15-A: Erkennst du nicht deinen Bruder und Freund?

→ zu den Fußnoten

Schließlich verließ Jesus mit Seinen Anhängern wieder den Sammelpunkt vieler Händler, der »Nadelöhr« genannt wurde, da dort die Kamele und Maultiere oft erst von der Überfülle ihrer Lasten befreit werden mussten, um durch jene sogenannte schmale Gasse mit ihrem engen Tor hindurch ins Herz der Heiligen Stadt gelangen zu können (a).

Und es begab sich, dass der Herr mit Seiner Gefolgschaft an einer steil ansteigenden Straße in Jerusalem einem Mann mit einem Kamel begegnete, dem eine unglaubliche Menge an zugeschnittenem Holz aufgeladen war. Darum stöhnte und keuchte die arme, geschundene Kreatur unter ihrer überschweren Last.

Der Besitzer des Kamels jedoch schlug auch noch das bedauernswerte, alte, schon gebrechlich wirkende Lasttier unerbittlich und misshandelte es grausam, um es von der Stelle zu bewegen (b).

Und als Jesus dies sah, da dauerte Ihn das arme, so geschundene Geschöpf unsäglich; darum fragte Er seinen Besitzer, um Mitleid werbend: „Warum schlägst und drangsalierst du dein armes Kamel so sehr?! Erkennst du denn nicht, wie alt und gebrechlich es mittlerweile ist?!

Hat es dir nicht schon ausreichend viele Jahre treu gedient?! – so dass nun doch eigentlich vielmehr du in der Pflicht stündest, dich nun seiner anzunehmen und jetzt dafür ihm zu dienen und ihm die vielen Jahre seiner Treue zu vergelten! Dieses Tier war dir doch immer treu, wie ein guter Bruder und Freund!“ (c)

Der Besitzer des Kamels aber, der dafür noch keinerlei Sinn hatte, erwiderte dem Herrn, noch immer erbost über sein Lasttier, das ihm mit einem Mal, wie es ihm schien, seinen Dienst verweigerte: „Wieso sollte dieses unvernünftige Kamel mir denn ein Freund und Bruder sein?! Es ist doch nur ein Nutztier und dazu erschaffen worden, mir willfährig zu sein und zu dienen?! (d) Und hast Du überhaupt eine Vorstellung, was mich dieses störrische Vieh einmal gekostet hat?!“

15-B: Behandelst du denn so auch deine Frau und deine Kinder?!

→ zu den Fußnoten

Da sprach der Rabbi zu ihm: „Nun, auch deine Kinder sollen dir gehorchen und dich in deiner Arbeit zum Broterwerb für deinen ganzen Hausstand unterstützen (a); und auch sie verlangen dir viele Aufwendungen ab. Doch misshandelst du etwa auch sie so grausam und unerbitterlich, dass du sie fast erschlägst, wenn ihnen eine Aufgabe zu schwer wird, so dass sie diese nicht bewältigen können?! (b) Und dankst du ihnen nicht umgekehrt auch ihre Dienste mit Zuneigung und verschiedensten Darreichungen der Liebe?! (c)

Warum behandelst du da dieses Tier, das doch gleichfalls deinem Hausstand angehört, genau, wie deine Frau und deine Kinder (d), nicht ebenso fürsorglich und zugeneigt, wie du es bei deiner Familie tust?! (e) – zumal es doch auch ein Geschöpf Gottes ist, das letztlich allein seinem Schöpfer gehört, dir aber von Ihm gänzlich frei geschenkt und anvertraut worden ist! (f) Denn auch, wenn du dir dieses Tier für nichtiges Geld erworben hast, bleibt es – dessen ungeachtet – trotz allem letztlich doch ein gänzlich unbezahlbares Kind Gottes: dir nur auf Zeit zur Seite gestellt und anvertraut als eine unaussprechlich wertvolle Gabe Gottes: als ein treuer Begleiter und Freund! Wenn du nun aber so verächtlich mit diesem großen Gottes-Geschenk umgehst: verweigerst du damit nicht ebenso dem göttlichen Stifter dieser unbezahlbaren Gabe selbst den Ihm gebührenden Dank und Respekt?!“ (g)

15-C: Willst du denn einstmals von diesem Geschöpf beschämt werden, das Gott näher steht als du?!

→ zu den Fußnoten

Und der Rabbi sprach weiter zu ihm: „Denn findest du über allem bei allen Tieren nicht ebenso alle denkbaren Empfindungen von Freude wie Kummer, wie auch Zuneigung oder Abneigung gegenüber bestimmten Dingen oder Personen, wie bei Deinesgleichen?! Und erleiden sie nicht ebenso auch Schmerz und Todesangst, wie jede Menschenseele?! Und wenn du in ihre Augen schaust, erblickst du da nicht ebenso eine fühlende Gottes-Seele?! (a)

Oder hast du nie die Geschichte gehört von Bileam und seinem Esel?! Jener höchste Wahrsager aus dem Zweistromland sah trotz aller seiner spirituellen Reife den Engel des HERRN nicht; sein Lasttier jedoch, das in deinen Augen nur ein unvernünftiges dummes Vieh ist: das erkannte seinen Gott und Herrn und Erlöser und blieb darum stehen, wie sehr sein vermeintlicher menschlicher Besitzer und Gebieter deshalb auch auf das arme Tier eindrosch! (b)

Und als ihm vom Höchsten der Mund geöffnet wurde, konnte sein unverständiger Meister sogar vernehmen, was sein Maultier in Wahrheit empfand, das ihm doch stets ein treuer Diener gewesen war (c), wie Ich dir nun die Gefühlsregungen deines Gefährten mitteile; und er konnte daran lernen, dass auch jene Geschöpfe durchaus Empfindungen haben, ebenso wie der Mensch, und mitunter für die Dinge, auf die es im Letzten ankommt, ein weit ausgeprägteres Gespür haben, als jene, die sich ihnen so unendlich überlegen fühlen! (d)

Und wer weiß, was dermaleinst du selbst noch in der künftigen Welt von deinem tierischen Gesellen persönlich zu hören bekommst, welchem nämlich – wie der Prophet Jesaja es kündet – ebenso, wie dir, eine Wiedergeburt (e) zu einem unvergänglichen Wesen in vollendeter Gotteskindschaft in Aussicht gestellt worden ist! (f)

Denn wahrlich allen Lebewesen auf Erden ist diese Hoffnung auf Unsterblichkeit gegeben worden – nicht nur euch Menschen! – wie sie schließlich auch alle in gleicher Weise an ihrer gegenwärtigen Vergänglichkeit, an Schwachheit und Krankheit und Siechtum und elendigen Verenden leiden, weil es wider ihre eigentliche Natur und Bestimmung ist (g). Darum werden sie auch alle auferstehen in Kraft und Herrlichkeit eines verklärten strahlenden Licht-Wesens, das sich von eurer gegenwärtigen Existenz so unendlich abheben wird, wie ein mächtiger Baum, der aus einem winzigen erstorbenen Senfkorn hervorgeht, oder wie ein Schmetterling, der aus der Leichenstarre der einstigen Raupe schlüpft und sich sodann in die Himmel erhebt (h).

Und wahrlich, Ich sage dir: Da wird dann auch alle Entzweiung und schmerzliche Zerrissenheit zwischen menschlichen, tierischen und pflanzlichen Wesen überwunden sein, welche der fatale Fall der Menschenkinder in diese Welt gebracht hat (i). Denn dann werden sich alle Seelen, unabhängig von ihrer letzten Bestimmung, als göttliche Geschwister und Kinder einer einzigen Gottesfamilie erkennen! (j) – hinlänglich, ob sie dann in ihrer letzten Entfaltung dem Menschengeschlecht oder aber dem Tier- oder Pflanzenreich angehören.

Und da wird dann auch alle Sprachen-Verwirrung wieder überwunden sein (k); und alle werden dann einander auch in ihrem Herzen vernehmen und sich gegenseitig verstehen: Da wird dann auch der Mensch hören und empfinden, was ihm Tier oder Pflanze mitteilt, wie diese ebenso den Menschen (l). Denn alles wird dann durch das vollkommene Band der göttlichen Liebe, die alles durchströmen wird, wieder innigst miteinander verbunden sein (m) in der göttlichen Agape, die dann wieder alle Wesen erfüllen und beseelen wird und alle Seelen in Ihrer universalen All- und Über-Seele zu einer einzigen herrlichen göttlichen Einheit vereint (n), in welcher alle in allen sind in der Liebe der All-Gottheit, die dann wieder alles in allen sein wird (o).

15-D: Auch Pflanzen und Tiere haben den selben Ursprung und das selbe Ziel wie ihr!

→ zu den Fußnoten

Denn wahrlich alles hat das selbe herrliche Ziel, wie auch alles den selben herrlichen Ursprung hat (a) – auch wenn sich manches nur in pflanzlicher, manches darüber hinaus aber in tierischer und manches schließlich sogar in menschlicher Form letztendlich vollenden wird, um die ganze Vielfalt der göttlichen Majestät und Herrlichkeit und Pracht, die alles beseelt, zur Entfaltung zu bringen (b), wobei aber alles bis zu seiner letzten Bestimmung doch die selbe Entwicklung durchläuft, alles Tierische also über eine Vielzahl von Wiedergeburten aus dem Pflanzlichen, alles Menschliche aber ebenso durch unzählige Reinkarnationen aus dem Tierischen hervorgeht und erwächst (c), ebenso, wie sich alle Glieder und Organe und Gelenke eines Leibes aus ein und dem selben ursprünglichen Samen heraus-bilden, so dass sich bei aller Verschiedenheit letztlich doch alles aus einem Einzigen entfaltet, wie es sich auch alles in diesem Einen wieder zu einer einzigen organischen Einheit harmonisch ineinander zusammenfügt (d).

15-E: Was unterscheidet euch denn schon von den Tieren?!

→ zu den Fußnoten

Oder sind die Tiere etwa nicht, wie die Menschen, – schon nur rein auswendig betrachtet – aus den gleichen Elementen der Erde erschaffen worden? (a) Denn sie sind – genauso wie ihr – aus dem Staub gebildet worden und kehren ebenso nach ihrem Ableben zum Staub zurück (b); und sie teilen mit euch genau ein und das selbe Geschick von Geboren-Werden, Wohl und Wehe des Lebens, wie ihr Verscheiden-Müssen! (c)

Aber es gibt zwischen ihnen, den Tieren, und euch, den Menschen, sogar überdies auch noch bemerkenswerte Ähnlichkeiten im Körperbau und Angesicht!

Wenn sie euch also schon im rein Auswendigen in allen existenziellen Belangen so vollends gleichgestellt sind, warum sollten sie da im Inwendigen, Spirituellen eine andere Entwicklung nehmen, als ihr?! (d)

Denn ihr seid alle nach dem selben Urbild erschaffen worden (e), so dass ihr alle – ob Mensch oder Pflanze oder Tier – etwas von der Anmut und Schönheit der universalen Schöpfer-Seele widerspiegelt, die sich in all dieser Pracht und Vielfalt all Ihrer Geschöpfe auf vielfältigste Weise verherrlicht! (f) Ja: Fließt durch euer aller Adern nicht ebenso das selbe heilige göttliche Blut, das euch alle in gleicher Weise belebt (g), sei es nun Trauben-Blut oder aber Fleisches-Blut, und schlägt nicht in allen Tieren ebenso wie in euer aller Brust ein Herz, welches Freude und Verzückung ebenso, wie Todesangst schneller schlagen lässt, und atmet ihr nicht alle miteinander den selben Atem der Gottheit, den ihr alle in gleicher Weise von Ihr empfangt? (h)

Und was wisst ihr schon von dem Geist der Tiere, wo er wohl her-gekommen ist und wohin er dermaleinst nach ihrem Verscheiden hingeht, wenn er seine gegenwärtige Verkörperung abstreift und hinter sich lässt (i), ob der Lebensodem einer einstigen Tier-Seele nicht noch den selben Lauf nehmen wird, wie der von verblichenen Menschen-Seelen? (j) – da alles Leben im Letzten den selben Strom und beständigen Kreislauf des Lebens von Verscheiden und Wiedergeboren-Werden folgt – ohne einen wirklichen Unterschied! (k)

Denn hat nicht alles Leben im Tiefsten und Eigentlichen den selben Ursprung, wie darum auch das selbe Ziel?! – so dass alle Geschöpfe – ob Mensch oder Tier oder selbst sogar auch Pflanze – doch alle Kinder und Erscheinungen und Entfaltungen der einen universalen göttlichen All-Seele sind, von der und durch die, wie auch zu der alles lebt und webt und ist! (l)

Unterscheidet sich der Mensch, der sich so weit erhaben über dem Tier wähnt, wiewohl er oft in seinem Gebaren sogar weit unter den wildesten Tieren steht (m), also tatsächlich in all dem so wesentlich von dem Tier, dass er ihm darin irgendetwas voraus hätte, was ihn berechtigen würde, sich über all diese anderen wunderbaren Geschöpfe Gottes so verächtlich zu erheben (n), nur weil sie ihm in mancherlei Hinsicht – jedoch nur nach den gegenwärtigen äußeren Gegebenheiten – unterlegen sind?!

15-F: Solltet ihr euch nicht der Tiere ebenso annehmen, wie sich die Engel eurer annehmen?!

→ zu den Fußnoten

Müsst ihr da nicht folglich auch alle Tier-Seelen als eure göttlichen Geschwister betrachten, und erkennen, dass ihr alle derselben Gottes-Familie angehört und alle einander in gleicher Weise geschenkt und zu gütiger Fürsorge füreinander anvertraut worden seid? – so dass – bei aller vordergründigen Unterschiedlichkeit, wie etwa in Hinblick auf die augenblickliche Ausreifung eures Mentals – ihr doch alle eins aus und in und zu der einen All-Seele seid, selbst wenn die euch zur Hilfe und Obhut anvertrauten Tier-Seelen auch nur den Entwicklungsstand von Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr haben mögen.

Und verdienen sie eben darum nicht umso mehr ganz besonders eure Obhut und Fürsorge und Pflege (a), wie eure eigenen Säuglinge und Kinder – ebenso, wie die Götter und Engel und himmlischen Herrlichkeiten des Höchsten sich eurer ohne Verachtung annehmen (b), dass sie euch beständig dienen und zum Rechten anleiten, obwohl ihr alle im Vergleich zu diesen ewigen Sternenkindern alle miteinander gegenwärtig doch nichts als nichtiger Staub seid (c) – jedoch gleichfalls mit einer überaus herrlichen himmlischen Bestimmung, die einstmals sogar die der höchsten Herrlichkeiten überragen soll (d), da ihr – im Gegensatz zu ihnen – aus niedrigster Niedrigkeit heraus durch Leiden vollendet und zu unüberbietbarer Herrlichkeit hin geläutert werden sollt“ (e).

15-G: Von der Verkündigung solch grenzenloser Liebe angetan

→ zu den Fußnoten

Über diese Ausführungen Jesu war jener Mann dann doch recht erstaunt; und er hörte auf, das Kamel zu schlagen, und befreite es von einem Teil seiner Last. Denn er wurde in seinem Herzen von der Wahrheit überführt, dass sein Tier ihm ein von Gott geschenkter treuer Freund und Bruder und Geselle und ebenbürtiger Gefährte war und darum keine geringere Wertschätzung und Achtung verdient hatte (a).

So schritt das Kamel den Berg hinauf, und Jesus ging vor ihm her; und es blieb nicht mehr stehen, bis es den Gipfel des Berges erreicht hatte (b). Das Kamel hatte nämlich durchaus erkannt, wer Jesus war, und dass ihm in dem Menschensohn der Sohn Gottes und Bundes-Engel der Güte des HERRN selbst gegenüber-getreten war, wie einst der Eselin des Bileam (c); denn es hatte die Liebe Gottes in Ihm gefühlt (d).

Aber auch der Besitzer des Tieres wollte mehr von der Lehre Jesu wissen: von der unaussprechlichen göttlichen Liebe, die so weit reicht, dass Sie über alle Menschen hinaus auch allen anderen Geschöpfen aus dem Tier- und Pflanzen-Reich gilt und für alle Wesen ohne Unterschied eine wunderbare göttliche Bestimmung in nie enden wollender glückseliger Gotteskindschaft bereitet hat (e). Und Jesus lehrte ihn gerne, und auch dieser Mann wurde einer Seiner Anhänger (f).