Syn-Evangelium
(Studien-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
I Die Anfänge
11: Elisabeths Schwangerschaft und Niederkunft
11-A: Schwanger – als eine Geweihte des HERRN!
11-B: Gesegnet bist du unter den Frauen!
11-C: Meine Seele erhebt den HERRN!
11-D: Du wirst gepriesen werden von allen Geschlechtern der Erde!
11-E: Vertraue dem HERRN, mein Kind!
11-F: Wie soll das Kind nun heißen?
11-G: Gelobt sei der Höchste, der Gott Israels!
11-H: Ein Sohn macht noch keine Hohepriester-Dynastie!
11-I: Das konnte Zacharias das Genick brechen!
11-A: Schwanger – als eine Geweihte des HERRN!
Als Maria aber mit ihrer Arbeit an dem Purpur und dem Scharlachfarbigen, das ihr anvertraut worden war, um es für den neuen Vorhang zum Allerheiligsten im Tempel des HERRN zu Fäden zu ziehen, nach über einem Jahr fertig geworden war und erkannte, dass sie in anderen Umständen war, da es ihr nicht mehr nach der Frauenweise ging, da nahm sie die Fertigstellung ihrer Arbeit zum Anlass, hinauf nach Jerusalem zu ziehen, um ihre Schwangerschaft vor den Kindern Israels in ihrer Wohnstatt in Nazareth zu verbergen. Denn sie fürchtete sich, da alle wussten, dass sie eine Geweihte des HERRN war, die von keinem Mann je berührt werden durfte (a).
Denn Maria war klar, dass man ihr unterstellen würde, sie hätte ihr Gelübde gebrochen, und dass man sie bezichtigen würde, sie hätte mit einem fremden Mann Hurerei getrieben (b), da sie doch der Obhut des Witwers Joseph anvertraut worden war (c) und ihm damit gleichsam anverlobt worden war (d).
Da Joseph mit seinen Söhnen aber gewürdigt worden war, am Ausbau des Heiligtums Gottes in Jerusalem mitzuarbeiten, musste sie damit rechnen, beschuldigt zu werden, sie hätte die Abwesenheit ihres Ehe-Herren (e), dem sie anvertraut worden war, ausgenutzt, ihr Treue-Gelübde auf schändliche Weise zu brechen. Darum ängstigte Maria sich vor den frommen Bürgern von Nazareth und suchte eine Gelegenheit, ihr Heimatdorf zu verlassen, ehe irgendjemand gewahr werden konnte, dass sie schwanger geworden war.
Und sie wandte sich an Ephraim, der mit Judith, einer der Töchter des Joseph, vermählt war, mit der Bitte, ihren fertig-gestellten Spinn-Garn persönlich hinauf nach Jerusalem bringen zu dürfen zu ihrem Onkel Zacharias, welcher die rechte Hand des Hohenpriesters von Jerusalem und der Aufseher über alle Tempelarbeiten war.
Und Maria kündete es auch dem Ephraim, dass ihr ein Engel erschienen war, der ihr mitgeteilt habe, dass ihre Tante, Elisabeth, die Schwester ihrer Mutter Anna, die mit dem hohen Priester Zacharias verheiratet war, trotz ihres vorgerückten Alters noch ein Kind empfangen habe (f) und darum auf Marias Hilfe angewiesen sei.
Ephraim aber besprach sich mit Johanan und Amazja, den anderen beiden Schwiegersöhnen des Joseph. Und wenngleich sie nicht wussten, was sie von der himmlischen Kunde halten sollten, welche Maria erhalten zu haben beteuerte, gewährten sie es ihr, zu ihren betagten Verwandten hinauf zu ziehen gen Jerusalem. Denn auch der Rabbi von Nazareth sah keine Einwände, da Maria im Hause Josephs abkömmlich war und die Möglichkeit bestand, dass die jungfräuliche Geweihte einer Pilgerschar anvertraut werden konnte, die zum Tempel des HERRN in die Heilige Stadt hinauf ziehen wollte.
11-B: Gesegnet bist du unter den Frauen!
So machte Maria sich in diesen Tagen auf und zog, ohne zu säumen, mit der Pilgerschar hinauf in das Gebirge Judas nach Bethanien, das vor Jerusalem lag, (a) zu Elisabeth, ihrer Verwandten (b); und die Pilger brachten sie hinauf in das Haus des Zacharias (c).
Und als Maria eintraf, und ihre Tante Elisabeth vernahm, dass eine Reisegruppe aus Galiläa gekommen war, da legte sie das Scharlachfarbige für den Vorhang zum Allerheiligsten, an dem auch sie mitarbeiten durfte, eilig fort und lief hinunter in den Hof ihres Hauses (d).
Maria aber, als sie ihre Tante kommen sah, konnte nicht an sich halten und stürmte ihr entgegen in die Arme und rief: „O meine liebste Tante Elisabeth! Welche Barmherzigkeit und Freude, dass ich dich wahrhaftig so gnädig heimgesucht wiedersehen darf!“ Aber siehe: Als Elisabeth den Gruß ihrer Nichte Maria hörte, die ihr in die Arme fiel, da geschah es, dass auch das Kind in ihrem Leib vor Freude zu strampeln begann!
Und Elisabeth wurde mit Heiligem Geist erfüllt (e); und sie drückte ihre Nichte an sich und benedeite (f) überglücklich mit lauter Stimme, so dass es alle hören konnten: „O Maria! Meine liebe Maria! Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! (g) Wie nur komme ich zu solcher Freude und Ehre, dass die Mutter meines Herrn mich besucht und zu mir kommt? (h)
Denn siehe, wie die Stimme deines Grußes in meine Ohren drang, hüpfte sogar das Kind vor Freude in meinem Leib und wünschte dir Segen!” (i) Und Elisabeth drückte Marias Hand an ihren Schoß und fragte sie überglücklich: „Fühlst du es?“ Maria aber weinte vor Freude und bekundete: „Auch bei mir hat sich das Kind gerührt! Das erste Mal, dass ich es spüre! Fühl mal!“ Und die beiden umarmten sich mit Tränen vor Freude.
Elisabeth aber gestand: „Ich war damals erst so unendlich unglücklich, dass wir dich nicht in unser Haus aufnehmen durften, als du nicht länger im Haus des HERRN verbleiben konntest! Aber der Geist des HERRN hatte es mir erklärt, dass es notwendig war, dass du einem Daviden anvermählt werden müsstest (j), da es dir bestimmt ist, den »Sohn Davids« auszutragen, unser aller Herrn und Heiland (k), welchen auch schon David selbst als seinen Herrn und Heiland von ferne sah und Ihn grüßte und Ihn besang (l) – jenem Sohn des Höchsten, der aus seinem Haus und Geschlecht hervorgehen soll (m), wiewohl Er schon unendliche Zeiten vor David und selbst vor Abraham war! (n)
Und glückselig bist du, die du all das geglaubt hast, denn nun wird über dich alles zur Erfüllung kommen, was von dem HERRN durch all Seine Propheten von Urzeiten her angekündigt und verheißen worden ist! (o)
Aber auch über meine Kinderlosigkeit hat der HERR sich doch noch erbarmt und mir auch noch selbst ein Kind geschenkt und so meine Trauer in Freude gewandelt! Denn ich darf den Elia austragen, der deinem Sohn den Weg bereiten soll, wie es von ihm gekündet worden ist!“ (p)
11-C: Meine Seele erhebt den HERRN!
Und auch Maria pries den HERRN in freudigem Hymnen-Gesang:
„Meine Seele erhebt den HERRN,
und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland.
Denn der HERR hat mich trotz all meiner Niedrigkeit und Unwürdigkeit
doch gnädig angesehen als Seine Kindermagd und Amme – so sehr,
dass mich von nun an alle Geschlechter glückselig preisen werden
über der Huld und Gnade, die mir vom HERRN widerfahren ist! (a)
Denn wer bin ich schon,
dass alle Geschlechter der Erde mir benedeien und huldigen werden
als der Mutter des Heilands und Erlösers von wahrhaft allen,
der es vergönnt ist, Ihn, den Höchsten und Herrlichsten,
auszutragen und zu stillen und aufzuziehen und zu geleiten? (b)
Denn fürwahr! Welch unerfindliche Gnade ist mir da nur widerfahren,
dass der Allmächtige so Übergroßes und Gewaltiges an mir getan hat,
dass mir darüber einstmals alle Welt benedeien und huldigen wird! (c)
Denn wahrhaft heilig ist doch nur Sein Name
und über alle Maßen aller Huldigung wert allein Sein unendliches Liebes-Wesen!
Denn Seine Barmherzigkeit ist es,
die da währt von Geschlecht zu Geschlecht über allen,
die Ihm mit Ehrfurcht begegnen
und Seine Gerechtigkeit zu fürchten gelernt haben (d).
Denn von je her hat Er mit starker Hand Seine Macht erweisen:
Er hat alle niedergestreckt,
die in der Gesinnung ihres Herzens hochmütig waren (e).
Schon immer hat Er Mächtige von ihren Thronen hinab gestoßen
und Niedrige dafür erhöht.
Und alle Hungrigen hat Er hernach dann doch immer wieder mit Gütern angefüllt,
die selbstherrlichen Reichen aber in die Mittellosigkeit geworfen (f).
Alle, die nur von herzloser Selbstsucht bestimmt waren
und sich durch ihren unbarmherzigen Wandel
große Reichtümer angehäuft haben,
ließ Er am Ende mit ihrem Leben alles verlieren (g)
und warf sie in ihrer Wiedergeburt in eine elende Existenz,
in welcher sie dann selbst unter der Herzlosigkeit der Mächtigen zu leiden hatten,
um sie so zu demütigen und zu ernüchtern.
Welche aber darüber Demut lernten und zur Barmherzigkeit fanden,
denen erwies Er sodann Gnade in ihrem nächsten Leben,
so dass sie den Segen, in welchen sie alsdann hinein-geboren wurden,
nunmehr nicht mehr selbstsüchtig für sich allein behielten,
sondern austeilten an alle (h),
um so ihren Lauf endlich zu vollenden.
Auf diese Weise macht es der HERR von je her:
Er tötet und macht lebendig, Er führt in den Scheol hinab und wieder herauf (i),
Er reißt aus dem Dasein und ruft in ein neues Dasein (j);
so erniedrigt Er und erhöht Er,
so demütigt Er die Hochmütigen
und erhöht Er hernach wieder die recht Gedemütigten,
so macht Er die vermeintlich Reichen arm,
alle aber, die darüber über ihre wahre Armut ernüchtert werden, wahrhaft reich.
So hebt Er den Geringen aus den Staub empor
und zieht den Mittellosen, Gebeugten aus seinem Schmutz,
um ihn in einer glücklicheren Wiedergeburt unter Edle zu setzen
und ihn begütert wieder-zu-erwecken,
so dass der demütig Gewordene ererbt, was der Hochmütige verloren hat (k).
Nun aber soll es aller Welt offenbar werden,
wie der HERR alle Zeit gerecht richtet und wirkt –
in allem immer nur auf aller Heil und rechte Genesung bedacht:
dass Er sich allem Hochmut widersetzt, um ihn zu brechen,
sich dann aber aller, die Demut gelernt haben, erbarmt (l); –
nun soll es aller Welt offenbar werden,
wenn Er nunmehr selbst kommen
und sich all denen zuwenden wird, die gebeugt und gebrochen sind,
um sie vor aller Welt Augen aufzurichten und zu heilen (m)
und einer besseren Wiedergeburt zuzuführen (n)
noch mitten in ihrem jeweiligen Leben! (o)
Nun wird es sich zeigen,
dass Er sich auch Israels, Seines Knechtes, angenommen hat (p)
und in und über Israel der ganzen Welt (q)
in Seiner unerfindlichen unendlichen Barmherzigkeit und Gnade:
Er, der – über aller Untreue Seiner Knechte – doch immer treu bleibt (r)
und derer Er unbeirrbar allezeit gedenkt,
so, wie Er es unseren Vätern versprochen,
geschworen und fest zugesagt hat: (s)
dem Abraham und all seinen Nachkommen – für alle Ewigkeit.“ (t)
11-D: Du wirst gepriesen werden von allen Geschlechtern der Erde!
So benedeiten Elisabeth und Maria dem HERRN. Alle aber, die den Lobpreis der beiden hörten, verwunderten sich über die Maßen über die geistgesalbten mysterienvollen Worte der Gnade, die sie gehört hatten, obwohl es doch nur Frauen waren!
Nachdem aber beide den HERRN gepriesen hatten über den Wundern, die an ihnen geschehen waren, nahm Elisabeth ihre Nichte zu sich in ihr Haus. Und Maria blieb die nächsten drei Monate bei Elisabeth und Zacharias, um ihre hochbetagte Tante in der beschwerlichen Zeit ihrer späten Schwangerschaft in jeder Hinsicht zu unterstützen, bis die Zeit käme, da Elisabeth gebären sollte (a).
Auch half Maria ihrer Tante bei der Fertigstellung ihrer Spinn-Arbeiten am Scharlachfarbenen für den Vorhang zum Allerheiligsten am Tempel des HERRN. Und als die beiden auch noch den Anteil, welchen Elisabeth erhalten hatte, zu Fäden gesponnen hatten, ließ Zacharias eine Mitteilung an seinen Stellvertreter im Haus des HERRN überbringen, dass seine Frau und seine Nichte ihre Spinnereien abgeschlossen hätten und ihre Wirk-Waren abgeholt werden könnten.
Da kam der Priester Samuel mit Tempeldienern hinaus nach Bethanien, um die gesponnenen Garn-Wickel entgegen zu nehmen. Denn er vertrat den Zacharias in seinem Amt als oberster Aufseher über die Bau-Arbeiten am Tempel des HERRN seit der Zeit, da es Zacharias die Sprache verschlagen hatte (b); und er wollte auch bei Zacharias einige Erkundigungen einholen, wie er verschiedene anstehende Bau-Abschnitte am besten koordinieren könnte. Denn wenngleich Zacharias nicht sprechen konnte, so war es ihm doch möglich, sich über ein Täfelchen mitzuteilen (c).
Als aber der Priester Samuel von Zacharias in Hinblick auf seine Fragen einige Anregungen erhalten hatte, wurden den Tempeldienern in seiner Begleitung schließlich die Spinnereien von der Frau und der Nichte des Zacharias übergeben. Und Samuel, der Priester, dankte den beiden für ihre Arbeiten und hob an, sie dafür zu segnen.
Doch siehe, als er Maria segnen wollte, da kam der Geist Gottes über ihn, dass er weissagte (d). Und er kündete: „O Maria! Wie groß hat Gott doch deinen Namen gemacht! Denn du wirst gepriesen sein unter allen Geschlechtern der Erde!“ (e). Maria aber wurde von Freude erfasst, als sie solche Worte der Segnung hörte (f).
Es war ihr zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht anzusehen, dass sie schwanger war, so dass das, was der Priester Samuel prophezeite, wahrhaftig aus der göttlichen Ruach eingegeben worden war.
11-E: Vertraue dem HERRN, mein Kind!
Schließlich kam für Elisabeth die Zeit, da sie gebären sollte; und sie gebar ein wunderschönes Knäblein mit lockigem Haar (a). Aber auch Marias Mutterschoß war in dieser Zeit Tag um Tag stärker geworden, so dass es ihr mittlerweile anzusehen war, dass sie sich in anderen Umständen befand (b).
Da sie aber eine Geweihte des HERRN war und darum zu bleibender Jungfräulichkeit verpflichtet war (c), hielt Zacharias es für besser, Maria zurück nach Nazareth ins Haus des Joseph zu schicken, dessen Obhut sie anvertraut worden war, dass er als ihr Oberhaupt über ihre Keuschheit wachen sollte (d).
Denn Zacharias wollte nicht, dass es dem Hohen Rat bekannt würde, dass Maria schwanger geworden war. Er fürchtete nämlich, dass es ihr als ein Treuebruch gegenüber dem HERRN ausgelegt werden könnte und sie dafür hart bestraft hätte werden können. Denn es wurde als eine große Sünde erachtet, ein Keuschheitsgelübde zu brechen; und da Maria überdies dem Witwer Joseph anvertraut worden war, kam es bei ihr regelrecht dem Vergehen eines Ehebruchs gleich, worauf die Todesstrafe durch Steinigung stand! (e)
Maria aber brach in Tränen aus, als Zacharias alles für ihre Heimkehr in die Wege leitete; denn sie fürchtete sich (f) und bangte, wie es wohl ihr Hüter Joseph aufnehmen würde, wenn er sie bei seiner Rückkehr von seinen Bauarbeiten am Tempel schwanger vorfinden würde. Denn jenem Witwer war sie schließlich gleichwie eine Verlobte anvertraut worden! (g)
Und Maria ängstigte sich, dass er sie des Ehebruchs bezichtigen könnte und ihr keinen Glauben schenken würde, dass sie von einem Engel des HERRN heimgesucht worden war (h). Was würde dann aus ihr werden und aus dem Kind in ihrem Leib, wenn Joseph, ihr Ehe-Herr, sie den Pharisäern überantworten würde?! Ehebrecherinnen wurden aus dem Gottesvolk Israel durch Steinigung ausgemerzt! (i) Bei allem aber hatte Maria schon mehr Sorge um das Kind in ihrem Schoß, das ihr vom Allerhöchsten anvertraut worden war, als um ihre eigene Seele.
Zacharias aber setzte sich hin und ließ sich Papyrus und eine Feder bringen und schrieb dem Mann Marias einem Brief, in welchem er ihm mitteilte, dass das Kind, das in Marias Schoß heran wuchs, vom Heiligen Geist Gottes selbst sei (j), und dass Joseph sie darum nicht wegen ihrer Schwangerschaft verstoßen und den Gesetzeshütern überantworten solle.
Dessen ungeachtet verließ Maria Bethanien mit großer innerer Unruhe. Und Elisabeth beschwichtigte sie, als Maria sich unter Tränen verabschiedete: „Vertraue auf den HERRN, mein Kind! Er wird dich behüten und bewahren, wie auch das Kind in deinem Leibe! Denn es ist Sein! Er wird alles recht fügen! Vertraue nur!“ Mit diesen Worten entließ sie ihre Nichte, als Maria auf einem Esel mit der Reisegruppe nach Galiläa, welche Maria mitnahm, davon ritt.
So kehrte Maria nach drei Monaten wieder zurück nach Nazareth (k). Dort aber verbarg sie sich im Haus des Joseph vor den Kindern Israel (l). Auch besuchte sie am Sabbat nicht die Synagoge – mit der Begründung, nicht wohlauf zu sein. Denn sie ängstigte sich vor den Dorfbewohnern in Nazareth. Und auch ihre Schwägerinnen, die Frauen der Söhne des Joseph, hielten sie die erste Zeit noch für krank, da Maria ihre Lagerstätte nicht verließ. Maria aber war sechzehn Jahre alt, als diese Geschehnisse sich begaben (m).
11-F: Wie soll das Kind nun heißen?
Als aber die Nachbarn und Verwandten der Elisabeth hörten, dass der Herr so große Barmherzigkeit an ihr getan hatte, dass sie in ihrem hohen Alter noch ein Kind gebären durfte, da kamen sie alle und freuten sich mit ihr (a).
Und da Zacharias bis zu dem Zeitpunkt, da es ihm die Sprache verschlagen hatte, die rechte Hand des Hohenpriesters Simon Ben Boethos war (b), welchem die Oberaufsicht über die Erweiterungs-Arbeiten am Tempel des HERRN übertragen worden war (c), war er freilich verpflichtet, all seine nächsten Vertrauten aus dem Hohen Rat Israels zur Feier der Beschneidung seines Sohnes einzuladen.
So begab es sich, dass am achten Tag nach der Geburt seines Knaben eine Gesandtschaft des Sanhedrins kam, um das Kindlein zu beschneiden (d). Und der Hohepriester Simon Ben Boethos nahm die Beschneidung höchstpersönlich vor, da Zacharias für so lange Zeit sein verdienter Stellvertreter war, welcher für ihn die Beaufsichtigung der Bauarbeiten am Tempel übernommen hatte. Und der Hohepriester wollte dem Kind nach seinem Vater den Namen »Sacharja« geben (e); denn nach seinem Dafürhalten hätte dieser Name nur zu gut gepasst. Denn die Bedeutung des Namens ist: „Der HERR hat sich erinnert und dem Sehnen der Seinigen gedacht“.
Elisabeth aber wagte es, zu widersprechen, und erklärte: „Vergebt mir! Aber nicht »Sacharja« soll sein Name sein. Sondern »Johannes«! So soll er heißen!“ (f). Alle aber, die anwesend waren, verwunderten sich sehr über ihre Widerworte; und gar manche brüskierten sich im Stillen darüber, dass jenes Weibsbild sich erdreistete, dem Hohenpriester zu widersprechen.
Und auch ihre Verwandten rügten sie und sprachen: „Was für ein Ansinnen hat dich überkommen?! Ist doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt!“ (g) „Und doch muss dies sein Name sein“, erklärte Elisabeth, ohne sich verunsichern zu lassen: „Denn dies ist es, was über seinem Leben steht, und was er einstmals zu künden hat: »Der HERR ist aller Welt gnädig!«“
Da Elisabeth sich aber nicht abbringen ließ von ihrem Verlangen, dass man ihren Sohn »Johanan« heißen sollte, winkten sie seinem Vater, dem Zacharias, um zu erkunden, wie er ihn nennen lassen wollte (h). Und Zacharias ließ sich seine kleine Tafel reichen, mittels derer er sich in den letzten Monaten verständlich gemacht hatte (i); denn er konnte nicht mehr sprechen, seit ihm vor dem Allerheiligsten am Rauchopfer-Altar jener Engel des HERRN erschienen war (j). Und Zacharias schrieb auf die kleine Tafel: „Sein Name sei »Johannes«“ (k).
Aber siehe: Als er den Namen des Kindes niederschrieb, da wurde sein Mund aufgetan und seine Zunge wurde wieder gelöst, so dass er den Namen, welchen er niederschrieb, zugleich auch laut ausrief: „»Johanan«! »Gott ist gnädig«!“ (l)
Und alle, die dies miterlebten, erschraken über die Maßen (m). Denn es hatte sich vormals wie ein Lauffeuer in der ganzen Gegend im Gebirge Judas verbreitet, was Zacharias einstmals als erstes auf einem Pergamentpapier seiner Frau niedergeschrieben hatte, als er von einigen Tempeldienern aus dem Heiligtum des HERRN in sein Haus gebracht worden war, nachdem er völlig benommen und unfähig, sich zu artikulieren, aus dem Haus des HERRN vom Rauchopfer-Alter wieder vor das Volk getreten war: dass ihm ein Engel des HERRN erschienen war und ihm verkündet hatte, er würde trotz seines hohen Alters noch mit einem Kind gesegnet werden, welches der große Prophet Gottes sein würde – ja, die Wiedergeburt des großen Elia, der dem HERRN den Weg bereiten würde (n).
Denn nun sahen sie mit eigenen Augen und hörten es mit ihren eigenen Ohren, dass sich alles erfüllt hatte – ebenso, wie jener hohe Engelsfürst des HERRN es dem Zacharias gekündet hatte, dass er stumm sein sollte bis zu dem Tag, da sich alles erfüllen sollte, was jene Herrlichkeit ihm verheißen hatte.
11-G: Gelobt sei der Höchste, der Gott Israels!
Über allem aber wurde Zacharias, als sich seine Zunge wieder löste, vom Heiligen Geist erfüllt, dass er in Verzückung geriet und, Gott lobpreisend, zu weissagen begann (a). Und Zacharias huldigte dem Allmächtigen, Höchsten:
„Gelobt sei der HERR, der Gott Israels!
Denn nun hat Er selbst Sein Volk aufgesucht, um es zu erlösen,
und hat uns aufgerichtet eine Macht der Errettung und ein Horn des Heils
im Hause seines Dieners David –
wie Er vorzeiten geredet hat durch den Mund Seiner heiligen Propheten,
dass Er uns noch erretten würde von allen unseren Feinden
und aus der Hand all derer, die uns hassen,
und dass Er uns Barmherzigkeit erzeigen würde
gemäß dem heiligen Bund, den Er mit unseren Vätern geschlossen hat,
und so durchaus Seines Eides gedenken würde,
den Er geschworen hat unserem Vater Abraham,
es uns noch zu geben,
dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde,
Ihm einstmals dienen könnten ohne Furcht unser Leben lang
in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Seinen Augen!“ (b)
Und Zacharias trat zu dem Knaben, der ihm geschenkt worden war, und erhob seine Hand über dem Kindlein zum Segen und weissagte über ihn:
„Und du, Kindlein, wirst »Prophet des Höchsten« heißen.
Denn du wirst dem HERRN selbst vorangehen,
dass du Ihm Seinen Weg bereitest (c)
und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk
über die Vergebung aller ihrer Sünden,
durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes,
durch die uns besuchen wird der lichte Aufgang aus der Höhe,
der allererste strahlende Morgenstern (d),
dessen Ursprünge aus undenklichen Zeiten sind,
von den Tagen der Ewigkeit her (e),
damit Er uns allen erscheine, die wir alle in Finsternis und Todes-Schatten sitzen,
um uns zu erleuchten und unsere Füße zu richten auf den Weg des Friedens
hinein in Sein übergewaltiges strahlendes Licht“ (f).
Und alle, die diese Weissagung hörten, wurden von großer Ehrfurcht ergriffen; und man redete bald von dieser Begebenheit im ganzen Gebirge Judäas. Und alle, die es hörten, nahmen´s freudig zu Herzen und mutmaßten untereinander: „Was wird wohl aus aus diesem Kindlein werden, welches durch ein Wunder Gottes dem Hohenpriester Zacharias (g) noch geschenkt worden ist? Denn die Hand des Herrn ist ganz offensichtlich auf diesem Knäblein! (h)
Ob es wohl der Elia ist, der Prophet Gottes, der wiederkommen soll, ehe der HERR selbst zu uns kommt, um Sein Heil für Israel über aller Welt aufzurichten? (i) Oder ist jenes Kind am Ende sogar der Messias selbst?!“ (j)
11-H: Ein Sohn macht noch keine Hohepriester-Dynastie!
Hannas aber, ein hoch angesehenes ehrgeiziges Mitglied des Hohen Rates, neidete dem Zacharias schon lange sein wachsendes Ansehen, das er bereits als der Stellvertreter des Hohenpriesters durch seine Verdienste als Ober-Aufseher über Tempel-Ausbau erlangt hatte und insbesondere bei Herodes dem Großen genoss; und der Schriftgelehrte Hannas fürchtete, Zacharias könnte von jenem heidnischen Beherrscher Israels am Ende einstmals selbst noch zum Hohenpriester ernannt werden, da Herodes, jener idumäische Regent von Roms Gnaden, den Sadduzäern ebenso feindlich gesonnen war, wie einst den Hasmonäern, die er allesamt bereits ausgeschaltet hatte.
Überdies wurde Zacharias insbesondere von den essenischen Priestern hoch geschätzt, die wie die Sadduzäer »Zadokiden« waren (a), von Letzteren aber ins Abseits gedrängt worden waren, als die sadduzäischen Priester durch die Hasmonäer zu Macht und Reichtum gekommen waren.
Eben diese Essener aber wurden nun von Herodes dem Großen begünstigt, so dass sie sich in der Heiligen Stadt Jerusalem direkt gegenüber dem Tempel-Berg auf dem Berg Zion ansiedeln durften und mit den Erweiterungsarbeiten am Heiligtum Gottes betraut worden waren, welche Zacharias bis zum Verlust seiner Stimme koordiniert hatte. Es war also ganz offensichtlich, dass Herodes der Große die Essener fördern wollte, um die Sadduzäer, die ihm zu mächtig geworden waren, ins Abseits zu drängen. Und da der Priester Zacharias von den Essenern hoch-geschätzt wurde, wäre er für den edomitischen Herrscher ein überaus geeigneter neuer Hoherpriester gewesen.
Überdies erlangte Zacharias im gemeinen Volk schon regelrecht den Status eines ganz besonders auserkorenen Heiligen Gottes, dass er von nicht wenigen als der eigentliche, wahre Hohepriester Gottes angesehen wurde (b) – und das nicht erst seit der Erscheinung, welche ihm im Tempel des HERRN zuteil geworden war (c), sondern schon vorher, als seine Nichte Maria, welche im Tempel des HERRN als eine Gott geweihte keusche Jungfrau aufwuchs, wegen ihrer Anmut bei ihrem Tanz für den HERRN von allen Kindern Israel lieb-gewonnen worden war und überdies Gerüchte in Umlauf kamen, dass sie Nacht für Nacht von Engeln besucht und gespeist würde (d).
So wuchs tatsächlich zunehmend die Gefahr, dass Zacharias, der immer mehr Gunst sowohl beim ganzen Volk, wie auch bei Herodes dem Großen gewann, am Ende einmal selbst noch zum Hohenpriester erwählt werden konnte.
Der hohe Rats-Herr Hannas aber strebte selbst schon seit Jahren jenes höchste geistliche Amt des Hohenpriesters an. Denn als Hoherpriester wäre er das Oberhaupt des Sanhedrins geworden, des siebzig-köpfigen Hohen Rates, der seinerseits in Glaubensfragen die Herrschaft über ganz Israel innehatte (e).
Und da Hannas viele Söhne und Töchter hatte, suchte er überdies, das hohepriesterliche Amt einstmals ganz an seine Familie zu binden, so, wie es vormals die Hasmonäer getan hatten, und träumte von einer neuen hohenpriesterlichen Dynastie, welche er mit seinem Haus begründen wollte.
Bislang stellte Zacharias keine wirkliche Bedrohung für die hehren Pläne des Hannas dar, da Zacharias hochbetagt und kinderlos war, so dass Hannas es – wenn auch insgeheim zähneknirschend – doch noch hinnehmen konnte, als der gegenwärtige Hohepriester Simon Ben Boethos den Zacharias anstelle von ihm selbst als seinen Stellvertreter und als seine rechte Hand in Hinblick auf die Oberaufsicht über den Tempel des HERRN erwählt hatte.
Denn wenn der hochbetagte Zacharias tatsächlich am Ende einmal noch den Boethos als Hoherpriester abgelöst hätte, so hätte er aufgrund seines hohen Alters dieses höchste Amt ganz gewiss nur für kurze Zeit innegehabt. Und da mit Zacharias die hohepriesterliche Würde schon einmal vom Haus Boethos gewichen wäre, wären die Chancen für Hannas sogar noch gestiegen, dieses höchste Amt einstmals noch an sein Haus binden zu können.
Nun aber hatte Zacharias einen Sohn geboren, der – aufgrund der wundersamen Ereignisse um seine Geburt – schon in den Windeln für viele fromme Juden zu einem großen Hoffnungsträger wurde! (f) Darum sah Hannas durch diesen frisch geborenen Knaben all seine eigenen selbstsüchtigen Pläne bedroht (g).
Was, wenn nun, unter diesen neuen Umständen, Zacharias Hoherpriester würde und ihm sein Sohn in dieses Amt folgen würde, und am Ende seinerseits viele Söhne in die Welt setzen würde, wie Hannas es getan hatte, um so ein neues hohepriesterliches Herrschaftshaus zu begründen?!
Freilich versuchte Hannes sich von seinen Befürchtungen nichts anmerken zu lassen – wie auch nichts von dem Neid, der in ihm gegen Zacharias anschwoll und anwuchs. Und doch konnte er vor dem Zacharias seine Missgunst nicht verbergen, als er beim Abschied im Vertrauen mit einem aufgesetzt freundschaftlichen Augenzwinkern, jedoch nicht minder gehässig bemerkte: „Nun ja, ein Sohn im hohen Alter macht noch keine Hohepriester-Dynastie! Aber immerhin ist das ja schon einmal ein Anfang!“
11-I: Das konnte Zacharias das Genick brechen!
Und fürwahr: Hannas setzte von dieser Stunde an alles daran, dem Ansehen des Zacharias, wo nur immer möglich, zu schaden. Und tatsächlich hatte Hannas schon bei diesem Fest der Beschneidung des Johanan durch seinen unüberbietbaren untrüglichen Spürsinn dafür, wo etwas faul war und im Argen lag, einen ersten Anhaltspunkt bekommen, wie er vielleicht den Ruf des Zacharias nachhaltig schädigen konnte!
Es war dem Schriftgelehrten Hannas nämlich keineswegs entgangen, dass Maria, die Nichte des Zacharias, die als eine dem HERRN ganz besonders Geweihte sogar im Heiligtum Gottes aufwachsen durfte (a), die letzten Monate im Haus des Zacharias war (b), um seiner hochbetagten Frau in ihrer beschwerlichen Schwangerschaft beizustehen und zur Hand zu gehen.
Als Hannas aber beim Gesinde des ehrwürdigen Priesters Zacharias, das ihnen zu Tisch auf dem Fest der Beschneidung seines Sohnes diente, nachfragte, wo denn Maria abgeblieben wäre und aus welchen unerfindlichen Gründen sie so schnell nach der Geburt des Johanan abgereist wäre, ohne das große Fest seiner Beschneidung noch mit zu feiern, obwohl sie doch die nächste Verwandte, nämlich die Nichte der Elisabeth war (c), und Hannas auf seine höchst begründeten Anfragen nur betreten ausweichende Antworten erhielt, die in keinster Weise befriedigend waren, da schöpfte er Verdacht, dass mit Maria irgendetwas nicht stimmen konnte und hier ganz offensichtlich etwas in höchstem Maße im Argen lag und faul war.
„Wie?! Maria ist ganz plötzlich erkrankt? Und da hat man ihr unversehens auch noch solch eine beschwerliche Rückreise zugemutet, statt sie erst ordentlich gesund zu pflegen?!“ Hannas mit seinem Spürsinn für alles, was nicht ganz koscher war, ging sofort ein Licht auf, welcher Natur diese „Erkrankung“ Marias sein musste! – einer Geweihten des HERRN!!! Und er rieb sich insgeheim schon die Hände!
Das würde ein ausgemachter Skandal werden, der auch den Ruf von Marias Onkel, dem Zacharias, nachhaltig in Mitleidenschaft ziehen musste, war es doch Zacharias, der über sie – wie man meinte – aus dem Geist Gottes allzu Großes und Gewaltiges „geweissagt“ hatte, dass der HERR durch Maria die Vollendung der Zeiten herbei-führen wolle, in welcher Er das Lösegeld ans Licht bringen wolle, durch welches Er das ganze Volk Israel freizukaufen gedächte! (d) Und war es nicht ebenso Zacharias, der über seine Nichte jene Gerüchte in Umlauf gebracht hatte, zu ihr wären jede Nacht Engel getreten und hätten ihr gedient (e), was er auch selbst gesehen haben wollte?
Wenn sich nun aber bewahrheiten sollte, dass seine Nichte, die Zacharias derart in den Himmel gehoben hatte, als eine Geweihte des HERRN am Ende auf allerschändlichste Weise Hurerei getrieben hatte (f), dann würde dies ganz gewiss auch das »Aus« für Zacharias bedeuten – und jeder würde erkennen, was von den himmlischen Visionen und Weissagungen jenes greisen, offensichtlich schon recht senilen Priesters zu halten war, der über der späten Gunst, noch mit einem Sohn gesegnet zu werden, offensichtlich jeden Boden unter den Füßen verloren hatte und gänzlich abgehoben war. „Ja“, dachte sich Hannes insgeheim, „das würde dem Zacharias das Genick brechen!“