Syn-Evangelium
(Studien-Fassung)
Das großartige Evangelium des vollkommenen Lebens
im Schatz der unverlierbaren Liebe Jesu Christi
VII Die Auferstehung
29: Der Untergang Israels
29-A: Die zunehmende Unterdrückung Israels sorgte für die Radikalisierung zelotischer Gruppen
29-B: Diese zelotischen Horden fielen vor allem über vermeintliche abgefallene Volksgenossen her!
29-C: Beim Statthalter konnten sich diese Räuberhorden aber sogar immer wieder freikaufen!
29-D: Dadurch entstanden immer mehr rivalisierende Banden und Clans!
29-E: Ganz Israel verwandelte sich in ein hochexplosives Pulverfass!
29-F: Dann plünderte Florus noch den Tempelschatz! Da war dann schließlich kein Halten mehr!
29-G: Die brutale Niederschlagung eines Aufstands wirft ganz Israel in einen Bürgerkrieg!
29-H: Daraufhin wurde Jerusalem belagert, die Römer aber nach ihrem Abzug noch geschlagen!
29-I: Viele Zeichen deuteten großes Unheil an! Doch nur die Gemeinde Christi ergriff die Flucht!
29-J: Schließlich fielen die Römer in Palästina ein und verwüsteten ganz Galiläa!
29-K: Allein der geistgesalbte Feldherr Josephus entging dem vernichtenden Massaker!
29-L: Statt sich gegen die Römer zu rüsten, zerrieben sich in Jerusalem die rivalisierenden Bewegungen im Kampf um die Vorherrschaft!
29-M: Derweil bereitete Titus seinen Einfall in die Nordstadt von Jerusalem vor!
29-N: Schließlich nahm Titus die beiden befestigten Nord-Teile der Heiligen Stadt!
29-O: In der belagerten Südstadt fielen bald die Verhungernden übereinander her!
29-P: Wo sie ihren Erlöser gekreuzigt hatten, fand sich bald ein ganzer Wald von Kreuzen!
29-Q: Aber es geschahen noch größere Grauen!
29-R: Die Gräuel, die in Jerusalem verübt wurden, zwangen Titus zur Erstürmung der Heiligen Stadt!
29-S: Die Juden legten Feuer im Tempel und steckten damit ganz Jerusalem in Brand!
29-T: So hob das göttliche Gericht über das abgefallene Volk Gottes an!
29-U: Nun aber beginnt es! Jetzt kommt für Israel wieder die göttliche Gnade!
29-A: Die zunehmende Unterdrückung Israels sorgte für die Radikalisierung zelotischer Gruppen
Dies war es, was Jesus Seinen vier nächst-stehenden Jüngern, dem Johannes und dem Jakobus, sowie dem Simon Petrus und dem Andreas (a), in dieser Nacht im Garten Gethsemane auf dem Ölberg in Hinblick auf das Volk Israel prophezeit hatte. Und es sollte sich alles in schon wenigen Jahren danach erfüllen:
Das Elend der Juden nahm seinen Anfang nach der Herrschaft von Herodes Agrippa, dem Ersten, der drei Jahre als Klientel-König Roms das gesamte Territorium seines Großvaters, Herodes des Großen, regierte. Nach dessen plötzlichen Tod, durch den der Höchste den Anschlag dieses Herrschers auf die erste Christen-Gemeinde ahndete (b), wurde nämlich nunmehr ganz Palästina der direkten römischen Verwaltung unter einem Prokurator des Imperiums unterstellt: also einem heidnischen Statthalter, wie es Pontius Pilatus über Samaria, Judäa und Idumäa war (c), der seinerseits dem römischen Legaten unterstand, welcher als Konsular über Syrien herrschte.
Und diese römischen Prokuratoren forderten wieder unerbitterlich den an Rom zu entrichtenden Tribut ein, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass das Volk infolge der großen Hungersnot, die den ganzen vorderen Orient in Mitleidenschaft gezogen hatte (d), schlichtweg nicht in der Lage war, weiterhin derart hohe Abgaben an das Römische Imperium zu entrichten. So fühlte sich das einfache Volk in zunehmendem Maße finanziell ausgebeutet.
Dies warf ganz Israel in allergrößte Not und sorgte für eine enorme Radikalisierung aller Zeloten im Land, die es als göttlichen Auftrag sahen, das auserwählte Volk Gottes von jeder heidnischen Obrigkeit zu befreien und Israel zur Weltherrschaft zu führen (e).
Diese »Zeloten« betrachteten sich als »Eiferer« für den HERRN und für Sein Messianisches Reich, dessen unmittelbar bevorstehenden Anbruch sie erwarteten (f). Darum verbündeten sich diese religiösen Fanatiker in Rotten, die sich für die letzte Schlacht zur Befreiung Israels und für die Aufrichtung der Herrschaft Gottes auf Erden mobilisieren wollten. Um sich für ihren Heiligen Krieg zu-zu-rüsten, überfielen sie Dörfer und Städte, in welchen sie dort ansässige Heiden, vornehmlich Syrer oder Griechen, ausraubten und diese auf grausamste Weise nieder-machten.
29-B: Diese zelotischen Horden fielen vor allem über vermeintliche abgefallene Volksgenossen her!
Noch größere Wut aber entwickelten diese Zeloten gegen ihre eigenen Volksgenossen, die der römischen Oberhoheit gegenüber friedlich eingestellt waren oder es gar, wie etwa die Zöllner durch ihre »Kooperation mit dem Feind« zu großem Wohlstand gebracht hatten. Alle diese »Kollaborateure« waren den Zeloten als Volks- und Landes-Verräter zutiefst verhasst – schlimmer noch, als die Römer selbst, da sie diese Juden als Abtrünnige ansahen, die vom rechten Glauben abgefallen waren (a).
Entsprechend waren also gerade viele wohlhabende Israeliten das erste Angriffsziel jener mordenden Zeloten-Horden, die sich durch ihre Raubzüge für den großen Kampf aufrüsten wollten. Und demzufolge bekamen diese Zeloten auch gerade von vielen Mittellosen Zulauf, denen es höchst gelegen kam, alle Wohlhabenden, welchen sie ihren Reichtum neideten, umbringen und berauben zu können, zumal sie sich dies in jenen fanatischen Kreisen auch noch als eine fromme Heils-Tat zur Befreiung Israels auslegen konnten (b).
So waren diese »Zeloten« in Wahrheit mehr »Eiferer« in Hinblick auf alle nur erdenklichen Grausamkeiten und Gräueltaten, die sie auch noch als heroische Werke der Gerechtigkeit bewerteten, als wären sie die von Gott auserkorenen Rache-Engel des Jüngsten Gerichts! (c) Aber in Wirklichkeit versammelte sich neben den echten Verlierern jener schier untragbar gewordenen Verhältnisse, deren aufsteigender Groll in gewisser Weise noch verständlich war, in diesen zelotischen Widerstandskämpfern das widerwärtigste Gesindel, der niederste Pöbel und Abschaum der Gesellschaft, welcher sich nur auf Verbrechen aller Art, auf das Niederstechen von Alten und Schwachen, auf die Vergewaltigung von Frauen und das Abschlachten von Kindern und Säuglingen, sowie auf das Plündern und Brandschatzen von Häusern verstand: allerschlimmste Verbrecher, für die ihr rigoroser Glaube an Jehova nur ein Deckmantel ihrer abgrundtiefen Bosheit und Verkommenheit war! (d)
Unter diesen fanatischen Terroristen bildete sich aber eine noch schrecklichere Gruppe von Meuchelmördern heraus, die sich »Sikarier«, also »Dolch-Männer«, nannten und sich dieses Namens auch noch rühmten, der im ganzen Land nichts als Furcht und Schrecken verbreitete, da jeder, der wohlhabend oder nicht erbittert feindselig genug gegen die Römer eingestellt war, beständig damit rechnen musste, unversehens mitten in der Öffentlichkeit, etwa im Menschen-Getriebe großer Märkte auf offener Straße abgestochen zu werden (e).
29-C: Beim Statthalter konnten sich diese Räuberhorden aber sogar immer wieder freikaufen!
Wurde dieses schändliche Treiben jener zelotischen Eiferer, die das ganze Land terrorisierten, unter dem Prokurator Lucceius Albinus, welcher auf den Statthalter Prorcius Festus (a) folgte, mehr oder minder geduldet, so wurde es unter dem Prokuratur Gessius Florus sogar noch geradezu gefördert.
Dieser nämlich verachtete im Grunde alle Völker, die Rom sich unterworfen hatte, als minderwertige Barbaren und war nicht im Geringsten an deren Wohl interessiert. Überdies missbrauchte er seine Stellung als Statthalter allein dafür, sich selbst so viel wie möglich zu bereichern. Entsprechend entließ er sämtliche gefasste Zeloten wieder aus ihrer Kerkerhaft, die sich durch entsprechende Summen Lösegeldes freikaufen lassen konnten. Damit bereicherte der Statthalter sich freilich indirekt an den Raubzügen jener Terroristen, da es nach seiner Ansicht um keinen Barbaren schade war, der niedergemacht wurde (b).
Dieser Florus meinte sogar, dies würde die Macht Roms nur noch umso mehr festigen, wenn sich die »barbarischen Wilden« selbst untereinander nieder-machten, da schließlich auch gerade viele Juden ihren radikalisierten Volksgenossen zum Opfer fielen. Dass dies meist Verbündete Roms waren, interessierte den Prokurator dabei nicht im Mindesten, wie jener auch gänzlich übersah, dass die Zeloten sich mit ihren Raubzügen letztlich für ihren eigentlichen General-Aufstand gegen Rom selbst rüsteten, da sie ihre Beute dafür verwendeten, sich Waffen aller Art zu beschaffen und ihre Rückzugs- und Ausfall-Orte zu befestigen.
29-D: Dadurch entstanden immer mehr rivalisierende Banden und Clans!
Entsprechend wurden die Zustände in der gesamten Provinz Palästina immer chaotischer. Obwohl ganz Israel unter dem Terror dieser Gruppen litt, wagte es niemand, öffentlich gegen sie das Wort zu erheben, um nicht selbst zum Ziel einer ihrer Anschläge zu werden (a). Denn die Zeloten und die Sikarier verbreiteten selbst in ihrem eigenen Volk nichts als Furcht und Zittern, wie es auch ihre Absicht war, alle lau gewordenen Glaubensgenossen wieder zur wahren »Furcht des HERRN«, des »Schreckens Israels«, zu erziehen: nämlich zu einem fanatischen Glaubenseifer, der sich mit radikaler Entschiedenheit gegen alle Feinde Israels und Jehovas erheben sollte (b).
Die wohlhabende Elite wiederum, die der römischen Oberhoheit positiv gegenüberstand, da letztere gerade dem aristokratischen Priester-Adel der Sadduzäer ihre autonome Herrschaft über das Volk in allen religiösen Angelegenheiten sicherte (c), ging schließlich dazu über, sich selbst eigene Leibwachen und Milizen zuzulegen. So geriet die äußere Ordnung immer mehr außer Kontrolle, und das ganze Land wurde nur noch von verschiedenen Clans und Gangs beherrscht, die zum Teil auch heftig miteinander rivalisierten und sich in ihrer brutalen Radikalität gegeneinander zu übertreffen suchten.
29-E: Ganz Israel verwandelte sich in ein hochexplosives Pulverfass!
Da diese Missstände sich unter der Ruchlosigkeit und Unverfrorenheit des Prokurators Gessius Florus zu einem unerträglichen Ausmaß steigerten, wurde dieser Statthalter im Grunde aber doch wiederum von allen Juden gemeinsam als eine furchtbare Geisel empfunden: als ein Satan in Menschengestalt, der wie ein sadistischer Schlächter über das Heilige Land gekommen war. Denn mit seinem Wohlwollen wurden ganze Regionen ausgeraubt und jedwedes Gemeinwesen zugrunde gerichtet, was dieser Florus alles guthieß, solange er nur selbst an dem Gewinn jener meuchelmordenden Horden beteiligt wurde (a).
Da dieser Florus aber ein entsandter Herrscher Roms war, machte ganz Israel freilich letztlich das Römische Reich selbst für die Missstände im eigenen Land verantwortlich, da es die höchste heidnische Autorität des Kaisers ganz offensichtlich nicht im Mindesten interessierte, wie es dieser entlegensten Provinz im vorderen Orient erging, solange nur regelmäßig die schier nicht mehr zu erbringenden Abgaben weiterhin entrichtet wurden (b).
29-F: Dann plünderte Florus noch den Tempelschatz! Da war dann schließlich kein Halten mehr!
Entsprechend verwandelte sich ganz Palästina unter Gessius Florus in kürzester Zeit zu einem hoch-explosiven Pulverfass, dass schon bei der Zureichung des kleinsten Zündholzes hochgehen musste. Und jener damalige Prokurator lieferte gar bald weit mehr als das:
In dieser Zeit nämlich hatte der größenwahnsinnige Kaiser Nero die Metropole Rom, die prächtige Hauptstadt des Imperiums, niederbrennen lassen, wofür er aber die Christen verantwortlich machte, die er in Massen kreuzigen oder in Arenen wilden Tieren vorwerfen oder gar als brennende lebendige Fackeln seine Parkanlagen erhellen ließ (a).
Dieser ruchlose, völlig entartete Mensch, der sich selbst für einen Gott hielt, wollte sich nämlich ein alle Zeiten überdauerndes Monument erschaffen in der Errichtung einer neuen, noch glorreicheren Weltstadt, die nach ihm »Neropolis« genannt werden sollte. Und hierfür sollten nun in allen unterworfenen Provinzen Roms entsprechende Tribute eingezogen werden.
Nachdem das jüdische Volk aber schon durch die trotz ihrer Hungersnot nicht geminderten Abgaben völlig ausgequetscht worden war, erdreistete sich der Statthalter Gessius Florus, sogar den heiligen Tempelschatz zu plündern, um durch eine hohe Zuzahlung seinen Caesar zu beeindrucken. Damit brachte er aber freilich den ohnehin schon siedenden Kessel Palästinas endgültig zum Überkochen (b).
Auf Unmuts-Äußerungen des Volkes, insbesondere gegenüber seinem Vorgesetzten, dem über Syrien gestellten Legaten Gaius Cestius Gallus, der mit ihm zum Fest der ungesäuerten Brote in Jerusalem war, reagierte Florus mit brachialer Gewalt: Er provozierte nämlich bewusst und vorsätzlich einen Aufstand der Juden – insbesondere, um dadurch sämtliche von den Hebräern gegenüber Cestius Gallus vorgebrachten Anschuldigungen zu entkräften und die Israeliten als ein höchst aufrührerisches Pack erscheinen zu lassen, was seine herzlose Regentschaft erklären sollte (c).
So ließ jener Prokurator seine Kohorten von seinem Regierungssitz Caesarea nach Jerusalem einmarschieren und forderte vom Hohen Rat, auf das Volk einzuwirken, dass es sich vor diesem seinem Heer durch eine unterwürfige, herzliche Begrüßung demütigen sollte. Im Gegenzug gab er den Truppen Anweisung, bei den geringsten Unmuts-Äußerungen über das gesamte in Jerusalem befindliche jüdische Volk herzufallen und es nieder-zu-machen (d).
29-G: Die brutale Niederschlagung eines Aufstands wirft ganz Israel in einen Bürgerkrieg!
Natürlich gelang es den Hohenpriestern nicht, das aufgebrachte Volk zu beschwichtigen, wiewohl sie ihre Kleider zerrissen, ihre Häupter mit Asche bestreuten und die Menschenmengen beschwörten, kleinbei-zu-geben. So kam es, wie es kommen musste: Kaum drang der erste Verwünschungsruf gegen Florus an das Ohr der einziehenden römischen Streitmacht, da begann schon ein unbeschreibliches Gemetzel. Bei den Millionen von Menschen, die sich zu dieser Zeit in Jerusalem befanden, brach freilich eine Massenpanik aus, bei der Unzählige in einer Weise von der flüchtenden Menge nieder-getrampelt und zerquetscht wurden, dass sie von ihren Angehörigen für ihre Beerdigung nicht mehr ausfindig zu machen waren (a).
Gessius Florus zog sich daraufhin mit seiner Heeresmacht wieder in seinen Regierungssitz nach Caesarea zurück und forderte vom Hohen Rat in Jerusalem, in der Hauptstadt die Ruhe wiederherzustellen, wofür er den Ältesten Israels gerade einmal eine römische Kohorte ließ (b).
Aber nach allem, was geschehen war, ließ sich das zutiefst aufgebrachte und empörte Volk freilich nicht mehr zügeln. Selbst ein Hoherpriester mit Namen Ananias Bar Eleazar, welcher der Vorsteher der Tempelwache war, schloss sich dem Widerstand gegen das Imperium an und unterband es, dass die von den Römern und vom Caesar dem Gott Israels zugeführten Opfer dargebracht werden konnten, was freilich einem offenem Affront gleichkam und eine absolute Provokation gegenüber Rom darstellte: Dem Imperium, das sich in die religiösen Sitten und Gebräuche der Juden trotz seiner eigenen Übermacht fügte und sich bereit zeigte, ebenso, wie die Juden, dem Höchsten Israels Opfer darzubringen, wurde dadurch ebendies nunmehr verweigert, womit freilich alle Römer gleichsam zu Gottlosen und hoffnungslos Verdammten, ja, zu Widersachern Gottes erklärt wurden, die jede göttliche Gnade für sich verspielt hatten (c).
Gegen diese eigenmächtige Auflehnung des Hohenpriesters Ananias Bar Eleazar stellte sich darum freilich die gesamte sadduzäische Elite, die es sich mit Rom nicht verderben wollte, da dies ihnen ihre innere Autonomie in religiösen Angelegenheiten sicherte (d). So bildeten sich schließlich in Jerusalem zwei verfeindete Lager: die römer-hörige Priesterschaft, die sich bald mit der römischen Kohorte in der Ober-Stadt im Palast des Herodes verschanzen musste, und die radikalisierte Gegnerschaft des Imperiums auf dem Tempelberg und in der Unter-Stadt (e).
Kurz darauf zog ein gewisser Menahem Bar Judas aus der zelotischen Festung von Massada in Jerusalem ein und ließ sich vom Volk wie der Messias Gottes feiern. Dieser überwand die römer-freundliche Priesterschaft in der Ober-Stadt mitsamt der römischen Besatzung. Ananias Bar Eleazar wollte sich allerdings von Menahem nicht die Oberherrschaft entreißen lassen und ließ diesen Zeloten-Führer töten – mit der Unterstützung des Volkes, da sich jener Menahem letztlich gar bald als ein despotischer Tyrann entpuppte (f).
Dieser Aufstand in Jerusalem löste aber in ganz Palästina, wie auch darüber hinaus in Syrien, kriegerische Auseinandersetzungen zwischen der römer-freundlichen syrischen und griechischen Bevölkerung und den römer-feindlichen Juden aus, so dass es in und um ganz Israel, hauptsächlich in Syro-Phönizien, wie auch in Syrien, sowie in Gaulanitis und Batanäa, aber auch in vielen Randgebieten von Galiläa in allen Städten und Dörfern, in welchen die Juden die unterlegene Minderheit bildeten, zu furchtbaren Gemetzeln kam, woraufhin überall getötete Greise und Kinder, sowie entblößte geschändete Israelitinnen auf den Straßen und Gassen jener Unruhe-Nester zu sehen waren (g).
29-H: Daraufhin wurde Jerusalem belagert, die Römer aber nach ihrem Abzug noch geschlagen!
Schließlich rückte Cestius Gallus mit seiner ganzen Heeresmacht von Antiochia nach Jerusalem aus, wobei er schon auf dem Weg einige Städte nahm, die sich dem Widerstand gegen Rom angeschlossen hatten (a). Bald erreichte er mit seinen Truppen die Anhöhe nord-westlich der Stadt Jerusalem, die »Skopos« genannt wurde, weil sie einen weiten »Ausblick« ins ganze Umland bot und noch höher lag als die Heilige Stadt selbst, die sich ihrerseits bereits auf dem Gebirgszug, auf welchem sie lag, über ganz Judäa erhob, wie ein Haupt über seinen Leib. Auf diesem höchsten Gipfel nördlich von Jerusalem richtete Cestius sein Lager auf (b).
Die nördliche »Neu-Stadt« mit Namen »Bezetha« war schnell genommen, wie schließlich auch der Tempelberg, da zu dieser Zeit die Aufständischen in Jerusalem, mitunter wegen ihrer internen Machtstreitigkeiten für eine Verteidigung der Stadt noch nicht gerüstet und zu diesem Zeitpunkt in ihrer Zahl auch den Römern noch weit unterlegen waren.
Dies verleitete den Cestius zu einer schwerwiegenden Fehleinschätzung der prekären Lage; denn er zog nach der Niedermetzelung der Aufständischen unter Ananias Bar Eleazar aus Jerusalem wieder ab – unter völliger Verkennung, dass die meisten Widerstandskämpfer in die Unter-Stadt süd-östlich des Tempelberges geflüchtet waren und sich dort versteckt hatten (c).
Dann rückten aber die Aufständischen dem Heer des Cestius jedoch nach und kesselten dies in einer Schlucht-Passage ein, wo sie es von vorn und hinten, sowie von den Anhöhen zu beiden Seiten vernichtend schlugen, so dass Cestius sämtliche Kriegsmaschinen, wie Katapulte und Ballisten, zurücklassen musste, um selbst mit einem kleinen Rest seiner Truppen entfliehen zu können (d).
29-I: Viele Zeichen deuteten großes Unheil an! Doch nur die Gemeinde Christi ergriff die Flucht!
Dass Jerusalem bei dieser ersten Belagerung durch Cestius noch relativ ungeschoren davon kam, war aber eine gnädige Fügung Gottes, um der Urgemeinde Jesu Christi, die in der süd-westlichen Ober-Stadt im einstigen Essener-Viertel auf dem Berg Zion ihren Sitz hatte (a), die Möglichkeit zur Flucht zu eröffnen. Denn freilich erinnerte man sich hier sofort an die eindringliche Ermahnung Jesu: „Wenn ihr Jerusalem belagert seht, dann flieht unverzüglich und verlasst die Stadt!“ (b).
Überdies gab es zu dieser Zeit aber auch viele übernatürliche Unheils-Zeichen, welche der Stadt völlig unmissverständlich ihren Untergang androhten: (c) Einmal war schon das ganze Jahr sowohl am Tag, wie aber besonders in der Nacht ein fest am Himmel stehender schwert-artiger Komet zu sehen, dessen leuchtende Pfeilspitze direkt auf Jerusalem hinunter ausgerichtet war.
Bevor aber Cestius mit seinen Heeren Jerusalem erreichte, sah man einmal am Abendhimmel gleichwie in einer flackernden Fata Morgana feurige Streitwagen und blitzende Heere verschiedene Städte einkreisen und in Schutt und Asche legen (d).
Kurz nach dem Abzug des Cestius aber kalbte direkt vor dem Brandopfer-Altar eine zur Schlachtung geführte Kuh. Die geistliche Verirrung der meisten Juden war aber bereits so weit vorangeschritten, dass sie in all diesen sonderbaren Ereignissen, die allesamt auf nichts Gutes hindeuteten, vielmehr verschiedene Heilszeichen in Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden Anbruch des göttlichen Messias-Reiches zu erblicken meinten (e).
Agabus aber, der bedeutendste Prophet in der Jerusalemer Urgemeinde (f), deutete diese Erscheinungen freilich ganz anders. So verstand er beispielsweise die Geburt jenes Kalbes im Tempel so, dass ihre Gemeinschaft als das Kind Israels nun ausziehen müsse, ehe ihr geistliches Mutter-Volk wegen seiner Widersetzlichkeit zur Schlachtbank geführt werde (g).
Und nach den bald darauf noch folgenden weiteren Zeichen wurde schließlich allen in der Urgemeinde klar, dass nun ihr Auszug erfolgen müsse: In einer Nacht nämlich wurde das Innere des Tempels für eine halbe Stunde in gleißendes Licht getaucht, dem sich niemand nähern konnte (h), woraufhin heulende Stimmen gleich Sirenen zu vernehmen waren, die schrien: „Lasst Uns nun endgültig von dannen ziehen!“ (i) Kurz darauf öffnete sich das östliche Tor des inneren Vorhofs wie von Geisterhand, obwohl es gänzlich aus Erz und darum ungeheuer schwer war, so dass all-abendlich zwanzig Mann nötig waren, um es zu schließen, wie es ferner auch noch mit mächtigen eisen-beschlagenen Querbalken, die in tiefe Steinblock-Schwellen geführt wurden, verriegelt wurde. Dieses gewaltige Tor öffnete sich also gänzlich von selbst (j), woraufhin die strahlende Wolke aus dem Heiligtum in gleißenden Nebelschwaden durch die geöffnete Pforte entwich und sich gänzlich verflüchtigte (k).
Zu dieser Zeit war Simon der Patriarch der Jerusalemer Urgemeinde, nachdem Jakobus, der älteste Halb-Bruder des Herrn, der zuvor das Zepter Zions getragen hatte (l), auf Geheiß der sadduzäischen Hohenpriesterschaft von den Zinnen des Tempels ins Kidron-Tal hinunter-gestoßen worden war, und, nachdem er trotz seines hohen Alters diesen Sturz sogar überlebt hatte, von den Bürgern Jerusalems zu Tode gelyncht worden war (m). Simon, der daraufhin das Patriarchat in der Jerusalemer Urgemeinde übernommen hatte, war selbst auch ein Verwandter Jesu, nämlich Sein Vetter väterlicherseits, da er ein Sohn von Josephs Bruder Kleopas war, dem Christus auch nach Seiner Auferstehung vor Emmaus erschienen war (n).
Als nun all diese deutlichen Zeichen eintraten, rief Simon Bar Chalpai die ganze Gemeinde zum Aufbruch; und sie verließen augenblicklich die Stadt und begaben sich nach Pella, das nördlich von Peräa jenseits des Jordans liegt (o). Aber auch viele andere Bürger Jerusalems, die das große Unheil erahnten, das der einst so glorreichen Heiligen Stadt bevorstand, ergriffen in diesen Tagen die Flucht (p).
Zu dieser Zeit nämlich trat überdies ein gewisser Jesus Bar Ananus auf, der ursprünglich ein gewöhnlicher Bauernsohn war. Diesen sah man unablässig Tag und Nacht durch alle Straßen und Märkte und Gassen Jerusalems ziehen und „Gericht!“ und „Wehe!“ und „Unheil verkündigende Stimmen über die Heilige Stadt und über ganz Israel!“ ausrufen, wofür er nicht selten von aufgebrachten Bürgern Jerusalems schwer drangsaliert und gelyncht wurde. Doch blieb er bei seinen Unheilsrufen ganze siebeneinhalb Jahre lang, bis die Vernichtung schließlich tatsächlich über die so tief gefallene Stadt Gottes in voller Wucht hereinbrach (q).
29-J: Schließlich fielen die Römer in Palästina ein und verwüsteten ganz Galiläa!
Während die Urgemeinde nun also mit vielen anderen aus Jerusalem auszog (a), sammelte sich im Gegenzug zunehmend mehr Volk aus ganz Palästina in der Hauptstadt Israels, da die meisten Juden jene im Gebirge erhobene Stadt für die sicherste Trutz-Burg gegenüber der gewaltigen Feindesmacht Roms hielten, so dass sich bald, wie sonst nur zu den hohen Feierlichkeiten, Millionen von Juden aus ganz Israel in der Hauptstadt einfanden (b). Und hier wurden nun schließlich von der Führungsschicht der Juden für alle Regionen Israels Heeresführer ernannt, die das ganze Land für den Widerstand gegen Rom mobilisieren sollten. Ebenso verstärkte Jerusalem jetzt seine Mauern und rüstete sich für den Kampf (c).
In der Zwischenzeit beauftragte der römische Kaiser Nero seinen größten Feldherrn Titus Flavius Vespasianus mit der Niederschlagung des Aufstands in Palästina (d). Dieser zog mit seinem Heer und den von benachbarten Klientel-Königen entsandten Truppen von Antiochia zur Hafenstadt Ptolemais (e), die im Westen von Galiläa lag, wo er sich mit seinem Sohn Titus und dessen aus Ägypten eingetroffenen Armee verband (f). Von dort begann ihr gemeinsamer Feldzug gegen Galiläa, das als die wehrhafteste Region in ganz Israel angesehen wurde, da es von je her von allen Seiten von Heiden umgeben war: nämlich im Westen von Syro-Phönizien, im Norden von Syrien, im Osten von Gaulanitis und Batanäa, im Süden aber von Samarien (g).
So wurde das ganze so überaus fruchtbare und reich besiedelte Land wie von einem übermächtigen Heuschreckenschwarm in Schutt und Asche gelegt. Und es gab keine Plage, noch Drangsal, die nicht über das ganze galiläische Land gekommen wäre; denn die einzigen Zufluchtsorte für die Verfolgten waren die Städte, welche von einem angesehenen Mann aus dem Jerusalemer Priester-Adel mit Namen Flavius Josephus befestigt worden waren, welcher in Jerusalem zum Heerführer über Galiläa bestimmt worden war (h). Er selbst befand sich in der Burgfestung Jotapata. Aber auch diese von ihm befestigte Stadt, die sich wie eine Hochburg auf einem mächtigen Felsen erhob, konnte der Belagerung durch Vespasian nicht standhalten (i).
Josephus selbst wurde gefangen genommen, da er nicht bereit war, mit seinen Mit-Streitern, mit denen er sich in die unterirdische Höhle einer Zisterne geflüchtet hatte, Selbstmord zu begehen, um den Römern nicht in die Hände zu fallen. Josephus war nämlich der Überzeugung, dass es eine schwere Sünde wäre, sich das von Gott geschenkte Leben zu nehmen, was eine jede Seele, die sich so sträflich an sich selbst verging, auch in die gottfernsten Regionen des Totenreiches fahren ließe, statt einer erneuten glücklicheren Wiedergeburt zugeführt zu werden (j).
29-K: Allein der geistgesalbte Feldherr Josephus entging dem vernichtenden Massaker!
Josephus, der zum obersten Feldherr über Galiläa eingesetzt worden war, entstammte nämlich einem adeligen Priestergeschlecht und war ein äußerst gottesfürchtiger spiritueller Mann. Auch hatte dieser wohl erkannt, dass ganz Israel in Jesus Christus seinen Messias verworfen hatte und darum dem unvermeidlichen göttlichen Gericht anheim-gefallen war.* Dennoch hielt er seinem Volk die Treue und verteidigte auch die Stadt Jotapata bis zum bitteren Ende, obwohl er deren Untergang zuvor auf den Tag genau bereits in einer prophetischen Vision geschaut hatte (a).
- Josephus Flavius: Jüdische Altertümer XVIII 3,3
Schließlich weissagte er dem Vespasian, nachdem er von dessen Soldaten aufgespürt worden war, dass dieser schon bald der neue Kaiser werden würde, wie auch nach ihm sein Sohn Titus.
Zunächst schenkte der römische Heerführer der Prophezeiung des Josephus jedoch keinen Glauben und meinte, sein überwundener Feind wollte sich durch diese heil-versprechende Weissagung nur seine eigene Schonung sichern, wenngleich er Josephus als einen würdigen Gegner durchaus bewunderte, weil dieser sich bis zuletzt wacker und heldenhaft geschlagen, dann aber auch standhaft in sein Schicksal gefügt hatte, ohne sich durch Selbsttötung seinem Bezwinger zu entziehen.
Als Vespasian jedoch durch heimliche Erkundigungen unter den Gefangenen erfuhr, dass Josephus seinen Vertrauten tatsächlich ebenso die Niederlage von Jotapata auf den Tag genau vorausgesagt hatte, ließ er ihn am Leben (b) – auch mit dem Gedanken, ihn noch als Mittelsmann für Verhandlungen mit den Aufständischen einsetzen zu können. Überdies hatte Vespasian aber auch selbst bereits übernatürliche Anzeichen für seine künftige Herrschaft erhalten.
Nachdem mit Jotapata die bedeutendste Festung in Galiläa genommen war, zogen die römischen Heere nach Tiberias am See Genezareth, das sich schließlich kampflos ergab, da in dieser hellenistischen Stadt nämlich vornehmlich viele Griechen, aber auch Syrer und Römer sesshaft waren (c).
So gab es in ganz Galiläa nur noch eine befestigte Stadt am galiläischen Meer mit dem Namen Tarichäa, zu welcher die erbittertsten Widersacher gegen Rom, also sämtliche Zeloten und Sikarier aus ganz Galiläa geflüchtet waren. Diese lieferten sich auf einer großen Ebene vor der befestigten Stadt mit der Streitmacht des Titus eine gewaltige Schlacht, wurden aber von dessen Reiterei fast gänzlich niedergemacht (d).
Daraufhin fiel Titus über das Ufer des Sees Tiberias in Tarichäa ein, während sämtliche noch lebende Zeloten in Kähnen auf das galiläische Meer entwichen. Hierauf hin ließ Vespasian zahlreiche mächtige Flöße für seine Truppen bauen und den gesamten See mit seinen Heeren umstellen. So waren die Zeloten von allen Seiten eingekesselt und wurden von den weit besser gerüsteten römischen Soldaten, die ihnen auf ihren gewaltigen Flößen nachsetzten, vollends vernichtet (e).
Ja: Vom Blut der unzähligen erschlagenen Galiläer färbte sich damals der gesamte, sonst so kristallklare See Genezareth rot! Denn im ganzen galiläischen Meer trieben aufgeschwemmte Leichen, die auch in unglaublichen Massen an die Ufer gespült wurden und in der sengenden Sonnenhitze zu verwesen begannen, so dass sie so bis weit ins galiläische Land hinein mit einem unerträglichen Gestank die Luft verpesteten (f).
In solch schrecklicher Weise also vollzog sich das göttliche Gericht an den galiläischen Küstenstädten am See Tiberias, das ihnen Jesus bereits mit Seinen Wehe-Rufen, zutiefst im Geist darüber erschüttert, angekündigt hatte (g), weil sie Sein Versöhnungs-Angebot am Ende letztlich ausgeschlagen und Ihn, der doch zu ihrer Erlösung gekommen war, verschmäht und verachtet hatten (h).
29-L: Statt sich gegen die Römer zu rüsten, zerrieben sich in Jerusalem die rivalisierenden Bewegungen im Kampf um die Vorherrschaft!
Nachdem ganz Galiläa schließlich von den Römern genommen war, folgten Zug auf Zug Samaria, Judäa und Idumäa, wie auch Peräa, das östlich des Jordans lag. So war folglich bald ganz Palästina von den römischen Legionen genommen und Jerusalem von allen Seiten eingekreist (a). Doch statt sich geschlossen für den Widerstand gegen die von allen Seiten immer näher rückende feindliche Heeresmacht zu rüsten, entspann sich in der jüdischen Hauptstadt zwischen den verschiedenen rivalisierenden Widerstandsgruppen ein erbitterter Kampf um die Vorherrschaft.
Da war einmal ein Zeloten-Führer namens Joannes Bar Levi, der mit seinen Rotten aus der galiläischen Stadt Gischala vor den Römern nach Jerusalem geflohen war, dort aber den gesamten Priester-Adel entmachtete, da er sämtliche Sadduzäer als Verbündete Roms und als heimliche Kollaborateure mit den heidnischen Widersachern betrachtete. Als dieser dann einfache Leviten ohne jedes aaronitische Geburtsrecht in den Stand von Hohenpriestern erhob, brachte er damit sämtliche Hohenpriester unter der Führung eines Eleazar Ben Simon gegen sich auf, die aufgrund ihrer eigenen Wehr-Truppen seinen Massakern in Schauprozessen entgehen konnten und ihrerseits viele Widerstandskämpfer auf ihre Seite bringen konnten (b).
Diese öffneten dem Sikarier Simon Bar Giora aus Massada die Tore, der auch viele Idumäer für sich gewonnen hatte (c). Denn sie hofften, dadurch die Schreckensherrschaft des Joannes Bar Levi von Gischala brechen zu können, zumal dieser nicht nur den Tempel entweihte und sich an den allein für die Priester bestimmten Opfergaben vergriff, sondern seine völlig verkommenen Horden unter der einfachen Bevölkerung plündern und brandschatzen, morden und vergewaltigen, wie auch untereinander alle nur erdenklichen Formen schändlicher Unzucht treiben ließ (d).
Bald aber stellte sich heraus, dass der zur Hilfe in die Stadt gelassene Sikarier Simon Bar Giora aus Massada dem Zeloten Joannes Bar Levi von Gischala in nichts nachstand und schließlich sogar den Hohenpriester Matthias, der ihn in die Stadt gelassen hatte, mit seinen Söhnen hinrichten ließ, nachdem einer von diesen zu den Römern übergelaufen war (e).
So bildeten sich in der Stadt drei aufs Erbittertste verfeindete Fraktionen, die sich selbst untereinander blutig bekämpften. Der Priester-Älteste Eleazar Ben Simon hatte sich schließlich im Innersten des Tempels verschanzen können, der Zeloten-Führer Joannes Bar Levi von Gischala hatte die Vorhöfe und Teile der Unter-Stadt besetzt, der Sikarier Simon Bar Giora aus Massada brachte mit den Idumäern die Ober-Stadt in seine Gewalt.
Diese drei Parteien lieferten sich selbst schließlich heftigste Gefechte, so dass die ganze Umgebung um den Tempelberg eingeäschert wurde und einem einzigen Schlachtfeld glich. Diesen Kämpfen fiel schließlich auch der gesamte Getreide-Vorrat der Stadt zum Opfer, der in Jerusalem gebunkert war und der die Hauptstadt Israels – neben ihren vielen Zisternen und Quellen innerhalb ihrer Mauern – selbst einer Belagerung auf Jahre hätte standhalten lassen können. All diese Korn-Speicher gingen nun jedoch in Flammen auf (f).
Aber auch innerhalb des Tempels wurde aufs Zäheste gekämpft, so dass in den heiligen Hallen des Jerusalemer Tempels schon unsäglich viel Blut geflossen war, ehe die Römer auch nur einen einzigen Fuß in die Stadt Jerusalem gesetzt hatten! (g) Damit aber war das Schicksal der Stadt bereits vollauf besiegelt, hatten doch schon die Propheten Micha und Hesekiel bereits angekündigt, dass Jerusalem unausweichlich dem Gericht überantwortet würde, wenn das Heiligtum erst durch das Blutbad interner Streitigkeiten entweiht worden wäre (h).
Unter diesen Machtkämpfen wurde das einfache Volk in Jerusalem gänzlich zerrieben und von allen Seiten geplündert und misshandelt. Denn jeder, der sich nicht kampfeswütig einer Seite anschloss, wurde als Feind betrachtet, so dass an gar manchen unschuldigen Bürgern sich der Hass auf die nicht bezwingbaren Widersacher entlud.
Überdies aber wurde sogar niemanden gestattet, seine Toten zu begraben, was allen frommen Juden als allerfurchtbarstes Übel galt, weil dies den verstorbenen Seelen die Möglichkeit nahm, Ruhe finden zu können (i) bis zu der einstigen seligen Auferstehung ihrer würdig bestatteten Leiber (j). So fühlten sich gar bald viele nicht nur von den mordenden Horden, die einander bekämpften, sondern überdies in dieser gespenstisch gewordenen Stadt, die einer einzigen aufgeworfenen Leichenstätte glich, von den Seelen ihrer Angehörigen geplagt, die keinen Frieden finden konnten (k), da ihnen eine selige Ruhestätte verweigert worden war. Überall lagen verwesende Frauen, Kinder und Greise auf den Straßen und in den Gassen, die niemand bestatten konnte, wenn er sich nicht selbst zu seinen verstorbenen Angehörigen gesellen wollte (l). Schließlich hatte Joannes Bar Levi den inneren Vorhof des Tempels unter seine Gewalt gebracht und den Priester Eleazar Ben Simon umbringen lassen (m).
29-M: Derweil bereitete Titus seinen Einfall in die Nordstadt von Jerusalem vor!
In der Zwischenzeit war Vespasian tatsächlich, genau, wie es ihm von dem prophetisch begabten Priester Josephus geweissagt worden war, nach den gewaltigen Unruhen in Rom, die dem Ende des Kaisers Nero folgten, von der ganzen Heeresmacht des Imperiums zum neuen Kaiser erwählt worden und hatte sich nach Alexandria in Ägypten begeben, welche gleichsam die zweite Hauptstadt des Imperiums war, um von dort aus mit dem Heer in Ägypten nach Rom zu ziehen. Seinem Sohn Titus überließ er darum die Belagerung Jerusalems (a).
Dieser kesselte mit seinen Legionen die Hauptstadt ein – durch ein Lager östlich von Jerusalem auf dem Ölberg, sowie auch westlich der Stadt, vor allem aber durch seine Haupt-Festung auf der Anhöhe des Skopos nördlich über Jerusalem. Von dort aus wollte Titus die Stadt einnehmen (b). Denn im Westen erhob sich über tiefen Schluchten auf steil ansteigenden Felsen die mächtige Mauer der Ober-Stadt auf dem Berg Zion, wo sich – nördlich gelegen – der befestigte Palast des Herodes und die drei gewaltigen Türme Hippikus, Phasael und Mariamne befanden (c). Diese Mauer zog sich ebenso im Süden hoch erhaben bis zur östlichen Unter-Stadt hin und ragte sodann an der östlichen Seite gewaltig über dem Kidron-Tal empor, bis sie sich an die noch mächtigeren Mauern des nord-östlich in der Stadt gelegenen Tempels anschloss. Folglich war Jerusalem weder vom Westen, noch vom Süden, noch vom östlich gelegenen Ölberg her zu bestürmen, da sich hier ihre Stadtmauer mit gewaltigen Türmen über tiefen Schluchten auf steil ansteigenden Felsen erhob, welche die älteste von drei Abschirmungen der Stadt bildete, die bereits von dem glorreichen König David und seinem Sohn Salomo errichtet und von allen folgenden Königen Israels immer mächtiger ausgebaut worden war. Von diesen Seiten her also war Jerusalem schier uneinnehmbar (d).
Außerdem zog sich diese älteste Mauer auch mitten durch Jerusalem von den drei Türmen nördlich des Herodes-Palastes in der westlichen Ober-Stadt zum Tempelberg im Osten hin und bildete so innerhalb der Stadt ein weiteres Bollwerk zwischen der ursprünglichen, allein im Süden gelegenen Alt-Stadt, die hier früher mit dieser Mauer an ihrer Nord-Seite endete, und den nord-westlich darüber gelegenen zwei jüngeren Stadt-Teilen, welche zuerst im Osten und dann noch im Westen erbaut worden waren (e).
Von der Mitte dieser einstigen nördlichen Mauer, die sich von den drei Türmen des Herodes im Norden der westlichen Ober-Stadt bis zur Mitte der westlichen Mauer des nord-östlich gelegenen Tempels hinzog, verlief schließlich nach Norden hin noch eine weitere, zweite, später erbaute Mauer. Diese begann in der Mitte der ältesten Nord-Mauer beim Gennath-Tor, das früher hinaus zum nord-westlich gelegenen Kalvarienberg führte, wo der Herr seinerzeit außerhalb der Stadt gekreuzigt worden war (f), und verlief im rechten Winkel zu jener ältesten Nord-Mauer nordwärts zur Anhöhe des Skopos hin, um sich dann nach Osten und wiederum nach Süden hin zu wenden, wodurch sie den später entstandenen nord-östlichen Stadt-Teil umschloss, der sich über das Tyropoion-Tal bis hinauf nach »Bethesda«, dem »Haus der Barmherzigkeit«, erstreckte und schließlich bei der Burgfeste Antonia endete, die von König Herodes dem Großen über der Nord-Seite des Tempels erbaut worden war (g).
Die nord-westlich gelegene Gegend um Golgatha wurde schließlich zuallerletzt, erst in den Jahren nach Christi Kreuzigung, noch bebaut. Diese aller-jüngste »Neu-Stadt«, die darum den Namen »Bezetha« beziehungsweise »Kainopolis« erhielt, wurde schließlich von König Agrippa, dem Ersten, noch mit einer dritten Mauer unter Kaiser Tiberius Claudius umbaut. Hier wurden aber lediglich nur die Fundamente gelegt, um in Rom nicht durch allzu mächtige Wehr-Anlagen Misstrauen zu erwecken. So verfügte dieser dritte, jüngste Befestigungsgürtel lediglich über Brustwehren, jedoch auch über ganze neunzig Türme, wobei der Psephinus-Turm in der nord-westlichen Ecke von Bezetha einen Ausblick bis hin zum Mittelmeer, sowie bis tief nach Arabien hinein gewährte (h).
In diesen zwei nördlichen Teilen der Stadt, sowie auf dem Tempelberg, herrschte schließlich der Zelot Joannes Bar Levi von Gischala, dem sechstausend Schwerbewaffnete unter zwanzig Anführern ergeben waren. Diesem schlossen sich schließlich auch zweitausendvierhundert Widerstandskämpfer an, welche zuvor dem Priester Eleazar Ben Simon ergeben waren, den jener hatte umbringen lassen. Die südliche Ober- und Unter-Stadt dagegen befand sich unter der Gewalt des Sikariers Simon Bar Giora aus Massada, dem zehntausend Idumäer unter fünfzig Befehlshabern unterstanden (i).
Titus wollte also von dem noch höher gelegenen Skopos in die nord-westlich gelegene Neustadt einfallen, da Jerusalem von dieser Seite her am zugänglichsten war. Um seinen Heeren den Weg von dieser Seite zur Stadt hin einzuebnen, ließ er die gesamte Umgebung um Jerusalem verwüsten, um mit dem Schutt und Geröll der dem Erdboden gleichgemachten Vororte Schluchten aufzufüllen, damit sämtliche Wurfmaschinen, nämlich Katapulte, sowie kleinere Skorpione und Ballisten, in Stellung gebracht werden konnten. Mit dem aus eingerissenen Häusern oder gefällten Bäumen aus dem ganzen Umland gewonnenen Holz wurden schließlich Schutzwälle für die Heere und Bogenschützen errichtet und fahrbare Belagerungs-Türme erbaut, die mit eisernen Schilden gegen Brandwürfe gesichert wurden. Außerdem musste für die Bewegung dieser Holz-Türme, sowie auch für die mächtigen Ramm-Böcke zur Erschütterung der Mauern der Boden eingeebnet werden (j).
29-N: Schließlich nahm Titus die beiden befestigten Nord-Teile der Heiligen Stadt!
Erst als sich so die Bedrohung von außen zunehmend verschärfte, besannen sich die gegeneinander rivalisierenden Parteien des Simon Bar Giora und des Joannes Bar Levi endlich doch darauf, ihre internen Zwistigkeiten einzustellen, um miteinander dem gemeinsamen Todfeind zu widerstehen. Dann ließen sie ebenso Wurfmaschinen aus der Burg Antonia in Stellung bringen, welche die Aufständischen einst der römischen Besatzung entwendet hatten, die sich von dort in die Ober-Stadt geflüchtet hatte (a). Nach heftigen Kämpfen hin und her gelang es dem Titus schließlich, Bezetha, beziehungsweise Kainopolis, also die nord-westlich gelegene Neustadt, einzunehmen und die Widerstandskämpfer hinter die älteren Stadtmauern zurückzudrängen (b).
Sogleich ließ Titus diese jüngste Mauer um Bezetha komplett einreißen, wie auch die gesamte Neu-Stadt einebnen, um seinen Truppen mit all ihren Kriegsgeräten den Vormarsch zu den nächsten Mauern zu ermöglichen (c). Schließlich gelang es ihm, mit einem Widder-Rammbock auch eine Bresche durch die zweite Mauer um die Nord-Stadt von Bethesda und dem Tyropoion-Tal nord-westlich des östlich gelegenen Tempelberges zu schlagen. Diesen weit älteren Stadt-Teil wollte der Sohn des Imperators aber nicht zerstören, so dass er seine Truppen durch die geschlagene Bresche einziehen ließ (d).
Allerdings leisteten die Juden in heftigen Straßenschlachten erbitterten Widerstand, was die Heere des Titus unter der Aufstellung abwehrender Bogenschützen zunächst zum Rückzug zwang. Also blieb dem Titus nichts anderes übrig, als auch die zweite Mauer komplett niederzureißen und die Nord-Stadt vollständig einzuäschern, um seinen Truppen ungehinderten Zugang in diesen nord-östlich gelegenen Stadt-Teil zu verschaffen. So drängte er die Juden trotz zäher Gegenwehr hinter die erste und älteste Mauer zurück, welche die südliche Ober- und Unter-Stadt unterhalb des ebenso befestigten Tempelberges mit der Burg Antonia umgab (e).
29-O: In der belagerten Südstadt fielen bald die Verhungernden übereinander her!
Danach ließ er auf dem gänzlich verwüsteten Nord-Teil der Stadt seine gesamte Heeresmacht in Schlachtordnung aufmarschieren, um die Belagerten einzuschüchtern (a), und entsandte schließlich den Priester Flavius Josephus, der die Aufständischen dazu bewegen sollte, zu kapitulieren und sich der römischen Übermacht zu unterwerfen:
Titus stellte in Aussicht, Milde walten zu lassen. Andernfalls aber drohe der gesamten Stadt, wie aber insbesondere dem Heiligtum Gottes auf dem Tempelberg die völlige Vernichtung, wenn die Juden diesen geweihten Ort denn tatsächlich als eine kriegerische Festung missbrauchen würden.
Und Josephus beschwörte seine Volksgenossen, dass sie nur noch eine Chance auf göttliche Aushilfe hätten, wenn sie ihr Schicksal vertrauensvoll gänzlich in die Hände des Höchsten legen würden und dem Allmächtigen allein für sich streiten ließen, indem sie von weiteren Gewaltakten Abstand nehmen und nicht mehr selbst zu den Waffen greifen und für sich kämpfen würden (b), wie es auch ihre Vorväter nicht selten getan hatten (c). Andernfalls aber erwarte sie die völlige Vernichtung ihrer Stadt, wie auch ihres Heiligtums, darüber aber vor allem auch Pest und elender Hungertod (d).
Doch die fanatischen Widerstandskämpfer waren bereits vollends verstockt, so dass sie lieber ihren völligen Untergang einer Unterwerfung vorziehen wollten (e). In Jerusalem aber herrschte bereits so dramatische Hungersnot, dass die Ausgezehrten nicht nur Leder von Gürteln und Schuhen zu verzehren begannen, sondern selbst sogar ausgetrocknete Exkremente von Tieren, welche sie fanden, gierig verschlangen, wie auch vieles andere, dessen Verzehr eine jede Seele unter normalen Umständen aufs Höchste anwidern würde.
Ja: Viele wandelten sich in ihrer maßlosen Gier nach irgendetwas Essbaren regelrecht in reißende Bestien, so dass alle wie tollwütige Hunde übereinander herfielen und um die allerletzten Happen stritten, wobei sie selbst ihre einstigen besten Freunde und nächsten Angehörigen nicht schonten und Alte und Schwache, Greise und Kinder niedermachten, um ihnen den letzten Bissen zu entreißen (f).
Überdies fielen die Rotten der Zeloten und Sikarier und Idumäer in alle Häuser ein und verübten an der Bevölkerung, die sich ihrer fanatischen Raserei nicht angeschlossen hatte, die furchtbarsten Grausamkeiten, um ihnen noch etwaige letzte versteckte Lebensmittel zu entreißen (g). Überall auf den Straßen und in den Gassen, wie auf den Dach-Terrassen häuften sich verendete Leichen. Und da der Verwesungsgestank unerträglich wurde, begann man, sie über die Mauern in die Schluchten zu werfen (h).
29-P: Wo sie ihren Erlöser gekreuzigt hatten, fand sich bald ein ganzer Wald von Kreuzen!
Als Titus diese Berge von bis auf die Knochen ausgemergelten Leichen an den Abhängen der Stadt sich auftürmen sah, aus denen mit beißendem Gestank sämtliche Körperflüssigkeiten austraten, da rief er mit Entsetzen aus: „Nicht ich! Sie selbst tun sich das an! Und sie trifft der Götter Strafgericht!“ (a)
Dennoch wollte Titus mit einem Sturm auf den Tempel und die Süd-Stadt noch hinwarten, da er noch immer hoffte, die unsägliche Not, die innerhalb der ältesten Mauern Jerusalems ausbrach, würde die darin eingeschlossenen Tod-Geweihten doch noch zur Aufgabe bewegen. Und tatsächlich mehrte sich von Tag zu Tag die Zahl der Überläufer, denen es gelang, durch versteckte unterirdische Gänge aus der belagerten Stadt zu entfliehen. Titus ließ diese frei abziehen, da sie sich ergeben hatten.
Und doch konnten die Wenigsten von diesen ihrem grausamen Verderben entrinnen. Denn alle Überläufer, welche die Aufständischen noch innerhalb der Stadt zu fassen bekamen, wurden als Fahnenflüchtige an Ort und Stelle hingerichtet und nieder-gestreckt (b). Unter denen aber, welchen die Flucht gelang, überfraßen sich viele in ihrem unbändigen Verlangen nach Nahrung, sobald sie wieder an etwas Essbares kamen, und starben schließlich unter allerschlimmsten Magenkrämpfen. Andere hatten Silber, Gold und Edelsteine verschluckt, um so diese Güter mit sich durch die belagernden Truppen schleusen zu können. Als jedoch die Soldaten der syrischen Heere, die den Römern gestellt worden waren, dies mitbekamen, nachdem sie Flüchtlinge ihre Schätze aus ihren Exkrementen entnehmen sahen, stachen sie jeden Überläufer nieder, den sie zu fassen bekamen, und schlitzten ihn auf, um seine Eingeweihte nach verborgenen Schätzen abzusuchen (c).
Schließlich waren viele Entflohene, wenngleich sie dem Elend in der Stadt zu entrinnen suchten, deswegen keineswegs römer-freundlich gesonnen und dankten es dem Titus, dass er sie unbehelligt ziehen ließ, damit, dass sie das Wasser, welches er für seine Truppen von weit her bringen lassen musste, vergifteten (d). Viele Flüchtlinge, die aufgegriffen wurden, stürzten sich schließlich auch in den blindwütigen Kampf mit den Römern (e).
Als dem Titus dies zugetragen wurde, dass ihm seine Gnade in solcher Weise gedankt wurde, ließ er alle Flüchtlinge, die fortan ergriffen wurden, in der einstigen Neu-Stadt, die eingeäschert worden war, auf dem Kalvarienberg vor der letzten noch bestehenden Nord-Mauer der Stadt zur Abschreckung kreuzigen, um die Bevölkerung von Jerusalem endlich mürbe zu machen. Und die römischen Soldaten, deren Hass auf die Juden sich ins Unermessliche gesteigert hatte, die selbst in den Augen der Heiden mehr reißenden Bestien als menschlichen Wesen glichen, machten sich einen Spaß daraus, dass sie die Ergriffenen in den skurrilsten Stellungen an ihre Marterpfähle schlugen (f).
So kam es, dass auf dem Hügel von Golgatha, wo einst der Erlöser Israels von Seinem eigenen Volk gekreuzigt worden war, bald ein ganzer unüberschaubarer Wald von Kreuzen errichtet wurde, der sich täglich um weitere vierhundert Fluchhölzer vergrößerte, an welchen nun jene hingen, die einstmals gegrölt hatten: „Hinweg mit diesem! Kreuzigt Ihn!“ (g)
29-Q: Aber es geschahen noch größere Grauen!
Dann aber ereilte den Titus eine Nachricht, die ihn derart entsetzte, dass er zu dem Schluss kam, nicht noch länger darauf warten und hoffen zu dürfen, dass sich die Stadt ihm doch noch – von ihrer unsäglichen Not dazu getrieben – kampflos ergeben würde: Es verbreitete sich nämlich, dass eine Frau ihren eigenen Säugling getötet, geschlachtet und sich zum Verzehr gebraten und sogar tatsächlich zur Hälfte verspeist hatte (a).
Und in dieser unbeschreiblich abscheulichen, grausigen Tat erfüllte sich, was schon Mose seinem Volk im Falle seines Abfalls von seinem Heiland- und Erlöser-Gott angedroht hatte: „Man wird dich ängstigen in allen deinen Städten, bis all ihre hohen und festen Mauern niedergerissen worden sind, auf die du dich so verlässt, in deinem ganzen Lande; und du wirst geängstigt werden in allen deinen Städten, in deinem ganzen Lande, das der HERR, dein Gott, dir gegeben hat. Ja, und dann wirst du die Frucht deines eigenen Leibes verspeisen: das Fleisch deiner eigenen Söhne und Töchter, die der HERR, dein Gott, dir gegeben hat, in der unsäglichen Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird!
Der weichlichste und verzärteltste Mann unter euch, der zuvor verwöhnt und verhätschelt in Üppigkeit gelebt hat, wird missgünstig auf seinem nächsten Bruder blicken und scheel auf die Frau, die an seiner Brust lag, und selbst seinen kleinen Kindern, wie sehr sie auch darben mögen, nichts gönnen. Seinen Zöglingen wird er den kleinsten Happen aus dem Mund reißen in der unsäglichen Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird in allen deinen Städten. Und die weichherzigste Frau unter euch, die zuvor derart hofiert und verhätschelt in Üppigkeit gelebt hat, dass sie nicht einmal ihre Fußsohle auf die Erde setzen musste vor Verwöhnung und Wohlleben, die wird weder dem Mann, der einst an ihrem Busen lag, noch ihren eigenen Kindern und Zöglingen irgendetwas gönnen.
Ja, sie wird sogar den Säugling, den sie selbst geboren hat und den sie zuvor noch so liebevoll in ihren Armen getragen hat, heimlich abschlachten und verzehren und hinunterschlingen in der unsäglichen Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird in allen deinen Städten“ (b).
29-R: Die Gräuel, die in Jerusalem verübt wurden, zwangen Titus zur Erstürmung der Heiligen Stadt!
Als nun Titus von dieser grauenhaften Tat gehört hatte, verbot es ihm sein Gewissen, noch länger hin-zu-warten, statt unverzüglich einzuschreiten – auch wenn eine Erstürmung der Stadt die völlige Zerstörung ihres strahlenden göttlichen Heiligtums fordern sollte (a).
Dennoch sandte er noch ein letztes Mal den Josephus, um die Aufständischen zur Einkehr zu bewegen, und ließ ihnen anbieten, er wäre bereit, ihnen freien Abzug zu gewähren, um sich ihm an einem Ort ihrer Wahl zur letzten Entscheidungsschlacht zu stellen: So bliebe wenigstens ihr Heiligtum und ihre Stadt mit ihren Einwohnern, für die sie doch eigentlich kämpften, vor der völligen Vernichtung bewahrt (b).
Die Antwort der Fanatiker auf das Flehen des Josephus, dieses großzügige Angebot doch bitte anzunehmen, war jedoch ein Hagel von Pfeilen und Steinen, durch die auch jener letzte Vermittlungsversuch vereitelt und Josephus nieder-gestreckt, jedoch nicht getötet wurde (c).
Damit blieb dem Titus keine andere Möglichkeit mehr, als die Stadt doch noch mit letzter brachialer Gewalt nehmen zu müssen. So rückten die Sturmböcke gegen die Burg Antonia und die älteste Nord-Mauer an. In der Nacht wurde schließlich die Burgfeste genommen, und die römische Streitmacht drang in die Ober-Stadt ein (d).
29-S: Die Juden legten Feuer im Tempel und steckten damit ganz Jerusalem in Brand!
Nochmals sollte Josephus die Widersacher zum Einlenken bewegen. Und er beschwörte sie: „Ihr entweiht das Heiligtum, während die Heiden es geachtet haben!“ (a) Doch alles nützte nichts. Also ließ Titus von der Burg Antonia her den Tempel stürmen. Daraufhin aber setzten die Juden selbst die nördlichen Säulenhallen des äußersten Tempel-Vorhofs in Brand, um den Römern den Zugang in das Innere des Heiligtums zu erschweren (b).
Bald fand in den heiligen Hallen ein furchtbares Gemetzel statt. Hinzu kam noch das Übel, dass von den Aufständischen bezahlte falsche Propheten zuvor dem Volk verkündigt hatten, sie sollten im Falle der Erstürmung Jerusalems in den Tempel fliehen, da der Höchste ihnen dort zur Hilfe kommen würde! (c) All die Frauen, Kinder und Greise, die darum meinten, hier ihr Heil zu finden, wurden nun entweder von den in tollwütige Raserei geratenen römischen und syrischen Soldaten niedergemacht oder aber sie vielen den Flammen zum Opfer.
So türmten sich bald vor dem Brandopfer-Altar Berge abgeschlachteter Leichen, deren Blut in wahren Strömen über die Stufen zum Vorhof der Männer und Frauen rann (d). Und so erfüllte sich auch hier die Mahnung Jesu, dass alle, die von ihren gottlosen, grauenvollen Schlachtopfern nicht lassen wollten, dermaleinst selbst zur Schlachtung geführt werden würden (e).
Schließlich griff das Feuer, welches die Juden selbst im äußeren Vorhof des Tempels gelegt hatten, auf das ganze Heiligtum über, so dass dieses bald lichterloh in lodernden Flammen stand (f). Und von hier breitete sich die Feuersbrunst schließlich noch über die gesamte Süd-Stadt aus, so dass ganz Jerusalem einem einzigen Höllen-Kessel glich. Von allen Seiten war furchtbares Heulen und Schreien wie aus den tiefsten Abgründen der Hölle zu hören. Ja, und die Pferde der römischen Reiterei wateten überall bis zu den Knöcheln in triefendem Blut! (g) Und dieses grausige Spektakel hielt an, bis schließlich die ganze einst so glorreiche Heilige Stadt gänzlich in Schutt und Asche gelegt worden war (h).
Und wer immer von den Juden dieses furchtbare Gemetzel überlebt hatte, wurde versklavt und musste für den Rest seines Lebens – in irgendeine fremde Region des Reiches verschleppt – in Knechtschaft oder gar auf einer Sträflings-Galeere oder aber in den unterirdischen Tunneln eines Bergwerks ein erbärmliches Dasein fristen (i).
29-T: So hob das göttliche Gericht über das abgefallene Volk Gottes an!
Das also waren die Tage der Rache und Vergeltung, welche über das einstige Volk Gottes kamen (a), das verstoßen werden musste, weil es selbst Seinen Heiland und Erlöser verstoßen hatte (b). Und daran erzeigte es sich überdeutlich: Die Zerstörung des Tempels ereignete sich auf den Tag genau, wie es schon vormals unter Nebukadnezar war! (c) Und wie sie über eine Unzahl von Wiedergeburten Hass und Gewalt und Zorn der göttlichen Barmherzigkeit und Gnade vorgezogen hatten, so musste nun auch über sie selbst für eine Unzahl von Wiedergeburten Hass und Gewalt und Zorn anstelle von Barmherzigkeit und Gnade kommen (d).
Denn wie unbeschreiblich jene Gerichte auch waren, die zu dieser Zeit über ganz Israel kamen (e), so waren sie doch nur der Auftakt von noch weit schlimmeren Drangsalen, die in ihren folgenden Wiedergeburten noch über sie kommen sollten: In alle Welt zerstreut, beraubt ihrer Heimat und ihres Tempels, waren sie unter jeder Nation verhasst und verachtet (f). Im Mittelalter wurden sie als »Jesus-Mörder« von jenen, die sich für »Christen« hielten, aber keinen Deut besser waren (g), für jede Plage und Pestilenz verantwortlich gemacht und gelyncht und getötet oder in ausgetrocknete Brunnen geworfen. Und zu guter Letzt suchte ein von Satan erweckter Widersacher schließlich, sie gänzlich auszumerzen, so dass sie im Schatten des Adlers seines eiskalten und brutalen Volkes unsägliche Grauen erdulden mussten (h) und in Feuer-Öfen, die aus der tiefsten satanischen Hölle entzündet wurden, verbrannt und verkohlt wurden (i).
29-U: Nun aber beginnt es! Jetzt kommt für Israel wieder die göttliche Gnade!
So kam wahrlich alles über dieses Geschlecht, was ihm für seine Widersetzlichkeit angedroht worden war von Mose an bis auf Jesus! (a) Und doch erfüllte sich auch die Verheißung des Herrn von der unaussprechlichen Gnade Gottes über allem auch an diesem Volk, von welchem Christus kündete: „Aber es wird dieses Geschlecht über all dem doch nicht vergehen und nicht gänzlich zugrunde gerichtet werden, sondern am Ende von allem doch noch, endlich geläutert, das Heil in seinem Gott finden!“ (b)
Und schon beginnt es! Schon hebt es an! Dieses von aller Welt verachtete Volk, dem alle Nationen seine Vor-Erwählung neiden: es wurde nunmehr schon von allen Enden der Erde und vom äußersten Norden wieder gesammelt in dem ihm zugesprochenen Land (c); und es ist, obwohl es schon für gänzlich vernichtet und ausgelöscht erachtet wurde, doch wieder-erstanden, gleichwie aus den Toten! (d) Und gar bald werden diese alle, was weit wichtiger und bedeutsamer ist, auch geistlich wieder-erweckt werden, wenn sie endlich erkennen, wer es wirklich ist und es in Seiner unerbitterlichen Liebe auch immer für sie bleiben wird (e), den sie einstmals durchbohrt und verachtet und verstoßen und hingerichtet haben (f).