder den anderen in Ehrerbietung regelrecht zuvorkam – und dies trotz der Grauen, die Pilatus später noch an dem Volk Gottes verüben sollte aus Wut darüber, dass die Juden ihn genötigt hatten, den Sohn Gottes hinrichten zu lassen und als sein Henker in die ewigen Analen einzugehen.