42-A: Johannes konnte sich mit Petrus Zugang in den Palast des Kaiphas verschaffen

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Als Jesus im Garten Gethsemane ergriffen worden war, da waren die Jünger zuerst in alle Himmelsrichtungen geflohen. Und da der gesamte Ölberg mit den Lagern der Pilger aus ganz Israel und aus aller Herren Länder überzogen war, konnten die Geflohenen dort schnell untertauchen.

Simon Petrus und Johannes aber ließ es keine Ruhe, was nun wohl mit ihrem Herrn geschehen würde. Und so machten sie kehrt und folgten miteinander dem Fackelzug, der Jesus zum Herrschaftssitz des Hohenpriesters abführte, in gehörigem Abstand von ferne (a).

Johannes aber war dem Gesinde im Palast des Hohenpriesters gut bekannt (b), da die Fischerei seines Vaters Zebedäus das Haus des Kaiphas regelmäßig mit getrockneten und eingesalzenen Fischen vom See Genezareth belieferte. Überdies gehörten Zebedäus und seine beiden Söhne Johannes und Jakobus dem Geschlecht der Priester an, so dass sie auch immer wieder einmal im Tempel Dienst tun durften.*

  • Eusebius von Cäsarea, Kirchengeschichte III 31,24, 4.Jhdt.n.Chr.
    nach dem dort zitierten Polykrates, des Bischofs von Ephesus aus dem 2. Jhdt. n. Chr.

So war es für den jungen Johannes nicht weiter schwer, sich zusammen mit Petrus Zutritt in den Gebäudekomplex des Hohenpriesters zu verschaffen. Denn er erklärte dem Türhüter, er habe mit dem Verwalter noch eine dringend anstehende Belieferung zu besprechen.

Der Türhüter wunderte sich zwar, dass der Zebedäide deswegen noch zu so später Stunde kam, Johannes aber erklärte, es wäre ihm wegen der Passah-Feierlichkeiten früher nicht möglich gewesen. Da er nun aber mitbekommen habe, dass im Versammlungssaal des Hohen Rates noch getagt wurde, habe er die Gelegenheit nutzen wollen, die überfällige Besprechung mit dem Sachwalter noch vorzunehmen.

Da er selbst, wie auch sein Bruder, aber zu den Festtagen der ungesäuerten Brote verhindert sei, so dass sie nicht, wie gewöhnlich, die Lieferung selbst vornehmen könnten, habe er einen Angestellten seines Vaters mitgebracht, um ihn mit den Örtlichkeiten bekannt zu machen (c), weswegen die Klärung der Lieferung auch unaufschiebbar sei.

Also rief der Türhüter nach seiner Frau, welche auch dem Gesinde des Hauses angehörte. Sie sollte Johannes zum Verwalter führen. Die Magd eröffnete aber gleich, dass Johannes wohl auf den Wirtschafter warten müsse, da dieser im Augenblick wegen der unvermittelt angesetzten Sitzung des Sanhedrins noch ziemlich eingespannt sei.

Petrus erklärte, er würde derweil bei den Knechten im Hof warten und sich dort am Kohlenfeuer aufwärmen, bis Johannes vom Verwalter zurück käme. In Wirklichkeit aber hoffte Simon Petrus freilich, auf diese Weise in Erfahrung zu bringen, wie sich das Verhör Jesu entwickeln würde und worauf das Ganze am Ende wohl hinauslaufen würde (d).

42-B: War Jesus am Ende doch nicht, der Er zu sein beanspruchte?!

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Also begab sich Kephas zu den Knechten, die draußen im Hof ein Kohlenfeuer entzündet hatten und um die Feuer-Stelle standen und saßen, um sich aufzuwärmen; denn es war die kalte Jahreszeit im Frühjahr. Und es fiel auch ein wenig Schnee.

Und Petrus setzte sich zu ihnen ans Feuer (a) und gab sich so, als wolle er sich auch, wie die anderen, aufwärmen. Aber er hoffte natürlich, hier etwas über den Verlauf des Prozesses in Erfahrung zu bringen. Denn freilich trugen die Bediensteten alles, was sie von den Verhandlungen aufschnappten, den anderen zu. Und Simon Petrus merkte schon an den Berichten, dass es ganz offensichtlich überhaupt nicht gut um Jesus stand.

Mit einem mal erschien ihm alles so unwirklich, was der Herr noch vor wenigen Stunden an so ungemein erhebenden Worten bei ihrem Passah-Mahl geredet hatte, als wären sie alle von einem Schwarmgeist ergriffen worden, dass sie alle euphorisiert waren, wie Trunkene vom Wein (b). Jetzt aber, wieder konfrontiert mit der harten Realität …

Zweifel befielen den Simon, rieben ihn innerlich förmlich auf: Was, wenn der Sanhedrin am Ende recht hatte und ihr Meister überhaupt nicht der Messias war?! Denn war es DAS, was sie sich von ihrem Erlöser erhofft hatten?! Wo war denn nun das große Reich Gottes für Israel (c), dass nach Jesu Worten doch unmittelbar bevorstand, ja, dass mit Ihm doch sogar schon gekommen sein sollte?! (d)

Hatte Er ihnen nicht zwölf Throne an Seiner Seite verheißen?! (e) Und hatte Er nicht in Aussicht gestellt, es würde sich alles in dieser ihrer Generation erfüllen?! (f) Das hatte Er doch gesagt! „Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie des Menschen Sohn sehen werden in Seinem Reich!“ (g)

Und nun, mit einem Mal, hatte Er sie alle auf einen ganz anderen Weg geführt: in den Abgrund und Untergang! (h) Es war ja geradezu so, als habe Er den Tod gesucht, hier in Jerusalem! (i) Dabei wären sie doch alle liebend gern für Ihn in der Befreiungs-Schlacht für Israel gestorben! (j) Aber sie durften Ihn ja nicht einmal verteidigen! (k)

War Er am Ende wirklich, wie die Schriftgelehrten fauchten, ein furchtbarer Blender und Verführer?! – und all Seine Krafterweise am Ende tatsächlich Täuschungen von Teufeln?! (l)

Gewiss, unter den Pharisäern und Sadduzäern gab es auch einige schlimme Heuchler! – ja, fürwahr auch manche wahre reißende Wölfe in Schafspelzen! (m) Aber konnte es denn wirklich sein, dass die gesamte geistliche Obrigkeit, die den Lehrstuhl des Mose innehatte (n), und das doch von Gott! (o) – dass diese ganze geistliche Elite des Teufels war und ihr Rabbi als einziger Gott wirklich kannte und recht verstand?! (p)

Was, wenn vielmehr SIE, Jesu Anhänger, alle, ihrem Meister eingeschlossen, einer furchtbaren Täuschung aufgelegen waren?! – und ihr Herr tatsächlich selbst von irgendwelchen Dämonen furchtbar in die Irre geführt worden war?! (q) – dass selbst sogar Jesu älterer Bruder Jakobus, der in ganz Israel wegen seiner großen Frömmigkeit geachtet war, Ihn für verrückt erklärt hatte! (r)

Wie sollte, wie KONNTE all das, was da jetzt passierte, der Wille Gottes sein?! – mit Seinem Messias, dem Befreier Israels! (s) Wie sollte es dem HERRN gefallen, Seinen eigenen Hirten zu zerschlagen und dessen Herde zu zerstreuen?! – wie der Meister eine Prophezeiung auf sich gedeutet hatte (t)

Jetzt kam es dem Simon überhaupt erst in den Sinn! – und eiskalte Schauer liefen ihm dabei über den Rücken! …: War das nicht eine Prophezeiung aus Sacharja über einen törichten und nichtigen Hirten, einen diabolischen Demagogen, der einstmals in Israel erstehen und das ganze Volk ins Unglück stürzen sollte?! (u)

Hatten also am Ende die Schriftgelehrten doch sogar RECHT?!!! – sie, die Schriftkundigen und Hüter des auserwählten Gottesvolkes, die in Jesus die größte Gefahr sahen, die je über Israel gekommen war! – so groß und gewaltig, dass dieser Volksverführer unbedingt beseitigt werden musste, bevor Seine Verführung das ganze Volk ins Verderben riss! (v)

War er, Simon, mit all seinen Brüdern am Ende tatsächlich einem großen falschen Propheten aufgelegen?! (w) – als welchen Ihn die Hohen Rats-Herren, die das Wächter-Amt Israels auszuüben hatten, alle miteinander ansahen! (x)

Aber Simon und die anderen: was wussten denn sie schon! Sie waren doch ganz einfache Fischer, die sich einfach nur nach einem Erlöser sehnten, und sich am Ende vielleicht tatsächlich dem Erst-Besten blindlings vertrauend angeschlossen hatten! (y) – weil die Sehnsucht nach einem Erretter einfach so unbändig groß war (z) – angesichts der schon so lange währenden Zeit, in der das geschundene Gottesvolk unter den Beherrschern der Welt herum-gereicht wurde und innerlich, wie äußerlich ausblutete!

42-C: He, du da! Du bist doch auch einer von diesem falschen Propheten!

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Aber als Simon schon so genug mit sich selbst zu tun und zu kämpfen hatte – mit all den fruchtbaren Zweifeln und Fragen, die ihn mit einem Mal mit einer Übermacht befielen, dass er garnicht mehr klar denken konnte, da sprach ihm plötzlich doch auch noch die Frau des Torwächters an, die ihn und Johannes hereingeführt hatte! (a)

Sie war gerade wieder hinunter in den Hof gekommen, nachdem sie den Johannes in die Räumlichkeiten des Verwalters geführt hatte, wo jener auf den Wirtschafter warten sollte (b). Nachdem Simon Petrus nun aber im Schein des Feuers saß, konnte die Magd ihn nun erst richtig erkennen. Da trat sie unvermittelt herzu und sah ihn sich längere Zeit mit verdachtvoller Mine genau an (c).

Simon spürte, wie sie ihn fixierte, und mit einem Mal ergriff ihn Furcht. Kalter Schauer lief ihm über den Rücken: Warum wendete diese Frau ihren Blick nicht mehr von ihm ab?! Hatte sie am Ende erkannt, dass er einer von Jesu ehemaligen Jüngern war?!

Und tatsächlich: Es kam genau, wie es Simon Petrus befürchtet hatte! (d) Die Magd trat noch einen Schritt näher und fragte ihn in einem scharfen, unüberhörbar lauten, entlarvenden Ton vor all den anderen: „He, du da! Sag mal! Dich kenne ich doch! Du warst doch auch einer von den Anhängern von diesem Jesus aus Nazareth!“ (e) Und es war dieser schnippisch fragenden Person deutlich anzusehen, wie sie sich darin gefiel, mit ihrer Offenlegung plötzlich im Mittelpunkt des ganzen Hofes zu stehen.

Simon meinte, er müsse im Boden versinken, und er spürte, wie ihn plötzlich alle anstarrten. Da packte ihn Todesangst.

Natürlich leugnete er es ab und sprach nicht weniger energisch: „Ich weiß nicht, was du von mir willst, närrische Frau! Ich verstehe ja nicht einmal, wovon du überhaupt redest!“ (f)

Und ohne den Eindruck erwecken zu wollen, dass er die Flucht ergriff, stand er auf und trat bewusst näher zu den anderen ans Feuer, um sich die Hände zu reiben, als hätte er schon wieder vergessen, was die Magd zu ihm gesagt hatte, in der Absicht, sich sodann, wenn sie erst wieder gegangen war, davon zu stehlen.

Sein Plan schien aufzugehen. Die Soldaten grinsten sich, wie auch Simon Petrus mit viel-sagenden Worten, wie: „Wichtig-Tuerin“, an und die Magd wendete sich wieder ab, und Simon fiel ein Stein vom Herzen.

Doch da hörte er, dass der Hahn krähte (g); und ihn fuhr´s mitten durchs Herz. Denn der Herr hatte ihm noch vor wenigen Stunden angekündigt: „Simon! Ehe der Hahn zweimal gekräht haben wird, wirst du Mich dreimal verraten haben!“ (h)

Simon versuchte, sich in sicheren Abstand zu bringen und ging aus den Hof hinaus in den kleinen Vorhof zwischen den beiden Eingangs-Toren und stellte sich zu den dort befindlichen Tempel-Soldaten ans Kohlenfeuer.

Da sah er schon wieder diese Magd – zusammen mit einer anderen bei ihrem Mann, dem Tor-Hüter, stehen. Es war natürlich völlig klar, was diese impertinente Person zusammen mit ihrer Freundin ihrem Mann zusteckte! (i) Denn sie redete mit ihrem Gatten, ohne ihren strengen, bloßstellenden Blick von Simon abzuwenden; und auch der Tür-Wächter sah Simon mit immer eindringlicherer Mine an, als wäre er von seiner Gemahlin auf einen Schwerverbrecher aufmerksam gemacht worden! Petrus hatte das Gefühl, er würde völlig nackt ausgezogen, und er begann, trotz der bitteren Kälte, zu schwitzen.

Und jetzt fing auch noch die andere an, mit heftigem bestätigendem Nicken der Frau des Wach-Soldaten zuzustimmen!

Schon kamen die drei schnellen Schrittes auf ihn zu. Petrus war wie vom Donner gerührt! – und wusste auch nicht, wohin.

Noch auf dem Weg zu ihm hörte er die andere sagen: „Ja, das ist er! Mit Sicherheit! Das ist auch einer von denen! Der war immer bei diesem Prediger aus Galiläa!“ (j) Und der von der Garde fragte Simon Petrus mit scharfem, ernstem Tonfall: „Stimmt das?!“

Simon aber bestritt es vehement: „Ich habe es doch schon gesagt! Ich bin´s nicht! Ihr müsst mich mit jemanden verwechseln! Ihr wisst doch selbst, dass ich mit dem Sohn des Zebedäus gekommen bin und zu dessen Fischerei gehöre! Was sollte ich da mit diesem seltsamen Rabbi zu tun haben?! – oder was immer der auch gewesen sein mag! Ich kenne diesen Menschen ja überhaupt nicht und hab auch keine Ahnung, was diesem vorgeworfen wird!“ (k)

Und da er nur ungläubige Blicke erntete, grinste er verlegen, wie über einen schlechten Scherz und schwor unter Eid: (l) „Bei Gott! Wenn ich´s doch sage! Ich bin ein einfacher Fischer! Was soll ich mit solch einem Volks-Aufwiegler zu schaffen haben?! Ich bin tagaus tagein draußen mit den anderen Fischern auf dem galiläischen Meer! Ich hab´ überhaupt keine Zeit, mich mit solchen Hirngespinsten abzugeben! Da hab ich – weiß Gott! – weit Dringlicheres zu tun! Wenn der Sohn meines Dienstherrn wiederkommt, wird er´s euch schon bestätigen!“

Und um die unangenehme Situation zu überspielen, wandte Simon sich wieder zum Innenhof und erklärte: „Also, ich geh jetzt wieder rein und warte drinnen auf den Sohn meines Dienstherrn“, und lachte, als fände er die offensichtliche Verwechslung nur spaßig: „Keine Angst! Ich lauf´ euch schon nicht weg! Kann ich ja garnicht!“

Zum Glück ließen sie ihn ziehen. Viel länger hätte er diese Situation wohl auch nicht mehr durchgehalten! Simon atmete tief durch und rieb sich die Hände. Ihm war eiskalt geworden! Nicht nur von der kalten, leicht verschneiten Nacht, sondern vor Todesangst.

Endlich schien er wieder Ruhe zu haben; und nun ließ man ihn auch endlich in Frieden. Sollte ihn der Soldat im Tor-Gebäude später nochmals zur Rede stellen, würde Johannes ihn schon decken! Dessen war sich Simon gewiss. Was aber, wenn auch sein Freund Johannes wieder-erkannt würde?! Er wollte garnicht daran denken!

Nach einer Weile aber, als Petrus wieder in schwermütige, bodenlos abgrundtiefe Grübeleien versank – eine sinnlose, immer wieder von vorn anhebende Gedanken-Mühle, die ihn zerrieb, wie ein Mühlstein, – da sprach ihn erneut ein anderer von den Tempel-Soldaten an, die um das Kohlenfeuer im Innenhof standen: „Wahrhaftig! Ich glaube, die Magd hatte recht! Du musst auch einer von diesen sein! Denn deine Sprache verrät dich! Du bist eindeutig auch ein Galiläer!“ (m)

Und ein anderer pflichtete ihm bei: „Ja, stimmt! Eindeutig! Das ist galiläischer Dialekt! Du bist doch auch einer von den Jüngern des Angeklagten!“ (n)

Da wendete Petrus sich energisch ab: „Menschenskind! Wie oft soll ich es noch sagen?! Ich bin´s nicht! Ich müsste ja total bescheuert sein, wenn ich Ihn da auch noch zu Seinen Richtern und Henkern folgen würde!“ – was Simon sich in diesem Moment auch tatsächlich selber sagte!

Und er beteuerte nochmals mit Nachdruck: „Ich habe mit diesem Verführer nichts zu schaffen! Und will´s auch garnicht! Was hat das denn zu sagen, dass ich Galiläer bin?! Wird jetzt jeder aus Galiläa schon beschuldigt, ein Anhänger von diesem falschen Propheten und irren Volks-Verführer zu sein?! Ja, freilich bin ich aus Galiläa! Aber ein einfacher Fischer aus Kapernaum! Was habe ich mit diesem Verrückten zu schaffen?!“ (o)

Petrus entfernte sich so weit, wie möglich, vom Feuer und verzog sich in die dunkelste Ecke des Innenhofs. In was war er da nur hineingeraten?! Wie konnte er nur so blöd sein, den Rabbi auch noch weiter zu folgen, sogar bis in die Höhle des Löwen hinein?! – wo der Meister sie alle doch selbst geheißen hatte, möglichst schnell das Weite zu suchen! Es gab weiß Gott kein Auskommen mehr! Und wo blieb nur Johannes?! Hatte man ihn am Ende auch schon erkannt und festgenommen?! Verhörte und folterte man seinen Freund am Ende vielleicht sogar bereits?! Es verging mindesten eine weitere Stunde! Aber Johannes kehrte einfach nicht zurück! (p)

Zudem nahm Simon Petrus mit Sorge und Bedrückung wahr, dass es in dem großen Saal, in welchem die Rats-Herren des Sanhedrins Jesus den Prozess machten, immer lauter wurde. Dann hörte er ihr Gezeter, Geschrei und Gekeife, schließlich das Anschwellen ihrer selbst noch draußen im Hof klar verständlichen Empörungsrufe: „Gotteslästerung!“ „Blasphemie!“ „Er ist des Todes schuldig!“

Es drang ein derartig tumult-artiger Lärm nach draußen, als wären die doch sonst so honorigen Rats-Herren drinnen derart erbost, dass sie jede Fassung verloren und nun schon während der Verhandlung wie Hyänen und Aasgeier über den von ihnen entlarvten Verlästerer von allem, was ihnen heilig war, herfallen wollten, um dieses ihr Aas umgehend niederzumachen und zu zerfleischen! Ja, als ob sie Ihn lynchen und unversehens zu Tode bringen wollten! – als duldete die Vollstreckung ihres Urteils wirklich keinerlei Aufschub mehr! (q)

42-D: Ich will auf ewig verflucht sein, wenn ich mit diesem Satansdiener etwas zu tun hatte!

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Als Petrus so in Gedanken ganz im Rats-Saal war und sich in furchtbarsten Schreckensbildern ausmalte, was sich dort abspielen musste, da wurde er plötzlich erneut durch eine scharfe Anrede aufgeschreckt: „Natürlich! Jetzt weiß ich, woher ich dich kenne!“

Einer von der Garde des Hohenpriesters hatte Simon in seinem dunklen Eck aufgespürt und rief die anderen zu sich: „Kommt mal alle her! Da haben wir noch einen von Seinen Anhängern! Ich weiß es ganz genau! Der war bei diesem Aufrührer in dem Garten, wo wir den Volksverhetzer festgenommen haben! Das ist sogar der, der meinem Vetter, dem Malchus, das Ohr abgeschlagen hat! (a) Na, was für ein Fang! Da wird sich der Hohepriester aber freuen!“

Sofort war Simon Petrus von hämisch grinsenden Soldaten umringt. Er versuchte sich dem harten Griff des Waffenträgers, der ihn eindeutig wieder-erkannt hatte, zu entreißen, und fing an, sich selbst zu verwünschen und zu verfluchen, indem er schwor: „Bei allem, was mir lieb und teuer und heilig ist! Ich will verflucht und auf ewig verdammt sein, wenn ich mit diesem Besessenen aus Galiläa irgendwas zu tun habe! (b) Das ist doch ein völlig Verrückter, der mit dem Teufel im Bunde …“ (c)

Aber Simon kam nicht weiter. Denn in genau diesem Moment, als er lautstark unter allergrößten Selbst-Verwünschungen Seinen Herrn und Meister aufs Aller-Schändlichste verleugnete und verriet, wurde dieser soeben von der aufgebrachten Meute aus dem Verhandlungs-Saal des Hohen Rates aufs Gröbste hinaus gepeitscht, getreten und getrieben.

42-E: Verstehst du jetzt, warum Ich dies alles für euch erleiden muss?!

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Jesus, den die völlig aufgebrachte Horde bereits übel zugerichtet hatte, wurde fast direkt in die Hände des Simon Petrus gestoßen, als jener eben angesetzt hatte mit seinen Schmähungen: „Das ist doch ein völlig Verrückter, der mit dem Teufel im Bunde …“

Und da schaute ihn mit einem Mal dieser `Verrückte´ aus Seinem halb zugeschwollenem Gesicht in die Augen! (a) Und der zweite Hahnenschrei war zu hören: (b) Genau, wie der Herr es ihm prophezeit hatte!

Simon Petrus stockte der Atem; dann musste er schlucken. Als man Jesus aber weiter, an ihm vorbei stieß, versetzte der Anblick seines Rabbuni ihn zutiefst einen Stich ins Herz – so tief, dass sich Simon in diesem Moment für diese furchtbaren Abscheulichkeiten, die er soeben über seinen Rabbi ausgestoßen hatte, tatsächlich in die Hölle versetzt wünschte! Da war nämlich keineswegs etwas von Verachtung und Hass im Blick seines Meisters, obwohl der doch alles gehört hatte! Sondern vielmehr nur Mitleid!

Der Herr – selbst so grauenhaft entstellt und geschunden – sah ihn in einer erbarmungsvollen Weise an, als würde Er zu ihm sagen wollen: „Verstehst du jetzt, warum Ich diesen Weg gehen muss?! Für jeden von euch! Warum es unumgänglich ist!!“ (c)

Die aufgebrachte Meute trieb Jesus aus dem Palast des Kaiphas hinaus, um Ihn bis auf Weiteres in das nahe-gelegene, allein von außerhalb zugängliche Keller-Verlies im hohenpriesterlichen Gebäude-Trakt zu sperren.

Durch diese grölende Meute wurde Petrus von den Knechten, die ihn eben ergreifen wollten, abgedrängt; und das war für ihn die Gelegenheit, die Flucht zu ergreifen. In dem großen Tumult, in dem Jesus zu Seinem Kerker gezerrt wurde, konnte Simon Petrus mitten in der zornerfüllten Menge durch das Tor-Gebäude entkommen. Danach rannte er, was das Zeug hielt, ohne irgendein Ziel vor Augen; er wollte nur so weit, wie irgend möglich, weg.

Als Simon in irgend einer dunklen schmalen Gasse sich, völlig außer Atem, keuchend an eine Hauswand lehnte, nicht, ohne einige Male aufzuschrecken, ob ihn nicht doch noch irgend jemand folgte, aufspüren würde, hörte er schließlich den Hahn ein drittes Mal krähen. Und bei dem Hahnenschrei stand ihn wieder sein Herr vor Augen, wie Er zu ihm gesagt hatte: „Simon! Du willst dein Leben für Mich lassen?! Ich sage dir: Noch ehe der Hahn zum zweiten Mal krähen wird, wirst du Mich dreimal verleugnet haben, und bei allem, was dir heilig ist, beschworen haben, dass du Mich nicht kennst!“ (d)

Da sank Simon völlig verzweifelt in sich zusammen und krümmte sich auf dem Boden vor Kummer und Seelenqual und seufzte, ja, schrie! – und heulte bitterlich (e).

Ja, ihm kam in diesem Moment sogar der Gedanke, sich das Leben zu nehmen. Doch da stieg noch ein weiteres Bild in seiner Erinnerung auf – wie der Meister zu ihm sagte: „Simon! SIMON! Der Satan will euch heute Nacht ALLE sichten wie den überreifen Weizen! Ich aber habe für dich gebetet, dass du nicht verzweifelst und deinen Glauben nicht verlierst! Vertraue AUF MICH! Und wenn du dich wieder gefasst hast, dann stärke deine Brüder!“ (f)

Und ihm war, als spräche der Rabbi dies Wort auch gerade jetzt in diesem Moment erneut in sein Herz hinein. Das allein hielt ihn wohl am Leben – und löste zugleich einen noch stärkeren Schwall von Tränen.